Ob länger andauernde Schlafprobleme, die Wahl und Zubereitung der richtigen Beikost oder das erste Zahnen – Eltern von Neugeborenen stehen oft vor vielen Fragen und Unsicherheiten. Die Familienkinderkrankenschwestern Andrea Liederer und Sindy Brantz sind erfahrende Ratgeberinnen und Lotsinnen bei derlei Angelegenheiten.
„Wir möchten möglichst frühzeitig in die Familien gehen, um aktuell problematische Themen gut aufzufangen“, sagt Familienkinderkrankenschwester Andrea Liederer. „Optimal ist es, wenn unser Angebot direkt an die Versorgung durch die Nachsorgehebamme anschließt.“
Als freiberufliche Familienkinderkrankenschwester für „Koki – Koordinierungsstelle Frühe Kindheit“, einem niederschwelligen Angebot der Stadt Bamberg, besucht Andrea Liederer über einige bis mehrere Monate hinweg meist einmal in der Woche Familien in deren häuslichem Umfeld und unterstützt die Eltern bei Herausforderungen und Problemen, die sich durch den Familienzuwachs ergeben: Etwa, wenn die Eltern noch sehr jung sind, sich noch in der Ausbildung befinden oder viele Kinder haben, allein erziehen oder der familiäre Rückhalt fehlt.
Aber auch, wenn sie erschöpft sind, weil ihr Baby viel schreit, wenig schläft oder schlecht isst, wenn sie als Eltern selbst oder ihre Kinder von Krankheit oder Behinderung betroffen sind oder eine angespannte Wohnungs- und finanzielle Situation vorherrscht, kommt die Familienkinderkrankenschwester. Auch Früh- und Mehrlingsgeburten stellen Familien vor große Herausforderungen. Manchmal kommt es zu einschneidenden Ereignissen wie Trennung, Scheidung oder Tod eines nahestehenden Menschen, die die Familien in Krisen stürzen. Auch hier kann die Familienkinderkrankenschwester die Eltern zu Hause unterstützen. In manchen Situationen ist es hilfreich, Familien bereits während der Schwangerschaft durch KoKi zu begleiten, so dass der Start ins Leben harmonisch gelingen kann.
Die Häufigkeit und Länge der einzelnen Hausbesuche sind von der jeweiligen Situation der Familie abhängig und werden durch Telefonkontakt ergänzt. „Ziel der Arbeit der Familienkinderkrankenschwestern ist es, Familien vorübergehend zu begleiten, ihnen Hilfe zur Selbsthilfe aufzuzeigen und die Familie so entscheidend zu stärken“, betont Liederer. Gerade zu Beginn der Zusammenarbeit bestehe ein enger Kontakt, um Vertrauen aufzubauen und schwierige Situationen zu erkennen.
Sensible Tätigkeit
Für die Abstimmung, zu wem welche Familie passt, gibt es im Vorfeld eine Teambesprechung mit den sozialpädagogischen Fachkräften von „KoKi“. In einem anschließenden, ersten Gespräch zum Kennenlernen der Familie und der Familienkinderkrankenschwester wird der Bedarf nochmals konkretisiert. In dem meist rund zweistündigen Hausbesuch, den Andrea Liederer der jeweiligen Familie abstattet, findet der Kontakt in vertraulicher Atmosphäre statt.
„Es ist eine sehr sensible Tätigkeit und oft sind es auch besondere Situationen, in die uns die Familie Einblicke gewährt“, sagt Andrea Liederer. „Dazu braucht es viel Empathie und Vertrauen.“
Liederer ist seit vielen Jahren in ihrem Beruf in der Kinder- und auch Erwachsenenpflege tätig. Als Familienkinderkrankenschwester arbeitet sie freiberuflich seit 2015 für mehrere Jugendämter in der Region. Gemeinsam im Wechsel mit ihrer Kollegin Sindy Brantz besucht sie im Rahmen einer Elternsprechstunde zweimal monatlich auch das wöchentlich stattfindende „KoKi“-Cafe, ein Elternfrühstück mit Kinderbetreuung.
Dieses Hilfs-Angebot mit einem offenen Treffpunkt für alle Eltern von Säuglingen und Kleinkindern bis zu drei Jahren wurde von „KoKi“ ins Leben gerufen und findet außerhalb der Schulferien jeden Mittwoch in den Räumlichkeiten der Turnhalle im Stadtteiltreff BasKIDhall, Kornstraße 20 statt. Unabhängig von Ethnie, Alter, Familienstand oder Problemen können Mütter, Väter und Großeltern ohne Voranmeldung dort in lockerer Atmosphäre mit anderen Eltern und Familien ins Gespräch kommen.
Im „KoKi“-Café werden immer wieder auch für Eltern, die keine konkrete Hilfe in Anspruch nehmen interessante Themen besprochen. Etwa in Vorträgen zu Erster Hilfe bei Kindern oder dem Kochen von gesunder Beikost, auch in anderen Sprachen wie arabisch. Während ihre Kinder ungestört spielen, können sich die Mütter dort kennen lernen mit dem Ziel, Kontakte zu knüpfen und sich auch weiterhin zu treffen und austauschen. „Unsere „KoKi“-Café ist für alle jungen Eltern und auch Schwangere gedacht, die Interesse haben und ganz ohne Zwang Fragen stellen oder Hilfe in Anspruch nehmen wollen. Nach den Lockerungen nach der Pandemie ist das Interesse am Austausch enorm, das KoKi-Cafe ist momentan gut besucht“, sagt Andrea Liederer.
Oft seien es Essens- und Schlafprobleme, über die sich die jungen Eltern bei ihrem Kind Sorgen machen. In den Gesprächen mit den Müttern und Vätern können sich später aber auch andere Themen ergeben. „Wir hören zu und versuchen frühzeitig herauszufinden, worum es geht. So können Schlafprobleme des Kindes durch kleine Veränderungen relativ einfach zu lösen sein, es kann aber auch mehr dahinterstecken. Etwa Probleme in der Eltern-Kind-Bindung. Dann wollen wir das Gefühl vermitteln, dass Hilfe, die benötigt wird, auch ankommt.“
Immer wieder werde der Bedarf für ein Beratungsgespräch in den Familien auch von der Nachsorge-Hebamme empfohlen. Erste Gespräche mit den Familien führen dann die sozialpädagogischen Fachkräfte von „KoKi“ und wählen die Hilfen aus, die für die betreffende Familie notwendig sind. Die so entstehende Netzwerkarbeit ist vorteilhaft für alle Beteiligten und eine wertvolle Arbeit. „Meine Tätigkeit macht mir sehr viel Spaß, sie ist abwechslungsreich aber auch herausfordernd“, sagt Liederer. „Es ist eine sehr sinnstiftende Arbeit, bei der man viel bewirken kann, wenn die Hilfe angenommen wird.“
Roter Faden und Bauchgefühl gesucht
Die Hilfsangebote können dabei ganz vielfältig und unterschiedlich sein. „Manche wünschen sich Anleitung und klare Vorgaben, beispielsweise für mehr Struktur im Alltag, andere brauchen einfach nur ein paar Tipps, wie es besser laufen könnte“, sagt die 56-jährige Familienkinderkrankenschwester. An mangelnder Information liege es dabei nicht, ganz im Gegenteil. „Einige Familien haben Probleme, Informationen zu filtern und richtig einzuordnen oder in der Praxis anzuwenden, weil das eigene Bauchgefühl verlorengegangen ist.“
Beispielsweise hören Familien, dass ein Baby unbedingt in Rückenlage schlafen solle und überhitzte Räume vermieden werden müssten. Das führe gelegentlich dazu, dass Säuglinge einen erkennbar abgeflachten Hinterkopf hätten oder nicht schlafen können, weil es ihnen zu kalt ist. Auch die Reizempfindlichkeit, die bei einem Baby ab dem Alter von zehn Wochen zunehme, spiele für die Ruhe, die es dann zum Schlafen braucht, eine große Rolle. Gleiches gilt für den Rhythmus, der zwischen Wach- und Schlafphasen eingehalten werden sollte.
„In vielen jungen Familien herrscht Unsicherheit darüber, welche Bedürfnisse ein Neugeborenes hat und wie diese erfüllt werden können“, sagt Liederer „Die Familien haben sich verändert, generationenübergreifende Hilfen und Erfahrungstipps werden zunehmend weniger. Wir unterstützen und begleiten, betrachten die Dinge aus einer anderen Perspektive, aber die Verantwortung bleibt immer bei den Eltern.“
Daher seien Angebote für mehr Entlastung und kleine Auszeiten gefragt. „Am besten aus dem familiären oder persönlichen Umfeld, ohne dass die Mutter Angst haben muss, ihr Kind alleine zu lassen. Kleine Spaziergänge oder Café-Besuche können schon helfen, um mal Abstand zu gewinnen.“
So werde die alleinerziehende Mutter oder der Vater wie auch die Familie als solche wieder offen für neue Ideen und positive Gedanken.
Lockerheit gewinnen
„Man muss Prioritäten verlagern und Strukturen schaffen für mehr Entspannungs- und Freiräume“, erklärt Andrea Liederer. „Wir suchen nach Lösungen, wie das am besten gelingen kann.“
Auch Dinge zu relativieren und eine gewisse Lockerheit zu gewinnen, sei wichtig. Dass ein Baby bis zu zwei Stunden pro Tag schreien kann, sei völlig normal, auch wenn fünf Minuten oft schon als lang empfunden würden. „Mütter oder auch Väter müssen nicht perfekt sein und sollen sich und ihr eigenes Leben wegen eines Kindes auch nicht aufgeben“, sagt sie. Wenn man es zudem schaffe, die Bedürfnisse des Kindes rechtzeitig zu erkennen, bekomme man nach und nach auch die Sicherheit, die den Alltag erleichtert. „Und die meisten Eltern machen ihren Job wirklich prima.“
In ihrer Arbeit in den Familien bezieht Andrea Liederer auch die Väter mit ein. „Es ist gut, wenn die Väter sich einbringen können und wollen, wenn beide zuhören und die Anleitungen umsetzen.“ Und wenn auch die Väter spüren, dass sich durch die Hilfe eine Veränderung ergibt, seien sie zudem ganz froh, was sich wiederum positiv auf die Kinder und das Familienklima insgesamt auswirke. „Wenn es den Eltern gut geht, geht es auch den Kindern gut.“
Gewinnen die Eltern zunehmend Sicherheit im Umgang mit ihrem Nachwuchs, können die Intervalle der Hausbesuche nach und nach vergrößert werden. Wichtig sind Liederer dabei aber die Zwischenstands-Gespräche mit den Familien, um immer wieder aufzuzeigen, was sie in der gemeinsamen Arbeit schon erreicht haben. So können auch gelegentlich auftretende schwierige Phasen gut überbrückt werden.
Insgesamt läuft die Begleitung einer Familie durch die Familienkinderkrankenschwestern in Rahmen von „KoKi“ flexibel und richtet sich nach der Unterstützung, die die Familie benötigt. Sie kann aber auch bis zu einem Jahr dauern. Nicht immer muss diese Zeit voll in Anspruch genommen werden.
„Mein kürzester Einsatz war beispielsweise nur zwei Monate, in der eine Familie Unterstützung gebraucht hat“, sagt Liederer. Auch habe sie schon mehrmals mit Teenager-Müttern gearbeitet und Eltern in organisatorischen Fragen beraten und bei Behördengängen unterstützt. In der Netzwerk-Arbeit gehe es um die Begleitung und das Andocken an der richtigen Stelle. Im regelmäßigen Dialog mit den sozialpädagogischen Fachkräften von „KoKi“ finden deshalb Teambesprechungen und so ein weiterführender Austausch statt. „Das ist extrem wichtig für uns. Die Familien schätzen es, wenn wir genau die richtige Hilfe für sie, wie beispielsweise eine Mutter-Kind-Kur, finden und an die entsprechende Stelle vermitteln können“, sagt Andrea Liederer. „Aufgeschlossenheit und Vertrauen tragen dabei entscheidend zum Gelingen bei.“