Am 21. Mai öffnen Museen weltweit zum 46. Internationalen Museumstag ihre Türen besonders weit und machen mit Sonderausstellungen, Spezialführungen und Rahmenprogrammen auf ihre Bestände aufmerksam. Mit Staatsbibliothek, Historischem Museum, Diözesanmuseum und Neuer Residenz beteiligen sich auch die Museen am Bamberger Domberg.
Seit fast 50 Jahren ruft der Internationale Museumsrat den Internationalen Museumstag aus, inklusive Motto. Dieses Jahr lautet der Leitspruch „Museen, Nachhaltigkeit und Wohlbefinden“. „Das Motto wurde ausgewählt“, sagt Christiane Wendenburg, Koordinatorin der Museen am Domberg, „weil Kultureinrichtungen und Museen durch Aktivitäten wie kulturelle Bildung, Ausstellungen, Öffentlichkeitsarbeit und Forschung einen Beitrag zum Wohlbefinden und zur nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft leisten.“
Als Beispiel nennt sie die Ausstellung „Liebe oder Last?! Baustelle Denkmal“, mit der sich das Historische Museum am Museumstag beteiligt. „Die Schau zum Denkmalschutz macht deutlich, dass der Erhalt von Denkmälern durch die Verwendung natürlicher, regionaler und beständiger Materialien nicht nur Ressourcen schont, sondern auch die Umwelt schützt. Hinzu kommt, dass historische Gebäude über Generationen hinweg genutzt werden. Erhalt statt Neubau wirkt also dem Verbrauch und der Versiegelung weiterer Grünflächen entgegen.“
Auch die Museen selbst versprechen sich einen Nutzen des Tages. Mit kostenlosen Sonderführungen, Werkstattgesprächen, Mitmach-Angeboten, Blicken hinter die Kulissen und Kinderprogramm versuchen sie, einen Einblick in ihre Arbeit zu vermitteln und vermehrt Publikum anzuziehen. „Wir möchten mit unseren Angeboten eine bunt gemischte Gästestruktur erreichen: Touristen und Besucherinnen und Besucher aus dem Ausland, aber auch Bambergerinnen und Bamberger, die ihren Museen mal wieder einen Besuch abstatten möchten. Und auch diejenigen, die Museen für eine verstaubte Einrichtung halten oder die eine gewisse Schwellenangst vor dem Besuch eines Museums haben, hoffen wir am Museumstag empfangen zu können.“
Historisches Museum: Ausstellung zum Denkmalschutz
Eine Möglichkeit dazu bietet die bereits erwähnte Ausstellung „Liebe oder Last?! – Baustelle Denkmal“ im Historischen Museum. Die preisgekrönte Wanderausstellung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz wirft noch bis 29. Oktober den Blick auf das kontroverse Thema des Denkmalschutzes.
„In der Öffentlichkeit wird der Denkmalschutz meistens in einem Spannungsfeld zwischen „wunderbar, dass ein historisches Gebäude erhalten wird“ und „zu aufwändig und rückwärtsgewandt“ dargestellt“, sagt Eva Masthoff von der Stiftung und verantwortlich für die Konzeption der Ausstellung. „Der Auftrag der Deutschen Stiftung Denkmalschutz besteht entsprechend nicht nur im Denkmalschutz, sondern auch in der Bewusstseinsbildung für den Sinn des Denkmalschutzes. Denn es gibt viele Irrtümer in der Denkmalpflege, die uns immer wieder begegnen. Beispiele sind: Er sei zu teuer, ein Denkmal könne nicht abgerissen oder baulich verändert werden oder Deutschland sei denkmalreich. Dabei sind nur drei Prozent der landesweiten Bausubstanz denkmalgeschützt – das ist verschwindend gering und wird jeden Tag geringer. Umso kostbarer ist der Schatz denkmalgeschützter Bauten. Darum wollen wir in der Ausstellung zeigen, wie Denkmalschutz geht, wie wir ihn betreiben und wo man sich Hilfe holen kann, sollte man in Besitz von zum Beispiel einem geschützten Haus sein.“
Sechs interaktive Stationen, optisch verbunden und zusammengehalten durch Baugerüste, beleuchten multimedial den Denkmalschutz unter verschiedenen Gesichtspunkten. Welche Bausubstanz kommt infrage? Warum ist es wichtig, sie zu erhalten? Welche künstlerisch-handwerklichen Leistungen stecken in historischen Bauwerken? Welche Fördermöglichkeiten gibt es? Welchen Vorurteilen und welchen Gefahren sind geschützte Gebäude ausgesetzt?
Zu letzterem kann Schädlingsbefall gehören oder saurer Regen, aber: „Die größte Gefahr geht ganz klar von menschlichen Einflüssen aus, zum Beispiel von Bauvorhaben. Gegen Umwelteinflüsse kann man Maßnahmen treffen, gegen menschliche Entscheidungen nicht“, sagt Eva Masthoff.
Und die Ausstellung beantwortet die Frage nach der titelgebenden Liebe und der Last des Denkmalschutzes. „Die Liebe ist das, was man mit Denkmalschutz erhält, also Geschichte, Identifikation und Heimat und häufig auch künstlerische Meisterleistungen. Es gibt einen Satz des Gründers der Deutschen Stiftung Denkmalschutz: Denkmalschutz ist unser Dank an die Vergangenheit, unsere Freude an der Gegenwart und unser Geschenk an die Zukunft. Anders gesagt: Um in der Zukunft richtig agieren und gestalten zu können, muss man die Wurzeln verstehen. Die Last mag manch einer im Aufwand des Denkmalschutzes sehen, also dass es besonderer Maßnahmen und Expertisen bedarf.“
Eine Stadt wie Bamberg, deren Altstadt zu großen Teilen denkmalgeschützt ist, scheint unterdessen geradezu prädestiniert für die Ausstellung. „Ja, uns ist es wichtig, nicht nur zu zeigen, wie Denkmalschutz funktioniert, sondern auch, welche denkmalgeschützten Gebäude es am jeweiligen Ausstellungsort gibt. In Bamberg hat die Ausstellung in der Alten Hofhaltung einen wunderbaren solchen Ort, die selbst ein Denkmal ist. Bamberg lebt von seinen Denkmalen – sie sind auch ein Wirtschafts- und Tourismusfaktor. Und Denkmale in Bamberg und Umgebung werden in einer eigenen Station der Ausstellung thematisiert.“
Staatsbibliothek: Pest und Cholera
Ein ganz anderes Kapitel Bamberger Stadtgeschichte schlägt zum Museumstag die Ausstellung „Pest und Cholera“ auf, die kostenfrei noch bis 15. Juli in der Staatsbibliothek zu sehen ist.
Immer wieder suchten ansteckende Krankheiten, die sich zu Seuchen ausbreiteten, die Stadt heim. Die Ausstellung widmet sich dem Zeitraum zwischen dem späten Mittelalter des 15. und dem frühen 19. Jahrhundert, insbesondere unter den teilweise abenteuerlichen Gesichtspunkten der Art und Weise, wie versucht wurde, die jeweilige Seuche zu bekämpfen.
„Wir zeigen etwa 40 Objekte“, sagt Kurator und Bamberger Universitätsprofessor Prof. Dr. Mark Häberlein, „die Aspekte der Seuchen- und Medizingeschichte verdeutlichen und gehen auch auf die Rolle früherer Institutionen wie Pest- und Siechenhäuser ein oder auf die Bedeutung von Heilberufen, die man aus heutiger Sicht eher als randständig oder esoterisch bezeichnen würde.“
Bei diesen 40 Objekten handelt es sich um Zeichnungen und Stiche, und da die Ausstellung in der Staatsbibliothek stattfindet, auch Handschriften oder Drucke. „Dazu gehören Seuchenordnungen oder Erlasse zur Bekämpfung von Krankheiten oder Ratgeberliteratur, wie man sich im Fall einer Seuche verhalten sollte. Diese gibt es sogar schon seit den Anfängen des Buchdrucks im 15. Jahrhundert.“
Nötig scheint derartiger Lesestoff gewesen zu sein. Nicht nur brach immer wieder die Pest aus, auch andere potenziell tödliche und in vormodernen Zeiten unheilbare Krankheiten wie Cholera oder die Pocken musste man fürchten. „Im 16. Jahrhundert grassierte alle zehn bis 20 Jahre eine ansteckende Seuche in Bamberg. In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges zwischen 1618 und 1648 hat sich Bambergs Bevölkerung sogar etwa halbiert. Das lag zum Großteil aber nicht an Kriegseinwirkungen.“
Die Medizin stand solchen Entwicklungen meist hilflos gegenüber. „Es gab drei grundsätzliche Erklärungen für Seuchen. Die erste, die sich eigentlich bis ins 19. Jahrhundert hielt, bestand darin, sie als Strafe Gottes anzusehen. Selbst Ärzte nahmen darauf Bezug. Entsprechend empfahl man zur Bekämpfung das Gebet. Mitunter wurden auch Prozessionen veranstaltet – was natürlich sehr kontraproduktiv war. Als zweite Erklärung wurden sogenannte Miasmen ausgemacht – giftige Dämpfe, die aus der Erde und dem Schmutz kommen. Empfehlungen, die grundsätzlich sinnvoll waren, gingen hierbei in die Richtung, keinen Mist oder Fäkalien in die Gassen der Stadt zu kippen. Und drittens: Man vermutete, dass es eine Art Ansteckungsstoff geben musste, ein Contagium. Man wusste natürlich noch nichts von Bakterien oder Viren, aber dass eine Übertragung von etwas stattfinden musste, hatte man durchaus schon begriffen. Da hat man Maßnahmen verhängt, die uns heute aus der jüngsten Vergangenheit bekannt vorkommen, nämlich Kontaktbeschränkungen oder Einreiseverbote.“
Und tatsächlich: Die Parallelen zur Corona-Pandemie sind offenkundig. Gab es in vormodernen Zeiten auch Maßnahmen wie Masken oder Handeschütteln, das vermieden wurde? „Aufs Händeschütteln wird in der Literatur nirgends Bezug genommen. Aber wir kennen natürlich diese bildlichen Darstellungen der Pestmasken mit den langen Schnäbeln.“ Explizit geht die Ausstellung allerdings nicht auf Corona ein. Sie sei zwar Anregung für die Schau gewesen, sich aus historischer Perspektive der Thematik zu nähern, schwinge inhaltlich aber eher zwischen den Zeilen mit.
Näher behandelt „Pest und Cholera“ hingegen Kuriositäten wie heilberuflich tätige Scharfrichter. „Ärzte oder frühe Apotheken hatten lange Zeit kein Monopol auf medizinische Behandlungen – was auch mit ihren begrenzten Heilerfolgen zu tun hatte. Die Menschen gingen demgemäß überall dorthin, wo sie glaubten, Hilfe zu finden. Ein Beispiel ist der Scharfrichter, der nicht nur Hinrichtungen oder Folter vollstreckte, sondern wegen dieser Tätigkeiten auch anatomisches oder heilkundliches Wissen hatte. In Nürnberg gab es den aus Bamberg stammenden Scharfrichter Franz Schmidt, der tausende Behandlungen unternommen hat.“
1789 begann sich die die Seuchen-Bekämpfungs-Situation in Bamberg allmählich zu bessern, als ein neues Krankenhaus gegründet wurde. Spätmittelalterliche Institutionen wie Siechenhäuser dienten der Unterbringung von chronisch, also damals unheilbar Kranken. Die Grundidee dieses Krankenhauses bestand neuartigerweise darin, sich vornehmlich um heilbare Krankheiten zu kümmern. „Weitere Seuchenausbrüche gab es aber trotzdem“, sagt Mark Häberlein. „1813 zum Beispiel verbreiteten aus Russland zurückkehrende Truppen Napoleons das Fleckfieber, dem Bamberger Ärzte wiederum völlig machtlos gegenüberstanden.“
Heute erinnern nur noch einige Merkmale des Stadtbilds an diese ungeheuerlichen Zustände. Der Name der Siechenstraße ist ein Beispiel dafür. „Dort waren früher mehrere der genannten Einrichtungen angesiedelt. Dann gibt es die Pestsäule an der Gaustädterstraße aus dem 17. Jahrhundert oder kirchliche Verehrung von Pestheiligen, wie St. Sebastian und St. Rochus, die in Form von Statuen ihre Spuren im Stadtbild sowie in Kirchenräumen hinterlassen haben. Auch das thematisieren wir in der Ausstellung und im Katalog, den wir dazu veröffentlichen.“
Residenz: „Kurios!“
Zeitgenössischer wird es am Museumstag in der Residenz. In den Kaiserzimmern zeigt Andreas Chwatal mit Unterstützung der Villa Concordia noch bis 30. Juli unter dem Titel „Kurios!“ moderne Skulpturen und Zeichnungen. Dafür stellt der ehemalige Stipendiat des Künstlerhauses eigene Werke und Arbeiten befreundeter Künstlerinnen und Künstler der historisch-barocken Aufmachung der Räume gegenüber.
„Die Räume des fürstbischöflichen Appartements, die kein sogenannter White Cube sind, haben so etwas wie eine historische Erzählung“, sagt Andreas Chwatal. „In ihnen schwingen immer die Zeit und die Vorstellungen der Zeit mit, in der sie im 18. Jahrhundert entstanden sind. Dieser Erzählung kann man eine zeitgenössische hinzufügen. Ich würde die Ausstellung also eine Begegnung nennen, mit der wir eine moderne Erzählung in die Residenz bringen möchten, um die barocke Propaganda ihrer Räume zu brechen. Es soll eine kleine Revolution stattfinden, in Räumen, die solche Tendenzen nie ausstrahlen wollten.“
Schon im Ausstellungstitel begegnen sich das Althergebrachte und das Neue. „Der Begriff „Kurios“ war ein modisches Lieblingswort des 18. Jahrhunderts. Man benutzte es, wie man heute „cool“ oder „fancy“ sagen würde. Ich habe das der Korrespondenz von Lothar Franz von Schönborn, dem Bauherrn der Residenz, entnommen. Da fällt es in nahezu jedem dritten Satz. Für mich hat es zusätzlich die französische Bedeutung „curieux“, also „neugierig“ und auch „cour“, der Hof. Im Sinne der Ausstellung kann man es aber auch in die Richtung von „kuratiert“ verstehen: Ich zeige auch Werke befreundeter Künstler, deren Positionen zu den Themen der Ausstellung passen.“
Er selbst trage neben Zeichnungen und Keramiken, wie „Voltaire mit Ananas“ auch eine Möbelskulptur bei. „Dabei handelt es sich um eine Art monumentalen Holztischs mit geschwungener Form. Das Ganze soll barocke Repräsentationsmöbel rezipieren, aber durch die meterlangen Beine dem Publikum die Dimensionen des Appartements klarmachen, in dem man sich schnell verlieren kann. Das soll wiederum eine ironische Brechung der Maßlosigkeit des Absolutismus sein und der zeremoniellen Macht, die im Appartement vereint war.“
Nicht weniger ironisch geben sich einige der Werke der weiteren Ausstellenden. So stellt etwa Garance Arcadias eine Glasarbeit aus schnörkellosem Verbundsicherheitsglas auf einen Sockel mit Stoffmuster, das die filigranen Muster des Bodens aufnimmt.
Ulrike Buck präsentiert eine zweiteilige Keramik aus Schüssel und Vase, die den Adonis-Mythos aufgreift. „Diese Arbeit stellen wir in den selben Raum wie meine Möbelskulptur“, sagt Andreas Chwatal. „Es begegnen sich untereinander also auch die Werke, die wir einbringen.“
Melissa MayerGalbraith war, wie Garance Arcadias, bis März diesen Jahres Stipendiatin der Villa Concordia. „Sie zeigt kleine amorphe muschelartige Porzellankeramiken, die wir in der Retirade der Kaiserzimmer, also im Toilettenraum, platzieren. Früher waren solche Dekorationsgegenstände oft Trophäensammlungen, die man eigentlich auf der ganzen Welt geraubt und sich angeeignet hat. Melissa erfindet stattdessen etwas zu den Räumen hinzu.“
Was Mirko Mielke in die „Kurios!“-Ausstellung einbringt, sei der deutlichste Clash zwischen alt und neu. Er stellt Betonplatten her, auf die er Fotomotive botanischer Gärten druckt. „Diese Arbeit hat ein großes Gewicht, die wir den fragilen detailreichen Tapeten der Räume gegenüberstellen.“
Berthold Reiß ist hingegen Aquarellist, der sich mit klassischer Architektur befasst und Sebastian Wieland macht Schnitzereien, die in einer Vitrine dem Werk von Mirko Mielke begegnen sollen. „Das sind geschnitzte Blätter aus gefundenem Holz, die sich auf die Ornamentik der Intarsien in den Räumen beziehen.“
Anne Rößner hat einen goldenen Keramikturm geschaffen, der den Abschluss der Ausstellung im letzten Zimmer des Appartements darstellt. Ein Turm mit Zinnen und Torbogen, der das Gebäude der Residenz in seiner Gesamtheit aufgreift und die heutige Durchgängigkeit und Geöffnetheit der Räume symbolisieren soll.
Der Museumstag kann kommen
So aufgestellt blicken die Museen am Domberg dem Museumstag am 21. Mai optimistisch entgegen. „Vielleicht gelingt es uns sogar“, sagt Dombergkoordinatorin Christiane Wendenburg, „wieder Besuchszahlen wie vor der Pandemie zu haben. Die Auslastung war im zurückliegenden insgesamt schon recht erfreulich. Am Museumstag möchten wir an diese Zeiten anknüpfen. Das könnten wir womöglich auch aus dem Grund schaffen, dass die Erfahrungen in der Pandemie vielen Menschen erst oder wieder bewusst gemacht haben, was für soziale Orte Museen sind.“