Jah­res­aus­stel­lung Kunstverein

Die See­le des Papiers

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Andreas von Weizsäckers Löwenköpfe. Foto: Sebastian Quenzer
Löwen­köp­fe, Skulp­tu­ren aus Geld­schein­schnip­seln, ein Coro­na-Chor – aus dem Werk­stoff Papier lässt sich eini­ges her­aus­ho­len. Die Jah­res­aus­stel­lung des Kunst­ver­eins zeigt in der Vil­la Des­sau­er, wie ver­schie­de­ne Künst­le­rin­nen und Künst­ler die gestal­te­ri­schen Mög­lich­kei­ten von Papier aus­lo­ten. Die tages­ak­tu­el­len Öff­nungs­zei­ten sind online auf der Home­page des Kunst­ver­eins ein­zu­se­hen. Dort wird die Aus­stel­lung dar­über­hin­aus unab­hän­gig von den Öff­nungs­per­spek­ti­ven auch digi­tal beglei­tet, bei­spiels­wei­se durch Inter­views mit den aus­stel­len­den Künst­lern. Das Web­echo hat mit Bar­ba­ra Kah­le, Vor­sit­zen­de des Kunst­ver­eins, gesprochen.

Gedruck­tes und Papier, heißt es, sei­en tot und alles wird nur noch online und elek­tro­nisch gemacht. War­um haben Sie für die Jah­res­aus­stel­lung des Kunst­ver­eins den Werk­stoff Papier als Grund­vor­aus­set­zung gewählt?

Bar­ba­ra Kah­le: Gera­de des­halb! Papier ver­schwin­det durch­aus im all­ge­mei­nen Bewusst­sein, Papier als Spei­cher­me­di­um geht zurück und die digi­ta­le Ver­än­de­rung ist unum­kehr­bar – das erken­nen wir an. Aber Papier könn­te in der Zukunft auch vor dem Hin­ter­grund des The­mas Umwelt­schutz wie­der mehr Bedeu­tung gewin­nen. Es wird viel geforscht, um zum Bei­spiel Ver­pa­ckun­gen aus Plas­tik abzu­schaf­fen und wie­der viel stär­ker auf Papier zu set­zen. Auf der ande­ren Sei­te hat Papier in der Kunst immer eine gro­ße Rol­le gespielt. Um das wie­der ins Bewusst­sein zu brin­gen, machen wir die­se Aus­stel­lung. Als Skiz­zen­pa­pier, als Vor­stu­fe der Lein­wand, wur­de Papier schon seit Jahr­hun­der­ten genutzt. Seit dem 20. Jahr­hun­dert dien­te es ver­mehrt als eigen­stän­di­ges künst­le­ri­sches Medi­um. Das ist eine Errun­gen­schaft, die der Kunst der Moder­ne zuzu­rech­nen ist. Dazu gehört auch der Ansatz, den so gut wie alle Wer­ke, die wir zei­gen, ver­fol­gen, unter Bei­be­hal­tung des Mate­ri­als Papier, die pla­ne Flä­che ins Drei­di­men­sio­na­le hin­ein zu erwei­tern, bis man zwi­schen Bild und Skulp­tur kaum mehr unter­schei­den kann.


Nach wel­chen Gesichts­punk­ten haben Sie die Künstler*innen für die Aus­stel­lung ausgewählt?

Bar­ba­ra Kah­le: Die Aus­stel­lung war schon für das Jahr 2020 geplant, aus bekann­ten Grün­den muss­te sie ver­scho­ben wer­den. Wir haben nach Künst­lern gesucht, die mehr oder weni­ger aus­schließ­lich mit Papier arbei­ten. Ein ganz gro­ßer Anker­punkt dabei waren die Wer­ke von Andre­as von Weiz­sä­cker, des­sen Löwen­kopf­skulp­tu­ren im Aus­stel­lungs­raum der Vil­la Des­sau­er auch sehr viel Raum ein­neh­men. Dann haben wir uns über­legt, wen wir noch dazu­neh­men könn­ten. Es geht uns dar­um zu zei­gen, wel­che Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten mit Papier mög­lich sind. Wir zei­gen unter ande­rem ver­schie­de­ne Falt­tech­ni­ken, so hat etwa Simon Schu­bert Räu­me der Vil­la Des­sau­er in Papier gefal­tet, Skulp­tu­ren, Papier­schmuck, Prä­ge­druck und im Begleit­pro­gramm etwa ein Kon­zert mit Klang­in­stru­men­ten aus Papier und ein sze­ni­sches Erzähl­stück des Papier­thea­ters mit Johan­nes Volkmann.


Die vier Papier­skulp­tu­ren von Andre­as von Weiz­sä­cker nen­nen Sie Ihren Coro­na-Chor. Was hat es damit auf sich?

Bar­ba­ra Kah­le: Die­se vier Skulp­tu­ren sind eigent­lich Was­ser­spei­ern des Münch­ner Rat­hau­ses abge­formt. Aber weil sie mit ihren offe­nen Mün­dern so einen kla­gen­den, gemein­sam über mög­li­cher­wei­se die Pan­de­mie heu­len­den Ein­druck machen, erin­nert mich das an einen Chor.


Beglei­tend zur Aus­stel­lung haben Sie ein viel­fäl­ti­ges Rah­men­pro­gramm ent­wor­fen. Ein Ter­min ist der 13. Juni, an dem anhand der Wer­ke von Erwin Hap­ke die See­le des Papiers beleuch­tet wer­den soll. Was ist die See­le des Papiers?

Bar­ba­ra Kah­le: Wir hat­ten das Glück, einen klei­nen Zuschuss für die Erstel­lung eines Begleit­pro­gramms aus dem Neu­start-Kul­tur-Kunst­fonds zu bekommen.

Bei der Aus­stel­lung ist es uns wie immer wich­tig, Objek­te zu prä­sen­tie­ren, die sich die Leu­te im ganz tra­di­tio­nel­len Sin­ne anschau­en kön­nen. Dane­ben haben wir aber ein viel­fäl­ti­ges Inter­ak­ti­ons- und Ver­mitt­lungs­pro­gramm ent­wi­ckelt, um sich auf ganz unter­schied­li­che Art und Wei­se dem The­ma Papier annä­hern zu kön­nen. Am 13. Juni etwa wol­len wir uns spe­zi­ell mit den gefal­te­ten Papier­ar­bei­ten von Erwin Hap­ke beschäf­ti­gen. Papier ist auf der einen Sei­te sehr hap­tisch. Man kann damit arbei­ten, es fal­ten, es zer­knül­len oder damit kru­scheln, wie es Lore Bert macht. In dem ange­spro­che­nen Falt­werk kann man dar­über hin­aus eine expli­ka­ti­ve Meta­pher unse­res Daseins sehen. Das kom­ple­xe Fal­ten wird zum Modell unse­res Weltverstehens. 

Fal­tun­gen von Erwin Hap­ke. Foto: Anna Breuninger

Der ver­stor­be­ne Erwin Hap­ke, pro­mo­vier­ter Bio­lo­ge und ein Son­der­ling und Beses­se­ner, hat sozu­sa­gen mit dem Papier gelebt und ein gefal­te­tes Uni­ver­sum hin­ter­las­sen. Alle For­men des Seins sind in das zar­te Papier ein­ge­schrie­ben, die wahr­zu­neh­men uns Muße und Ver­wei­len abver­langt. In die­sem Zusam­men­hang spricht der Phi­lo­soph und Nef­fe von Hap­ke, Mat­thi­as Bur­chardt, von der See­le des Papiers.


Papier ist ein nicht beson­ders wider­stand­fä­hi­ger und fra­gi­ler Werk­stoff. Wie gehen Sie zum Bei­spiel beim Auf­bau der Aus­stel­lung, damit um?

Bar­ba­ra Kah­le: Ja, da ist ein Pro­blem, mit dem die Künst­ler und auch Nach­lass­ver­wal­ter oder Nach­fah­ren von Papier­künst­lern zu kämp­fen haben. Zum Bei­spiel die Löwen­köp­fe von Weiz­sä­cker sind ziem­lich emp­find­lich und als er sie geschaf­fen hat, tat er dies sicher­lich nicht, damit man sie stän­dig auf- und abbaut. An eini­gen Stel­len muss­ten sie bereits restau­riert, ver­stärkt und mit Magne­ten, die die Tei­le zusam­men­hal­ten, ver­se­hen werden.


Die Aus­stel­lungs­er­öff­nung am 23. April muss­te wegen der Pan­de­mie bereits abge­sagt wer­den. Wie steht es um die fol­gen­den Termine?

Bar­ba­ra Kah­le: Die Rege­lun­gen für den Muse­ums­be­reich sehen ja der­zeit so aus, dass man bei einem Inzi­denz­wert zwi­schen 50 und 100 öff­nen und Publi­kum, nach Vor­anmel­dung, emp­fan­gen kann. Mit­te April liegt die Inzi­denz in Bam­berg bei 112 – ob die Vil­la Des­sau­er Ende April geöff­net wer­den kann, müs­sen wir also schau­en. Ver­samm­lun­gen, wie bei einer Ver­nis­sa­ge, sind aber abso­lut tabu.

Bar­ba­ra Kah­le und ihr Coro­na-Chor. Foto: Sebas­ti­an Quenzer

Wie schwer wür­de es den Kunst­ver­ein tref­fen, wenn kei­ne der Begleit­ver­an­stal­tun­gen statt­fin­den kann?

Bar­ba­ra Kah­le: Sehr schwer. Finan­zi­el­le Nach­tei­le hät­ten wir kei­ne, möch­te ich an die­ser Stel­le sagen. Die Gel­der sind uns unter ande­rem von der Stadt Bam­berg zuge­flos­sen. Aber wir haben die Aus­stel­lung mit solch einer Begeis­te­rung, und auch kör­per­li­cher Anstren­gung, vor­be­rei­tet und auf­ge­baut und den­ken, dass sie den Besu­chern gro­ßen Spaß machen wür­de, dass uns ein Aus­fall sehr leid­tun wür­de. Wir wer­den die Schau ganz bewusst län­ger als die übli­chen sechs Wochen lau­fen las­sen, damit wir auf den Som­mer und bes­se­re Inzi­denz­zah­len hof­fen kön­nen. Viel­leicht kön­nen wir zur Finis­sa­ge die Begeg­nung von Besu­chern und Künst­lern nachholen.


Gäbe es online ein Ausweichangebot?

Bar­ba­ra Kah­le: Ja, wir wer­den die Aus­stel­lung auch digi­tal beglei­ten. Wenn wir nicht öff­nen kön­nen, möch­ten wir die Aus­stel­lung zumin­dest mul­ti­me­di­al beglei­ten. Wir sind auf Face­book, Insta­gram und You­tube unter­wegs und bie­ten dort zum Bei­spiel Inter­views mit den Künst­lern und Ein­bli­cke in ihre Wer­ke. So haben wir wenigs­tens einen Bruch­teil von Aus­stel­lungs­be­glei­tung. Das ist natür­lich kein Ersatz für den Besuch einer Aus­stel­lung, aber ein inter­es­san­tes ergän­zen­des Angebot.


Wei­te­re Informationen:

Aus­stel­lung “Papier”, 24. April bis 27. Juni, Vil­la Dessauer

Außer­dem:
Aus­stel­lung von Jür­gen Wil­helm “Abs­trak­ti­on Pho­to­gra­phie”, 3. bis 31. Mai, Schüt­zen­stra­ße 4

https://www.kunstverein-bamberg.de/

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