Für seine aktuelle Stadtecho-Kolumne hat sich Florian Herrnleben einen selbstgemischten Glühwein eingeschenkt und lässt das zurückliegende Jahr und seine Aufregerthemen Revue passieren.
Na, wie fühlen Sie sich? Geht’s gut? Plätzchen bereits gebacken und Tetrapak-Glühwein schon auf dem Herd? Das erste „Last Christmas“ bereits in orchestraler Version hinuntergewürgt? Wie sinnlich, wie heilig, wie still!
Es scheint gemütlich zu werden in den nächsten Wochen, wir können uns endlich mal wieder um uns selbst kümmern. Auch ich, ja, denn in den letzten Jahren war zwischen den Jahren immer was los. Langsam kommt es, gell?
Waren es vor zwei Jahren noch die inzwischen überregional bekannten „Keine Leistung ohne Gegenleistung“-Guddis, spendiert von der Bamberger Rathausoberschicht für die besonders engagierten, die besonders fleißigen und die besonders treuen Rathausgetreuen, die die Staatsanwaltschaft Hof auf den Plan riefen, so waren es vor genau einem Jahr die Herren Sandmann, Franken und Hausdörfer, deren inzwischen abgehalfterte Existenz sich als Reality-Soap an den Fäden von Stieringer und seinen guten Bekannten entpuppt hat.
Wir sollten uns bewusst machen: Es ist tatsächlich der erste Jahreswechsel ohne Skandal, ohne politisches „Wir retten uns zwischen die Tage“ und ohne Sonderschichten am Maxplatz auf der einen Seite und journalistisches „Alter! Ich mag auch mal frei haben und nix recherchieren und schreiben!“ auf der anderen.
Und es ist auf absehbare Zeit auch nix zu erwarten. Und das hat Gründe: Die Hürde für neue, städtische Aufreger ist so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Wir sind komplett abgestumpft.
Wenn woanders Disziplinarverfahren gegen OB und entscheidende Teile der Führungstruppe eines Rathauses laufen würden, mal ehrlich, eine normale Stadt wäre schon längst auf links, oder? Aber in Bamberg? Hier redet man nicht mal mehr am Stammtisch über unseren Oberbonimeister und seine Maxplatz-Daltons. Vorbestraft? Egal! Halbe Rathausspitze auch! – Noch mehr egal! Wie so vieles…
Hier kann man nun Geld für großangelegteste Mitmachstadt-Umfragen verprassen, um sie anschließend dann doch lieber geflissentlich bei den offiziellen Abstimmungen zu ignorieren, und kaum jemand regt sich auf, weswegen anschließend der vorgeblich weltoffenste und europäischste aller unserer in den Stadtrat gesalbten Politiker, also der, dessen Fraktionspartner vorher – wir sprachen darüber – im Kuschelbus mit der AfD nach München getrampt ist, öffentlich mit adaptierten Naziparolen – höchstbedauerlich, großes Missverständnis – entgleisen darf, was ja auch nicht weiter schlimm ist, weil man sogar als Stadtmarketingvorsitzender in diesem viele kommunikativ überfordernden Facebook mit Mafiamethoden gegen Kritiker liebäugeln kann. Alles nicht der Rede wert, denn auch die CSU-Fraktion tatzt durchs Stimmungsbild der Stadtgesellschaft wie eine Stahlkugel im Flipperautomaten und kippt vor Abstimmungen schneller als ein Kasten Nürnberger Bier in der prallen Sonne, während es auch keinen interessiert, warum die Grünen ihre Aufstellungsversammlung aus *hüstel* „formalen Gründen“ wiederholen mussten und sich auch niemand empört, dass der OB, also unser Andi, als ehrwürdiger, amtierender Vizepräsident des Bezirkstages jüngst irgendwie von seiner eigenen SPD nicht mal mehr auf die Bezirkstagskandidatenliste gesetzt wurde. Wurde er vergessen? Was weiß ich…
Das politische Geplänkel, die diversen Machenschaften und Entgleisungen… sie scheinen nicht mehr zu interessieren. Zum Glück, denn ich brauch ja auch mal Zeit für mich.
Und während ich hier so sitze und in aller Ruhe an meinem Glühwein nippe, den ich mir aus einer Flasche Rotwein, die man mir nach einem Auftritt geschenkt hat, und ein wenig Zimt und Rum-Aroma zusammengepanscht hab, kommen mir langsam doch noch Aufregerfragen und Blutdruckthemen in den Sinn: Kriegt man künftig im Karstadt echt keinen Personalrabatt mehr, obwohl man jemanden kennt, der jemanden kennt, der da mal gearbeitet hat? Wird eine bis heute berechtigte Empörung über die Qualität von Gelben Säcken in dieser Stadt jemals wieder auf fruchtbaren Gesellschaftsboden fallen? Und vor allem: Was mach ich nun zwischen den Jahren?