Heute Vormittag hat das ETA Hoffmann Theater das Programm seiner Spielzeit 2023 //2024 vorgestellt. Auf dem Spielplan stehen neben zwei Klassikern vor allem zeitgenössische Stücke. Neu wird die Reihe „ETA off“ mit Gästen aus der freien Szene sein, während zurückliegende hausinterne Querelen noch ein wenig nachwirken.
„Verwandte haben wir fast alle“, sagte Intendantin Sibylle Broll-Pape bei der Vorstellung der neuen Spielzeit des ETA Hoffmann Theaters, „manchmal zum Vorteil, manchmal zum Nachteil. Verwandtschaft kann Rückhalt und Stabilität bedeuten, aber auch Verpflichtungen und Herausforderung.“ Ein großes menschliches Thema sei sie allemal und nach biologischen Abstammungstheorien seien sogar alle menschlichen Wesen miteinander verwandt. „Aber selbst, wenn wir dabei nicht bis aufs Blutverwandte gehen wollen, wissen wir seit den Klimaberichten der letzte Jahre, wie sehr wir mit der Natur und allem Leben um uns herum verbunden sind und welche Verantwortungen uns daraus erwachsen.“
Auch das Theater selbst habe eine große, natürlich vor allem thematische Verwandtschaftstradition. Schon antike Stücke wie „Antigone“ oder „König Ödipus“ handelten von kaum etwas anderem. Der neue Spielplan gehe zwar nicht ganz so weit zurück, aber mit Stücken von Friedrich Schiller und Johann Wolfgang Goethe stehen zumindest zwei nachantike Klassiker auf dem Programm. „Wir beschäftigen uns im Spielplan aber eher mit Zeitgenössischen“, sagte Sibylle Broll-Pape. Ein Schwerpunkt, der vor Kurzem den Preis der Deutschen Theaterverlage einbrachte.
Das Ausmaß dieser Beschäftigung hat der Stadtrat allerdings jüngst ein wenig eingeschränkt. Ende März entschied das Gremium, entgegen dem Wunsch der Intendantin, den Vertrag von Sibylle Broll-Pape nicht über das Jahr 2025 hinaus zu verlängern. Dem vorausgegangene, unbestätigte hausinterne Vorwürfe über etwaiges persönliches und wirtschaftliches Fehlverhalten Broll-Papes seien dafür aber nicht der Grund gewesen. Der Stadtrat habe die Stelle der Intendanz nach zehn Jahren lediglich neu besetzen wollen. Bei der Vorstellung der neuen Spielzeit bedauerte Broll-Pape entsprechend, einige Inszenierungen, die wegen der Pandemie verschoben werden mussten, nun aus Zeitmangel nicht mehr realisieren zu können.
Programm 2023
Zur Spielzeiteröffnung am 6. Oktober inszeniert Sibylle Broll-Pape „Das Vermächtnis“. Das mehrfach ausgezeichnete Stück des US-amerikanischen Dramatikers Matthew Lopez handelt vom Leben dreier Generationen homosexueller Männer in New York und fragt vor diesem Hintergrund nach der Verfassung der US-amerikanischen Gesellschaft. Wegen der Länge der Textvorlage teilt das ETA Hoffmann Theater das Stück in zwei Teile – die Inszenierung der Fortsetzung steht im Januar 2024 an.
Schaurig märchenhaft wird es, wenn Regisseurin Wilke Weermann in deutscher Erstaufführung am 8. Oktober mit „Hänsel & Greta & The big bad witch“ Premiere feiert. Das Stück von Kim de l’Horizon, für den Roman „Blutbuch“ mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet, adaptiert die Geschichte von Hänsel und Gretel und macht daraus einen Kampf ums Überleben der Menschheit. „Das ist ein candybuntes Horrormärchen“, sagte der leitende Dramaturg Armin Breidenbach, „und sprachlich abgefahren.“ Märchentext mischt sich hier unter anderem mit Slang, Wortneuschöpfungen und Gereimtem.
Am 10. November gibt es den ersten Klassiker der kommenden Spielzeit am ETA Theater: „Die Leiden des jungen Werther“. Johann Wolfgang Goethes Bestseller ist 250 alt und hat nichts an Faszination eingebüßt. Das ETA bringt es als Monologstück auf die Bühne. Der zweite Klassiker steht im März nächsten Jahres mit Friedrich Schillers „Maria Stuart“ an.
Am 11. November kann das kindliche Publikum auf seine Kosten kommen. Unter der Regie von Philine Bührer, die zum ersten Mal überhaupt inszeniert, zeigt das Theater Michael Endes Märchen „Der Satanarchäolügenialkohöllischewunschpunsch“. Hinter diesem Titel verbirgt sich die Geschichte des Magiers Beelzebub Irrwitzer und der Hexe Tyrannja Vamperl, die kurz vor Silvester feststellen, dass sie ihr Pensum an schlechten Taten für das zu ende gehende Jahr noch nicht erfüllt haben.
Die große Komödie der Spielzeit, so Sibylle Broll-Pape, führt ab 1. Dezember Martin Schulze mit dem Stück „Marie-Antoinette oder Kuchen für alle!“ auf. Im Schloss von Versailles warten Ex-König Ludwig XVI. und seine Ehefrau Marie-Antoinette auf ihre Hinrichtung durch die Revolution. Dies aber schon seit fast 20 Jahren, denn man hat die beiden vergessen und längst ist Verdruss eingekehrt. „Ein Stück gemacht für Schauspielerinnen und Schauspieler, die lustig sind“, sagte Broll-Pape.
Programm 2024
Auch ein Auftragswerk bietet die neue Spielzeit am ETA Hoffmann Theater. Amanda Lasker-Berlins „Jahre ohne Sommer“ hat am 19. Januar 2024 Uraufführung und handelt von Bamberger Geschichte, namentlich den Hexenverbrennungen. Mona Sabaschus inszeniert.
Einen ungewohnten Handlungsrahmen bietet „Olm“ von Philipp Gärtner. Die Uraufführung spielt unter der Erde. In einem unerforschten Höhlensystem will der Wissenschaftler Mumiko Omar mit seinem Team ein neues Verfahren zur Energiegewinnung ausprobieren. Schnell wird die Forschungsreise aber zum Survival-Horror. Regie führt die Schweizer Regisseurin Manon Pfrunder.
Arthur Schnitzlers „Professor Bernhardi“ ist die Vorlage für „Die Ärztin“, das am 3. Mai 2024 Premiere feiert. Darin sieht sich eine Medizinerin plötzlichen Anfeindungen ausgesetzt, weil sie einem katholischen Priester den Zutritt zu einer sterbenden Patientin verwehrt, da in deren Akte kein Hinweis auf ihre Konfession zu finden ist. Der Ärztin wird Rassismus vorgeworfen, denn der Priester ist schwarz.
„Das Spiel von Liebe und Zufall“ ist eine Verwechslungskomödie des französischen Barock-Schriftstellers Pierre Carlet de Marivaux. In der Inszenierung von Sebastian Schug zeigt das Theater das Stück über gesellschaftliche Rollen und Standesunterschiede bei den Calderón-Spielen Ende Juni 2024 in der Alten Hofhaltung.
Neben den auch 2023 //2024 wiederkehrenden Formaten „ETA fragt“, „ETA trifft“ und „Villa Wild“ wird das Theater auch eine neue Reihe beginnen. Für „ETA off“ lädt es sich VertreterInnen der freien Szene ein, um diesen nach den Entbehrungen der Pandemiezeit Auftrittsmöglichkeiten zu verschaffen. Den Anfang macht am 18. Oktober das Wildwuchstheater, Auftritte von Chapeau Claque, Ernst von Leben und Kabarettist Mäc Härder folgen.