Derzeit werden die Ausgangsbeschränkungen zwar zunehmend gelockert, die Zeit, die man zuhause verbringt, ist aber nach wie vor verhältnismäßig hoch. Dabei kann es passieren, dass die Zügel einigermaßen gesunder Ernährung anfangen zu schleifen und der Griff zur Chipstüte noch verlockender wird. Dabei böten gerade Zeiten des vermehrten Zuhause-Seins die Chance, auf einen gesunden Speiseplan umzustellen oder ihn bewusster aufrechtzuerhalten, weiß Ernährungsberaterin und Stadtechoredakteurin Birgit Scheffler. Mit ihr haben wir über Ernährung in Corona-Zeiten gesprochen.
Kann man sein Immunsystem durch gesunde Ernährung stärken?
Birgit Scheffler: Wer mit frischen und gesunden Zutaten kocht, stärkt sein Immunsystem, hebt die Stimmung und hilft dem Körper im Kampf gegen Infektionen. Wir brauchen derzeit viel mehr Lebensmittel mit einer hohen Nährstoffdichte und Begleitstoffe, die weniger Energie liefern, aber die Funktion des Körpers aufrechterhalten. Neben Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen haben wir das größte Paket an sekundären Pflanzenstoffen in Obst und Gemüse, das heißt, bei Gemüse gibt es kein Limit. So kann der Körper Eindringlinge wie Viren besser abwehren. Besonders Zwiebeln, Rettich, Lauch, Kohlrabi und Rotkohl wirken antibiotisch und schützen unseren Körper vor freien Radikalen. Im rohen Gemüse sind doppelt so viele sekundäre Pflanzenstoffe enthalten wie in gekochtem. Vollkornprodukte sind unersetzlich für die Vermehrung guter Bakterien im Darm. Sie enthalten neben Ballaststoffen reichlich Mineralstoffe und Vitamine. Die Mineralstoffe Zink, Eisen, Magnesium und die Vitamine B1, B2 und Folsäure sind für das Immunsystem besonders wichtig. Sauermilchprodukte sind Multitalente der Abwehr. Naturjoghurt, Quark, Dickmilch oder Kefir fördern das Wachstum von Laktobazillen und Bifidobakterien. Sie stabilisieren das säuerliche Milieu im Darm, fördern damit die Nährstoffaufnahme und stärken die gesamte Körperimmunabwehr. Fisch und Eier liefern Vitamin D und Omega-e-Fettsäuren. Vitamin D ist ein Multitalent in der Immunabwehr. Es fördert die Produktion von Abwehrzellen. Gute Vitamin-D-Quellen sind Pilze und Sprossen. Würzen Sie mit Paprika, Pfeffer, Senf, Chili und Ingwer. Die ätherischen Öle wirken antientzündlich, abschwellend und schmerzlindernd. Achten Sie auf ausreichend Flüssigkeitszufuhr. Ein Flüssigkeitsmangel trocknet die Schleimhäute aus, Krankheitserreger dringen schneller ein. Mineralwasser mit frischem Zitronensaft, Kräutertees oder Ingwerwasser sind als Durstlöscher geeignet. Meiden Sie gesüßte Getränke.
Welche Fitnesstipps haben sie für zu Hause?
Birgit Scheffler: In dieser Situation ist es nicht leicht, regelmäßig Bewegung zu machen. Doch nur so können wir unsere Leistungsfähigkeit erhalten, es bleiben Energiebilanz im Gleichgewicht und das Körpergewicht im Normalbereich. Körperliche Aktivität wirkt auch positiv auf die Psyche. Machen Sie im Laufe des Tages kurze aktive Pausen. Kurze Phasen körperlicher Betätigung summieren sich. Auch das Spielen mit Kindern oder Hausarbeit wie Putzen und Gärtnern sind effektive Möglichkeiten. Sogar in kleinen Räumen können Sie umherlaufen oder auf der Stelle gehen. Wenn Anrufe kommen, stehen Sie auf und gehen Sie während des Sprechens hin und her. Reduzieren Sie Ihre Zeit im Sitzen indem Sie so oft wie möglich aufstehen. Versuchen Sie alle 30 Minuten, das Sitzen zu unterbrechen. Überlegen Sie sich, einen Stehtisch einzurichten.
Entspannen Sie zwischendurch. Meditation und ein tiefes Ein- und Ausatmen können dabei helfen, ruhig zu bleiben.
In welchem Umfang sind Junkfood oder Dinge wie Chips erlaubt?
Birgit Scheffler: Es ist schon so, dass sich die Ausgangsbeschränkungen auf unser Essverhalten auswirken können. Gerade in Stresssituationen belohnen wir uns gerne mit fetthaltigen und süßen Nahrungsmitteln, die unser Belohnungssystem aktivieren. Leider enthalten Fastfood und Fertigprodukte eine süchtig machende Mischung aus Zucker, Fett, Salz und vielen Zusatzstoffen wie unter anderem Aroma- und Farbstoffe und Geschmacksverstärker. Diese Produkte können unser Gehirn auf suchtähnliche Strukturen umprogrammieren. In der Corona-Krise, die eine langanhaltende Stresssituation ist, sollten wir vermeiden, aus Langeweile zu essen und Ablenkung suchen. Wenn Chips und Co. eine Ausnahme bleiben, ist dagegen aber nichts einzuwenden.
Inwiefern bietet die Corona-Krise eine Chance, die eigene Ernährung umzustellen?
Birgit Scheffler: Natürlich bietet es sich in so einer Krise an, endlich die Ernährung umzustellen. Wie erwähnt, sollte dabei das Augenmerk auf Gemüse, Salat und Obst liegen. Gemüse sollte zur Hauptbeilage werden, bevorzugt saisonal und regional. Die Zeit zu Hause kann auch dazu genutzt werden, neue Rezepte auszuprobieren. Planen Sie Ihren Einkauf für die neue Ernährungssituation. Halten Sie drei Hauptmahlzeiten ein und vier bis fünf Stunden Pause zwischen den Mahlzeiten. Statt Süßigkeiten oder als gesunder Snack eignet sich eine Handvoll Nüsse oder Mandeln. Lassen Sie bei der Abendmahlzeit ab und zu die Kohlenhydrate (Brot, Reis, Nudeln, Kartoffeln) weg. Steigen Sie auf Vollkornprodukte um. Sie haben einen höheren Sättigungswert und mehr gesunde Inhaltsstoffe. Beobachten Sie Ihre Portionsgröße; wenn Sie satt sind, hören Sie auf zu essen.
Haben Sie zurzeit ein persönliches Lieblingsrezept?
Birgit Scheffler: Bohnen, Linsen, Kichererbsen sind eine gute Quelle für Proteine, Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe. Außerdem sind sie vielfältig einsetzbar und auch ein guter Fleischersatz.
- Sebastian Quenzer
- Foto: Pixabay, privat