Kann das sein? Florian Herrnleben lobt den Stadtrat? Seine neue Stadtecho-Kolumne gibt Aufschluss.
Nach all den städtischen Verfehlungen, herausgekramt durch die Presse und diverse Kleinstadtkabarettisten, ist es doch auch irgendwie mal beruhigend zu sehen, dass es diesmal der Stadtrat selbst war, der nach seinem Wandertag in den Bamberger Norden – fast irritiert und perplex – vom „Bombenalarm im Finanzsenat“ in der Größenordnung des Bonus-Skandals berichtete; völlig irritiert und perplex deshalb, weil man sich bei der Bewertung von Ungereimtheiten und der Einordnung von brisanten Themen auf Seiten unserer in den Stadtrat gesalbten Mitbürgerinnen und Mitbürger normalerweise nicht auf sich selbst, sondern immer eher darauf verlassen hat, ob schon etwas vorgekaut im FT oder wenigstens beim Herrnleben im Blog stand. Dass man ganz ohne externe journalistische Hilfe, … Super!
Ich fasse zusammen: Unsere allerbesten Stadträte haben bekanntermaßen ein vielen persönlich bis dahin doch eher unbekanntes Haus im Bamberger Norden, genauer gesagt in der Benzstraße, erkundet, das sich bei näherer Betrachtung und mit Blick auf die digitale Stadtkarte im Smartphone und das Grundbuch der Stadt plötzlich als städtisches Eigentum herauskristallisierte. Man hatte es – ganz begeistert – vor rund sechs Jahren selbst gekauft und dann…. Wie soll man es diplomatisch sagen? – Naja.…. irgendwie halt vergessen.
Kann passieren, wir kennen das! Da kaufst eine Immobilie mit schäbigen 4000 Quadratmetern Büro- und Lagerfläche und Zack! – Hat das Erinnerungsvermögen zwölf Bockbieranstiche später unter Umständen derart gelitten, dass du vielleicht mit Glück noch grob weißt, wo, aber halt nicht mehr, warum. Und so währte die Begeisterung für den überraschenden Immobilienfund nicht lange, sondern wich schnell dem Entsetzen, weil die 2‑Millionen-Immobilie noch gar nicht – wie 2017 werbewirksam im Sitzungsvortrag gewedelt – zur Entlastung des angespannten Bedarfs an Büroflächen für städtische Verwaltungen beiträgt. Sie wurde zwischenzeitlich auch nicht saniert oder anderweitig vermietet, sie stand schlicht und ergreifend die allermeiste Zeit und größtenteils leer.
Als dann auch noch ein Ratsherr von Google Maps direkt rüber auf die Taschenrechner-App wechselte, um hochzurechnen, was man mit dem Geld durch Vermietung von rund 4000 Quadratmetern Gewerbefläche in sechs Jahren an Grundschultoiletten hätte sanieren können, ist die Stimmung im Ratsgremium komplett gekippt.
Wir, die geneigten Beobachter lokalpolitischer – nennen wir es – „Kreativpolitik“, sind hingegen nach den diversen Stadtverwaltungsmangelproblemen der letzten Jahre nicht mehr so leicht aus der Fassung zu bringen. Unsereins kippt nicht vom Stuhl bei solchen Paradoxien: Eine Stadtverwaltung, die jedem Wohnungseigentümer in der dritten Seitenstraße im 2. Obergeschoss bei der Neugestaltung der Holzfenster reinredet, selbst aber hinter hässlichsten Kunststofffenstern in Schlumpfblau haust, und ein Stadtrat, der die Bilder vom Nazibayerlein vor der eigenen Nase abhängt, aber bei der Straße lieber 88 Augen zudrückt, passen natürlich nur konsequent in eine Stadt, wo man dem überlangen Leerstand von privatwirtschaftlichen Immobilien mit Hilfe einer Zweckentfremdungssatzung den Kampf angesagt hat, während man sich selbst verhält wie der hässliche Bruder der German Property Group.
Apropos German Property Group: Beim Blick auf die Liste der leerstehenden städtischen oder stiftischen Immobilien wird wahrscheinlich sogar der ehemalige Geschäftsführer dieser windigen Immobilien-Investmentgesellschaft neidisch. Über 20 Adressen im Stadtgebiet mit mal mehr, mal weniger maroden Wohnungen, Häusern und Lagerhallen sind aufgeführt, natürlich auch die Immobilie in der Benzstraße.
„Ach?“ fragt ihr euch. „Zu diesen städtischen Immobilien, die leer stehen, gibt es eine Liste?“
Jo, klar! – Der Stadtrat hatte die auch. Seit Jahren. Also lieber doch erstmal nicht zu viel Lob…