In jeder Ausgabe des Stadtechos legen wir einer Bamberger Persönlichkeit einen Fragebogen vor. Diesmal hat Jochen Neurath die Fragen beantwortet. Der Komponist zeitgenössischer Musik ist der Träger des Berganza-Preises 2022.
Herr Neurath, was braucht gute Musik?
Gute Zuhörer.
Was braucht gute zeitgenössische Musik?
Musiker, die dahinterstehen und mit Leidenschaft klar machen, warum die Musik so klingt, wie sie klingt. Und gute Zuhörer.
Was mögen Sie an zeitgenössischer Musik?
Wenn man sich auf sie einlässt, wird man in eine Welt geführt, in der andere Gesetze gelten, so dass dadurch auch andere Wahrheiten ausgesprochen werden können.
Wo haben Sie den Berganza-Preis hingestellt?
Auf meinem Klavier steht eine Hölderlin-Gesamtausgabe, darauf steht jetzt das hübsche Hündchen.
Würden Sie gerne öfter Fahrrad fahren?
Ja, auf jeden Fall. Und vor allem öfter wieder mit dem mechanischen. Ich habe mich zu sehr an die Bequemlichkeiten des E‑Bikes gewöhnt.
Zahlen Sie gern Rundfunkgebühren?
Im Prinzip ja. Aber einerseits wäre eine Steuer viel angebrachter als diese Gebühr, und andererseits sollte der öffentliche Rundfunk, den ich für wichtig und sinnvoll halte, dringend anders organisiert werden.
Darf man in Ihrem Schlafzimmer rauchen?
Eine sehr intime Frage!, aber: Nein.
Welche Drogen sollten Ihrer Meinung nach legalisiert werden?
Cannabis, mit Einschränkungen für jüngere Menschen.
Ihr Leben wird verfilmt. Welcher Schauspieler sollte Sie spielen?
Bis mal jemand auf die Idee kommt, mein Leben für verfilmenswert zu halten, lebt wahrscheinlich keiner der jetzigen Schauspieler mehr. Aber, da in Biopics die Darsteller sowieso immer besser aussehen als die Originale: Brad Pitt.
Wie viele Apps sind auf Ihrem Smartphone? Welche benutzen Sie am meisten?
Viel zu viele, am häufigsten nutze ich diverse Messenger. Und das Wetter.
Wovon waren Sie zuletzt überrascht?
Vom Berganza-Preis. Und vom Wohltemperierten Klavier, Band 1, den ich nach langer Zeit mal wieder in die Hand genommen habe.
Was ist Ihr größter Wunsch?
Alle Wünsche werden klein, gegen den: Bei Trost zu sein!
Wie sieht ein perfekter Tag für Sie aus?
Wenn ich den Mist, der auch an schönsten Tagen passiert, ignorieren kann.
Töten Sie Insekten?
Leider ja, manchmal.
Worüber haben Sie sich zuletzt geärgert?
Dass die Pakete immer genau dann geliefert werden, wenn ich nicht da bin.
Haben Sie ein Lieblingsgeräusch?
Die Stille.
Welchen Luxus leisten Sie sich?
Gutes Essen.
Wovor haben Sie Angst?
Vor der Gier einiger weniger Menschen, denen offensichtlich der Rest der Menschheit egal ist.
Wann haben Sie zuletzt geflirtet?
In der Pause der letzten Premiere des ArtEast-Theaters, „Der Drache“.
Wann und warum hatten Sie zum letzten Mal Ärger mit der Polizei?
Lockdown 1: Wir saßen zu viert einen Meter vor unserer Haustür, und wurden von drei Mannschaftswagen mit insgesamt elf Beamten umstellt (Danke, unbekannter Nachbar…). Die wussten aber auch nicht recht, was sie machen sollten. Nach einer knappen Stunde baten sie uns, ins Haus zu gehen. Der Bußgeldbescheid kam trotzdem.
Was war Ihr schönster Moment als Künstler?
Immer wieder der Applaus nach einer gelungenen Aufführung, weil man in diesem kurzen Moment mal die nie aufhörenden Zweifel und Verunsicherungen vergessen kann, ohne die leider keine Kunst entsteht.
Auf welchen Moment Ihrer Laufbahn waren Sie am schlechtesten vorbereitet?
Auf die Wortbrüche von Intendanten, die mich jedes mal tief getroffen haben, weil ich das in dieser Kaltschnäuzigkeit nicht erwartet hätte.
Gibt es einen wiederkehrenden Albtraum, der von Ihrem Beruf handelt?
Wiederaufnahme eines Stückes, das vor Jahren lief. Die Noten sind unauffindbar. Außerdem ist der Eingang zum Theater nicht mehr da, wo er immer war.
Mit welcher großen Komponistin oder welchem großen Komponisten können Sie gar nichts anfangen?
Wenn er/sie tatsächlich groß ist, gibt es immer etwas, was man von den Werken lernen kann. Und es wechselt auch in den Jahren, wer mich anspricht, und wer gerade weniger.
Was ist Ihr Lieblingsschimpfwort?
Menno!
Bei welchem historischen Ereignis wären Sie gern dabei gewesen?
Haydn und Mozart beim gemeinsamen Streichquartettspielen.
Was ist Ihre schlechteste Angewohnheit?
Das vierte Bier.
Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?
Die, die ich auch selber oft begehe.
Ihre Lieblingstugend?
Menschlichkeit.
Ihr Hauptcharakterzug?
Das müssen Sie die Menschen um mich herum fragen.
Was mögen Sie an sich gar nicht?
Ungeduld.
Was hätten Sie gerne erfunden?
Die Naturgesetze.
Haben Sie ein Vorbild?
Mehrere. Aber am Ende ist der eigene Weg das Wichtigste.
Wofür sind Sie dankbar?
Für die wunderbaren Menschen um mich herum, und dass sie mir vieles verzeihen.
Was lesen Sie gerade?
Viel zu viel News im Internet. Als Buch: Heiner Müller, Stücke 3.
Welches Buch haben Sie zuletzt nicht zu Ende gelesen?
Einar Schleef: Droge, Faust, Parsifal. Ich hoffe, ich schaffe es noch.
Was ist Ihr Lieblingsbuch, Lieblingsalbum, Lieblingsfilm?
Buch: Christoph Martin Wieland „Agathodämon“. „Album“: Bernd Alois Zimmermann „Requiem“. Film: Straub/Huillet „Der Tod des Empedokles“.
Welche Musik hören Sie nur heimlich?
Ich höre recht wenig Musik, und dann nur die, zu der ich auch stehen kann.
Was war Ihre größte Modesünde?
Ich begehe ständig welche, ohne es zu merken.
Was ist Ihr liebstes Smalltalk-Thema?
Das Wetter. Schildbürger-Politik in meiner Heimatstadt.
Was zeigt das letzte Foto, das Sie mit Ihrem Handy aufgenommen haben?
Die Rechnung der Gasthermenwartung.
Mit wem würden Sie gerne eine Nacht durchzechen?
Charles Bukowski.
Wovon haben Sie überhaupt keine Ahnung?
Wie das Hirn funktioniert. Bei meinem am wenigsten.
Was finden Sie langweilig?
Warten.
Sie sind in einer Bar. Welches Lied würde Sie dazu bringen, zu gehen?
Wenn Klassik läuft. In einer Bar bin ich in der Freizeit!
Wie glauben Sie, würde der Jochen Neurath von vor zehn Jahren auf den heutigen Jochen Neurath reagieren?
„Ich habs Dir doch gesagt!“
Was ist Ihre Vorstellung von Hölle?
Die Deutsche Bahn kommt dem sehr nahe.
Gibt es etwas, das Ihnen das Gefühl gibt, klein zu sein?
J.S.Bach „Die Kunst der Fuge“.
Ich kann nicht leben ohne…
Sauerstoff.
In welchen Club sollte man unbedingt mal gehen?
Komische Oper Berlin.
Sind Sie Tänzer oder Steher?
Es gibt sehr wenig Musik, die mich zum Tanzen bringt. Der letzte, der das geschafft hat: DJ Jonas Z. (Danke Dir!)
Stellen Sie sich vor, Sie könnten wählen – was für ein Tier wären Sie gerne?
Qualle.
Welches Problem werden Sie in diesem Leben nicht mehr in den Griff bekommen?
Die Schwerkraft.
Was war die absurdeste Unwahrheit, die Sie je über sich gelesen haben?
„Nicht gemeinschaftsfähig“ (Musterungsbescheid vom Kreiswehrersatzamt, das gab‘s damals noch!)
Das Stadtecho gibt eine Runde aus. Was trinken Sie?
Mönchsambacher Lager.