In seiner aktuellen Stadtecho-Kolumne versetzt sich Florian Herrnleben in einen Touristen hinein, der in Bamberg vor lauter geschlossenen Lokalen steht und immer wieder zu lesen bekommt: Danke für nichts!
Man stelle sich vor: Ein ganz normaler Sommer in Bamberg. Ein Wochenende steht vor der Tür. Bamberg droht wie gewöhnlich von der üblichen Zahl von Tages‑, Schiffs- und Kurztriptouristen heimgesucht zu werden, die sich unser schönes Städtchen im schönen Frankenland, fernab des Großstadttrubels, ansehen wollen. Man hatte die schöne Stadt an der Regnitz noch nie persönlich gesehen, aber schon viel gehört von der Weltkulturerbestadt mit Weltruhm.
Wochenlang schon hatten sich die End-60er-Senioren auf den Trip vorbereitet. Die Akkus der hochmodernen spiegellosen Vollformatkamera geladen, die Buchungsbestätigung vom Hotel ausgedruckt, die Tennissocken unters Knie gezogen und die Trekkingsandalen geschnürt. Dem gelungenen Ausflug nach Bamberg stand also nichts mehr im Weg.
Eines Tages, es ist so weit, fährt man – das Frankenlied pfeifend – ins fränkische Rom ein und checkt nichtsahnend im Hotel ein.
Natürlich gilt es, bereits am ersten Abend die fränkisch-kulinarischen Köstlichkeiten zu probieren. Ein Schäuferla soll es sein. Oder diese Bamberger Zwiebel. Von der hatte man schon oft gehört. Vom Hotel aus macht sich der welterfahrene Städtetrippler also auf in Richtung Sonne. Dort in dieser wunderschönen Altstadt würde man das Bamberger Feeling fühlen können, die Bamberger Luft atmen. Doch dann ein erster, kleiner Riss im wohltemperiert geplanten Urlaub: Das Restaurant, das gutbürgerliche, das mit den allerallermeisten Sternen beim Bewertungsportal des Vertrauens, hat geschlossen. Weiße Schrift auf schwarzem Grund, ein großbuchstabiges „Danke für nichts!“ – Mehr nicht. Selbst mit hochgeklappter Klappsonnenbrille ist auf dem DinA3-Plakat nicht mehr zu lesen. Smartphone raus, Google an. „Geöffnet!“ steht da. Eindeutig. Bis 23 Uhr. Die Irritation ist groß. Auch die nächste Lokalität und auch die übernächste sind mit ähnlich wenig aufschlussreicher Begründung geschlossen. „Danke für nichts!“
Zuletzt bleibt nur der kleine Nahversorger in der Innenstadt. Aus dem Traum vom Schäuferla ist eine – angekommen in der Realität – Packung Toastbrot und ein paar Scheiben Wurstaufschnitt geworden. Zu trinken gibt es ein Bamberger Bier aus der Flasche. Alles zusammen genießt der irritierte Bamberg-Fan auf der Unteren Brücke bei leichtem Nieselregen.
Trost soll ihm, so sein Plan, das nun anstehende Kulturprogramm bieten. Eine freie Theatergruppe präsentiert einen Klassiker. Die Presse – man hatte sich natürlich bereits im Vorfeld ausführlich informiert – lobt die engagierte Truppe. Zum Glück. Denn die echten, die wahren Kulturleuchttürme der Stadt haben aktuell Sommerpause. Also, nichts wie hin! Angekommen am Ziel ein ähnlich düsteres Erwachen. Bereits aus mehreren Metern Abstand wieder das bereits vom Schäuferladesaster bekannte Plakat „Danke für nichts!“ und verschlossene Türen. Darunter wenigstens etwas mehr Hinweis als am Restaurant: „Die Veranstaltung heute muss leider ausfallen. Grüße ins Rathaus!“
Inzwischen ist es 20:30 Uhr. Zu früh, um begeistert von dieser Weltkulturerbestadt ins Hotel schlafen zu gehen, aber auch zu spät, um noch nach Alternativen zu schauen. Zumal die leise Ahnung erwacht, dass heute vielerorts ebensolch ein Schild an der Tür hängt.
Der Plan ist klar: Es braucht wenigstens noch Alkohol. Ein Drink in einer Bar, in einem Club, in einer dieser berühmten Cocktailbars. Der Weg zu Fuß ist nicht weit. 15 Minuten später steht unser bemitleidenswerter Reiselüstling in der altstädtigsten Altstadt, wo das Leben toben soll. Zumindest laut Smartphone und Maps-App. Doch die ebenerdig ausgebauten Gehsteige sind sprichwörtlich hochgeklappt. Und Sie ahnen es: „Danke für nichts!“ an allen Türen.
Natürlich hab ich mir dieses apokalyptische Szenario nur erdacht. Es wird niemals so eintreten. Denn die Gewerbetreibenden, die Gastronomie und die freien Kulturschaffenden dieser Stadt ahnen nicht ansatzweise, wie sehr das Rathaus von ihnen abhängt.