Seit fünf Jahren gibt es das KoKi Café im Stadtteiltreff BasKIDhall in der Kornstraße 20 im Bamberger Osten. Immer mittwochs treffen sich dort zwischen halb zehn Uhr und halb zwölf Uhr vormittags werdende und interessierte Eltern von 0- bis 3‑jährigen Kindern zum Austausch und Netzwerken.
Bei einem gesunden und reichhaltigen Frühstück können Erwachsene im KoKi-Café in lockerer Atmosphäre mit anderen Eltern ins Gespräch kommen, während die Kinder in der Spielecke mit Kinderbetreuung ganz ungestört spielen. „Das KoKi Café, unser Elternfrühstück mit Kinderbetreuung, ist ein offener Treffpunkt für alle Eltern von Kleinkindern bis zu drei Jahren ohne Voranmeldung“, sagt Assunta Fontana-Stark, Mitarbeiterin der Koordinierungsstelle Frühe Kindheit (KoKi) der Stadt Bamberg. Bis zu 20 Familien finden in den Räumlichkeiten neben der Turnhalle im Stadtteiltreff BasKIDhall Platz. Das Angebot ist zudem kostenfrei und es gibt ausreichend Parkmöglichkeiten vor der Halle.
Freundliche Willkommenskultur
Das KoKi Café wurde im Jahr 2017 in Kooperation mit dem Verein für Innovative Sozialarbeit (iSO e. V.) ins Leben gerufen. Es ist in erster Linie ein sozialraumorientiertes Angebot, um die Zielgruppe psychosozial benachteiligter Familien in der Zeit der Familiengründung oder alleinerziehende Mütter oder Väter in der Zeit des Lebensumbruchs mit der Geburt eines Kindes besser erreichen zu können. „Viele Eltern melden sich erst später bei uns und fragen nach einem Unterstützungsangebot, wenn sie im Haushalt nicht mehr klarkommen oder sie der Schlafrhythmus ihres Kindes überfordert“, sagt Fontana-Stark.
Dem entgegenzuwirken und bereits frühzeitig mit den jungen Familien oder alleinerziehenden Eltern in Kontakt zu treten, ist das Ziel der Koordinierungsstelle Frühe Kindheit im Projekt „Netzwerk frühe Kindheit“. Im KoKi Café sind alle neuen Eltern, gerade auch mit Migrations- oder Flüchtlingshintergrund, willkommen. Auf eine Willkommenskultur legen die Verantwortlichen zudem großen Wert, bevor der Austausch in kleinen Gruppen stattfinden kann. „Im KoKi Café sind auch alle Nationalitäten aus der Mehrheitsgesellschaft vertreten. Es gibt eine Stammgruppe, die regelmäßig kommt und der sich immer wieder neue Eltern anschließen. In dieser werden beispielsweise Spaziertreffs vereinbart oder es wird sich über Kinderkleidung ausgetauscht.“
Frühzeitiger Kontakt
Gerade das Treffen mit anderen und der gemeinsame Austausch über die unterschiedlichsten Themen zum Leben und Erziehen, sind für junge Eltern, ob als Familien, in Lebensgemeinschaften oder Alleinerziehende und Getrenntlebende, besonders wichtig. Mit veränderten Familienstrukturen und Familienprozessen nimmt die Zahl der Eltern zu, die nicht über ausreichende Kompetenzen in der Alltagsbewältigung und in der Erfüllung ihres Erziehungsauftrages verfügen.
Die Koordinierungsstellen Frühe Kindheit, die es inzwischen bayernweit in allen Jugendämtern, wollen dem entgegenwirken. Indem sie frühzeitig zu Familien und besonders zu Familien mit einem erhöhten Unterstützungsbedarf Kontakt aufnehmen, können sie präventiv einen wirksamen Kinderschutz erreichen. Denn schwierige Lebenslagen in Familien werden oft durch verschiedene Faktoren begünstigt. Dazu zählen materielle und soziale Belastungen, wie beispielsweise mangelhafte Wohnverhältnisse oder Arbeitslosigkeit oder persönliche und psychische Belastungen wie ungewollte Schwangerschaften, psychische Erkrankungen und Sucht.
Auch andere Belastungen in der Familie können für das Kindeswohl eine Rolle spielen, etwa Konflikte in der Paarbeziehung und Elternschaft oder aber Gewalt. Bezogen auf das Kind selbst können sich Schlaf- und Fütterprobleme, eine Behinderung, eine chronische Erkrankung oder das Phänomen „Schreibaby“ als sehr belastend auf das Familienklima auswirken. Hinzu kommt, dass Eltern mit sozialer Benachteiligung häufig auch sozial isoliert leben und nur schwer durch geeignete Angebote zu erreichen sind.
Viele dieser Eltern benötigen einen anderen Zugang, etwa indem man ihnen Besuche abstattet, sie persönlich auf die Angebote anspricht und ihnen diese auch leicht zugänglich macht. „Es ist wichtig, Kinder und Familien dazu zu motivieren, unsere Unterstützungs- und Hilfsangebote anzunehmen, noch bevor eine kritische Situation eintritt“, sagt Assunta Fontana-Stark. Die Hemmschwelle, sich eine Überforderungssituation einzugestehen, sei sehr hoch. Oft fehle auch einfach das Problembewusstsein, was nicht selten das Kindeswohl gefährde.
Steigender Hilfebedarf
Zwar ist die Zahl der Kindeswohlgefährdungen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Deutschland im Jahr 2021 nach deren Höchststand im ersten Corona-Jahr 2020 mit einer Verringerung um ein Prozent leicht gesunken, aber gleichzeitig der Hilfebedarf um knapp zwei Prozent gestiegen. Jedes zweite, durch Vernachlässigung, psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt gefährdete Kind war im genannten Zeitraum jünger als acht Jahre, jedes vierte sogar jünger als vier Jahre.
In mehr als 67.000 Fällen meldeten die Jugendämter einen erhöhten Hilfebedarf. In rund 45 Prozent der Fälle wurde Vernachlässigung festgestellt, die somit häufigste Form der Kindeswohlgefährdung. Gleichzeitig ist der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die mehrere Gefährdungen gleichzeitig erleben, in den letzten Jahren kontinuierlich auf inzwischen über 20 Prozent gestiegen. Zur Hochrisikogruppe gehören nach wie vor allerdings Säuglinge und Kleinkinder. So sind Verletzungen in dieser Altersgruppe nach Angaben der zweithäufigste Grund für die Einweisung in ein Krankenhaus. Studien stellen überdies eine erschreckende Häufigkeit des Schütteltraumas fest.
Der Schwerpunkt der Prävention richtet sich demnach auf frühe Hilfen für werdende und junge Eltern, was sich vor allem auf die Entwicklung der Kinder positiv auswirkt. „Erfahren Familien von Anfang an eine adäquate Unterstützung, eröffnen sich dem Kind frühzeitig entsprechende Entwicklungschancen“, sagt Fontana-Stark. Die Weichen für den Gesundheitszustand des Kindes werden schon vor und in der Schwangerschaft gestellt, später wirke sich das Vorleben einer gesunden Lebensweise durch Aufklärung und Anleitung der Eltern positiv auf die Kinder aus. Elternkompetenzen gehen somit mit den Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder einher. Diese zu stärken und zu fördern, macht KoKi sich in seiner Netzwerktätigkeit zur Aufgabe. „Ausschlaggebend für den Erfolg ist dabei eine systematische Zusammenarbeit von Gesundheitswesen und Jugendhilfe. Nahezu 70 Prozent unserer Tätigkeit besteht in deren Vernetzung unter Miteinbeziehung von Fachvorträgen und Beratungsangeboten.“
Das von KoKi koordinierte Netzwerk von verschiedenen Professionen und Diensten, die sich mit Schwangeren und Familien mit Kindern im Alter von 0 bis 3 Jahren befassen, arbeitet weiterhin an einer interdisziplinäre Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Angeboten der Akteure.
350 Willkommensbesuche pro Jahr
Seit März 2013 gibt es Willkommensbesuche für alle Eltern von Neugeborenen, bei denen die KoKi-Mitarbeiterinnen den jungen Familien bei einem Hausbesuch oder einem Treffen in den Beratungsräumen der KoKi ein Informationspaket mit vielen Tipps zu Angeboten der Stadt, einen Elternbrief des Bayerischen Landesjugendamtes sowie Geschenke von Sponsoren überreichen.
„Mit den Willkommensbesuchen nach der Geburt informieren wir über unsere Fachstelle, überreichen eine Mappe mit Infos und bringen kleine Willkommensgeschenke mit“, erklärt Fontana-Stark. Bei durchschnittlich 800 Geburten im Jahr sind das rund 350 Willkommensbesuche in der Stadt. Die Entscheidung der Eltern, ob sie den Willkommensbesuch in Anspruch nehmen wollen und ob er bei ihnen zuhause oder in den Beratungsräumen der KoKi stattfindet, ist dabei völlig frei.
Für Familien mit erhöhtem Unterstützungsbedarf bietet die KoKi nach Kontaktaufnahme eines Netzwerkpartners oder nach direkter Kontaktaufnahme durch die Eltern auch Hausbesuche und Beratungsgespräche im Jugendamt auf freiwilliger Basis an. Ziel dabei ist es, ein passgenaues Angebot für die Familien zu finden oder sie an eine andere Fach- oder Beratungsstelle zu vermitteln. Mit dem Haushaltsorganisationstraining, einem Konzept im Bereich der Jugendhilfe, trainieren Familien mit Kindern in prekären Lebenslagen den Erwerb verschiedener Haushaltsführungskompetenzen. Speziell ausgebildete Familienpflegerinnen zeigen hier neue Verhaltensstrategien auf, um so genannte dysfunktionale Haushaltsstrukturen zum Wohle aller Haushaltsmitglieder zu verändern.
Weitere, von KoKi geförderte Kooperationsprojekte sind beispielsweise seit 2011 das „wellcome“-Projekt, ein Unterstützungsangebot der pro familia Bamberg. Bei diesem kommen Ehrenamtliche im ersten Lebensjahr des neugeborenen Kindes regelmäßig in eine Familie, betreuen und versorgen mit, kümmern sich um Geschwisterkinder oder begleiten die gestressten Eltern zu Terminen. Auch das Projekt „Familienpaten“, hierbei geht es um die Bewältigung von Alltagsproblemen, des Deutschen Kinderschutzbundes Bamberg wird im Rahmen der Bundesstiftung Früher Hilfen von KoKi gefördert.
Auch die Netzwerkpartner der KoKi haben verschiedene Angebote früher Hilfen in ihrem Programm. Neben der Beratung von Familien mit Säuglingen und Kleinkindern in der Caritas-Erziehungsberatungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern bietet die Selbsthilfegruppe „Krise nach der Geburt“ der Begegnungsstätte OASE des Sozialdienstes Katholischer Frauen e. V. einen wöchentlichen, von Fachkräften begleiteten Austausch betroffener Mütter. Für die sozialmedizinische Nachsorge nach der Entlassung aus der Klinik im Übergang in die häusliche Umgebung sorgt für Eltern von Frühgeborenen, schwer und chronisch kranken oder behinderten Kindern die Sozialstiftung Bamberg mit der Einrichtung „Bunter Kreis“.
Die Familienstützpunkte der Arbeiterwohlfahrt und des Sozialdienstes Katholischer Frauen e. V. machen sich zudem in der kommunalen Familienbildung stark. Die „Hebammenkoordination“ der Sozialstiftung Bamberg unterstützt und sichert die Hebammenversorgung in der Geburtshilfe und in der Wochenbettbetreuung. Mit der „Nummer gegen Kummer“ des Deutschen Kinderschutzbundes sollen das Elterntelefon und die Angebote der Frühen Hilfen vernetzt werden und so werdende und junge Eltern leichter Rat und Hilfe in ihrer Nähe finden. Das Spiel- und Lernprogramm „Schritt für Schritt – Opstapje“ für Kinder von eineinhalb bis drei Jahren und „Opstapje Baby“ für Babys zwischen sechs und achtzehn Monaten wird darüber hinaus vom Stadtjugendamt zur Förderung der Eltern-Kind-Bindung und ‑Interaktion unterstützt. Für die Schwangerenberatung stehen in der Stadt speziell die Initiativen und Beratungsstellen Donum Vitae, pro familia, Caritas sowie der Fachbereich Gesundheitswesen im Landratsamt mit ihren Gruppen- und Vortragsangeboten zur Verfügung.
Die Teilnahme an der Jugendhilfeplanung ist für KoKi ebenfalls ein wichtiger Aspekt für die Zukunft. „Wir entwickeln nicht nur ein interdisziplinäres Hilfs- und Unterstützungsnetzwerk im Bereich der frühen Kindheit, sondern sehen auch die Kooperation mit der Jugendhilfeplanung, der Sozialplanung und des Bildungsbüros als wichtige Bausteine an“, so Fontana-Stark.
Beratungen und Vorträge
Im KoKi Café, dem wöchentlichen Elterntreff von Stadtjugendamt und dem Verein Innovativer Sozialarbeit werden neben dem gemeinsamen Frühstück bei Bedarf auch Beratungen angeboten und Themenwünsche und Vorschläge der Eltern aufgegriffen. Die Mitarbeiterinnen der KoKi laden dann Fachkräfte zu einem Vortrag, auch in verschiedenen Sprachen, ein.
An jedem ersten und jeden dritten Mittwoch im Monat findet zudem eine kostenfreie Elternsprechstunde statt, die von Fachkräften der KoKi, wie von Familienkinderkrankenschwestern, betreut wird. Themen hier sind beispielsweise Schlafen, Ernährung, Zahnen, U‑Untersuchungen, Stillen und vieles mehr. Im KoKi Café finden immer wieder neue Themen und Ideen Anklang. „Auch die Frage nach einem Väter-Treff kommt oft“, sagt Fontana-Stark. „Im Moment arbeiten wir noch an einem Konzept, wie ein gutes Angebot für Väter ausgestaltet werden könnte.“