Seit Januar leitet Dr. Marta Famula das Bamberger Marionettentheater. Sie übernahm das Haus in unsicheren Zeiten, in denen nicht klar war, ob, wie und wo es für das Theater weitergehen würde. Nur im Spielplan herrscht auch unter ihrer Leitung Beständigkeit.
Seit etwa zwei Jahren ist bekannt, dass das Marionettentheater aus seiner Heimstatt in der Unteren Sandstraße ausziehen muss. Das Staub’sche Haus, das das Theater seit seiner Gründung 1986 beherbergte, soll saniert und danach ausschließlich als Wohnraum genutzt werden.
Anfang April fand die Suche des Marionettentheaters nach einer neuen Unterkunft ein Ende – 2025 kann es in den Barockflügel von Schloss Geyerswörth ziehen. Diese Entscheidung war allerdings lange unsicher. Zudem erschwerten interne Streitereien die Zukunftsplanung, hinzu kam im Oktober 2022 die Kündigung von Maria Sebald als Leiterin des Theaters.
Über die Entwicklungen der letzten und ihre Pläne für die kommenden Monate haben wir mit der neuen Leiterin, Dr. Marta Famula, gesprochen.
Frau Famula, wie sind Sie an die Stelle der Leiterin des Marionettentheaters gekommen? Was zeichnet Sie dafür aus?
Marta Famula: Ich habe in Augsburg Literaturwissenschaft studiert, weil mich die Kunst und das Theater immer interessiert haben. Während des Studiums arbeitete ich als Dramaturgie- und Regieassistentin. Nach dem Abschluss war ich 15 Jahre lang an der Universität tätig. In dieser Zeit fehlte mir aber die Kunst. Meine letzte Station war an der Universität Paderborn, dann erfuhr ich, dass das Marionettentheater in Bamberg eine neue Leitung sucht. Darin sah ich eine einmalige Chance, ein Theater zu leiten, Ideen zu verwirklichen und Leute zu begeistern. Also bewarb ich mich und hatte das Glück genommen zu werden.
Welche Neuerungen werden Sie einführen?
Marta Famula: Wir sind gerade dabei mit unseren neuen Spielerinnen und Spielern, die 12 Stücke des Repertoires wieder einzustudieren. Wir hatten kürzlich die Wiederaufnahme von „Ein Sommernachtstraum“, als nächstes kommen unter anderem das Volksstück „Doktor Johann Faust“ und die Oper „Hänsel und Gretel“ wieder auf den Spielplan. Derzeit haben wir, mit mir, vier neue Spielerinnen und Spieler und das Ensemble wächst. Das heißt, wir haben mehr Kapazitäten und können auch mehr spielen und proben. Auch arbeiten wir mit einem neuen Bühnenbildner zusammen und es sollen neue Marionetten entstehen. Unsere erste Premiere wird dann der „Goldene Topf“ nach der Erzählung von E.T.A. Hoffmann sein und dann kommt zum Jubiläumsjahr 2024 ein Stück zu Heinrich und Kunigunde.
Wie werden Sie die Position gestalten?
Marta Famula: Maria Sebald und ich waren von Anfang an in sehr engem Gespräch. Sie hat mir alles gezeigt und mich eingeführt, wofür ich ihr sehr dankbar bin. Grundlegend möchte ich ihre Arbeit wertschätzen, sie aber nicht kopieren. Ich möchte meine eigenen Wege suchen: Das beginnt damit, den Spielplan zu gestalten, die richtigen Spielerinnen und Spieler für die richtigen Stücke auszuwählen und mit allem zusammen das Publikum anzusprechen. Dann hatten wir natürlich auch die große Diskussion mit der Stadt darüber, wie sich das Theater selbst finanzieren kann, damit sich die Investition für die Stadt lohnt, das Theater nach Geyerswörth umziehen zu lassen und es dort zu fördern. Diese Dinge zu lernen und zu tun, wäre vielleicht nicht möglich gewesen, wenn Maria Sebald nicht diesen Übergang geschaffen hätte.
Mussten Sie Ihre Pläne vor der Stadt und der Kulturkommission verteidigen?
Marta Famula: Ja, definitiv. Als ich Anfang des Jahres hier herkam, war es durchaus nicht klar und sicher, dass das Marionettentheater nach Geyerswörth ziehen kann oder soll. Die Möglichkeit dieses Umzugs stand allerdings schon lange im Raum und wurde verschiedentlich sogar als gesetzt bezeichnet. Beim letzten Neujahrsempfang hatte Oberbürgermeister Starke sogar verkündet, dass das Marionettentheater definitiv nach Geyerswörth zieht. Bei meinem Gespräch mit der Stadt war das dann aber nicht mehr ganz so klar. Man sagte mir, das Theater sei vielmehr an einem Punkt, an dem es sich selbst zu zersetzen scheint und an dem es an Kräften mangelt, die zusammenarbeiten. Man wusste auf Seiten der Stadt also nicht, ob es überhaupt noch sinnvoll ist, das Theater zu unterstützen. Die Ansage an mich war dementsprechend: Wie kann sich das Theater finanzieren, damit wir Sie mit gutem Gewissen in Geyerswörth einziehen lassen können? Ich wurde gebeten, einen Finanzplan zu erstellen, wie das Theater aus eigener Kraft Geld einspielen möchte.
Das kann man als Literaturwissenschaftlerin?
Marta Famula: Das war eine große Herausforderung! Das Betriebskonzept zu erstellen, hat mir aber eigentlich sogar ziemlich Spaß gemacht. Ich hatte mich beworben, um das Potenzial dieses Hauses auszuschöpfen. Das Konzept war eine Gelegenheit dazu und ich konnte klar strukturieren, was möglich ist. Die Finanzen zu berechnen kann ich als Literaturwissenschaftlerin zwar tatsächlich nur bedingt. Aber mein Betriebskonzept hatte das Kulturbüro und die Stadt soweit überzeugt, dass wiederum von der Stadt die Bereitschaft da war, die Finanzseite selbst anzusehen und mit mir zusammen dann ein Finanzkonzept zu erstellen.
Wie konnten Sie die Kommission letztlich überzeugen?
Marta Famula: Ich denke, es war das Gesamtpaket: der Wunsch, mit verschiedenen Bamberger Kulturinstitutionen zusammenzuarbeiten, aber auch noch stärker auf touristisches Publikum zu setzen.
Das kam in der Tourismusstadt Bamberg sicher sehr gut an.
Marta Famula: Das Theater hat sich ja schon immer als Theater für Touristen, für Gäste der Stadt verstanden. Es ist außerhalb von Bamberg entsprechend viel bekannter als in der Stadt selbst. Wir haben oft mindestens 50 Prozent des Publikums von außerhalb – viele Bamberger wissen gar nichts von diesem Theater oder vermuten darin eine reine Institution für Kinder. Deshalb war die Idee, das Theater gegenüber Gästen auf der einen Seite als Juwel der Stadt zu präsentieren, und auf der anderen Seite auch die Bamberger Öffentlichkeit stärker anzusprechen.
Wie soll das gelingen?
Marta Famula: Zum Beispiel durch Kooperationen mit anderen Künstlerinnen und Künstlern oder der VHS. Die Volkshochschule könnte Kurse im Puppenspiel anbieten oder gleich Ausflüge ins Theater. Was die Künstler angeht, bin ich schon vielfach im Gespräch, etwa mit dem Schriftsteller Martin Beyer oder mit den Symphonikern. Und auch zu anderen Theatern würde ich gerne den Kontakt suchen. Die Idee ist auf jeden Fall, Kulturinteressierte in Bamberg stärker auf uns und die wertvolle Kunst, die wir zeigen, aufmerksam zu machen.
Was macht Geyerswörth dabei besonders attraktiv?
Marta Famula: Vieles. Das erste ist die Lage in der Nachbarschaft zum TKS. Touristen kommen direkt dran vorbei und sehen unsere Plakate. In der Oberen Sandstraße ist das nicht ganz so, dahin verirren sich nicht besonders Touristen zufällig. Auch ist Geyerswörth ein interessanter historischer Ort. Der Barockflügel, um den es geht, war schon Orangerie, Krankenhaus und Badehaus. Eine spannende Geschichte, in die sich das Theater einfügen und dem Ort gleichzeitig ein neues Gesicht verleihen würde.
Das Marionettentheater spielt seit seiner Gründung in den 1980er Jahren fast immer dieselben Stücke in der fast immer selben romantisch-klassischen Optik. Werden Sie daran festhalten?
Marta Famula: Definitiv ja. Der Kern dieses Theaters ist seine Bühne aus dem frühen 19. Jahrhundert, die ein kleiner Guckkasten ist. Der Blick des Publikums konzentriert sich auf diese kleine Spielfläche und blendet alles andere aus. Das geht natürlich auch mit einer gewissen Herausforderung einher. Aber man sieht eine Welt, die im Maßstab 1:10 die Realität widerspiegelt. Das Publikum taucht ein in diese Welt und vergisst, dass die Puppen nur 16 Zentimeter groß sind. Das ist eine Art von Kunst, die mit der Verfremdung, für die Brecht steht, bricht, weil man sich auf die Illusion, die es bietet, einlässt. Diese Kunstform hat eine eigene Berechtigung und es kommt darauf an, dass sie gut ausgeführt wird.
Aber könnte man diese Illusion nicht auch mit moderneren, womöglich politischeren Stücken erzeugen? Wieso dieses Festhalten am Althergebrachten?
Marta Famula: Grundlegend haben wir eine Satzung, die das vorsieht. Diese könnte man aber ändern und ich werde auch neue Stücke, wie gesagt vielleicht zusammen mit Martin Beyer, auf diese Bühne bringen. Was ich aber nicht möchte, ist, ein Alleinstellungsmerkmal aufzugeben, um einer bestimmten Mode nachzugeben. Ich glaube, dass viele Gäste unseres Theaters genau darin den Mehrwert unseres Theaters sehen. Es gibt viele Menschen, die sich auf etwas Historisches einlassen möchten, weil wir darin auch etwas über unsere eigene Wahrnehmungsweise, unser Verständnis von Theater und Illusion erfahren, das letztendlich unserer gesamten Medienrezeption zugrunde liegt.
Und weil wir damit auch an gewissen Ideen fürs Leben festhalten. Ideen wie Langsamkeit oder Genauigkeit. Aspekte also, die in unserer Realität oft zu kurz kommen, die darum aber auch immer wieder ein Revival erleben. Moderne Stücke werden, auf der anderen Seite, überall gespielt. Wichtig ist aber, dass sich das Theater selbst treu bleibt und Qualität aufrechterhält. Solange das gewährleistet ist, kann das Programm auch aufgebrochen werden – ich spiele zum Beispiel mit dem Gedanken, für „Der goldene Topf“ mit einer Videokünstlerin zusammenzuarbeiten. Aber einzustampfen, was die Qualität ausmacht, möchte ich nicht.
Das Marionettentheater als Flucht vor der anstrengenden Realität und ihrer Tagespolitik?
Marta Famula: Vielleicht. Aber die Frage ist, ob das nicht vielleicht auch eine politische Haltung ist. Denn sie fragt danach, was die eigentlichen Werte des Miteinanders sind. Das ist zeitlos. Hingegen ist es sowieso eine große Frage, ob ein Theater dann politisch ist, wenn es Stücke über die Tagespolitik auf die Bühne bringt. Oder ist es politisch, wenn es Fragen reflektiert, die generell politisch sind, im großen Sinne? Zweiteres tun wir zum Beispiel mit Shakespeare-Stücken oder „Faust“. Aber Tagespolitik wird es auf der Marionettenbühne wahrscheinlich nicht geben.
Sie sagten, bei Ihren früheren Positionen habe Ihnen die Kunst gefehlt. Können Sie sich nun künstlerisch austoben?
Marta Famula: Die Kunst des Marionettentheaters besteht darin, sich durch das Puppenspiel auf eine Art und Weise mit der menschlichen Existenz und ihrer Realität auseinanderzusetzen, die eben nicht reflektierend ist. Diese Kunst hat eine ungemeine Unmittelbarkeit. Und darin besteht vielleicht auch mein Begriff von Kunst, dass sie eine Zweckfreiheit und gleichzeitig den Anspruch hat, einer bestimmten Ästhetik zu folgen – aber ohne vollständig zu kopieren, wie frühere Inszenierungen aussahen.
Sie haben die Stelle im Januar angetreten. Wie gestaltet sich der Publikumszuspruch bisher?
Marta Famula: Gut. Wir bekommen sehr positive Rückmeldungen und sind gut ausverkauft. Wenn jetzt das Wetter besser wird, werden die Zahlen wie gewöhnlich etwas zurückgehen, aber wir geben immer wieder Sondervorstellungen für Gästegruppen, die nach Bamberg kommen, und lange im Vorfeld anfragen. Das hilft uns über die warme Zeit.