Unter besseren Bedingungen als noch im letzten Jahr startet das Bamberger Literaturfestival 2022 in seine siebte Ausgabe. Vom 5. Mai bis 3. Juni finden sich überregionale und lokale Autorinnen und Autoren in Bamberg ein, um aus ihren Werken zu lesen. Programm-Highlights sind die aktuelle Trägerin des Deutschen Buchpreises Antje Rávik Strubel, Kolumnist Max Goldt, Sönke Wortmann und Rüdiger Safranski. Aber auch Bamberger Vertreterinnen und Vertretern bietet das Programm viel Platz.
Aslı Heinzel ist Leiterin eines Buchgeschäfts in Bamberg und Teil der Bamberger Literaturfestival UG, die jährlich das Festival im Auftrag des Landkreises ausrichtet. Außerdem übernimmt sie Moderationen bei den Lesungen. Wir haben mit ihr über das Bamberger Literaturfestival 2022 gesprochen.

Frau Heinzel, wie hat sich die Organisation des Festivals dieses Jahr unter Corona-Bedingungen gestaltet?
Aslı Heinzel: Nun, die Autor*innen für Bamberg zu gewinnen, war nicht die große Herausforderung. Alle wollen und möchten wieder live ihrem Publikum gegenübertreten und die Atmosphäre vor Ort genießen. Aufgrund der Pandemie-Situation im November mit dem Quasi-Lockdown für Veranstaltungen waren wir jedoch gezwungen, das fertig gebuchte Programm noch einmal auf einen späteren Zeitpunkt im Mai und Juni zu verlegen. Es war uns ein Anliegen, unserem Publikum eine möglichst normale Situation anbieten zu können, was sich bereits auf politischer Ebene angedeutet hatte und jetzt nun hoffentlich ab spätestens Anfang April Realität werden wird.
Was hat es mit dem diesjährigen Motto „Weil Kultur sich bewährt“ auf sich?
Aslı Heinzel: Kultur bewährt sich, weil Kultur sich bewähren muss. Nichts hat in den letzten zwei Jahren der Pandemie so sehr gelitten wie die Kultur, und zwar in allen erdenklichen Sparten. Kultur ist wichtig. Ich kann zwar nur aus der Sicht einer Buchhändlerin sprechen, aber zu lesen ist so verdammt wichtig. Lesen erweitert unseren Horizont, es bildet, wir lernen Dinge durchs Lesen. Es erweitert unsere Sicht auf die Welt, es ermöglicht uns, in Leben reinzugehen, in die wir sonst nie Einblicke bekommen würden.
Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie die Auswahl der Autorinnen und Autoren, die dieses Jahr lesen, getroffen?
Aslı Heinzel: Wir haben einerseits geschaut, wen wir uns wünschen – nach persönlichen Vorlieben – andererseits haben wir darauf geachtet, was an aktuellen Themen aufzugreifen ist. Herausgekommen ist, wie eigentlich in jedem Jahr, eine breite Auswahl von Sachbuchlesungen wie „Hybris“ von Johannes Krause und Thomas Trappe, bei der es um Genetik geht, oder auch Dirk Steffens mit seinem Werk „Projekt Zukunft“ zu Umweltschutz und Artensterben, über Biographien, Belletristik und Musikthemen. Und ein Schwerpunkt ist natürlich auch das diesjährige E.T.A. Hoffmann Jahr zum 200.Todestag, das wir mit diversen Angeboten darstellen.
Im Programm sind deutlich weniger Autorinnen als Autoren dabei. Wie kam das?
Aslı Heinzel: Diese Frage taucht, leider, jedes Jahr auf, verhält sich jedoch in der Tat so wie auch gesamtgesellschaftlich. Wir schauen, welche Themen wie besetzt werden können, entscheiden nach Terminverfügbarkeit, Anspruch und Inhalt und haben dann ein Programm. Eine Frau auszuwählen, nur weil sie eine Frau ist, ist der falsche Ansatz. Und: Mit Tanja Kinkel, Antje Rávik Strubel, Anne Gesthusen, Sarah Straub, Juliane Stadler, Nadine Luck, Heike Mallad, Eva Muggenthaler, Lara Schützsack, Juliane Pickel, Judith Allert, Anna Taube sowie Anna Albrecht und Susanne Rebscher haben wir doch eine ganze Reihe von Erwachsenen- und Kinderbuchautorinnen im Programm! Und nicht zu vergessen: Das BamLit-Team ist fest in weiblicher Hand mit mir, Renate Kühhorn und Gaby Heyder.
Auf der Homepage des BamLit wird Klaus Stieringer immer noch als Mitglied der Öffentlichkeitsarbeit des Festivals angegeben. Möchte man da nicht sagen: Ausgerechnet er?
Aslı Heinzel: Gegenfrage: Warum nicht? Klaus Stieringer als Vertreter des Stadtmarketings ist Mitbegründer des Literaturfestivals und hat in den inzwischen sieben Jahren unserer ehrenamtlichen Arbeit entsprechend genauso positiven Anteil wie alle anderen Beteiligten. Das Literaturfestival ist dort politisch, wo Autoren*innen zu Wort kommen, nicht in der tatsächlichen Arbeit.
Am 13. Mai liest die aktuelle Trägerin des Deutschen Buchpreises Antje Rávik Strubel. Ist sie der Stargast des Festivals?
Aslı Heinzel: Ja, das kann man sagen. Und sie war auch ganz einfach zu erreichen. Letztes Jahr, kurz vor Weihnachten, habe ich ihr einfach eine Email geschickt, ich wusste ja, dass sie Stipendiatin in der Villa Concordia war, und gefragt, ob es denn nicht möglich
wäre, dass sie eine Lesung beim Bamberger Literaturfestival 2022 macht. Sie ist hochsympathisch, bescheiden und ihr Buch „Blaue Frau“ über sexuellen Missbrauch und Fremdheit im eigenen
Körper macht fix und fertig. Das ist ein Werk, das extrem unter die Haut geht. Und es spricht für sie, dass sie für das Literaturfestival extra noch einmal nach Bamberg zurückkehrt.

Mit Martin Neubauer, Nadine Luck, Helmut Vorndran und Thomas Kastura scheint ein Gesichtspunkt der Programmzusammenstellung auch der gewesen zu sein, örtliches Personal einzubinden.
Aslı Heinzel: Ja, natürlich. Das Bamberger Literaturfestival 2022 ist ein Spiegel aktueller Literatur und dazu gehören einheimische Autor*innen genauso wie überregionale. Helmut Vorndran liest aus seinem neuen Krimi „Natternsteine“, Thomas Kastura aus seiner Kriminalgeschichte „Schottensterben“. Nadine Luck macht eine Führung für Kinder, die Kanaldeckelführung. Das ist ein Spaziergang, bei dem sie Abbildungen auf bestimmten Kanaldeckeln erklärt. Martin Neubauer ist ein großer Spezialist für Literatur der Romantik, insbesondere der von E.T.A. Hoffmann. Sein literarischer Spaziergang verfolgt entsprechend Hoffmanns Stationen in Bamberg.
Beim Bamberger Literaturfestival 2022 sind auch zwei literarische Debütanten aus dem Filmgeschäft dabei. Schauspieler Edgar Selge und Regisseur Sönke Wortmann. Können Sie als Literaturexpertin Werke von fachfremden Autorinnen und Autoren empfehlen?
Asli Heinzel: Es überrascht mich immer wieder, dass, wie Sie es ausdrücken, fachfremde Schreiberlinge hervorragende Bücher hervorbringen und deshalb nicht umsonst in ganz Deutschland die Säle füllen, wie es bei bei Edgar Selge und Sönke Wortmann der Fall ist. Selge hat so ein starkes und persönliches Buch geschrieben, in dem er seine schlimme Kindheit in den Nachkriegsjahren beschreibt. Auch das Buch von Sönke Wortmann über einen Redenschreiber, der sich in eine stumme Frau verliebt, ist toll.
Und selbst wenn die literarische Qualität überschaubar wäre, hätten Sie zwei große Namen im Programm.
Asli Heinzel: Wie gesagt: es ist kein Zufall, dass beide Autoren überall in Deutschland auf große Resonanz stoßen und die Bücher sehr gute Verkaufszahlen haben. Natürlich war es uns dann ein Anliegen, beide Herren auch nach Bamberg zu holen. Unser Programm ist eine breite Mischung aus regionalen und lokalen Autor*innen mit kleinem, feinen Angebot bis hin zu den großen Namen – das haben wir bewusst so gewählt und so gebucht.
Apropos großer Name: Der vielleicht größte Name auf der Programmliste ist Max Goldt. Allerdings liest er in den Räumlichkeiten einer Firma in Hallstadt. War es nicht möglich, ihn in einem Bamberger Haus unterzubringen?
Asli Heinzel: Neben der Terminverfügbarkeit von Autor und Saal ist das Literaturfestival ja auch ein Festival in Stadt und Landkreis Bamberg. Die Firma Pfleger hat einen sehr schönen, gerade erst fertig gestellten neuen Saal, bestens geeignet für den Autor. Insofern warum nicht, wenn die Bamberger Säle terminlich nicht zur Verfügung standen?
Wie sieht das Kinderprogramm 2022 aus?
Asli Heinzel: Neben der schon erwähnten Kanaldeckelführung von Nadine Luck haben wir Jochen Till mit seiner Kinder-Buchserie „Luzifer Junior“. Dann lesen Anna Albrecht und Susanne Rebscher aus ihrem Buch „Abenteuer Welterbe“ und Nadine Schubert aus „Noch besser leben ohne Plastik“. Und: Anlässlich des E.T.A. Hoffmann-Jahres machen wir eine Veranstaltung mit dem E.T.A. Gymnasium. Da haben wir eine tolle Lehrerin, Frau Ellner von der Fachschaft Musik, die mit Schülerinnen und Schülern vom Schul-Orchester einen musikalischen E.T.A. Hoffmann-Nachmittag macht, zu dem Nevfel Cumart Texte von Hoffmann liest.