Wan­dern mit Fami­lie, Lau­fen für sich

Extrem­sport­ler Bernd Deschauer

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Bernd Deschauer
Bernd Deschauer bei einem winterlichen Lauf
Zwei sport­li­che Lei­den­schaf­ten, die in der Gesamt­sum­me in eine ähn­li­che Rich­tung gehen und auch eine gemein­sa­me Schnitt­men­ge auf­wei­sen, prä­gen Bernd Deschau­ers All­tag: Sein Fami­li­en­le­ben und sei­ne per­sön­li­che Zeit mit sich. Denn sei­ne Freu­de am Wan­dern und am Lau­fen bedin­gen und befruch­ten sich und rei­chen in die ver­schie­de­nen Lebens­mo­men­te hinein.

Wenn es nach dem Zeit­ma­nage­ment von Bernd Deschau­er gin­ge, hät­te die Woche acht Tage. So scheint es im Ange­sicht sei­nes voll­ge­pack­ten Akti­vi­tä­ten­plans zumin­dest. „Ich weiß auch nicht genau, wie das kommt, aber mein Tag scheint 27 Stun­den zu haben“, meint er und staunt dabei selbst ein bisschen.

Hört man sich sei­ne Geschich­te an, darf man getrost noch ein paar vir­tu­el­le Stun­den dazu zäh­len – so viel­schich­tig und zeit­in­ten­siv erschei­nen die ver­schie­de­nen Wan­der- und Lauf­ak­tio­nen. Sein Geheim­nis dahin­ter? Viel­leicht ist es das Zusam­men­spiel von einer guten Orga­ni­sa­ti­on, einer schier uner­schöpf­li­chen Aus­dau­er und dem Wil­len, etwas vor­an­zu­trei­ben. Und, das strahlt der Sport­ler und Fami­li­en­va­ter unbe­dingt aus, er emp­fin­det an all sei­nem Tun Freu­de und Spaß.

Wan­dern mit dem „Wan­der­zwerg“

Da gibt es den „Wan­der­zwerg“, der 2011 ent­stan­den ist. Online prä­sen­tiert Bernd Deschau­er auf sei­nem Por­tal Fami­li­en­wan­de­run­gen und Rad­tou­ren. Dazu gibt es Tipps für das Drum­her­um. Alles ist natür­lich mit sei­ner Fami­lie, das sind Ehe­frau Sabi­ne und die Söh­ne Leo­pold und Lorenz, erprobt und getestet.

Gehen wir zwölf Jah­re zurück. Das ers­te Kind der Deschau­ers wird gebo­ren. Die jun­ge Fami­lie möch­te wei­ter­hin wan­dernd die Natur genie­ßen, aber mit Baby ver­än­dert sich in punc­to Akti­vi­tä­ten eini­ges. Aus­flü­ge mit Klein­kin­dern zu machen, ist ein biss­chen kom­ple­xer als allein als Paar unter­wegs zu sein.

Bernd Deschau­er fällt auf, dass man kaum Wan­de­run­gen für Fami­li­en fin­det und wenn, dann sto­ßen sie oft an ihre prak­ti­schen Gren­zen. Was zum Bei­spiel ist beim Wan­dern mit einem Kin­der­wa­gen mög­lich, wel­che Gegen­den kann man sich so erschlie­ßen? Wie ist die Beschaf­fen­heit der Wege? Gibt es pas­sen­de Ein­kehr­mög­lich­kei­ten, wo man zum Bei­spiel auch wickeln kann, und auch Spiel­mög­lich­kei­ten zwi­schen­durch, damit Kin­der und Eltern kurz ver­schnau­fen kön­nen? Wel­che Stei­gun­gen müs­sen unter­wegs genom­men wer­den? Macht man sich mit Kin­dern auf den Weg, sind das Fra­gen, die für jun­ge Fami­li­en wich­tig sind.

„Das Kind mit sei­nem Tem­po und sei­ner Sicht auf die Din­ge steht bei Wan­de­run­gen im Fokus. Wenn dann die Umrah­mun­gen am Weges­rand stim­men, trägt das zur Freu­de und Zufrie­den­heit der gesam­ten Fami­li­en bei“, weiß Deschau­er aus eige­nen Erfahrungen.

Weil es ihm aber all­mäh­lich lang­wei­lig wur­de, in Bam­berg immer die glei­chen Wege im Hain, auf der Erba und am Kanal ent­lang­zu­ge­hen und es nichts Pas­sen­des in Rich­tung Fami­li­en­wan­de­run­gen in Fran­ken gab, ent­stand schnell die Idee, selbst etwas Brauch­ba­res zu schaf­fen: eine Wan­der-Web­sei­te für Fami­li­en­tou­ren. Das Logo und der Titel „Wan­der­zwerg“ waren bald gefun­den. Nun hieß es, die Sei­te mit Inhal­ten zu füt­tern. „Alle Tou­ren, die ich auf „Wan­der­zwerg“ stel­le, haben wir als Fami­lie selbst gemacht.“

Ange­fan­gen hat es mit rela­tiv typi­schen Zie­len, wie zum Staf­fel­berg, dem Kir­schen­weg um Pretz­feld oder dem Wal­ber­la. Dann kamen Wan­de­run­gen im Baye­ri­schen Wald dazu – ein Muss, denn Bernd Deschau­er ist dort aufgewachsen.

Nach und nach fan­den sich auch wei­te­re Zie­le im Reper­toire, zum Bei­spiel Wan­de­run­gen im All­gäu oder in Süd­ti­rol, dazu Urlaubs­tipps für die Nord­see oder das Erz­ge­bir­ge. „Der Ser­vice bei den Tou­ren war mir dabei immer wich­tig. Zum Bei­spiel gibt es eine detail­lier­te Anfahrts­be­schrei­bung zur Wan­der­rou­te und auch Ein­kehr­tipps. Außer­dem kön­nen die Rou­ten als gpx-Datei für das Han­dy her­un­ter­ge­la­den werden.“

Sein Gedächt­nis, um sich bei­spiels­wei­se Weg­punk­te zu mer­ken, und digi­ta­le Hilfs­mit­tel sind dabei Deschau­ers Hand­werks­zeug. So zeich­net er bei der Erst­wan­de­rung die Stre­cke auf – sowohl digi­tal als auch men­tal – und er macht Fotos.

Über die Web­sei­te wur­de auch ein Ver­lag auf Bernd auf­merk­sam und frag­te ihn an, ob er nicht ein Kin­der­wa­gen-Wan­der­buch schrei­ben wol­le. Aber wel­che Rich­tung könn­te in so einem Buch ein­ge­schla­gen werden?

Vor die­sem Hin­ter­grund über­leg­te sich der 48-Jäh­ri­ge, was auf den zahl­rei­chen Tou­ren, die sei­ne Fami­lie unter­nom­men hat­te, beson­ders viel Spaß gemacht hat und an was sei­ne Kin­der den größ­ten Gefal­len gefun­den haben. So war es schließ­lich nahe­lie­gend, erst ein­mal in die nähe­re Umge­bung zu gehen.

Das Wan­der­buch „Kin­der­wa­gen- & Tra­ge­tou­ren Frän­ki­sche Schweiz | Bam­berg“ erschien 2013. 2016 folg­te ein zwei­ter Wan­der­füh­rer: „Fami­li­en­tou­ren in Ober- und Unter­fran­ken.“ War das erst­ge­nann­te Buch für Fami­li­en mit Kin­dern im Kin­der­wa­gen- und Kin­der­gar­ten­al­ter gedacht, soll zwei­tes eher Fami­li­en mit Kin­dern ab dem Grund­schul­al­ter anspre­chen. Der­zeit arbei­tet Bernd Deschau­er an einem drit­ten Gui­de – „Genuss­tou­ren“.

Das Resul­tat bis jetzt: Auf sei­ner Web­sei­te gibt es inzwi­schen mehr als hun­dert Zie­le, dazu kom­men die bei­den genann­ten Bücher. Been­det ist das Pro­jekt aber noch lan­ge nicht. Je nach Urlaubs- oder Aus­flugs­ort der Deschau­ers wird Bernd die Wan­der- und Rad­tou­ren ergänzen.

Run­ning Bernd

Neben den Akti­vi­tä­ten als wan­dern­der Fami­li­en­va­ter braucht Bernd Deschau­er aber auch Zeit für sich. Die­se fin­det er beim Lau­fen, bes­ser gesagt beim Mara­thon und Ultra­ma­ra­thon, des­sen Stre­cke noch län­ger ist als beim Mara­thon, sowie auf dem Fahrrad.

Im Ange­sicht des schlan­ken und durch­trai­nier­ten Man­nes könn­te man auf die Idee kom­men, dass er schon von Kin­des­bei­nen an Sport gemacht hat. Tat­säch­lich ent­deck­te Bernd Deschau­er aber erst mit 30 Jah­ren, dank des Bam­ber­ger Welt­erbelaufs, das Jog­gen. „Eigent­lich hat­te ich die Ein­stel­lung, dass Lau­fen der lang­wei­ligs­te Sport der Welt ist“, erin­nert er sich. Aber als sich ein paar Freun­de und er 2005 zum Welt­erbelauf anmel­de­ten und die Distanz von 4,4 Kilo­me­tern meis­ter­ten, leck­te Bernd Blut. Zäh und ziel­stre­big blieb er an die­ser Sport­art dran und woll­te mehr.

2007 kam dann der ers­te Halb­ma­ra­thon in Mün­chen, den er mit einer Zeit von 2 Stun­den und 11 Sekun­den absol­vier­te, also mit ärger­li­chen 11 Sekun­den über der Zwei­stun­den-Mar­ke. „Seit­dem fix­te mich das Lau­fen immer mehr an. Ich lief anfangs etwa 1.000 Kilo­me­ter pro Jahr, inzwi­schen sind es weit über 3.000 mit etwa fünf bis sie­ben Mara­thons, 30 bis 40 Halb­ma­ra­thons und eini­gen Ultras jähr­lich. So sind mitt­ler­wei­le etwa 80 Mara­thons und Ultras zusammengekommen.“

Bis dahin aber war es ein lan­ger Weg. 2008 war Deschau­er für den ers­ten Mara­thon fit. So berei­te­te er sich auf Deutsch­lands größ­ten Mara­thon vor, den Ber­lin-Mara­thon. „Ich muss zuge­ben, dass das schon eine har­te Num­mer war, dar­auf zu trai­nie­ren. Aber, es war mein ers­ter Mara­thon. So etwas ist sowohl in der Vor­be­rei­tung als auch im Nach­hin­ein groß­ar­tig. Im Ziel glück­lich ange­kom­men war ich fix und fer­tig, aber ich hat­te es geschafft.“ Er lief eine Zeit von 4 Stun­den und 38 Minuten.

Seit­dem ist die Rei­he der Mara­thons, spä­ter auch der Ultra-Mara­thons, unge­bro­chen. Um nur eini­ge davon zu nen­nen: der Vien­na City Mara­thon in Öster­reich, der Jung­frau-Mara­thon in der Schweiz mit 1.800 Höhen­me­tern Unter­schied zwi­schen Start und Ziel, den Bri­xen Dolo­mi­ten Mara­thon in Süd­ti­rol und 2016 der ers­te Ultra mit mehr als 54 Kilo­me­tern Län­ge und 2.700 Höhen­me­tern im Baye­ri­schen Wald.

2017 erziel­te Bernd Deschau­er beim Frank­furt Mara­thon sei­ne bis­he­ri­ge Best­zeit von 3 Stun­den und 27 Minu­ten. Sport­lich kann man die­se Rei­he immer wei­ter auf­sto­cken. Aber, ähn­lich wie beim „Wan­der­zwerg“ fehl­te ihm noch etwas, das er Lauf­wil­li­gen ger­ne an die Hand geben woll­te, ein Lauf-Buch. Mitt­ler­wei­le, im Herbst 2020, ist auch ein sol­ches erschie­nen. Dar­in gibt er Tipps für Ein­stei­ger und Fort­ge­schrit­te­ne und beschreibt Lauf­stre­cken in und um Bamberg.

„Die Turn­schu­he zu schnü­ren, gehört für mich zur Normalität“

Wie bekommt Bernd Deschau­er das alles unter einen Hut: Lau­fen, Wan­dern, Bücher schrei­ben, drei bis fünf­mal pro Woche trai­nie­ren, Zeit mit sei­ner Fami­lie ver­brin­gen und sei­ner Arbeit an der Otto-Fried­rich-Uni­ver­si­tät im Bereich Stu­di­en­gangs­mar­ke­ting nachgehen?

„Am Tag arbei­te ich, am Wochen­en­de machen wir Aus­flü­ge und abends schrei­be ich Bücher. Ach ja, und fast täg­lich die Turn­schu­he zu schnü­ren, gehört für mich zur Nor­ma­li­tät. Hier­für ste­he ich am Wochen­en­de schon mal gegen 5 Uhr auf, lau­fe los und um 8 Uhr bin ich mit Sem­meln wie­der zu Hau­se. Als die Kin­der noch klei­ner waren, nahm ich sie im Jog­ger mit.“

Deschau­er liebt die kla­re, kal­te Luft im Win­ter. Sein mar­kan­ter Bart ver­wan­delt sich dann zuwei­len in einen Eis­zap­fen. Und im Som­mer genießt er den Son­nen­auf­gang, bevor die Hit­ze den Tag ver­ein­nahmt. Sei­ne Stre­cken füh­ren durch den Hain, den Michels­ber­ger und den Bru­der­wald oder Rich­tung Baunach.

Nach sei­nen letz­ten Wett­be­wer­ben gefragt, wirkt er etwas nach­denk­lich. Im Juni die­ses Jah­res trat er beim Lavare­do Ultrat­rail auf der 80 Kilo­me­ter lan­gen Stre­cke mit 4.600 Höhen­me­tern inmit­ten des Dolo­mi­ten UNESCO Welt­na­tur­er­bes an. Etwas zer­knirscht resü­miert er: „Nach 70 Kilo­me­tern, etwa zehn Kilo­me­ter vor dem Ziel, muss­te ich auf den Rat der Sani­tä­ter hören und den Lauf been­den. Das ist für einen Läu­fer ärger­lich und nur schwer zu akzep­tie­ren, aber natür­lich geht die Gesund­heit vor.“

Und wie sieht die nähe­re Lauf­zu­kunft aus? „Ich kon­zen­trie­re mich immer mehr auf das Ultra­l­au­fen, aber erst ein­mal freue ich mich auf den Mün­chen Mara­thon und auf den Welt­erbelauf im kom­men­den Jahr.“ Deschau­er plant dabei, an allen drei Läu­fen, also am Wie­land-Lauf mit 4,4, am Bro­se-Lauf mit 10,9 und am Spar­kas­sen-Lauf mit 21,1 Kilo­me­tern, teilzunehmen.

Bernd Deschauer
Bernd Deschau­er beim Frank­furt Mara­thon 2017
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