Denkbar knapp wendete der FC Eintracht Bamberg Ende Mai in der Relegation den Abstieg aus der Regionalliga Bayern ab. Nun beginnt der Verein seine zweite Saison in der vierthöchsten Spielklasse. Warum von der Mannschaft aber auch in der neuen Spielzeit keine Höhenflüge zu erwarten sind und wie er die letzte Saison wahrgenommen hat, hat uns Trainer Jan Gernlein im Interview erzählt.
Herr Gernlein, was ging in ihnen im Moment des Klassenerhalts vor?
Jan Gernlein: Sehr viel Erleichterung. Die Wochen davor waren sehr anstrengend gewesen und im Hintergrund hatten wir schon das ganze Jahr über viel daran gearbeitet, dass der Verein den nächsten Schritt gehen kann. Entsprechend wäre es extrem schade gewesen, wenn dieses Jahr Arbeit umsonst gewesen wäre und wir hätten absteigen müssen. Aber jetzt können wir auf dem Klassenerhalt aufbauen.
Was ist dieser nächste Schritt?
Jan Gernlein: Dass wir ein zweites Jahr in dieser Liga bleiben. Der übernächste Schritt könnte sein, dass das Stadion mal irgendwann fertig umgebaut ist. Die Umkleidecontainer sollen noch bis Ende des Jahres stehenbleiben und die neuen Umkleiden dann fertig sein. Bis dahin ist auch die Tribüne teilweise gesperrt, weil der Kabinentrakt eben unten drunter gemacht wird. Aber diese Dinge haben wir nicht selbst in der Hand. Das ist eine Angelegenheit der Stadt. Zusätzlich gibt es viele weitere Themen im Verein, zum Beispiel wie man die Jugend voranbringen kann.
In der Relegation hat die Eintracht gegen den TSV Buchbach und gegen den VfB Eichstätt zweimal 0:0 unentschieden gespielt und sich dann jeweils knapp mit 5:4 im Elfmeterschießen durchgesetzt. Und auch Buchbach und Eichstätt kamen nicht über ein Unentschieden, was schlecht für Bamberg gewesen wäre, hinaus. Gab es im Moment des Klassenerhaltes also auch ein wenig das Gefühl, Glück gehabt zu haben?
Jan Gernlein: Ich sage nein, weil wir in Eichstätt ein Spiel hatten, in dem wir in der einen und die Eichstätter in der anderen Halbzeit besser waren. Deswegen war es letztendlich ein verdientes Unentschieden. Und gegen Buchbach waren wir, denke ich, deutlich spielbestimmend. Wir haben also völlig verdient zweimal 0:0 gespielt und stabil dabei gestanden.
Welcher war neben dem Klassenerhalt der schönste Moment der Saison für Sie?
Jan Gernlein: Da kann ich nicht einen Spielmoment nennen, aber der Gesamteindruck war positiv. Zu sehen, dass wir uns trotz der vielenNiederlagen und der schwierigen Saisonphasen nicht verändert haben – weder die Mannschaft, noch der Verein – war schön. Denn wir haben die Ruhe nicht verloren. In anderen Vereinen hat man ein- oder zweimal den Trainer entlassen. Bei uns ist es ruhig geblieben und die Mannschaft hat auch nie den Eindruck gemacht, dass sie zweifelt. Vielleicht waren die Spieler nach dem Spiel mal niedergeschlagen, aber zum nächsten Training sind sie wieder mit Freude angetreten. Das hat es besonders gemacht.
Welcher war der schlimmste Moment?
Jan Gernlein: Ich denke, das Heimspiel gegen Nürnberg II Anfang April. Wir hatten eine sehr schlechte erste Halbzeit und lagen 0:2 hinten. Nach dem Seitenwechsel sind wir aber besser ins Spiel gekommen, haben zwei Tore geschossen und die Dynamik war plötzlich ganz auf unserer Seite. Dann, in der Schlussphase, haben wir innerhalb von zehn Minuten weitere vier Gegentore gefangen und noch mit 2:6 verloren. Das war sechs Spieltage vor Saisonende. Da dachte ich: Mit solchen Leistungen wird es schwer, die Klasse zu halten.
Welches Saisonziel haben Sie sportlich, welchen Tabellenplatz peilen Sie an?
Jan Gernlein: Das schönste wäre natürlich, direkt den Klassenerhalt zu schaffen, ohne Relegation, also mindestens Tabellenplatz 14 zu erreichen. Ich glaube aber, dass es eher unrealistisch ist, sich das so zu wünschen. Es müsste vier Teams geben, die hinter uns stehen. Und wenn ich mir anschaue, was andere Vereine investieren können, muss ich sagen: Alles, was besser ist als Platz 17, ist eine Klasseleistung. Auch wenn andere das vielleicht gerne anders hören würden.
Letzte Saison haben Sie mehr oder weniger konstant gegen den Abstieg gespielt. Was müsste dennoch anders werden, um so einen Saisonverlauf zu verhindern?
Jan Gernlein: Ich denke, es wird von Anfang an wieder genauso laufen, gegen den Abstieg und um den Klassenerhalt. Aber die Mannschaft kann diese Situation jetzt besser annehmen. Sie hat in den letzten Jahren eigentlich eine Aufstiegssaison nach der anderen gehabt. Nun war es das erste Mal, dass sie die Erfahrung machen musste, öfter zu verlieren als zu gewinnen. Aber eben, weil wir diese Erfahrung jetzt gemacht haben, denke ich, würde sie uns beim zweiten Mal nicht aus der Bahn werfen und wir könnten die Situation besser einschätzen.
Gibt es eine Lektion, die Sie aus der ersten Saison in der Regionalliga Bayern gelernt haben?
Jan Gernlein: Man muss eine hohe Intensität haben im Spiel und Fehler werden viel schneller bestraft. Auch gibt es viel weniger Pausen in der Saison als in der Bayernliga. Diese Dinge kann man der Mannschaft als Trainer natürlich vorher erzählen, aber sie muss es in gewisser Weise auch erleben und die praktische Erfahrung dazu machen. Zu dieser Erfahrung kann auf der anderen Seite aber wiederum auch gehören, dass man, wenn man mutig spielt, gegen jeden Gegner eine Chance hat. Insofern haben wir nicht nur eine sehr ereignisreiche, sondern auch eine sehr lehrreiche Saison hinter uns.
Hat sich der Verein etwas vorgemacht, war die Saison also härter als erwartet?
Jan Gernlein: Meine Spieler sehen es vielleicht anders, aber ich würde sagen, nein. Im Gegenteil, ich fand es überraschend, wie oft wir letztendlich Spiele kontrolliert haben – auch wenn wir verloren haben. Zum Beispiel im Saisonrückspiel gegen Bayreuth haben wir, zumindest gefühlt, die Partie 50 oder 60 Minuten lang kontrolliert. Am Ende gingen wir als Verlierer vom Platz, konnten aber zeigen, dass wir mit einer Mannschaft, die hauptberuflich Fußball spielt, mithalten können.
Der FC Eintracht Bamberg hat in der letzten Saison 36 Tore geschossen und 69 Tore kassiert. Keine Mannschaft hat weniger Treffer erzielt und nur eine, der Absteiger FC Memmingen, hat mehr hinnehmen müssen. Wie war da der Trainer mit sich zufrieden?
Jan Gernlein: Es ist nicht so, dass ich sage: Das Trainerteam hat alles richtig gemacht. Das wird es nie geben. Trotzdem waren viele Situationen dabei, in denen, wenn der Plan, den wir uns jeweils vor den Spielen zurechtgelegt hatten, so umgesetzt worden wäre, wie wir es gerne gehabt hätten, vielleicht der eine oder andere Sieg mehr drin gewesen wäre. Dass es dazu aber nicht gekommen ist, war jedoch tatsächlich nicht nur die Qualitätsschuld der Spieler, sondern auch des Trainerteams. Auf dem Weg, die Jungs dahin zu bringen, dass sie es vielleicht besser können, hat nicht immer alles so funktioniert, wie wir es uns vorgestellt haben. Aber im Endeffekt haben wir als Trainerteam und Mannschaft gut miteinander funktioniert.
Der Verein scheint mit Ihnen zumindest zufrieden gewesen zu sein: Im März wurde Ihr Vertrag um zwei Jahre verlängert. Mitten in einer kritischen Phase wie dem Abstiegskampf für das Fußballgeschäft eigentlich ein unüblicher Schritt, möchte man sagen. Wäre gängigerweise der Trainer nicht entlassen worden, um mit einem Ersatz neuen Schwung in die Mannschaft zu bringen?
Jan Gernlein: Die Verlängerung geschah in einer Phase, in der wir sechs Spiele am Stück verloren hatten. Und tatsächlich ist es so, dass es im Fußball, gerade in den ersten vier Ligen, in solchen Situationen in den Vereinen normalerweise wenig Wertschätzung für die Trainer und wenig Ruhe gibt. Aber der Vorstand und auch ich als Trainer haben uns nicht von Aktionismus leiten lassen. Wir ticken bei dieser Frage gleich und gehen in die gleiche Richtung. Wir waren überzeugt, den Klassenerhalt nur zu schaffen, wenn wir im Verein und im Umfeld die Ruhe behalten. Auch haben wir uns entschieden, da ich ja sowieso in Bamberg bin und gut mit dem Verein klarkomme, genau wie er mit mir, meinen Vertrag, wenn wir ihn schon verlängern, nicht nur um ein Jahr, sondern gleich um zwei Jahre zu verlängern. Dann haben wir in der nächsten Saison die gleiche Thematik möglicherweise nicht schon wieder.
Wie haben Sie es geschafft, dass die Mannschaft bis zum Schluss nicht aufgegeben hat?
Jan Gernlein: Das hatte schon mit dem Einfluss des Trainerteams zu tun, aber ein großer Anteil daran muss von der Mannschaft selbst kommen. Es sind viele verschiedene Charaktere und alle haben ein Privatleben als Arbeitnehmer oder Studenten oder Familienmenschen. Und ein Privatleben kann immer mal wieder belastend sein, wofür der Fußball dann Ausgleich sein soll. Deswegen kommen die Spieler mit einer ganz anderen Freude zum Training und zu den Spielen. Wenn man Fußball hauptberuflich spielt, sich darüber definiert und dann erfolglos ist, wird es schwierig und der Spaß geht verloren.
Aber wie groß kann der Spaß im Ausgleich sein, wenn man sechsmal in Folge verliert?
Jan Gernlein: Spaß ist nicht immer nur lachen und so weiter. Er kann auch darin bestehen, gefordert zu werden und an seine Grenzen zu kommen. Man kommt nach einem langen Arbeitstag zum Training und bekommt neuen Input, der einen körperlich und im Kopf herausfordert. Ich habe viele intelligente Spieler, denen solche Herausforderungen gefallen.
Welche Rückmeldungen haben die Spieler nach der Saison gegeben?
Jan Gernlein: Mit so vielen habe ich nach der Saison noch nicht gesprochen, aber ich glaube, es waren alle extrem erleichtert, dass es gereicht hat. Ich denke, sie haben allerdings auch erkannt, dass sie nicht nochmal bis kurz vor Saisonende zittern wollen. Sie würden es in der nächsten Saison gerne vorher schon klären – positiv natürlich. Auch haben sie nicht gedacht, dass sie auch durchaus mithalten können und zum Beispiel gegen Bayern München II gewinnen und verdient gewinnen können.
Was sagten die Fans nach der Saison?
Jan Gernlein: Zwischendurch gab es natürlich immer wieder sehr viel Unmut – bei sechs oder sieben in Folge verlorenen Spielen, für die man ja auch Eintritt gezahlt hat, ist das aber normal. Es kam allerdings auch sehr viel Wertschätzung, weil die Fans natürlich realistisch einschätzen konnten, wie schwer die Liga für uns ist und dass wir trotzdem unser Ding gemacht haben. Mit aller Gewalt Klassenerhalt, haben sie gesagt.
Nun haben Sie mit Lukasz Jankowiak, Andreas Pfahlmann, Radzivon Hushcha und Muiz Alli vier neue Offensivspieler verpflichtet. Bis auf Jankowiak sind alle um die 20 Jahre alt, also noch ziemlich jung. Sie sagten, der Vorteil in der neuen Saison ist die Erfahrung aus der letzten. Haben diese jungen Spieler solche Erfahrung?
Jan Gernlein: Indirekt. Lukasz bringt sie auf jeden Fall mit, ich kenne ihn schon mehr als zehn Jahre. Radzivon und Muiz waren letzte Saison immer wieder im Training dabei und hatten auch schon kleine Einsätze in Testspielen. Sie wissen also, was bei uns los ist. Und Pfahlmann, als einziger, der aus der Bezirksliga hochwechselt, muss jetzt schauen, wie es für ihn vom Tempo und der Härte her ist. Hinzu kommen noch Mittelfeldmann Koray Kaiser, der schon ein ganzes Jahr in Bayreuth unter Profibedingungen zumindest mittrainiert hat. Und unser neuer Torwart Benedikt Willert war mit 19 schon Profi beim FC Nürnberg. Das heißt, er wird sich schnell wieder an dieses Niveau gewöhnen.
Benedikt Willert ist die neue Nummer eins vor Fabian Dellermann. Planen Sie noch mit Torwart Ben Olschewski, der einen Kreuzbandriss hat?
Jan Gernlein: Wir planen so, dass er sich keinen Stress machen muss, weswegen wir auch einen neuen Torwart geholt haben. Bei einem Kreuzbandriss weiß man nie, wie schnell ein Spieler wieder auf dem Platz stehen kann.
Hätten Sie sich im Angesicht der vielen Gegentore aus der letzten Saison nicht auch in der Defensive verstärken sollen?
Jan Gernlein: Nein. Ich würde behaupten, dass wir personell in der Verteidigung vom Ligaschnitt her ordentlich aufgestellt sind.
Wie sieht im Vergleich zur letzten Saison das Budget aus?
Jan Gernlein: Wir werden wohl Einschnitte machen müssen. Die Finanzen gestalten sich zum Beispiel dahingehend schwieriger, dass wir schauen müssen, wie der Ersatz für die gesperrte Tribüne ankommt. Wie nehmen die Zuschauer die unüberdachte Gegengerade an? Denn das ist wetterabhängig und uns könnten Eintrittsgelder wegfallen. Aber wir nehmen das ernst und geben nicht mehr Geld aus als wir haben – das hat der Verein bekanntermaßen früher gemacht.
Auf welchen Gegner freuen Sie sich in der kommenden Spielzeit am meisten?
Jan Gernlein: Ich freue mich auf Augsburg II. Deren Trainer Tobias Strobl war früher mein Chef, als ich in Schweinfurt Co-Trainer war und er ist ein sehr guter Freund von mir. Das sind besondere Spiele. Und sportlich freue ich mich auf eben diesen FC Schweinfurt, als meinen Ex-Verein. Und es ist auch ein schönes Derby.