Florian Herrnleben fragt sich in seiner aktuellen Stadtecho-Kolumne, ob künstliche Intelligenz im Stadtrat nützlich sein könnte.
Kaum ein Kolumnist oder Kommentator eines hiesigen Presse- und/oder Verlautbarungsorgans hat sich in den letzten Wochen dem allgemeinen Trend folgend nicht dazu hinreißen lassen, dem ChatGPT einen Plastiktext aus den virtuellen Rippen zu leiern. ChatGPT, in aller Munde, ist dieser Chatbot des US-amerikanischen Unternehmens OpenAI, der in Sekundenschnelle Fragen beantwortet und Texte jedweder Art schreibt. Zuletzt hatte sogar Stadtsprecher Michael Memmel die künstliche Intelligenz genutzt, um sich ein paar Zeilen ins Rathausjournal diktieren zu lassen. Vollautomatisch auf Basis von ein paar Wörtern bis Zeilen Fragestellung…
Während die einen große Gefahren für die gesamte, menschliche Zivilisation heraufbeschwören, bietet künstliche Intelligenz anderen natürlich große Chancen, nicht nur im Dunstkreis der Königstraße beim Erzeugen von Profilbildern für die Sandmanns, Frankens und Hausdörfers dieser Stadt. Auch in der moralisch weniger grenzwertigen Arbeit des vielbeschäftigten, gemeinen Stadtratsmitglieds kann ein virtueller Antrags- und Redenschreiber dienlich sein.
Das beweist Hans-Günter Brünker von VOLT, gelernter Schauspieler und damit ja naturgemäß darauf spezialisiert, Texte nicht selbst zu verfassen, sondern fremdes Material auswendig fehlerfrei vorzutragen. Er hat sich jüngst den trendigen Schreibroboter zu Nutze gemacht, um damit stolz einen Antragstext zur AEO durchzuformulieren. Oder anders: Der trendige Schreibroboter hat ihm was durchformuliert. – Erstmal großes Lob, man will ja nicht direkt immer motzen: Weniger, viel weniger Rechtschreibfehler als sonst gern mal! Inhaltlich löste der Antrag natürlich – ich formulier es diplomatisch – gewisses Kopfschütteln aus. Die aufgeworfenen, versicherungstechnischen Fragen konnte seine Ausschussgemeinschaft auch mit Hilfe der KI im Nachgang nicht beantworten, was erahnen lässt, wie es künftig Schülerinnen und Schülern vorne an der Tafel geht, wenn sie „ihre“ Gedichtinterpretation näher erläutern sollen.
Während hier die Schwächen von KI direkt offensichtlich wurden, hätte sie anderenorts im Sitzungssaal des Stadtrats durchaus qualitätssteigernd eingesetzt werden können. Die Absperrgitter auf der Kettenbrücke standen noch keine 24 Stunden, da begannen fünf Stadträte und Stadträtinnen bereits reflexartig hohlzudrehen.
„Kettenbr….?!?“
Während die älteren Ratsherrinnen und ‑damen sicherlich keine allzu guten Erinnerungen an das Prachtbauwerk inmitten der Weltkulturerbestadt haben dürften, das ihnen und allen Beteiligten einst einen Eintrag im Schwarzbuch der Steuern bescherte, überlegen sicherlich andere immer noch, welche verkehrsneuralgische Brennpunktachse da von heute auf morgen, also quasi über Nacht und zwar am helligsten Tag, für den mobilen Kraftverkehr gesperrt worden sein könnte.
„Der Innenstadt droht der Niedergang! Der Tod! Wenn man da zumacht, kommt ja NIEMAND mehr AUF KEINEN FALL in die Innenstadt!“
Echte Stadträte schrieben verhängnisvollerweise ohne virtuelle Hilfe und künstliche Intelligenz Dringlichkeitsanträge und Facebookpostings, es entstand ein Fragenkatalog und es entbrannten große Diskussionen im Mobilitätssenat… Ich hatte schon Angst, die lustigen fünf Freunde von der Kettenbrücke kleben sich aus Protest in die Baulücke. Ob es problematisch ist, wenn sich der eigene Wahrnehmungs- und Wirkungshorizont halt nur auf einer Linie zwischen Königstraße und Maxplatz befindet?
Zum Glück hat der OB den fünf Brückenbrodlern aus BUB, FW, FDP und Rest dann wohl persönlich die Luitpoldbrücke gezeigt und im letzten Moment erklärt, dass man sich echt nur auf 500 Meter Umweg einlassen muss, um die Innenstadt zu retten und den Einzelhandel nachhaltig zu stärken.
So gut, so didaktisch, so pädagogisch einfühlsam hätte das keine KI erklären können.