Der Jugendhilfeträger iSo – Innovative Sozialarbeit möchte mit seinem Projekt „BKK Stark³“ die mentale Widerstandskraft und Stärke, auch Resilienz genannt, von Kindern und Jugendlichen in der Ganztagesschul-Betreuung fördern. Dort hatten zum Beispiel die sozialen Entbehrungen der Corona-Pandemie großen emotionalen Druck bei vielen jungen Menschen ausgelöst.
„Der Begriff Resilienz ist gerade in vielen Teilen der Gesellschaft sichtbar und bezeichnet die psychische Widerstandsfähigkeit, die jede und jeder lernen kann und die einen auch stärken kann“, sagt Jeannette Nguyen, Projektleiterin von „BKK Stark³“ bei iSo – Innovative Sozialarbeit e. V.
Unterschiedliche Herausforderungen im Alltag meistern, mit Krisensituationen und verschiedenen Stressauslösern wie Zeitmangel und Leistungsdruck umgehen und Lösungsansätze suchen und finden – all das können Kinder und Jugendliche spielerisch bei „BKK Stark³“ lernen. Dieses Resilienzförderungsprojekt der Bayerischen Betriebskrankenkassen für Ganztagesschulen hat das Ziel, die psychische Stärke von Kindern und Jugendlichen im Ganztagsschulbereich zu stärken.
„Wir haben uns bewusst auf den Ganztagsschulbereich fokussiert, da Kinder und Jugendliche die meiste Zeit in der Woche in der Schule verbringen“, sagt Nguyen. Da alle Kinder und Jugendlichen somit an dem Ort Schule am besten erreicht werden, bietet das Projekt hier eine bedarfsorientierte Stärkung mit Workshops und Tagesaktionen an.
„Die Resilienz-Schutzfaktoren, die es zu stärken gilt, sind beispielsweise Selbstwirksamkeit, soziale Kompetenz, Emotionsregulation oder Problemlösungsfähigkeiten“, so Nguyen. Die Workshops und Tagesaktionen finden überwiegend in Kleingruppenarbeit statt, auch schon in der Ganztagesschulbetreuung an der Grundschule.
Fortbildungen für Pädagogen und Vorträge für Eltern
Das Projekt „BKK Stark³“ funktioniert dabei auf drei Ebenen: mit den Workshops und Tagesaktionen vor Ort für Kinder und Jugendliche, in Fortbildungen für Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte und in verschiedenen Vorträgen zum Thema auch für Erziehungsberechtigte. Letztere Angebote im direkten Lebensumfeld der jungen Menschen sind ein weiterer maßgeblicher Baustein des Konzepts.
15 Ganztagsschulen in Stadt und Landkreis Bamberg, Forchheim und Nürnberg nutzen das Angebot von „BKK Stark³“ über iSo derzeit. Die Angebote sind auf die individuellen Herausforderungen der Schulen und die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen abgestimmt.
„Oft kommen die Leitungen der offenen Ganztagesschulen auf mich zu und äußern ihre konkreten Wünsche für die Workshops, etwa da die Kinder und Jugendlichen nervös sind, einen hohen Leistungsdruck spüren oder Entspannungsprobleme bei ihren Freizeitaktivitäten haben“, erklärt Jeannette Nguyen. Gegen innere Unruhe bietet sich dann beispielsweise mit „Der achtsame Tiger³“ ein Kurs im Kinderyoga mit mehreren Einheiten als Ausgleich an. „Dabei ist es wichtig, dass der Kurs auch regelmäßig stattfindet, damit die Übungen effektiv eingeübt werden und das Angebot über einen längeren Zeitraum wahrgenommen wird“, sagt Nguyen.
Workshops aus verschiedenen Bereichen
Die Workshops von „BKK Stark³“ gibt es in verschiedenen Modulbereichen. Etwa zum Thema „Gruppe und Gemeinschaft“, bei dem man lernen kann, nein zu sagen und Grenzen gegenüber Mitschülerinnen und Mitschülern zu setzen. Ein weiteres Thema ist Kultur und Kreativität, bei dem mit „Über die eigenen Grenzen hinauswachsen³“ die Kinder und Jugendlichen sich mit Graffiti ausdrücken können. Weitere, bedarfsorientierte Workshops gibt es auch in den Modulen „Umwelt und Sozialraum“ und „Körper und Gesundheit“.
Dazu gehört etwa der Fotografie-Workshop „Schein und Sein³ – Wer bin ich?“. Anhand von analoger Porträtfotografie sollen Selbst- und die Fremdwahrnehmung aufgezeigt werden und eine Auseinandersetzung mit Schönheitsidealen und Geschlechterrollen stattfinden. Durch digitale Bearbeitung der Fotos, etwa indem sich die Jugendlichen per Software Tiermasken aufsetzen, soll zudem ein kreativer Umgang mit dem eigenen Ich stattfinden.
„Die Angebote greifen oft ineinander über, da beispielsweise ein Workshop mit Tanz in einer Gruppe ausgeführt wird und so etwa auch das Gemeinschaftsgefühl stärkt“, erklärt Nguyen. Mit den Workshops sollen zudem der eigene individuelle Lernerfolg wie auch mehrere verschiedene Resilienzschutzfaktoren gestärkt werden.
Um für jeden Bedarf ein passendes Angebot griffbereit zu haben, konnte Jeannette Nguyen in den letzten zwei Jahren 35 verschiedene Angebote und Referenten für das Projekt gewinnen. „Ich bin auch immer fleißig auf der Suche nach weiteren tollen Angeboten für die Kinder und Jugendlichen in den Ganztagesschulen“, so Nguyen.
In den Ganztagesschulen vor Ort startet sie regelmäßig Bedarfsumfragen, was gerade Stress auslöse und Sorgen mache, um dem entgegenzuwirken. „Es geht darum, dass die Kinder und Jugendlichen so gut wie möglich präventiv vorab mit einem gut ausgestatteten Werkzeugköfferchen, wie ich es nenne, an mögliche Stressoren herantreten können“, findet Nguyen. Qualifizierte Referentinnen und Referenten können sich auch selbst mit eigenen Ideen für das Projekt bewerben. „Ich sehe mir dann das Angebot mit den Erfahrungswerten, etwa zum Thema Gesunde Ernährung oder Ähnliches, gerne an“, so die Projektleiterin.
Rückmeldungen und zusätzliche Förderperiode
Das Projekt „BKK Stark³“ ist momentan auf die 15 Ganztagesschulen begrenzt. Es ist ergänzend und kostenfrei für alle teilnehmenden Schülerinnen und Schüler in der Offenen Ganztagesbetreuung und wird gefördert durch den BKK Landesverband Bayern, einer Dachorganisation der Betriebskrankenkassen. „Erst kürzlich haben wir eine zusätzliche Förderperiode von weiteren vier Jahren bekommen“, sagt Jeannette Nguyen, „da das Projekt so gut ankommt und der Bedarf auch weiterhin sehr groß ist.“
Dennoch richtet sich das Angebot momentan ausschließlich an die Schülerinnen und Schüler, die auf eine Offene Ganztagesschule (OGTS) gehen. „Es ist unglaublich wichtig, dieses Angebot noch mehr Kindern und Jugendlichen zugänglich zu machen, vor allem da so viele so viel Zeit in der Schule verbringen und die außerschulische Bildungszeit, etwa für das Erlernen des sozialen Miteinanders, immer kürzer wird.“
Viele positive Rückmeldungen am Ende des Projektjahres von „BKK Stark³“ zeigen laut Nguyen darüber hinaus, dass Kinder und Jugendliche die Zusatzangebote in der OGTS regelrecht als eine Art Wohlfühloase wahrnehmen würden. „Und die Resilienz muss auch stetig gefördert werden, um einen Langzeiterfolg nachweisen zu können“, so Nguyen.
Die Workshops mit jeweils sechs Einheiten sind vielteilig aufgestellt, damit die Kinder und Jugendlichen einen unterschiedlichen Zugang zum Thema finden können. Während die einen eher kreativer sind, finden andere beispielsweise die Bewegungsangebote gut.
Für pädagogische Fachkräfte und Lehrkräfte gibt es zudem Fortbildungen zum Thema Resilienzförderung, in denen sie für sich und die Kinder und Jugendlichen Übungseinheiten lernen können. Die Vorträge für Erziehungsberechtigte sind freiwillig. „Hier habe ich mir zum Ziel gesetzt, mit den Vorträgen noch mehr Erziehungsberechtigte zu erreichen, für die es noch mehr Relevanz hätte, daran teilzunehmen“, sagt Projektleiterin Nguyen. „Etwa beim Thema gesunder Ernährung, wenn es darum geht, sein Kind mit einem gesunden Pausenbrot zu unterstützen.“
Erst vor zwei Jahren hat Jeannette Nguyen das Projekt von ihrer Vorgängerin Laura Galizia zu erschwerten Coronabedingungen übernommen. Während Galizia die Aufbauarbeit leistete und in der Pandemie-Pause in die Jugendsozialarbeit wechselte, übernahm Nguyen danach die Koordination des Projekts für die neue Projektphase. „Die Regelungen in der Pandemie haben die Umsetzung unserer Angebote damals super erschwert“, sagt Nguyen.
Trotzdem hat sich in dem Projekt in den letzten zwei Jahren viel getan. So habe sich der Umfang von anfangs zehn bis 15 Workshops und Tagesangeboten auf 30 bis 35 im Programm erweitert und wachse stetig weiter. „Die verschiedenen individuellen Bedarfe sind auch Herausforderungen, immer wieder neue Workshops und Tagesangebote an Land zu ziehen und auch Fortbildungen und Vorträge danach auszurichten.“
Soziales Miteinander wieder neu lernen
„Dieses Projekt ist so schön für Kinder und Jugendliche, weil sie sich einfach Zeit für ihre eigenen Stärken und Schwächen nehmen dürfen“, sagt Jeannette Nguyen. In einer Zeit, in der die Kinder und Jugendlichen so vielen Erwartungshaltungen ausgesetzt seien, sei das umso wichtiger.
„Stressige Situationen wird es immer geben, Ziel ist ein gesunder Umgang damit, ohne daran auszubrennen, sprich, sich erst gar nicht stressen zu lassen, indem man die Handlungsmöglichkeiten kennt, damit eine Situation einen nicht herausfordert oder gar überfordert“, so Nguyen.
Vor allem nach Corona hätten viele Kinder und Jugendliche das soziale Miteinander erst wieder neu lernen müssen, da die Fähigkeiten, Freundschaften zu knüpfen, einen Konsens zu finden, achtsam miteinander zu reden und anderen auch zuzuhören, verloren gegangen seien. Solche Probleme erstreckten sich gar bis hin zur Sozialphobie. In letzter Zeit sind es zudem mehr gesamtgesellschaftliche und politische Themen, die bei Kindern und Jugendlichen Stress auslösen. „Gerade für Kinder und Jugendliche sind diese Situationen doppelt so fordernd“, sagt Nguyen. „Hier setzen wir mit unseren Angeboten an, um psychisch und körperlich zu unterstützten.“