„Was ich nicht möch­te, ist, ein Allein­stel­lungs­merk­mal aufzugeben“

Im Inter­view: Mar­ta Famu­la, neue Lei­te­rin des Marionettentheaters

7 Min. zu lesen
Marta Famula
Marta Famula, Foto: S. Quenzer
Seit Janu­ar lei­tet Dr. Mar­ta Famu­la das Bam­ber­ger Mario­net­ten­thea­ter. Sie über­nahm das Haus in unsi­che­ren Zei­ten, in denen nicht klar war, ob, wie und wo es für das Thea­ter wei­ter­ge­hen wür­de. Nur im Spiel­plan herrscht auch unter ihrer Lei­tung Beständigkeit.

Seit etwa zwei Jah­ren ist bekannt, dass das Mario­net­ten­thea­ter aus sei­ner Heim­statt in der Unte­ren Sand­stra­ße aus­zie­hen muss. Das Staub’sche Haus, das das Thea­ter seit sei­ner Grün­dung 1986 beher­berg­te, soll saniert und danach aus­schließ­lich als Wohn­raum genutzt werden.

Anfang April fand die Suche des Mario­net­ten­thea­ters nach einer neu­en Unter­kunft ein Ende – 2025 kann es in den Barock­flü­gel von Schloss Gey­ers­wörth zie­hen. Die­se Ent­schei­dung war aller­dings lan­ge unsi­cher. Zudem erschwer­ten inter­ne Strei­te­rei­en die Zukunfts­pla­nung, hin­zu kam im Okto­ber 2022 die Kün­di­gung von Maria Sebald als Lei­te­rin des Theaters.

Über die Ent­wick­lun­gen der letz­ten und ihre Plä­ne für die kom­men­den Mona­te haben wir mit der neu­en Lei­te­rin, Dr. Mar­ta Famu­la, gesprochen.

Frau Famu­la, wie sind Sie an die Stel­le der Lei­te­rin des Mario­net­ten­thea­ters gekom­men? Was zeich­net Sie dafür aus?

Mar­ta Famu­la: Ich habe in Augs­burg Lite­ra­tur­wis­sen­schaft stu­diert, weil mich die Kunst und das Thea­ter immer inter­es­siert haben. Wäh­rend des Stu­di­ums arbei­te­te ich als Dra­ma­tur­gie- und Regie­as­sis­ten­tin. Nach dem Abschluss war ich 15 Jah­re lang an der Uni­ver­si­tät tätig. In die­ser Zeit fehl­te mir aber die Kunst. Mei­ne letz­te Sta­ti­on war an der Uni­ver­si­tät Pader­born, dann erfuhr ich, dass das Mario­net­ten­thea­ter in Bam­berg eine neue Lei­tung sucht. Dar­in sah ich eine ein­ma­li­ge Chan­ce, ein Thea­ter zu lei­ten, Ideen zu ver­wirk­li­chen und Leu­te zu begeis­tern. Also bewarb ich mich und hat­te das Glück genom­men zu werden.

Wel­che Neue­run­gen wer­den Sie einführen?

Mar­ta Famu­la: Wir sind gera­de dabei mit unse­ren neu­en Spie­le­rin­nen und Spie­lern, die 12 Stü­cke des Reper­toires wie­der ein­zu­stu­die­ren. Wir hat­ten kürz­lich die Wie­der­auf­nah­me von „Ein Som­mer­nachts­traum“, als nächs­tes kom­men unter ande­rem das Volks­stück „Dok­tor Johann Faust“ und die Oper „Hän­sel und Gre­tel“ wie­der auf den Spiel­plan. Der­zeit haben wir, mit mir, vier neue Spie­le­rin­nen und Spie­ler und das Ensem­ble wächst. Das heißt, wir haben mehr Kapa­zi­tä­ten und kön­nen auch mehr spie­len und pro­ben. Auch arbei­ten wir mit einem neu­en Büh­nen­bild­ner zusam­men und es sol­len neue Mario­net­ten ent­ste­hen. Unse­re ers­te Pre­mie­re wird dann der „Gol­de­ne Topf“ nach der Erzäh­lung von E.T.A. Hoff­mann sein und dann kommt zum Jubi­lä­ums­jahr 2024 ein Stück zu Hein­rich und Kunigunde.

Wie wer­den Sie die Posi­ti­on gestalten?

Mar­ta Famu­la: Maria Sebald und ich waren von Anfang an in sehr engem Gespräch. Sie hat mir alles gezeigt und mich ein­ge­führt, wofür ich ihr sehr dank­bar bin. Grund­le­gend möch­te ich ihre Arbeit wert­schät­zen, sie aber nicht kopie­ren. Ich möch­te mei­ne eige­nen Wege suchen: Das beginnt damit, den Spiel­plan zu gestal­ten, die rich­ti­gen Spie­le­rin­nen und Spie­ler für die rich­ti­gen Stü­cke aus­zu­wäh­len und mit allem zusam­men das Publi­kum anzu­spre­chen. Dann hat­ten wir natür­lich auch die gro­ße Dis­kus­si­on mit der Stadt dar­über, wie sich das Thea­ter selbst finan­zie­ren kann, damit sich die Inves­ti­ti­on für die Stadt lohnt, das Thea­ter nach Gey­ers­wörth umzie­hen zu las­sen und es dort zu för­dern. Die­se Din­ge zu ler­nen und zu tun, wäre viel­leicht nicht mög­lich gewe­sen, wenn Maria Sebald nicht die­sen Über­gang geschaf­fen hätte.

Muss­ten Sie Ihre Plä­ne vor der Stadt und der Kul­tur­kom­mis­si­on verteidigen?

Mar­ta Famu­la: Ja, defi­ni­tiv. Als ich Anfang des Jah­res hier her­kam, war es durch­aus nicht klar und sicher, dass das Mario­net­ten­thea­ter nach Gey­ers­wörth zie­hen kann oder soll. Die Mög­lich­keit die­ses Umzugs stand aller­dings schon lan­ge im Raum und wur­de ver­schie­dent­lich sogar als gesetzt bezeich­net. Beim letz­ten Neu­jahrs­emp­fang hat­te Ober­bür­ger­meis­ter Star­ke sogar ver­kün­det, dass das Mario­net­ten­thea­ter defi­ni­tiv nach Gey­ers­wörth zieht. Bei mei­nem Gespräch mit der Stadt war das dann aber nicht mehr ganz so klar. Man sag­te mir, das Thea­ter sei viel­mehr an einem Punkt, an dem es sich selbst zu zer­set­zen scheint und an dem es an Kräf­ten man­gelt, die zusam­men­ar­bei­ten. Man wuss­te auf Sei­ten der Stadt also nicht, ob es über­haupt noch sinn­voll ist, das Thea­ter zu unter­stüt­zen. Die Ansa­ge an mich war dem­entspre­chend: Wie kann sich das Thea­ter finan­zie­ren, damit wir Sie mit gutem Gewis­sen in Gey­ers­wörth ein­zie­hen las­sen kön­nen? Ich wur­de gebe­ten, einen Finanz­plan zu erstel­len, wie das Thea­ter aus eige­ner Kraft Geld ein­spie­len möchte.

Das kann man als Literaturwissenschaftlerin?

Mar­ta Famu­la: Das war eine gro­ße Her­aus­for­de­rung! Das Betriebs­kon­zept zu erstel­len, hat mir aber eigent­lich sogar ziem­lich Spaß gemacht. Ich hat­te mich bewor­ben, um das Poten­zi­al die­ses Hau­ses aus­zu­schöp­fen. Das Kon­zept war eine Gele­gen­heit dazu und ich konn­te klar struk­tu­rie­ren, was mög­lich ist. Die Finan­zen zu berech­nen kann ich als Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­le­rin zwar tat­säch­lich nur bedingt. Aber mein Betriebs­kon­zept hat­te das Kul­tur­bü­ro und die Stadt soweit über­zeugt, dass wie­der­um von der Stadt die Bereit­schaft da war, die Finanz­sei­te selbst anzu­se­hen und mit mir zusam­men dann ein Finanz­kon­zept zu erstellen.

Wie konn­ten Sie die Kom­mis­si­on letzt­lich überzeugen?

Mar­ta Famu­la: Ich den­ke, es war das Gesamt­pa­ket: der Wunsch, mit ver­schie­de­nen Bam­ber­ger Kul­tur­in­sti­tu­tio­nen zusam­men­zu­ar­bei­ten, aber auch noch stär­ker auf tou­ris­ti­sches Publi­kum zu setzen.

Das kam in der Tou­ris­mus­stadt Bam­berg sicher sehr gut an.

Mar­ta Famu­la: Das Thea­ter hat sich ja schon immer als Thea­ter für Tou­ris­ten, für Gäs­te der Stadt ver­stan­den. Es ist außer­halb von Bam­berg ent­spre­chend viel bekann­ter als in der Stadt selbst. Wir haben oft min­des­tens 50 Pro­zent des Publi­kums von außer­halb – vie­le Bam­ber­ger wis­sen gar nichts von die­sem Thea­ter oder ver­mu­ten dar­in eine rei­ne Insti­tu­ti­on für Kin­der. Des­halb war die Idee, das Thea­ter gegen­über Gäs­ten auf der einen Sei­te als Juwel der Stadt zu prä­sen­tie­ren, und auf der ande­ren Sei­te auch die Bam­ber­ger Öffent­lich­keit stär­ker anzusprechen.

Wie soll das gelingen?

Mar­ta Famu­la: Zum Bei­spiel durch Koope­ra­tio­nen mit ande­ren Künst­le­rin­nen und Künst­lern oder der VHS. Die Volks­hoch­schu­le könn­te Kur­se im Pup­pen­spiel anbie­ten oder gleich Aus­flü­ge ins Thea­ter. Was die Künst­ler angeht, bin ich schon viel­fach im Gespräch, etwa mit dem Schrift­stel­ler Mar­tin Bey­er oder mit den Sym­pho­ni­kern. Und auch zu ande­ren Thea­tern wür­de ich ger­ne den Kon­takt suchen. Die Idee ist auf jeden Fall, Kul­tur­in­ter­es­sier­te in Bam­berg stär­ker auf uns und die wert­vol­le Kunst, die wir zei­gen, auf­merk­sam zu machen.

Was macht Gey­ers­wörth dabei beson­ders attraktiv?

Mar­ta Famu­la: Vie­les. Das ers­te ist die Lage in der Nach­bar­schaft zum TKS. Tou­ris­ten kom­men direkt dran vor­bei und sehen unse­re Pla­ka­te. In der Obe­ren Sand­stra­ße ist das nicht ganz so, dahin ver­ir­ren sich nicht beson­ders Tou­ris­ten zufäl­lig. Auch ist Gey­ers­wörth ein inter­es­san­ter his­to­ri­scher Ort. Der Barock­flü­gel, um den es geht, war schon Oran­ge­rie, Kran­ken­haus und Bade­haus. Eine span­nen­de Geschich­te, in die sich das Thea­ter ein­fü­gen und dem Ort gleich­zei­tig ein neu­es Gesicht ver­lei­hen würde.

Das Mario­net­ten­thea­ter spielt seit sei­ner Grün­dung in den 1980er Jah­ren fast immer die­sel­ben Stü­cke in der fast immer sel­ben roman­tisch-klas­si­schen Optik. Wer­den Sie dar­an festhalten?

Mar­ta Famu­la: Defi­ni­tiv ja. Der Kern die­ses Thea­ters ist sei­ne Büh­ne aus dem frü­hen 19. Jahr­hun­dert, die ein klei­ner Guck­kas­ten ist. Der Blick des Publi­kums kon­zen­triert sich auf die­se klei­ne Spiel­flä­che und blen­det alles ande­re aus. Das geht natür­lich auch mit einer gewis­sen Her­aus­for­de­rung ein­her. Aber man sieht eine Welt, die im Maß­stab 1:10 die Rea­li­tät wider­spie­gelt. Das Publi­kum taucht ein in die­se Welt und ver­gisst, dass die Pup­pen nur 16 Zen­ti­me­ter groß sind. Das ist eine Art von Kunst, die mit der Ver­frem­dung, für die Brecht steht, bricht, weil man sich auf die Illu­si­on, die es bie­tet, ein­lässt. Die­se Kunst­form hat eine eige­ne Berech­ti­gung und es kommt dar­auf an, dass sie gut aus­ge­führt wird.

Aber könn­te man die­se Illu­si­on nicht auch mit moder­ne­ren, womög­lich poli­ti­sche­ren Stü­cken erzeu­gen? Wie­so die­ses Fest­hal­ten am Althergebrachten?

Mar­ta Famu­la: Grund­le­gend haben wir eine Sat­zung, die das vor­sieht. Die­se könn­te man aber ändern und ich wer­de auch neue Stü­cke, wie gesagt viel­leicht zusam­men mit Mar­tin Bey­er, auf die­se Büh­ne brin­gen. Was ich aber nicht möch­te, ist, ein Allein­stel­lungs­merk­mal auf­zu­ge­ben, um einer bestimm­ten Mode nach­zu­ge­ben. Ich glau­be, dass vie­le Gäs­te unse­res Thea­ters genau dar­in den Mehr­wert unse­res Thea­ters sehen. Es gibt vie­le Men­schen, die sich auf etwas His­to­ri­sches ein­las­sen möch­ten, weil wir dar­in auch etwas über unse­re eige­ne Wahr­neh­mungs­wei­se, unser Ver­ständ­nis von Thea­ter und Illu­si­on erfah­ren, das letzt­end­lich unse­rer gesam­ten Medi­en­re­zep­ti­on zugrun­de liegt. 

Und weil wir damit auch an gewis­sen Ideen fürs Leben fest­hal­ten. Ideen wie Lang­sam­keit oder Genau­ig­keit. Aspek­te also, die in unse­rer Rea­li­tät oft zu kurz kom­men, die dar­um aber auch immer wie­der ein Revi­val erle­ben. Moder­ne Stü­cke wer­den, auf der ande­ren Sei­te, über­all gespielt. Wich­tig ist aber, dass sich das Thea­ter selbst treu bleibt und Qua­li­tät auf­recht­erhält. Solan­ge das gewähr­leis­tet ist, kann das Pro­gramm auch auf­ge­bro­chen wer­den – ich spie­le zum Bei­spiel mit dem Gedan­ken, für „Der gol­de­ne Topf“ mit einer Video­künst­le­rin zusam­men­zu­ar­bei­ten. Aber ein­zu­stamp­fen, was die Qua­li­tät aus­macht, möch­te ich nicht.

Das Mario­net­ten­thea­ter als Flucht vor der anstren­gen­den Rea­li­tät und ihrer Tagespolitik?

Mar­ta Famu­la: Viel­leicht. Aber die Fra­ge ist, ob das nicht viel­leicht auch eine poli­ti­sche Hal­tung ist. Denn sie fragt danach, was die eigent­li­chen Wer­te des Mit­ein­an­ders sind. Das ist zeit­los. Hin­ge­gen ist es sowie­so eine gro­ße Fra­ge, ob ein Thea­ter dann poli­tisch ist, wenn es Stü­cke über die Tages­po­li­tik auf die Büh­ne bringt. Oder ist es poli­tisch, wenn es Fra­gen reflek­tiert, die gene­rell poli­tisch sind, im gro­ßen Sin­ne? Zwei­te­res tun wir zum Bei­spiel mit Shake­speare-Stü­cken oder „Faust“. Aber Tages­po­li­tik wird es auf der Mario­net­ten­büh­ne wahr­schein­lich nicht geben.

Sie sag­ten, bei Ihren frü­he­ren Posi­tio­nen habe Ihnen die Kunst gefehlt. Kön­nen Sie sich nun künst­le­risch austoben?

Mar­ta Famu­la: Die Kunst des Mario­net­ten­thea­ters besteht dar­in, sich durch das Pup­pen­spiel auf eine Art und Wei­se mit der mensch­li­chen Exis­tenz und ihrer Rea­li­tät aus­ein­an­der­zu­set­zen, die eben nicht reflek­tie­rend ist. Die­se Kunst hat eine unge­mei­ne Unmit­tel­bar­keit. Und dar­in besteht viel­leicht auch mein Begriff von Kunst, dass sie eine Zweck­frei­heit und gleich­zei­tig den Anspruch hat, einer bestimm­ten Ästhe­tik zu fol­gen – aber ohne voll­stän­dig zu kopie­ren, wie frü­he­re Insze­nie­run­gen aussahen.

Sie haben die Stel­le im Janu­ar ange­tre­ten. Wie gestal­tet sich der Publi­kums­zu­spruch bisher?

Mar­ta Famu­la: Gut. Wir bekom­men sehr posi­ti­ve Rück­mel­dun­gen und sind gut aus­ver­kauft. Wenn jetzt das Wet­ter bes­ser wird, wer­den die Zah­len wie gewöhn­lich etwas zurück­ge­hen, aber wir geben immer wie­der Son­der­vor­stel­lun­gen für Gäs­teg­rup­pen, die nach Bam­berg kom­men, und lan­ge im Vor­feld anfra­gen. Das hilft uns über die war­me Zeit.

Weiterer Artikel

Baye­ri­sches Lan­des­amt für Statistik

Weni­ger Unfäl­le auf Bay­erns Stra­ßen im April 2023

Nächster Artikel

Für älte­re Men­schen und Men­schen mit Behinderung

Ver­net­zungs­tref­fen: Nach­bar­schafts­hil­fe im Land­kreis Bamberg