Eine Studie hat die politischen Einstellungen von Deutschen mit Migrationshintergrund untersucht. Fazit: Die Unterschiede zwischen Deutschen mit und ohne Migrationshintergrund nehmen ab.
Wem geben Deutsche mit Migrationshintergrund ihre Stimme, welche politischen Einstellungen haben sie? Dieser Frage ist zum zweiten Mal eine Forschungsgruppe unter der Leitung von Prof. Achim Goerres, Universität Duisburg-Essen, und Prof. Sabrina J. Mayer, Universität Bamberg, nachgegangen. Anlass war – wie bereits vor vier Jahren – die Bundestagswahl.
Jetzt liegen die ersten aussagekräftigen Ergebnisse der Immigrant German Election Study II (IMGES II) vor. Demnach sind die Befragten zufrieden mit der Demokratie und fühlen sich als Deutsche. Statt eine der beiden Volksparteien zu bevorzugen, wählen sie ähnlich wie Menschen ohne Einwanderungsgeschichte.
Für diese, zweite Immigrant German Election Study ist das Team methodisch anders vorgegangen als bei der ersten Studie. Statt Teilnehmende bundesweit auszuwählen, wie 2017, und sich auf die zwei größten Gruppen – Türkeistämmige und Russlanddeutsche – zu konzentrieren, fand die Erhebung 2021 repräsentativ in Duisburg statt. „Die Stadt ist geradezu der Prototyp der modernen Großstadt des 21. Jahrhunderts“, sagte Politikwissenschaftler Achim Goerres. „Sie ist divers, ungleich und demokratisch regiert.“
Befragt wurden diesmal zusätzlich Deutsche anderer Herkunft beziehungsweise ohne migrantische Wurzeln. Und: Alle vier Gruppen interviewte die Forschungsgruppe schon während des Wahlkampfes und nicht erst nach der Stimmabgabe.
Wahlbeteiligung ist gestiegen
Unterm Strich fanden für die Immigrant German Election Study mit 1.500 per Zufallsstichprobe ausgesuchten Personen je drei längere Telefoninterviews statt. Die ersten Ergebnisse haben Professor Goerres überrascht. Positiv bewertet er, dass sich viele Wählerinnen und Wähler grundsätzlich zugehörig zu Deutschland fühlen und zufrieden mit der Demokratie sind. Zudem stieg ihr Interesse für Politik, je näher der Urnengang rückte. „Die Wahlbeteiligung hat sich im Vergleich zu anderen Studien außerdem angeglichen. Sie lag bei türkeistämmigen Deutschen und Russlanddeutschen bei 67 und 66 Prozent. Das sind geringfügig niedrigere Zahlen als bei den anderen beiden Gruppen, die in Duisburg auf 69 Prozent kamen.“
Rechts oder links der Mitte?
Waren bei der bundesweiten Erhebung von 2017 beide Gruppen politisch noch anders eingestellt als Deutsche ohne Migrationshintergrund, hat sich das Bild in der Immigrant German Election Study 2021 für Duisburg verschoben. Hier wählten Russlanddeutsche mit nur 20 Prozent die CDU.
„Sehr bemerkenswert“, findet Goerres, „bedenkt man, wie stark die CDU/CSU in dieser Gruppe einmal war.“ Die Stimmenanteile für die anderen Parteien fielen so aus: SPD 30 Prozent, Grüne 28 Prozent , FDP 7 Prozent, AfD 6 Prozent und Linke 2 Prozent. Rot ist hingegen immer noch die Farbe der türkeistämmigen Deutschen. In Duisburg wählten 39 Prozent SPD, 17 Prozent CDU und 15 Prozent Grüne. Im Vergleich zu den anderen Gruppen ist auch die Linke mit 13 Prozent stark, die FDP mit 5 Prozent schwächer.
Parteibindung nimmt ab
Russlanddeutsche wählen CDU, Türkeistämmige SPD – dieses Muster, das Jahrzehnte galt, stimmt nicht mehr. „Die Parteipräferenzen, die wir 2021 für die Wahlberechtigten mit türkischen, russlanddeutschen oder anderen post-sowjetischen Wurzeln beobachten konnten, haben sich zunehmend denen von Wählenden ohne Migrationsgeschichte angeglichen. Das gilt auch für die Bewertung der Kanzlerkandidat*innen“, sagte Goerres.
Der Datenberg der Wahlstudie ist auch dank Big Data-Techniken riesig, weitere Auswertungen folgen. Da die Studie für eine Großstadt gemacht wurde, lässt sich unter anderem detailliert analysieren, welche Rolle das soziale und politische Umfeld der Befragten für ihre Stimmabgabe spielte.