Das ATRIUM am Bahnhof erinnert Florian Herrnleben an seine Rumpelkammer zuhause. Mehr dazu in seiner aktuellen Stadtecho-Kolumne.
Viele von euch werden ihn kennen: Diesen einen Raum zuhause, der geheim bleiben muss. Kein Besuch darf dort hineinschauen, weil sich dort Bügelwäsche für vier volle Kleiderschränke, zwei Fondue-Sets, das Waffeleisen, die Heißluftfritteuse, die Raclettegrills der Schwiegereltern und die vier unwichtigsten, unausgepackten Umzugskartons vom letzten Wohnungswechsel vor vier Jahren stapeln. Den Blick auf die eigene Fehlbarkeit, die persönlichsten Defizite möchte man dem Gast ersparen, um dabei selbst den Schein eines zuhause perfekt organisierten Tine-Wittler-Doubles zu wahren.
Natürlich gibt es auch – wenn auch seltener – das fleischgewordene, exakte Gegenteil. Diejenigen, die sich um nix scheren, wo man beim Betreten der Wohnung erstmal durch ein Meer aus Pfandflaschen waten muss, bevor man sich beim ersten Schritt ins Wohnzimmer zwei Legosteine in die Fußsohle stempelt und das Regal (Modell „Muss ich mal machen“) seit Jahren halbaufgebaut an der falschen Wand steht. Ich will diesen Lebensstil nicht verurteilen. Ich finde diese Spezies, die oft auf andere Dinge viel mehr Wert legt als auf „Wohnen wie im Möbelhauskatalog“, auch sehr sympathisch.
Warum erklär ich das? – Bamberg verkörpert beides zusammen in größtmöglichem Widerspruch. Wenn es darum geht, das eigene Wohnzimmer zu tapezieren, findet man in Rekordgeschwindigkeit einen passenden Fördertopf in irgendeinem Eck der EU und gleichzeitig zufällig dann auch über Nacht im eigenen Haushalt einen schicken Millionenbetrag zur notwendigen Selbstbeteiligung: Altes Rathaus, Rathaus am Maxplatz, Rathaus Geyerswörth und Rathaus am ZOB,… Man könnte fast meinen, dass der Bau‑, der Stiftungs‑, der Immobilien- und der Finanzreferent richtig gut und schnell zusammenarbeiten können, wenn sie – auch wie bei der Verhinderung von Moscheen im Haingebiet – müssen.
(Anmerkung des Kolumnisten: Ich hab des städtischen Friedens wegen mal lieber nicht aufsummiert, was in jüngster Vergangenheit und naher Zukunft alleine in die Amtsstuben der städtischen Rathauspremiums geflossen ist und noch fließen wird. Würde man so viel Geld in die städtischen Grundschulen pumpen, um den Investitionsstau mal einigermaßen aufzulösen, man hätte im nächsten Wahlkampf nichts mehr zu versprechen.)
Was nützt aber das schönste Wohnzimmer, wenn es – um im Bild zu bleiben – zum Beispiel an der Haustüre, am Tor, an der Fassade der Stadt, sprich: am Bahnhof, aussieht, als hätte ein Praktikant mit Sprengstoff geübt. Erst strahlte – und das war ja irgendwie noch erträglich – entlang der Ludwigstraße jahrelang die öde Trostlosigkeit eines vormals glänzenden Einzelhandelskonzepts, das man nun interimsweise vielleicht wenigstens als Rathausersatz (kleiner Wink in die Luitpoldstraße an dieser Stelle) hätte nutzen können, wenn dort aber nicht nun auch schon seit Jahren ein riesiges Loch im Mondkraterstyle direkt am von der Abrissbirne halbverdauten Rest des einstigen Stahlbetonklotzes klaffen würde.
Mit dem Finger nur auf die Investoren zu zeigen, die das ATRIUM, oder das was nach dem Attentat davon übrig ist, entwickeln wollen, ist falsch. Die Gründe für ständige Verzögerungen sind vielfältig, die Verantwortung liegt aber auch bei der Stadtverwaltung. Direkt am Bahnhof fehlt (aufgepasst, Wortspiel!) der Zug dahinter. Man vermisst den unbedingten Willen vor allem der Rathausoberschicht, am Zustand neben und – wenn wir schon dabei sind – auch vor dem Bahnhof etwas entscheidend und vor allem zeitnah ändern zu wollen. Nun hängt es angeblich irgendwie am Gastro-Ei, das manchem Stadtgestalter aus dem gleichnamigen Beirat schwefelig aufstößt.
Ist nach Jahren der Verwahrlosung rund um den Bahnhof nicht alles besser als jetzt? Darf ein Stadtrat, der zum großen Teil das Rathaus am ZOB mitbeschlossen hat, überhaupt noch bei Fragen der Ästhetik mitreden?
Irgendwie scheint es mir aktuell wahrscheinlicher und auch einfacher, im Zuge des Bahnausbaus durch die Stadt den Bahnhof selbst zu verlegen. Am besten mitten auf den Maxplatz! Dann könnten wir alles hinter der Königstraße abmauern und hätten als Stadt endlich auch eine geheime Rumpelkammer, die keiner mehr betreten darf, der unsere Stadt besucht.
Ihr Florian Herrnleben