In diesem Jahr feiert die Hip-Hop-Band Bambägga ihr 20jähriges Bestehen. Dazu wird es im Oktober einen großen Jubiläums-Abend mit Konzert geben. Wir haben uns mit Mitgründer und Frontmann Jonas Ochs unterhalten, der auf einige Anekdoten aus den vergangenen zwei Jahrzehnten zurückblicken konnte.
„Mein erster Berufswunsch, war tatsächlich Müllfahrer“, erinnert sich Jonas Ochs. „Mich hat das total begeistert, wie die Leute sich da hinten auf dieses Trittbrett stellen konnten, mit einer Hand festhalten und dann bist du an der frischen Luft.“ Dieser Kindheitstraum erfüllte sich zwar – zumindest bisher – nicht. Dennoch merkt man Jonas Ochs an, dass er seinen Traumberuf gefunden hat. Und auch alle weiteren Bereiche, in denen er engagiert ist, geben ihm offensichtlich Energie.
Nach seinem Abitur absolvierte Jonas Ochs seinen Zivildienst bei der Lebenshilfe, wo nach Abschluss seines Sozialpädagogik-Studiums dann fest anfing und jetzt das ambulant unterstützte Wohnen leitet. Zuvor hatte er als Teenager mit 2 Mitstreitern noch zu Schulzeiten Bambägga gegründet.
Die Hop-Hop-Band mit inzwischen veränderter Besetzung war und ist auch ständig im sozialen Bereich aktiv, woraus sich auch immer Berührungspunkte mit der Lebenshilfe, wo sie unter anderem Workshops mit Mitarbeitenden abhält.
Der Bägga hat gerufen
Bambägga wurde 2005 von Jonas Ochs, Franz Bläser und Constantin Kern alias Cony MC gegründet, später stieß DJ Mighty Mike dazu.
Cony MC ist mittlerweile Trainer im Nachwuchs bei Alba Berlin, dennoch weiterhin Teil der Band, zu der als drittes Mitglied seit 15 Jahren David Ochs alias DJ Adam gehört, der wie sein Bruder bei der Lebenshilfe arbeitet, er ist bei Integra Mensch zuständig für den Bereich „ausgelagerte Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung“.
Die erste CD erschien bereits im Gründungsjahr – „Der Bägga hat gerufen“. Von der Produktion her sei es noch „total hemdsärmelig“ gewesen, beschreibt es Jonas Ochs. Das erste Lied entstand mit einem Aufnahmegerät in der Bäckerei Schüller, das letzte nachts vor dem und beim Giecher Beck, und der Bäcker selbst durfte Pizzaleberkäs-Sprüche aufsagen. Das Thema Brot und Backen zieht sich durch die folgenden CD-Veröffentlichungen der Bambägga.
„Das war anfangs schon sehr do-it-yourself-mäßig. Als wir das erste Mal im Studio waren, hat uns der Studiotechniker die Knöpfe gezeigt und dann haben wir aufgenommen.“ Um die Einstellungen identisch zu haben, wurden mit einer analogen Kamera Fotos gemacht und beim nächsten Mal die Regler wieder genauso eingestellt wie auf dem Foto. Die CD-Booklets haben die Jungs damals selbst zusammengestellt, geschnitten und dann in die CD-Hüllen gepackt.
Nachdem die erste CD mit einer Auflage von 150 Stück, die mittlerweile Sammlerwert hat, vergriffen war, gab es keine Nachproduktion, sondern die Band machte sich direkt an die zweite CD, bei der viel mehr Wert auf Details gelegt wurde und die Produktion schon deutlich professioneller gelaufen sei. „Ein echter erster Meilenstein war dann die dritte CD, weil wir dann auch mal mit einer Liveband im Studio waren und die Sachen richtig eingespielt haben mit Leuten, die wirklich damals schon lange im Musikgeschäft waren.“
Mittlerweile geht das Ganze wesentlich schneller, die Technik und ein eingespieltes Team machen es möglich. „Pyromusic von Alexander Döbereiner ist unser Haus- und-Hof-Studio seit Ewigkeiten und Alex hat die Voreinstellungen. Ich gehe dahin und rappe ein Lied ein und bin nach einer Stunde fertig, es ist deutlich vereinfachter.“
Live-Premiere: Zwischen Karate-Gruppe und Flohmarkt-Eröffnung
Bevor die Band loslegte, hatte Jonas Ochs schon einige Jahre für sich alleine Hip-Hop einstudiert. „Als ich 13, 14 war, war das umgänglich. Eine damals sehr angesagte Band waren die „Absoluten Beginner“, die haben in Bamberg ein Konzert gegeben, und da war eigentlich jeder dort“, erinnert sich Jonas Ochs „Und dann habe ich das zum ersten Mal gesehen und wollte das unbedingt auch machen.“ Inspiriert hat ihn dann vor allem das Album „Blauer Samt“ von Torch. Mit Torch, einem der ersten Deutschrapper, ergab sich später ein Kontakt, der bis heute anhält und der Bambägga auch schon zwei Mal buchte.
Jonas Ochs begann im Stillen und Verborgenen, es gab kein Internet, es gab kein Tutorial, er kannte auch niemanden, der schon Hip-Hop gemacht hatte. Also brachte er es sich in mühsamer Kleinarbeit bei. Er hat CD-Texte abgeschrieben, gelernt, wie Reime gesetzt werden, und dann seine Skizzen erst mal im Schuhkarton verstaut, bis er überhaupt den Mut gefasst hat, sich auch auf dem Pausenhof vor den Kumpels zu präsentieren. Erst Richtung Schulabschluss war es so weit. Vor 20 Jahren hat er seinen Zivildienst in der Lebenshilfe absolviert und damit hat quasi auch Bambägga begonnen. „Der Mut und auch das Selbstbewusstsein von Menschen mit Behinderung hat mich damals angesteckt. Ich hatte das Gefühl, ich muss mir einfach mal eine Scheibe abschneiden und sagen, ich mache das jetzt einfach. Egal ob jemand sagt, ich sei der große Superstar und mega talentiert, einfach machen. Das kann ich mir echt auch von unseren Klienten bis heute abschauen.“ Hätte er nicht bei der Lebenshilfe gearbeitet, hätte es vermutlich Bambägga nie gegeben. „Ich hätte mich das wahrscheinlich nie getraut, weil ich eigentlich per se eher ein schüchterner Typ war. Und ganz weit weg davon zu glauben, ich mache irgendwann mal einen Podcast mit dem Biogärtner Sebastian Niedermaier und hänge als Musketier am Ertl. Oder ich sitze jetzt hier und rede über 20 Jahre Band und 850 Konzerte. Da habe ich echt viel durch die Begegnung mit unseren Klienten für mich mitgenommen.“
Den ersten Live-Auftritt hatte Bambägga 2005 in Forchheim Nord bei einem Stadtteilfest. „Vor uns war eine Karate-Gruppe, nach uns wurde der Flohmarkt eröffnet. Es geht nicht unspektakulärer“, sagt Ochs und lacht, „also von daher sage ich jetzt auch jeder Nachwuchsband, ´wartet nicht auf diesen großen Moment, sondern startet klein‘. Das alles sind Erfahrungen, die man macht und die uns geprägt haben. Die Gage waren übrigens zwei Spezi und a Bratwurstbrödla pro Person.“
Im gleichen Jahr hat Bambägga dann auch bereits begonnen, eigene Veranstaltungen zu machen, im damaligen bfz-Keller und im Immerhin sind sie danach unter anderem öfters aufgetreten – und der Radius wurde rasch und sukzessive größer. „Wir haben einfach alles angeschrieben und wir sind durch ganz Deutschland gefahren. Wir haben Demo-CDs gebrannt und dann in der Brotzeittüte – wegen Bambägga – an alle Jugendzentren in Deutschland verschickt mit einem selbst geschriebenen Brief. So haben wir die Gigs akquiriert.“ Während damals quer durch Deutschland überall gespielt wurde, sei es mittlerweile regionaler geworden.
Auch bis zum ersten richtig großen Auftritt dauerte es nicht lange. Dieser ist auch eines der Highlights aus zwei Bambägga-Jahrzehnten, an die sich Jonas Ochs lebhaft erinnert. „Wir waren Vorband von den Fantastischen Vier. Das erste Mal spielten wir wirklich vor richtig viel Publikum, in Coburg auf dem Schlossplatz. Uns gab es damals eineinhalb Jahre, wir hatten uns die Plattenspieler aus dem Jugendzentrum am Margaretendamm ausgeliehen und standen vor 6.000 Leuten als Vorband der Fantastischen Vier.“ Hatten sie in Forchheim Nord oder im Immerhin vor maximal 100 Leuten gespielt, standen in Coburg plötzlich tausende Leute vor der Bühne. Dieser Auftritt hat Bambägga außerdem an dem Tag viele Kontakte und neue Konzerte beschert. Was für Jonas Ochs immer wieder Highlights sind, sind Momente im Kleinen, die eher nachdenklicher sind. „Wir haben ja auch Workshops gemacht beim Hospizverein, mit Menschen, die Menschen verloren haben und darüber einen Song gemacht haben. Und da ist es schön zu sehen, was Hip-Hop oder das Texteschreiben und das Rappen Leuten auch im Kleinen geben kann.“
Soziales Engagement von Anfang an ein wichtiges Element
Die Arbeit der anfangs erwähnten Müllabfuhr hat neben der Aufgabe auch eine wichtige soziale Komponente. Etwas das auch den Mitgliedern von Bambägga immer wichtig war. „Mit Menschen in Kontakt sein und auch der Gesellschaft was zurückgeben ist was, was auch wir immer machen wollten. Ich glaube, ich spreche für die ganze Band, aber für mich persönlich ist es etwas Nützliches“, so der 39jährige. Die Jungs sahen sich von Anfang an nicht als Business-Typen, betont Ochs. „Bestimmt hätte man in den letzten 20 Jahren mal so retrospektiv gesehen in dem einen oder anderen Moment auch cleverere Business-Entscheidungen treffen oder sich besser verkaufen können, aber das war jetzt nie der Ansatz. Wir haben immer versucht, nach dem Herz zu entscheiden und sind uns da hoffentlich auch soweit treu geblieben.“ Was sie allerdings auch konnten, weil sie trotzdem auch schnell gemerkt haben, dass ihr musikalisches Wirken „wahrscheinlich mit dem Namen, mit dem Standort und unserem Talent für die ganz großen Bühnen nicht reicht, da haben wir uns relativ schnell auch selber einschätzen können.“ Alle haben ihren Vollzeitjob und mit der Band schon weit mehr erreicht als sie sich hätten vorstellen können. „Wenn man nicht muss, ist vieles deutlich entspannter und auch nur von Leidenschaft geprägt.“
Das Spektrum der Band an Auftritten ist breit. Die Jungs haben mit dem Hospizverein mit Menschen, die Angehörige verloren haben, gearbeitet. Sie haben mit Menschen mit Behinderung gerappt. Sie haben Seniorenheimkonzerte während Corona gemacht. „Vom Spektrum her gibt es eigentlich in den 20 Jahren fast nichts, was nicht passiert ist. Und von daher haben wir da schon ziemlich alle Lebensbereiche vom Elementar-Frühkindlichen bis hin zu den Senioren alles abgedeckt“, reüssiert Ochs.
Die Band war auch in Russland, in Hongkong oder in Sarajevo aktiv. In Russland, auf Initiative des Goethe-Instituts, war die längste eine fünf Wochen dauernde Tour. Bambägga spielte in Moskau unterhalb vom Roten Platz auf einem Schiff, in Irkutsk in Sibirien bei minus 27 Grad. In Russland wie in Hongkong oder Sarajevo – stets wurden Konzerte mit Workshops verbunden. Auch hier war ein sozialer Aspekt, ein Bildungsauftrag, inkludiert. „Bildungsunterricht mit anzubieten ist uns auch wichtig. Wo kommt Hip-Hop her, aus welchem sozialen Ursprung, was ist die eigentliche Aufgabe? Man braucht nicht unglaublich viel Talent, man braucht nicht super Deutschkenntnisse, muss keine Noten lesen können und trotzdem kannst du ein musikalisches Ergebnis in kürzester Zeit kreieren. Innerhalb einer Stunde konnten die Kinder mit uns rappen – auf Deutsch. Ohne dass sie Deutschkenntnisse oder wir Kenntnisse der Landessprache hatten. Sprache als Botschaft sozusagen. Deutsch kann ja auch eine coole Sprache sein. Auch normales Hochdeutsch hat wirklich viele Möglichkeiten und Räume, kreative Bilder entstehen zu lassen. Und nicht ohne Grund sind wir das Land der Dichter und Denker. Und das so ein bisschen in die Neuzeit zu transportieren, war auch unser Anspruch.“ Dazu wollte die Band auch immer sympathisch die Stadt repräsentieren. „Zu sagen, hey, wir kommen aus Bamberg, das ist ein wunderschöner kleiner Ort. So haben wir auch immer versucht, einfach gute Botschafter für unsere Stadt zu sein“, so Ochs. „Und haben da eigentlich echt nur positive Erfahrungen gemacht.“
Komponieren am Strand zur Erholung
Während die Rapper Jonas Ochs und Cony MC die Texte schreiben und komponieren, produzieren hauptsächlich drei Partner die Beats: Ralle-Beats, 85 Dezibel und Scratch‑D. David Ochs spielt als DJ Beats ab, macht aber auch Live-Scratching und bringt da auch nochmal seine individuelle Note mit ein. Er konnte dem Bruder schon als Kind über die Schulter schauen und entwickelte auch früh seine Liebe zur Musik. Mittlerweile ist er seit 15 Jahren bei Bambägga, legt allerdings auch selbstständig als DJ Adam auf und produziert selbst Musik. „Andere kriegen zur Konfirmation eine Uhr oder Geld und David hat halt seine ersten Plattenspieler bekommen“, erinnert sich Jonas Ochs. „Und er hat dann, als er 14 war, angefangen aufzulegen, zu mixen und als bei uns der DJ ausgestiegen ist, weil er nach Leipzig gezogen ist, dann stieß David zu uns.“
Das Musikmachen, das Komponieren, Schreiben und Texten bezeichnet Jonas Ochs als pure Entspannung, „wie wenn ich mich massieren lasse.“ Auch im Pfingsturlaub an der Adria ging er früh um sieben raus an den Strand, um Texte zu schreiben ins Handy zu rappen und Skizzen zu machen, und kam anschließend mit frischen Brötchen zu Frau und Töchtern zurück ins Hotel.
Die Band hatte von Anfang an den Anspruch, als Kinder dieser Stadt der Stadt einen coolen Stempel aufzudrücken. „Wir beschlossen, wir nennen uns Bambägga, wir sind von hier, wir erzählen von hier Geschichten. Und ich wollte, dass irgendeiner einmal auf einer CD „Bamberg“ sagt. Von Leuten unter 50. Also, dass Jugendliche sich mit dem Standort identifizieren und dass auch Generationen darüber hinaus das als einen coolen Ort sehen, und witzige Geschichten erzählen.“ Das ist der Band jetzt die ersten 20 Jahre gelungen. Mittlerweile gibt es eine Generation von 50 plus, die selber früher mit Hip-Hop groß geworden ist. „Das gab’s ja damals noch nicht. Hip-Hop ist immer noch eine Jugendkultur“, sagt Jonas Ochs. Und viel der Besucher von damals kommen jetzt mit ihren Kindern zu Bambägga.
Im August gibt es wieder eine Kooperation mit dem Hospizverein. In diesem Jahr sicherlich noch einige weitere Lieder. Und am 17. Oktober im Live-Club den Jubiläumsabend, bei dem alle ehemaligen Bandmitglieder vor Ort sein werden, dazu jede Menge Special Guests und Weggefährten, die die Band seit damals begleitet haben. Geplant ist zweieinhalb Stunden Live-Show nur von Bambägga, dazu Tanzeinlagen und verschiedene Special-Effekts. Und vermutlich wird Jonas Ochs beim großen Jubiläumsabend die eine oder andere weitere Anekdote zum Besten geben, für den es noch Karten gibt.
Und wer weiß: Vielleicht ergibt sich nach 20 Jahren Hip-Hop-Geschichte in Bamberg und Aktionen in vielen Gegenden der Welt auch während der nächsten 20 Jahre noch die Möglichkeit, ein Rap-Video auf dem Trittbrett eines Müllwagens zu drehen. „Wenn das hier die zuständigen Müllabfuhrunternehmen lesen, ich bin ready, also ich würde gerne mal auch einfach auf einem Müllwagen ein Rap-Video drehen. Das fände ich auf jeden Fall geil“, so Jonas Ochs.
