Stadt­echo-Kolum­ne

Flo­ri­an Herrn­le­ben über die Gefahr einer Bam­ber­ger Apokalypse

2 Min. zu lesen
Florian Herrnleben
Foto: Florian Herrnleben
In sei­ner aktu­el­len Stadt­echo-Kolum­ne ver­setzt sich Flo­ri­an Herrn­le­ben in einen Tou­ris­ten hin­ein, der in Bam­berg vor lau­ter geschlos­se­nen Loka­len steht und immer wie­der zu lesen bekommt: Dan­ke für nichts!

Man stel­le sich vor: Ein ganz nor­ma­ler Som­mer in Bam­berg. Ein Wochen­en­de steht vor der Tür. Bam­berg droht wie gewöhn­lich von der übli­chen Zahl von Tages‑, Schiffs- und Kurz­trip­tou­ris­ten heim­ge­sucht zu wer­den, die sich unser schö­nes Städt­chen im schö­nen Fran­ken­land, fern­ab des Groß­stadt­tru­bels, anse­hen wol­len. Man hat­te die schö­ne Stadt an der Reg­nitz noch nie per­sön­lich gese­hen, aber schon viel gehört von der Welt­kul­tur­er­be­stadt mit Weltruhm.

Wochen­lang schon hat­ten sich die End-60er-Senio­ren auf den Trip vor­be­rei­tet. Die Akkus der hoch­mo­der­nen spie­gel­lo­sen Voll­for­mat­ka­me­ra gela­den, die Buchungs­be­stä­ti­gung vom Hotel aus­ge­druckt, die Ten­nis­so­cken unters Knie gezo­gen und die Trek­king­san­da­len geschnürt. Dem gelun­ge­nen Aus­flug nach Bam­berg stand also nichts mehr im Weg.

Eines Tages, es ist so weit, fährt man – das Fran­ken­lied pfei­fend – ins frän­ki­sche Rom ein und checkt nichts­ah­nend im Hotel ein.

Natür­lich gilt es, bereits am ers­ten Abend die frän­kisch-kuli­na­ri­schen Köst­lich­kei­ten zu pro­bie­ren. Ein Schäu­fer­la soll es sein. Oder die­se Bam­ber­ger Zwie­bel. Von der hat­te man schon oft gehört. Vom Hotel aus macht sich der welt­erfah­re­ne Städ­te­tripp­ler also auf in Rich­tung Son­ne. Dort in die­ser wun­der­schö­nen Alt­stadt wür­de man das Bam­ber­ger Fee­ling füh­len kön­nen, die Bam­ber­ger Luft atmen. Doch dann ein ers­ter, klei­ner Riss im wohl­tem­pe­riert geplan­ten Urlaub: Das Restau­rant, das gut­bür­ger­li­che, das mit den aller­al­ler­meis­ten Ster­nen beim Bewer­tungs­por­tal des Ver­trau­ens, hat geschlos­sen. Wei­ße Schrift auf schwar­zem Grund, ein groß­buch­sta­bi­ges „Dan­ke für nichts!“ – Mehr nicht. Selbst mit hoch­ge­klapp­ter Klapp­son­nen­bril­le ist auf dem DinA3-Pla­kat nicht mehr zu lesen. Smart­phone raus, Goog­le an. „Geöff­net!“ steht da. Ein­deu­tig. Bis 23 Uhr. Die Irri­ta­ti­on ist groß. Auch die nächs­te Loka­li­tät und auch die über­nächs­te sind mit ähn­lich wenig auf­schluss­rei­cher Begrün­dung geschlos­sen. „Dan­ke für nichts!“

Zuletzt bleibt nur der klei­ne Nah­ver­sor­ger in der Innen­stadt. Aus dem Traum vom Schäu­fer­la ist eine – ange­kom­men in der Rea­li­tät – Packung Toast­brot und ein paar Schei­ben Wurst­auf­schnitt gewor­den. Zu trin­ken gibt es ein Bam­ber­ger Bier aus der Fla­sche. Alles zusam­men genießt der irri­tier­te Bam­berg-Fan auf der Unte­ren Brü­cke bei leich­tem Nieselregen.

Trost soll ihm, so sein Plan, das nun anste­hen­de Kul­tur­pro­gramm bie­ten. Eine freie Thea­ter­grup­pe prä­sen­tiert einen Klas­si­ker. Die Pres­se – man hat­te sich natür­lich bereits im Vor­feld aus­führ­lich infor­miert – lobt die enga­gier­te Trup­pe. Zum Glück. Denn die ech­ten, die wah­ren Kul­tur­leucht­tür­me der Stadt haben aktu­ell Som­mer­pau­se. Also, nichts wie hin! Ange­kom­men am Ziel ein ähn­lich düs­te­res Erwa­chen. Bereits aus meh­re­ren Metern Abstand wie­der das bereits vom Schäu­fer­la­de­sas­ter bekann­te Pla­kat „Dan­ke für nichts!“ und ver­schlos­se­ne Türen. Dar­un­ter wenigs­tens etwas mehr Hin­weis als am Restau­rant: „Die Ver­an­stal­tung heu­te muss lei­der aus­fal­len. Grü­ße ins Rathaus!“

Inzwi­schen ist es 20:30 Uhr. Zu früh, um begeis­tert von die­ser Welt­kul­tur­er­be­stadt ins Hotel schla­fen zu gehen, aber auch zu spät, um noch nach Alter­na­ti­ven zu schau­en. Zumal die lei­se Ahnung erwacht, dass heu­te vie­ler­orts eben­solch ein Schild an der Tür hängt.

Der Plan ist klar: Es braucht wenigs­tens noch Alko­hol. Ein Drink in einer Bar, in einem Club, in einer die­ser berühm­ten Cock­tail­bars. Der Weg zu Fuß ist nicht weit. 15 Minu­ten spä­ter steht unser bemit­lei­dens­wer­ter Rei­selüst­ling in der alt­städ­tigs­ten Alt­stadt, wo das Leben toben soll. Zumin­dest laut Smart­phone und Maps-App. Doch die eben­erdig aus­ge­bau­ten Geh­stei­ge sind sprich­wört­lich hoch­ge­klappt. Und Sie ahnen es: „Dan­ke für nichts!“ an allen Türen.

Natür­lich hab ich mir die­ses apo­ka­lyp­ti­sche Sze­na­rio nur erdacht. Es wird nie­mals so ein­tre­ten. Denn die Gewer­be­trei­ben­den, die Gas­tro­no­mie und die frei­en Kul­tur­schaf­fen­den die­ser Stadt ahnen nicht ansatz­wei­se, wie sehr das Rat­haus von ihnen abhängt.

Ihr Flo­ri­an Herrnleben
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