Das Bamberger Marionettentheater zeigt ab 9. Mai eine Adaption von E.T.A. Hoffmanns Erzählung „Der goldne Topf“. Dabei handelt es sich um das erste Mal, dass eine Marionettenbühne den Text inszeniert.
Mit „Der goldne Topf. Ein Märchen aus der neuen Zeit“ schuf E.T.A. Hoffmann 1814 den Inbegriff einer romantischen Entwicklungsgeschichte, in der sich die Welt der Fantasie mit der bürgerlichen Wirklichkeit vermischt.
Der junge Student Anselmus findet nicht so recht seinen Platz in der Welt, sein Karriere-
weg ist von Rückschlägen begleitet. Und ein unglücklicher Fehltritt in den Apfelkorb einer Marktfrau bringt ihn auch noch um sein letztes Geld. Durch Zufall lernt er dann allerdings den Archivarius Lindhorst kennen. Über ihn findet Anselmus in der Folge Zugang zur Welt der Poesie, wird zum Schriftsteller ausgebildet, beginnt eine Dreiecksliebesbeziehung mit Lindhorsts Töchtern Veronika und Serpentina und lässt schließlich die bürgerliche Welt hinter sich. Auf dem Weg dorthin begegnen ihm allerdings allerlei menschliche Tierwesen, Zauberei und Geister.
Das Bamberger Marionettentheater führt „Der goldne Topf“ erstmals auf einer Marionettenbühne auf. Wir haben mit Intendantin Marta Famula und Bühnenbildner Hans Günter Ludwig über die Inszenierung und ihre Herausforderungen gesprochen.
Warum gab E.T.A. Hoffmann seiner Erzählung „Der goldne Topf“ den Titelzusatz „Märchen aus der neuen Zeit“?
Marta Famula: Das hatte zwei Gründe. Einmal nannte er es ein „Märchen aus der neuen Zeit“, weil er es in seiner Zeit, der des Anfangs des 18. Jahrhunderts, spielen lässt. Die Figuren stehen, ganz zeitgenössisch für die romantische Epoche, zwischen dem rationalen Alltag und der Welt der Phantasie. Entsprechend passiert viel Märchenhaftes in der Erzählung. Andererseits ist das Märchenhafte wie eine Schicht, die über der Realität liegt, und es bleibt dabei immer uneindeutig, ob diese phantastischen Dinge wirklich passieren oder es sich um Wahrnehmungsstörungen der Figuren oder Träumereien handelt.
Wird Ihre Inszenierung dahingehend eine Auflösung bieten?
Marta Famula: Nein, denn uns war es wichtig, die Dinge bei unserer Inszenierung im Ungewissen zu lassen. Man kann das Stück psychologisch deuten oder es als Märchen lesen und wir möchten mit beidem spielen. Da wir aber viele Spezialeffekte haben werden, tritt das Märchenhafte durchaus stark hervor. Damit aber auch die Realität bestehen bleibt und das Publikum einen deutlicheren Blick auf sie hat, haben wir zum Beispiel das Stück, das eigentlich in Dresden spielt, nach Bamberg verlegt.
Welche Stellung hat „Der goldne Topf“ im Werk Hoffmanns?
Marta Famula: Hoffmann hat eigentlich alle seine Texte im letzten Drittel seines Lebens geschrieben, es hängt also alles sehr eng zusammen. So kann man zum Beispiel sagen, dass „Der Sandmann“ und „Der goldne Topf“ Stücke sind, die einander auf gewisse Art und Weise entgegenstehen oder sich ausgleichen. In „Der Sandmann“ geht es um einen jungen Mann, Nathanael, der seinen Platz in der Welt sucht, ihn aber nicht finden kann, sondern Selbstmord begeht. In „Der goldne Topf“ findet der junge Mann Anselmus seinen Platz sehr wohl – in der Kunst.
Hans Günter Ludwig: Es ist ein regelrechtes Ankommen in der Poesie. Vom Studenten, der durchs Lebens stolpert – gleich in die erste Szene stürzt er über eine Apfelverkäuferin, das bekannte Äpfelweib –, wächst er in die Kunst hinein. Wir zeigen also auch eine Entwicklungsgeschichte.
Als Hoffmann den Text 1814 schrieb, lebte er seit zwei Jahren nicht mehr in Bamberg. Trotzdem enthält „Der goldne Topf“ einige Anspielungen auf die Stadt, wie das Äpfelweib. Auch heiratet die von Anselmus angebetete Veronika letztlich einen anderen. Ist das eine Verarbeitung von Hoffmanns unerfüllten Zuneigung zu seiner Bamberger Gesangsschülerin Julia Mark, die sich ebenfalls anderweitig verheiratete?
Marta Famula: Sicherlich schwingt das mit. Aber gleichzeitig kann man Veronika und ihre Gegenspielerin Serpentina, die Anselmus dann statt Veronika heiratet, als dieselbe Frau interpretieren, auf die Anselmus nur zwei unterschiedliche Sichtweisen hat. Wie gesagt lässt das Märchenhafte in der Erzählung einiges offen. Auf jeden Fall haben beide Frauenfiguren eine, wie es heißt, glockenhelle Stimme und blaue Augen. Julia Mark hatte ebenfalls eine schöne Stimme. Die Dreiecksbeziehung zwischen Anselmus, der bürgerlichen Veronika und dem fantastischen Naturwesen Serpentina kann man aber auch auf eine Dreiecksbeziehung zwischen diesen romantischen Polen ausweiten.
Die Inszenierung des Marionettentheaters ist die erste Inszenierung auf einer Marionettenbühne. Worin bestehen dabei die größten Herausforderungen?
Hans Günter Ludwig: Als gelernter Grafiker habe ich früher schon Krippenkulissen und dergleichen gemacht und sofort zugesagt, als Marta mich fragte, ob ich die Kulissen für „Der goldne Topf“ machen will. Aber die dreidimensionalen Bühnenbilder für ein Marionettentheater zu machen, ist tatsächlich eine große Herausforderung. Ich musste zum Beispiel erst mal in die Tatsache reinfinden, dass alles in Zentralperspektive gemacht sein muss. Aber das ist eine absolut spannende Arbeit.
Marta Famula: Bei der Textvorlage handelt es sich um eine Erzählung, nicht um einen dramatischen, fürs Theater geschrieben Text. Da stellt sich also die Frage, wie man zum Beispiel erzählende Passagen auf der Bühne zeigt. Etwa 90 Prozent des Originaltextes haben wir übernehmen können, aber, um die Handlung ein wenig zu raffen, mussten wir die Vorlage an manchen Stellen ein bisschen angleichen. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass die Figuren an manchen Stellen der Erzählung seitenlang aus ihrem Leben erzählen. Das kann man nicht für einen Bühnentext übernehmen, also haben wir versucht, diese Passagen dramatisch umzusetzen und zu lösen. Dabei kommt man manchmal an seine Grenzen. Was außerdem schwer umsetzbar ist, sind die phantastischen Anteile der Erzählung. Auf unserer Bühne findet, wie auf jeder anderen Bühne auch, Realität statt. Alles, auch wenn es vielleicht Einbildung der Figuren ist, muss sichtbar gemacht werden. Zauberei und Geister sichtbar darzustellen, geht zwar mit Spezialeffekten, aber was die Darstellung der Mehrdeutigkeit angeht, ob diese Dinge eingebildet sind oder nicht, ist schwer. Aber wir haben unser Bestes gegeben, das mit verschiedenen Gestaltungsmitteln zu schaffen.
Wie stellen Sie die Tierwesen, Geister und Zaubertricks dar?
Marta Famula: Wir machen das über Kostüme, Beleuchtung oder Farbgebung. Wir haben in jeder Szene einen Spezialeffekt und haben aus der Bühne raus geholt, was drin steckt. Es macht auch Spaß, das auszuprobieren. Und ein bisschen Nebel und Pyrotechnik gibt es auch – einmal brennt es sogar auf der Bühne. Der Rest wird nicht verraten.
Frau Famula, Sie sind seit einem Jahr Leiterin des Marionettentheaters. Wie ist Ihr Fazit bisher?
Marta Famula: All das, was ich mir gewünscht hatte, ist Realität geworden: Wir haben Stücke wieder aufgenommen, feiern jetzt mit „Der goldenen Topf“ Premiere und haben eine Vortragsreihe im Haus von Expertinnen und Experten zu unseren Stücken. Auch das Publikum kommt zahlreich und wir haben viel Zuspruch. Aber ohne das Team geht gar nichts. Das Theater besteht aus vielen Leuten, die zusammenarbeiten.