In seiner ersten Ausstellung des Jahres 2024 präsentiert der Kunstverein Bamberg Werke von Joséphine Sagna. Die studierte Künstlerin und Modedesignerin zeigt ab 19. Mai großformatige, farbig-expressive Gemälde im Kesselhaus und Kleidungs-entwürfe. Ihre Themen sind unter anderem Rassismus- und Diskriminierungs-Erfahrungen einer schwarzen Frau in einer mehrheitlich weißen Gesellschaft und in der Kulturszene oder die Feier der schwarzen Frau mit all ihren Facetten. Wir haben Joséphine Sagna über die Ausstellung interviewt.
Frau Sagna, was hat es mit dem Ausstellungs-Titel „The feeling in your gut is right“ auf sich?
Joséphine Sagna: So gut wie alle meine Arbeiten tragen Titel, die sich auf Themen beziehen, die über all meinen Arbeiten schweben. Dabei geht es um Stereotype, strukturellen Rassismus oder Vorurteile. Und bei „The feeling in your gut is right“ geht es darum, dass man als schwarze Frau Gefühlen, die man in bestimmten zum Beispiel diskriminierenden Situationen hat, vertrauen sollte, anstatt sich einreden zu lassen, dass man mit ihnen falsch liegt und man sich die Diskriminierung nur einbildet. Erst als ich vor einigen Jahren begann, mich mit meinem Schwarzsein näher auseinanderzusetzen, begann ich zu verstehen, warum ich mich unwohl fühlte und wie ich diese Gefühle in Worte beziehungsweise Gemälde fassen kann.
Fast alle Ihre Gemälde zeigen schwarze Frauen in verschiedenen Körperhaltungen oder Bildausschnitten. Gibt es dabei eine künstlerische Absicht, die all diesen Motiven zugrunde liegt?
Joséphine Sagna: Ja, und auch das möchte der Titel aussagen: Diese Personen sind alle richtig, so wie sie sind. Ich möchte ihre Facetten feiern. Wir haben vielleicht alle gemeinsam, dass wir schwarz sind, aber letztendlich geht es darum, dass wir alle auch unterschiedlich sind. Wie alle anderen Menschen auch. Bei schwarzen Menschen, oder besonders bei schwarzen Frauen, wird das aber häufig übersehen. Wir werden in einen Klischee-Topf gepackt, weil wir sind ja alle so oder so. Mir geht es aber darum, Vielfalt darzustellen, auch im Hinblick auf die vielen bunten Farben, die ich verwende.
Wie ist es, sich als schwarze Künstlerin im weißen Raum der Bildenden Kunst zu bewegen. Muss man sich erklären, seinen Platz immer noch erkämpfen oder laufen die Dinge heute einfacher?
Joséphine Sagna: Ich weiß nicht, ob die Dinge allgemein einfacher laufen. Bei mir persönlich lief es bisher aber ziemlich gut. Ich bekomme Platz, meine Arbeiten auszustellen und meine Arbeiten werden gekauft. Das ist schon mal ein ziemliches Privileg, das eine schwarze Frau früher kaum hätte haben können. Ich habe mich allerdings schon öfter gefragt, wenn ich mich in einem Raum bewege, der so weiß und männlich ist: Werde ich zu Ausstellungsprojekten eingeladen, weil ich eine schwarze Frau bin oder weil meine Kunst überzeugt? Aber mittlerweile habe ich mich damit abgefunden, mir zu sagen, dass es egal ist, warum ich ausstellen darf. Ich habe meine Daseinsberechtigung und es war ganz lange so, dass ich aufgrund meiner Hautfarbe und meines Geschlechts diese Möglichkeit nicht gehabt hätte. Trotzdem erlebe ich auch heute noch auf fast jeder Ausstellungseröffnung irgendwelche komischen Vorfälle, dass Leute trotzdem rassistische Dinge sagen oder mir komische Fragen stellen.
Was wäre ein Beispiel dafür?
Joséphine Sagna: Stichwort Mikroaggressionen. Als ich vor Kurzem auf der „art Karlsruhe“ ausstellte, wurden immer wieder Publikums-Gruppen durch die Messe geführt. Als eine solche Gruppe bei meinem Stand war, kam das Gespräch auf Mikroaggressionen. Als Beispiel dafür nannte ich die Frage: Wo kommst du eigentlich her, also, wo kommst du wirklich her? Und die Leute in der Gruppe versuchten dann zu erklären, dass das doch nur eine Nachfrage wäre, weil sie doch sehen würden, dass man als Schwarze ja nicht aus Karlsruhe oder Deutschland kommen kann. Diese Dinge sind meistens nicht böse gemeint, aber wenn man die Leute dann darauf hinweist, fühlen sie sich angegriffen und fangen an, sich zu rechtfertigen und machen Vorwürfe, dass das unfair sei. Und schon wird man aus der Opferrolle in die Täterrolle gedrängt. So etwas passiert ständig.
Wie sehen die Rückmeldungen des nicht-weißen Publikums auf Ihre Kunst aus?
Joséphine Sagna: Ich bekomme eigentlich nur positive Rückmeldungen. Die Leute, die meine Kunst nicht mögen, sehen sie sich nicht an oder sagen mir ihre Meinungen nicht. Auch denke ich, dass sich das schwarze Publikum gesehen fühlt und etwas Positives aus meinen Ausstellungen mitnimmt. Das wird mir schon gesagt.
Viele der Frauen in Ihren Gemälden scheinen aus den Bildern heraus zu sprechen, zu schreien oder zumindest zu schauen, also der betrachtenden Instanz entgegen. In einigen der Blicke scheint zudem eine Distanz oder Unversöhnlichkeit mitzuschwingen. Unversöhnlichkeit im Sinne von: Schwarze Künstler:innen werden eingeladen in die weißen Räume der Kulturszene, sie können dort ausstellen, die Szene kann sich mit ihnen vielleicht auch ein bisschen schmücken, aber deswegen sind die Ungerechtigkeiten der Vergangenheit noch nicht vergessen.
Joséphine Sagna: Ja, Unversöhnlichkeit ist auf jeden Fall dabei, aber nicht in Bezug auf die Ausstellungsräume, sondern in Bezug auf die weiße Mehrheitsgesellschaft. Diese will viele Dinge immer noch nicht einsehen oder uns Schwarzen oft immer noch nicht glauben, wenn wir Diskriminierung ansprechen. Auch werden uns teilweise Dinge abgesprochen. Man will uns zum Beispiel nicht wütend sein lassen. Denn in dieser Unversöhnlichkeit liegt auch etwas Wütendes. Das ist etwas, das ich sehr wichtig finde. Klar ist ein konstruktiver Diskurs im Miteinander nötig, aber gleichzeitig muss man auch das Recht haben, angry zu sein über all das, was war und immer noch ist.
Eines Ihrer Gemälde zeigt Yaa Asantewaa, ein Vorbild für den afrikanischen antikolonialen Widerstand Anfang des 20. Jahrhunderts. Ist Widerstand auch ein Thema Ihrer Gemälde?
Joséphine Sagna: Ja, Widerstand ist wichtig. Er kann die Form von Freiheitskämpfen wie bei Asantewaa oder von Demonstrationen haben. Er kann subtil sein oder offen, wenn man sich einfach nichts mehr gefallen lässt. Ich habe mich zum Beispiel, nachdem George Floyd ermordet worden war, sehr stark von Bildern der Black Lives Matter-Demonstrationen inspirieren lassen.
Wieso haben Sie für Ihre Gemälde einen expressionistischen Ansatz gewählt und nicht einen realistischen, wie er in der Porträtmalerei öfter vorkommt?
Joséphine Sagna: Ich habe eigentlich keine Lust realistisch oder anders gesagt fotorealistisch zu malen – das könnte ich auch gar nicht. Meine Art zu malen und mich auszudrücken, ist eben diese. Ich bin niemand, die sehr detailliert oder klein-klein an Dingen arbeitet. Ich denke, ich bin auch einfach eine laute Person und meine Arbeiten entsprechen insofern meinem Charakter. Und diesen Stil werde ich auch so schnell nicht verändern. Ich male ungezwungen, so, wie die Dinge aus mir rauskommen, und wie es mir Spaß macht.
Im Kesselhaus werden Sie auch Ihre Modewerke zeigen. Was lässt sich damit ausdrücken, das mit Gemälden nicht geht?
Joséphine Sagna: Ich finde, mit der Malerei stelle ich Persönlichkeiten dar, bei der Mode geht es um Interaktion. Da schaffe ich eher Charaktere. Wenn ich mir vorstelle, dass eine Person diese Jacke oder dieses Kleid trägt, dann macht diese Kleidung etwas mit der Person. Man trägt die Kunst auf der Haut, wird Teil des Kunstwerks und ändert je nach Person dabei auch die Wirkung des Stücks. Und abgesehen davon ist das Arbeiten auf einer Leinwand natürlich ein flaches Arbeiten, während man bei der Mode das Dreidimensionale erforscht. Man kann in alle Richtungen gehen und muss auch in alle Richtungen denken.
Wie könnte die Interaktion Ihrer Werke mit den brutalen, nackten Betonwänden des Kesselhauses aussehen?
Joséphine Sagna: Ich kennen das Kesselhaus bisher nur von Fotos, aber ich glaube das wird spannend. Ich mache mir da auch überhaupt keine Sorgen, weil ich es immer gut finde, wenn die Arbeiten nicht einfach nur auf einer weißen Wand hängen, sondern der Hintergrund abwechslungsreich ist. Ich versuche, auch dabei frei zu sein und Dinge auszuprobieren.