Stadt­echo-Kolum­ne

Flo­ri­an Herrn­le­ben über: Hin­ter den Gleisen

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Hinter den Gleisen
Foto: Florian Herrnleben
In Bam­berg gibt es sozia­le Unter­schie­de je nach dem, auf wel­cher Sei­te der Bahn­glei­se man lebt. In sei­ner neu­en Stadt­echo-Kolum­ne wünscht sich Flo­ri­an Herrn­le­ben mehr Wert­schät­zung für die Stadt­tei­le „Hin­ter den Gleisen“.

In der Gereuth klir­ren die Schei­ben, im Bam­ber­ger Nor­den rie­chen die Men­schen wahl­wei­se nach Schlacht­ab­fäl­len oder Müll­heiz­kraft­werk, am Cher­bon­hof hau­sen die Ökos in Zel­ten aus Rup­fen­sä­cken, in der Innen­stadt, die voll ist mit Stu­den­ten, fah­ren alle nur noch mit Las­ten­fahr­rä­dern. Und hin­ter die Glei­se, da zieht nur hin, wer kom­plett geschmacks­frei gar nix auf sich hält. Mit Vor­ur­tei­len und Kli­schees, da spa­ren wir nicht. Wir ken­nen uns in unse­rem Bam­berg aus, mei­nen wir, samt jeweils gepach­te­ter Wahrheit!

Der Sozi­al­struk­tur­at­las, den das Rat­haus seit 2021 jähr­lich ver­öf­fent­licht, gibt einen klei­nen Ein­blick in die unter­schied­li­chen Stadt­tei­le und ver­sucht – zumin­dest hin­sicht­lich der sozia­len Struk­tur –, den gefühl­ten Wahr­hei­ten fun­dier­te Fak­ten zu ent­geg­nen. Die Daten aus dem über hun­dert­sei­ti­gen Doku­ment, kön­nen – so die wohl­klin­gen­de Ein­lei­tung – für die städ­ti­sche Pfle­ge­be­darfs­pla­nung, die städ­ti­sche Bedarfs­pla­nung der Jugend­so­zi­al­ar­beit an den Schu­len, das Inte­grier­te Städ­te­bau­li­che Ent­wick­lungs­kon­zept und für vie­les mehr – betont – gewinn­brin­gend genutzt werden.

Kön­nen, aber nicht müs­sen. Nie­mand dürf­te nach Blick ins Zah­len­werk (geht not­falls auch ohne Blick, nur mit den eige­nen, gefühl­ten Wahr­hei­ten) das Bam­ber­ger West-Ost-Gefäl­le ver­ken­nen, das so man­cher – der Bau­re­fe­rent wür­de sagen: „pri­vi­le­gier­te“ – Mit­bür­ger nase­rümp­fend von Insel und Berg aus als „dort hin­term Bahn­hof“ bezeich­net. Die Wahr­heit zum Bam­ber­ger Osten ist nicht schön. Aber hausgemacht.

Natür­lich zie­len der Bericht und sei­ne Ergeb­nis­se pri­mär auf Wei­ter­ent­wick­lung im Sozi­al­be­reich. Aber hängt nicht alles immer zusam­men? Also Kul­tur- und Sport­an­ge­bo­te, vor allem Wertschätzung?

Wäh­rend Jahr für Jahr Mil­lio­nen in die so oft zitier­ten Leucht­tür­me gepumpt wer­den, die die Insel mit Thea­ter und Sym­pho­ni­ker und das Berg­ge­biet mit den Muse­en strah­len las­sen, scheut man sich im Osten vor dem gro­ßen Wurf. Man malert sogar lie­ber ein wei­te­res Mal am schmu­cken Alten Rat­haus her­um, bevor man zumin­dest den klei­nen Wurf mit der Reit­hal­le als Kul­tur­zen­trum im Osten angeht. Die Beden­ken­trä­ger hin­sicht­lich mög­li­cher Betriebs­kos­ten schei­nen aktu­ell am lautesten.

Dabei wäre eben jenes enga­gier­te Ange­hen von Kul­tur ein ers­tes Signal in den Osten der Stadt, der – sagen wir es diplo­ma­tisch – vor bud­ge­tier­ten Kul­tur­ein­rich­tun­gen eher nicht strotzt. Für einen Stadt­rat, der auch dem Stadt­teil hin­ter den Glei­sen ver­pflich­tet ist, dürf­te sich die Fra­ge nach der Not­wen­dig­keit spä­tes­tens nach einem Blick auch in den Sozi­al­struk­tur­at­las auch nicht mehr stel­len. Statt­des­sen han­gelt man sich ali­bi­mä­ßig vom Pla­nen einer Mach­bar­keits­stu­die zur nächs­ten Mach­bar­keits­stu­die und wie­der zurück, spielt Hüt­chen zwi­schen Post- und Reit­hal­le, und besänf­tigt so den bevöl­ke­rungs­reichs­ten Stadt­teil, der kul­tu­rell seit Jahr­zehn­ten defac­to nicht mehr statt­fin­det. Und reno­viert statt­des­sen lie­ber wei­ter Rat­häu­ser dies­seits der Gleise.

Bam­bergs Teil „Hin­ter den Glei­sen“ ist zu groß, als dass es sich die Volks­hoch­schu­le im E‑Werk leis­ten könn­te, nur in Rich­tung Insel zu schau­en. Bam­bergs Teil „Hin­ter den Glei­sen“ ist auch zu groß, um dem Stadt­thea­ter zuzu­ge­ste­hen, dass es künst­le­risch nur an Wir­kungs­stät­ten ergie­big sein kann, wo E.T.A. Hoff­mann per­sön­lich schon getobt hat. Und die Sym­pho­ni­ker dür­fen gern auch mal mit ihrem Bus auf die Sta­di­onwie­se fahren.

Mit akti­ver, ech­ter Wert­schät­zung sei­tens der Poli­tik gin­ge es los, Inves­ti­tio­nen müs­sen fol­gen, die sat­ten städ­ti­schen Insti­tu­tio­nen dür­fen mit­hel­fen und wir alle arbei­ten jetzt schon an unse­ren Vor­ur­tei­len, um recht­zei­tig zu sagen: „Hin­ter den Glei­sen, da ist die Sze­ne, da wol­len wir hin!“

Ihr Flo­ri­an Herrnleben

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