Stadt­echo-Kolum­ne

Flo­ri­an Herrn­le­ben über das ATRIUM

2 Min. zu lesen
ATRIUM
Foto: F. Herrnleben
Das ATRIUM am Bahn­hof erin­nert Flo­ri­an Herrn­le­ben an sei­ne Rum­pel­kam­mer zuhau­se. Mehr dazu in sei­ner aktu­el­len Stadt­echo-Kolum­ne.

Vie­le von euch wer­den ihn ken­nen: Die­sen einen Raum zuhau­se, der geheim blei­ben muss. Kein Besuch darf dort hin­ein­schau­en, weil sich dort Bügel­wä­sche für vier vol­le Klei­der­schrän­ke, zwei Fon­due-Sets, das Waf­fel­ei­sen, die Heiß­luft­frit­teu­se, die Raclette­grills der Schwie­ger­el­tern und die vier unwich­tigs­ten, unaus­ge­pack­ten Umzugs­kar­tons vom letz­ten Woh­nungs­wech­sel vor vier Jah­ren sta­peln. Den Blick auf die eige­ne Fehl­bar­keit, die per­sön­lichs­ten Defi­zi­te möch­te man dem Gast erspa­ren, um dabei selbst den Schein eines zuhau­se per­fekt orga­ni­sier­ten Tine-Witt­ler-Dou­bles zu wahren.

Natür­lich gibt es auch – wenn auch sel­te­ner – das fleisch­ge­wor­de­ne, exak­te Gegen­teil. Die­je­ni­gen, die sich um nix sche­ren, wo man beim Betre­ten der Woh­nung erst­mal durch ein Meer aus Pfand­fla­schen waten muss, bevor man sich beim ers­ten Schritt ins Wohn­zim­mer zwei Lego­stei­ne in die Fuß­soh­le stem­pelt und das Regal (Modell „Muss ich mal machen“) seit Jah­ren halb­auf­ge­baut an der fal­schen Wand steht. Ich will die­sen Lebens­stil nicht ver­ur­tei­len. Ich fin­de die­se Spe­zi­es, die oft auf ande­re Din­ge viel mehr Wert legt als auf „Woh­nen wie im Möbel­haus­ka­ta­log“, auch sehr sympathisch.

War­um erklär ich das? – Bam­berg ver­kör­pert bei­des zusam­men in größt­mög­li­chem Wider­spruch. Wenn es dar­um geht, das eige­ne Wohn­zim­mer zu tape­zie­ren, fin­det man in Rekord­ge­schwin­dig­keit einen pas­sen­den För­der­topf in irgend­ei­nem Eck der EU und gleich­zei­tig zufäl­lig dann auch über Nacht im eige­nen Haus­halt einen schi­cken Mil­lio­nen­be­trag zur not­wen­di­gen Selbst­be­tei­li­gung: Altes Rat­haus, Rat­haus am Max­platz, Rat­haus Gey­ers­wörth und Rat­haus am ZOB,… Man könn­te fast mei­nen, dass der Bau‑, der Stiftungs‑, der Immo­bi­li­en- und der Finanz­re­fe­rent rich­tig gut und schnell zusam­men­ar­bei­ten kön­nen, wenn sie – auch wie bei der Ver­hin­de­rung von Moscheen im Hain­ge­biet – müssen.

(Anmer­kung des Kolum­nis­ten: Ich hab des städ­ti­schen Frie­dens wegen mal lie­ber nicht auf­sum­miert, was in jüngs­ter Ver­gan­gen­heit und naher Zukunft allei­ne in die Amts­stu­ben der städ­ti­schen Rat­haus­pre­mi­ums geflos­sen ist und noch flie­ßen wird. Wür­de man so viel Geld in die städ­ti­schen Grund­schu­len pum­pen, um den Inves­ti­ti­ons­stau mal eini­ger­ma­ßen auf­zu­lö­sen, man hät­te im nächs­ten Wahl­kampf nichts mehr zu versprechen.)

Was nützt aber das schöns­te Wohn­zim­mer, wenn es – um im Bild zu blei­ben – zum Bei­spiel an der Haus­tü­re, am Tor, an der Fas­sa­de der Stadt, sprich: am Bahn­hof, aus­sieht, als hät­te ein Prak­ti­kant mit Spreng­stoff geübt. Erst strahl­te – und das war ja irgend­wie noch erträg­lich – ent­lang der Lud­wig­stra­ße jah­re­lang die öde Trost­lo­sig­keit eines vor­mals glän­zen­den Ein­zel­han­dels­kon­zepts, das man nun inte­rims­wei­se viel­leicht wenigs­tens als Rat­hau­ser­satz (klei­ner Wink in die Luit­pold­stra­ße an die­ser Stel­le) hät­te nut­zen kön­nen, wenn dort aber nicht nun auch schon seit Jah­ren ein rie­si­ges Loch im Mond­kra­ter­style direkt am von der Abriss­bir­ne halb­ver­dau­ten Rest des eins­ti­gen Stahl­be­ton­klot­zes klaf­fen würde.

Mit dem Fin­ger nur auf die Inves­to­ren zu zei­gen, die das ATRIUM, oder das was nach dem Atten­tat davon übrig ist, ent­wi­ckeln wol­len, ist falsch. Die Grün­de für stän­di­ge Ver­zö­ge­run­gen sind viel­fäl­tig, die Ver­ant­wor­tung liegt aber auch bei der Stadt­ver­wal­tung. Direkt am Bahn­hof fehlt (auf­ge­passt, Wort­spiel!) der Zug dahin­ter. Man ver­misst den unbe­ding­ten Wil­len vor allem der Rat­haus­ober­schicht, am Zustand neben und – wenn wir schon dabei sind – auch vor dem Bahn­hof etwas ent­schei­dend und vor allem zeit­nah ändern zu wol­len. Nun hängt es angeb­lich irgend­wie am Gas­tro-Ei, das man­chem Stadt­ge­stal­ter aus dem gleich­na­mi­gen Bei­rat schwe­fe­lig aufstößt.

Ist nach Jah­ren der Ver­wahr­lo­sung rund um den Bahn­hof nicht alles bes­ser als jetzt? Darf ein Stadt­rat, der zum gro­ßen Teil das Rat­haus am ZOB mit­be­schlos­sen hat, über­haupt noch bei Fra­gen der Ästhe­tik mitreden?

Irgend­wie scheint es mir aktu­ell wahr­schein­li­cher und auch ein­fa­cher, im Zuge des Bahn­aus­baus durch die Stadt den Bahn­hof selbst zu ver­le­gen. Am bes­ten mit­ten auf den Max­platz! Dann könn­ten wir alles hin­ter der König­stra­ße abmau­ern und hät­ten als Stadt end­lich auch eine gehei­me Rum­pel­kam­mer, die kei­ner mehr betre­ten darf, der unse­re Stadt besucht.
Ihr Flo­ri­an Herrnleben

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