Mitte Dezember vergangenen Jahres wurde bekannt, dass Angestellten der Rathausverwaltung über mehrere Jahre hinweg Überstunden gezahlt wurden, die nicht geleistet worden waren. Mehrmals pro Woche nimmt sich seitdem Kabarettist, Puppenspieler und Stadtecho-Kolumnist Florian Herrnleben auf Facebook dieser Entwicklungen unter dem Titel „Herrnlebens Überstunde“ an. Wir haben mit ihm über das Projekt gesprochen.
Inwieweit empfindest du im Angesicht von Entwicklungen wie den aktuellen Freude über das humoristisch-kolumnistische Potenzial, das darin steckt?
Florian Herrnleben: Ich muss zugeben, dass ich persönlich lieber auf die kleinen Missstände hinweise. Die, die die Öffentlichkeit gar nicht so wahrnimmt, wo man Perspektiven eröffnet, die es so vielleicht noch gar nicht offensichtlich gab. Trotzdem bietet das aktuelle Thema natürlich ausreichend Potenzial. Freude hab ich an meinem Job, aber nicht an Missständen.
Inwieweit ärgerst du dich über solche Machenschaften?
Florian Herrnleben: Mich ärgert tatsächlich, dass ich seit vielen Jahren auf Ungereimtheiten hingewiesen habe. Auf der Bühne, aber auch privat. Hätte ich das nicht, wäre es ein großes Thema wie viele andere auch. Dass mich einzelne Stadträte als jemanden bezeichnet haben, der „ewigen Vermutungen“ hinterherhumpelt, offensichtlich nur um gutgläubig ihren Dunstkreis zu schützen, wieder andere mich angelogen haben, um selbst Profit zu schlagen, das ärgert mich wirklich. Man krönt die – nennen wir es von mir aus – „Machenschaften“ durch Unehrlichkeit.
Gibt es schon Reaktionen aus dem Rathaus auf die „Überstunde“?
Florian Herrnleben: Ja, natürlich. Aber nicht von ganz oben oder denen, die es betrifft. Dass viele Rathausmitarbeiter der mittleren und unteren Ebene heimlich, aber sehr gerne meine Verlautbarungen lesen, weiß ich.
Wie sehen die Reaktionen in den sozialen Medien aus?
Florian Herrnleben: Durchweg positiv. Es ist ja auch ein Aufregerthema, das Reaktionen provoziert. Ich lass die Protagonisten aus dem Rathaus leben, in dem Sinn, dass ich sie „ranhole“ und zu realen Personen mache. Am Ende steckt hinter meiner „Wortwitzkaskade“, wie es ein Leser bei Facebook so nett bezeichnete, neben Aufklärung auch Unterhaltung. An sich sind Lohnabrechnungen ein trockenes Thema, das aber durch meine Aufbereitung in die Breite getragen wird.
Die Bonuszahlungen belaufen sich auf mehrere 100.000 Euro – Zahlen, die für eine verhältnismäßig kleine Stadt wie Bamberg ziemlich hoch scheinen. Wie tief ist der politische Sumpf in Bamberg?
Florian Herrnleben: Ich glaube nicht, dass der Sumpf so tief ist. Es geht um viel Geld, ja. Aber meinem Kenntnisstand nach haben die allerallermeisten Rathausmitarbeiter ja eben nicht von dem System der Pauschalen und Prämien profitiert. Über diesen muss man in aller Deutlichkeit eine Lanze brechen, davon ganz abgesehen, dass die allen Grund haben, sauer zu sein, wenn jemand drei Büros weiter mit der gleichen Entgeltgruppe für die gleiche Arbeit 1000 Euro mehr im Monat bekommen hat.
Wie bewertest du die derzeitige, und zumindest anfänglich zwischen Unwissenheit und Desinteresse zu schwanken scheinende, Rolle des Stadtrats?
Florian Herrnleben: Ich hab alle Stadträte im November durch eine Kolumne im Stadtecho gewarnt. Nachgefragt, was da los ist, haben einige wenige. Die meisten haben es ignoriert. „Geht schon vorbei! Ja, der Herrnleben!“ Hat man sich dran gewöhnt, dass man alles einfach aussitzt? Ich würde in die Aufzählung noch „Überheblichkeit“ einfügen. Vom Souverän in den Stadtrat gewählt zu werden, heißt nicht, auch die Wahrheit gepachtet zu haben. Das Ross auf dem da einige zu sitzen glauben, ist noch ein Steckenpferd. Ich entschuldige jedem frischen Stadtrat seine Unwissenheit und Unerfahrenheit, aber Arroganz – wie nach Wahl zum Klassensprecher – tut da der Sache nicht gut.
Du schreibst, schon vor einigen Stadträten von den fraglichen Überstunden gewusst zu haben. Wie schafft man es, besser über Vorgänge im Rathaus informiert zu sein als Stadträte?
Florian Herrnleben: Glück, Zufall, Erfahrung, Vertrauenswürdigkeit? – Was weiß ich. Ich hab keine Ahnung, warum die Stadträte schlechter informiert sind. Vielleicht informieren sie sich schlechter? Scheuklappen sind oft nicht dienlich, und die braucht das Pferd, nicht der Reiter auf dem hohen Ross, um im Bild von vorhin zu bleiben.
Rechnest du mit rechtlichen oder personellen Konsequenzen auf die fraglichen Bonuszahlungen? Wenn ja, mit welchen?
Florian Herrnleben: Ja, alles andere würde mich schon sehr wundern. Als Kabarettist und politischer Mensch steht es mir zu zu urteilen, aber nicht zu verurteilen.
Es ist kein Geheimnis, dass du kein Freund von Oberbürgermeister Starke bist. Wie groß ist die Hoffnung, dass er im Gegensatz zu anderen für ihn ungünstigen Enthüllungen diesmal nicht ungestraft davonkommt?
Florian Herrnleben: Das stimmt so nicht, das ist ein Gerücht, dass sich wahrscheinlich deshalb verfestigt hat, weil ich nie Kabarett mit einem anderen Oberbürgermeister in Bamberg machen durfte und weil ich mit der sprachlichen Schärfe sicher heraussteche. Und „Freund“ ist sowieso ein zu großes Wort. Fakt ist, dass wir beide versuchen, unseren Job möglichst gut zu machen, hoffe ich doch jedenfalls. Als Kabarettist arbeitet man sich an der Macht ab, an den politischen Rändern, an der Gesellschaft und deren Auffälligkeiten. Man versucht zu erklären. Umso besser der OB ist, umso schwerer hab ich’s. Letztlich würde ich eher sagen „Da haben sich zwei gefunden“, auch wenn er mich wahrscheinlich nicht gesucht hat. Meine einzige, wirkliche Hoffnung ist, dass es sauber aufgeklärt wird, und dass dann auch diejenigen gerade dafür stehen, die es zu verantworten haben. Einmal ohne Geschwurbel und etwas demütiger als bisher oft.