Im April 1948 gründete sich, wenn auch noch unter anderem Namen als heute, die Diakonie Bamberg-Forchheim. Viele der Gründe, aus denen sich Menschen an den evangelischen, gemeinnützigen Hilfsverein wenden, sind in diesen 75 Jahren die gleichen geblieben. Einige andere galt es hingegen erst zu enttabuisieren.
Am 13. April 1948 wuchs das hiesige Vereinsregister um den Eintrag „Innere Mission Bamberg“. Dies war die Geburtsstunde des Diakonischen Werks Bamberg-Forchheim e.V. Seit seinen Anfängen war der neu eingetragene Hilfsverein dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche Bayerns angeschlossen. Nötig war der Schritt der Gründung geworden, um sich der drei Jahre nach Kriegsende immer noch von überall herbeiströmenden Heimkehrer und Versehrten, verwaisten Kinder und verwitweten Frauen annehmen und sie mit Unterkunft oder Dingen des täglichen Bedarfs versorgen zu können. „Auch kamen nach dem Krieg heimatvertriebene Flüchtlinge in die Städte“, sagt Dr. Norbert Kern, seit 2007 Vorstandsvorsitzender der heutigen Diakonie Bamberg-Forchheim. „Der Zuzug all dieser Leute nach Bamberg führte dazu, dass Hilfs-Angebote in der Region, vor allem für evangelische Christen, ausgebaut wurden.“
1948 habe man den größten Bedarf im Bereich der Kinderbetreuung und später in der Altenhilfe gesehen. Der Kindergarten St. Stephan in Bamberg und die Altenpflege-Einrichtung Hornschuch-Villa in Forchheim (später Seniorenzentrum Jörg Creutzer) stammen aus dieser Zeit. In den 1950ern kamen weitere evangelische Einrichtungen wie der Kindergarten an der Auferstehungskirche hinzu.
Damals begann auch das Aufgabenspektrum der Diakonie zu wachsen beziehungsweise begann sich das Hilfswerk Problemlagen zuzuwenden, die bis dahin gesellschaftlich wenig Aufmerksamkeit hatten. Dazu gehörten auch immer wieder Probleme, die öffentlich stigmatisiert waren, weil sie etwa mit Schwäche gleichgesetzt wurden. Noch fehlte zwar oft das Vokabular, in diesem Sinne etwa psychische Erkrankungen von Kriegsheimkehrern zu benennen – heute würde man zum Beispiel posttraumatische Belastungsstörung sagen. Aber eine in den 1970er Jahren von der Diakonie in den Haßbergen eröffnete sozialpsychiatrische Einrichtung zeugte schon damals zumindest von einem Willen, sich solcher Probleme anzunehmen und ihnen so nach und nach die Schambehaftetheit zu nehmen.
Im Diakonieauftrag am Menschen vereint
Knapp 50 Jahre nach der Gründung als „Innere Mission Bamberg“ erhielt die hiesige Diakonie ihre heutige Form und ihren heutigen Namen. So verschmolzen am 1. Januar 1999 der Diakonieverband Forchheim und das Bamberger Hilfswerk zur Diakonie Bamberg-Forchheim.
„In der Region gab es bereits Diakonie-Vereine in Gräfenberg und Forchheim“, sagt Norbert Kern. „Beide hatten in der ambulanten Kranken- und Altenpflege eigene Stationen betrieben. Um die Bürokratie für die ehrenamtlichen Mitarbeiter aber zu vereinfachen, hat das Diakonische Werk Bamberg damals die Geschäftsführung übernommen.“
Heute unterhält die Diakonie Bamberg-Forchheim 40 Einrichtungen in Stadt und Land für Kinder und Jugendliche, Familien, Geflüchtete, Arme, Pflegebedürftige und psychisch Kranke. In diesen Einrichtungen betreut und versorgt sie etwa 2000 Menschen in verschiedenen ambulanten Bereichen, 800 Menschen in der Altenhilfe und 900 Kinder und Jugendliche. Hinzu kommen etwa 500 Personen, die sich täglich an die Beratungsstellen der Diakonie wenden. Entsprechend groß ist mittlerweile auch die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Wir haben drei große Arbeitsbereiche. Der personalstärkste ist der stationäre und ambulante Altenhilfebereich mit etwa 900 Mitarbeitern. Dahinter folgen die Kindertagesstätten und die Sozialpsychiatrie mit etwa je 200 und der Beratungsbereich mit etwa 150 Mitarbeitenden.“ Alle davon seien sie im Diakonieauftrag am Menschen vereint. „Wir wenden uns dort, wo wir Not und Bedürftigkeit sehen, den Leuten zu.“
Einschränkung im Hilfsangebot gibt es nur dann, wenn die Diakonie glaubt, nicht kompetent genug besetzt zu sein, „und dort, wo wir nicht zwingend in Konkurrenz mit anderen Trägern gehen wollen. Denn was wir zum Beispiel nicht anbieten, sind Hilfsangebote für Familien mit Erziehungsschwierigkeiten oder für minderjährige unbegleitete Geflüchtete. Dafür gibt es bereits genug soziale Träger.“
Wachsender Bedarf nach Hilfe
Trotzdem herrscht keine Unterbeschäftigung bei der Diakonie. Entweder kamen in den 75 Jahren neue Nöte hinzu oder es wuchs bei bestehenden der Bedarf nach Abhilfe. Zu zweiterem zählt vor allem die Altenhilfe. Bekanntermaßen geht es dem Gesundheitssystem nicht gut. Dafür, dass die Bevölkerung immer älter wird, also länger körperlich gesund lebt, sorgt es aber doch. Im gleichen Zuge steigen jedoch auch die Zahlen psychisch Pflegebedürftiger, etwa wegen Demenzerkrankungen.
Könnte man entsprechend anhand der Zahlen der Hilfsbedürftigen, die sich an die Diakonie wenden, ablesen, wie ausgeprägt die Missstände im Land sind? „Ich bin Optimist“, sagt Norbert Kern. „Bei mir ist das Glas immer halb voll und ich finde, man muss aufpassen, nicht alles schlecht zu reden. Natürlich haben wir heute mehr Bedürftige, aber es gibt auch sehr viele positive Entwicklungen, sich um sie zu kümmern. Ich würde sagen, wir können zufrieden sein, in einem guten und wohlhabenden Staat zu leben, der sich um die Bedürftigen kümmert. Dass wir aber auch in Zukunft Herausforderungen haben werden, ist klar. Wichtig für die Diakonie ist es einfach, Menschen zu fördern, zu fordern und möglichst viele ins Boot zu holen, um ihnen qualitativ gute Lebensperspektiven und Chancen zu geben, voller gesellschaftlicher Würde.“
Entsprechend hat die Diakonie zum Beispiel ihr Altenhilfe-Angebot in den letzten Jahren ausgebaut. „Wo wir dabei Wachstum generiert haben in den letzten 15 Jahren, ist neben unseren ambulanten Einrichtungen auch der Bereich der teilstationären Altenhilfe mit dem Angebot der Tagespflege“, sagt Norbert Kern.
Ein weiteres Thema, bei dem die Diakonie steigenden Hilfsbedarf feststellt, ist die Schuldnerberatung. „Immer mehr Menschen geraten in die Insolvenz oder haben große Geldsorgen. So haben wir aus der allgemeinen kirchlichen Sozialarbeit heraus vor etwa zehn Jahren eine Schuldnerberatungsstelle aufgebaut.“ Oder ein weiteres, früher unbekanntes Thema: „Wer hätte vor 30 Jahren an Kinderkrippen gedacht? Heute sind sie eine Selbstverständlichkeit und der Anspruch auf einen Platz in diesen Einrichtungen ist gesetzlich gesichert.“
Wobei die bloße Existenz von Anlaufstellen nicht immer bedeuten muss, dass die Hilfe, die sie anbieten, auch in Anspruch genommen wird. Denn, wie erwähnt, war lange Zeit vieles schambehaftet oder tabuisiert, was zum Beispiel mit psychischen Erkrankungen zusammenhing. Lange Zeit trauten sich etwa von Burnout, Depressionen oder Belastungsstörungen Betroffene oder auch Angehörige von geistig Behinderten einfach nicht, sich Hilfe zu suchen, damit an die Öffentlichkeit zu gehen.
„Als ich 2007 in Bamberg bei der Diakonie anfing, standen wir mit etwa 30 psychisch kranken Menschen in der Stadt in Kontakt. Heute sind es fast 200. Das liegt aber nicht daran, dass wir sie irgendwo mit der Lupe gesucht hätten. Das gesellschaftliche Klima gegenüber psychischen Erkrankungen hat sich einfach verbessert.“
Gesellschaftlicher Wandel
Heute liegen die Dinge anders und Themen, die Sozialverbände wie die Diakonie früher fast allein bearbeiten mussten, haben mittlerweile einen breiteren gesellschaftlichen Anklang gefunden.
„In den letzten 15 Jahren wurden die soziale Inklusion und Integration verschiedener Gruppen ein Schwerpunkt unserer Arbeit“, sagt Norbert Kern. „Das gilt zum Beispiel eben auch für die Integration von psychisch Kranken in den Arbeitsmarkt. Das war vor 20 Jahren kein Thema und es gab sogar erhebliche Widerstände dagegen, nicht zuletzt rechtliche. Da hat aber ein gesellschaftlicher Wandel stattgefunden, der nicht zuletzt durch sozialpolitische Lobbyarbeit von Verbänden wie der Diakonie kam. Themen und welche Positionen dazu eine Gesellschaft vertritt, änderten sich oder werden überhaupt erst wahrgenommen. Gerade bei psychisch Kranken.“
Bei diesem ins gesellschaftliche Licht Rücken von vorher nicht-salonfähigen Themen tritt zudem eine der Hauptaufgaben des Vorstandsvorsitzenden Kern hervor. „Meine Aufgabe an der Spitze der Bamberger Diakonie ist es, mit relevanten Partnern zu sprechen – das können Politiker oder Institutionen sein – und dabei sozialpolitische Themen und Probleme anzusprechen, um darauf hinzuweisen, was wir tun sollten.“
Auch im 75. Jahr ihres Bestehens lässt die Diakonie Bamberg-Forchheim nicht davon ab, sich um diejenigen zu kümmern, „die ein bisschen am Rande der Gesellschaft stehen. Heute sind wir mit verschiedenen Themen als Gesellschaft weiter als damals, aber wir müssen auch immer noch dazulernen.“