Ehe­ma­li­ge Lei­te­rin Welt­erbe Bamberg

Karin Deng­ler-Schrei­ber: His­to­ri­ke­rin, Schrift­stel­le­rin und Familienmensch

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Karin Dengler-Schreiber
Karin Dengler-Schreiber
Wenn man ein paar zen­tra­le Begrif­fe aus dem abwechs­lungs­rei­chen Leben von Karin Deng­ler-Schrei­ber her­aus­pickt, wären das zum Bei­spiel „Wis­sen tei­len“, „Kul­tur­gü­ter bewah­ren“, „Bücher schrei­ben“ und „Fami­li­en­le­ben“. Neben ihrem Ein­satz für Bam­bergs Welt­erbe ist sie Kri­mi­au­to­rin und Fami­li­en­mensch mit Leib und Seele.

Ganz am süd-west­li­chen Ran­de von Bam­berg öff­net eine schma­le, ele­gan­te Frau ihre Haus­tür. Freund­lich und mit einer Note von ver­schmitz­ter Neu­gier­de blin­zeln ihre kla­ren Augen, von Lach­fält­chen umkrin­gelt. Sofort fühlt man sich will­kom­men. „Wie schön, dass Sie mich hier oben gefun­den haben. Kom­men Sie doch bit­te her­ein!“ Wär­me und Hel­lig­keit strö­men mir ent­ge­gen. Im Wohn­zim­mer, der damp­fen­de Tee steht bereits auf dem Tisch, schweift mein Blick zuerst über die hohen Bücher­wän­de auf der einen Sei­te, dann wan­dert er auf der ande­ren Sei­te über einen gro­ßen, fas­zi­nie­ren­den Aus­schnitt des Aurach­tals. Ich sin­ke in den Ses­sel. Nach­dem ich mich gesam­melt habe, sehe ich, dass Karin Deng­ler-Schrei­ber ein „Stadt­echo“ in den Hän­den hält. Sie hat sich vorbereitet.

„Jetzt bin ich gespannt, was Sie mich fra­gen wol­len?“, eröff­net sie das Gespräch. „Och…“, erwi­de­re ich etwas unsi­cher. Mir kommt es vor, als schwe­be eine beson­de­re Magie, die auch mich plötz­lich ver­ein­nahmt, durch den Raum.

Karin Deng­ler-Schrei­ber lächelt auf­mun­ternd. In die­sem Augen­blick fra­ge ich mich, woher all die­se beson­de­ren Men­schen kom­men, die in Bam­berg leben. Als kön­ne mei­ne Inter­view­part­ne­rin Gedan­ken lesen, sagt sie: „Ich bin eine ech­te Ein­ge­bo­re­ne.“ Und schon spru­delt ihre Lebens­ge­schich­te aus ihr her­aus, wohl­ge­setzt und alles ande­re als langweilig.

Schu­le in Bam­berg, Stu­di­um in Würz­burg und Wien

Schon in der Schu­le bei den „Eng­li­schen Fräu­lein“ merk­te die her­an­wach­sen­de Karin, dass sie ein Fai­ble für Geschich­te hat. So ent­schloss sie sich nach dem Abitur für ein Stu­di­um der Geschich­te, Kunst­ge­schich­te und Lite­ra­tur in Würz­burg, dann in Wien, wel­ches in einer Dis­ser­ta­ti­on mit dem Titel „Skrip­to­ri­um und Biblio­thek des Klos­ters Michels­berg im 11. und 12. Jahr­hun­dert“ gipfelte.

„Als ich stu­diert habe, bekam ich ganz wenig Geld von zu Hau­se. Mein Vater war dage­gen, dass ich dis­ser­tie­re. Aber mein Dok­tor­va­ter, Pro­fes­sor Otto Mey­er, ein genia­ler Ver­mitt­ler der Geschich­te, mach­te mir Mut. Des­halb und weil ich es ein­fach woll­te, habe ich es geschafft.“ Karin Deng­ler-Schrei­ber merkt man an, dass sie sich durch­zu­set­zen weiß. Und jeman­den in ihren Bann zie­hen, kann sie auch. Was sie zu sagen hat, klingt leicht­fü­ßig und geschmei­dig, klar, struk­tu­riert und durchdacht.

Mit 16 lern­te sie Kon­rad Deng­ler ken­nen, spä­te­rer Rich­ter am Bam­ber­ger Land­ge­richt. Nicht nur die Bezie­hung, aus der drei Söh­ne her­vor­gin­gen, tat und tut ihr bis heu­te gut. Auch die Mut­ter von Kon­rad, eine Ärz­tin, wur­de Karin zur guten Freun­din und Bera­te­rin in aller­lei Lebensfragen.

Nichts­des­to­trotz, wie­der in Bam­berg zurück, fiel es der agi­len Frau schwer, Kin­der und Beruf unter einen Hut zu brin­gen. „Ich war gewohnt, mein Leben selbst zu orga­ni­sie­ren – und nun ist da das ers­te Kind und stellt alles auf den Kopf.“ Was zunächst ein wenig befremd­lich klingt, ist beim genaue­ren Hin­hö­ren ledig­lich der Wunsch, sowohl eine gute Mut­ter zu sein als auch eine beruf­li­che Kar­rie­re zu machen.

Mitt­ler­wei­le gibt es drei Enkel – einen Buben und ein Mäd­chen­zwil­lings­paar. Die Groß­el­tern pen­deln zwi­schen Bam­berg, Mün­chen und Frank­furt, wenn sie Enkel und Kin­der besu­chen möch­ten. Gene­rell ist Fami­lie ein The­ma, das im Hau­se Deng­ler einen hohen Stel­len­wert besitzt. Jüngst sind Groß­el­tern, Kin­der und Enkel in die Alpen gefah­ren und haben die Zwil­lin­ge kur­zer­hand auf Ski­er gestellt.

Etwas über­rascht stellt Karin fest, dass ja nun der Platz im gro­ßen Haus bei Fei­er­ta­gen, wenn alle Fami­li­en­mit­glie­der ein­tru­deln, nicht mehr aus­rei­che. Die Deng­lers sind Genuss­men­schen und bewir­ten ger­ne selbst. Aber wenn es nun mal nicht geht, weicht man eben in Loka­li­tä­ten des Umlan­des aus. Haupt­sa­che alle sind zusammen.

Denk­mal­pfle­ge, Welt­erbe­lei­te­rin und Ehrenämter

Neben ihren fami­liä­ren Ver­pflich­tun­gen bot die jun­ge Frau als Sprung­brett ins Berufs­le­ben Kur­se in der VHS an. Mit einer glei­cher­ma­ßen ver­wun­der­ten wie über sich selbst amü­sier­ten Art schaut sie plötz­lich etwas fas­sungs­los und sagt: „Ich habe mit ganz nor­ma­len VHS-Teil­neh­mern kom­pli­zier­te latei­ni­sche Quel­len gele­sen. Was ich denen zuge­mu­tet habe!“ Sie lacht. Das war also der Anfang.

Wei­ter ging es mit Stadt­füh­run­gen, spä­ter mit der Aus­bil­dung von Gäs­te­füh­rern. Was für heu­ti­ge Bam­ber­ger Ohren völ­lig nor­mal klingt, war 1978 noch kei­nes­wegs gang und gäbe. „Damals ging es mit dem Tou­ris­mus ja erst ganz lang­sam los. Ich habe eine Füh­rung namens „Gelieb­tes unbe­kann­tes Bam­berg“ aus­ge­ar­bei­tet und Inter­es­sier­te an fast unbe­kann­te Orte geführt.“ Das war ein Novum. Auch für die Ein­hei­mi­schen, die zahl­reich an den Tou­ren teilnahmen.

1983 über­nahm Karin Deng­ler-Schrei­ber den ehren­amt­li­chen Pos­ten als Stadt­hei­mat­pfle­ge­rin. Nun obla­gen ihr vie­le ver­ant­wor­tungs­vol­le denk­mal­pfle­ge­ri­sche Auf­ga­ben. Die­ses Amt beglei­te­te sie 26 Jah­re. „Da habe ich rich­tig viel Arbeit hin­ein­ge­steckt und mei­ne Hei­mat­stadt noch ein­mal ganz anders und neu ken­nen­ge­lernt“, resü­miert sie, die wasch­ech­te Bambergerin.

Mit die­sem Hin­ter­grund ist es nicht ver­wun­der­lich, dass sie 2008 bis 2011 schließ­lich Lei­te­rin des Zen­trums Welt­erbe Bam­bergs wur­de. „Mit 60 Jah­ren, nach­dem ich mein gan­zes Leben lang als Selb­stän­di­ge gear­bei­tet habe, war ich nun also in eine Ver­wal­tung hin­ein­ge­rutscht. Das emp­fand ich nicht immer als einfach.“

Karin, die mit Herz­blut Denk­mä­ler schützt und bewahrt, ver­miss­te die Krea­ti­vi­tät, das freie Schaf­fen. In die­ser Zeit erlitt sie auch einen Schlag­an­fall. Ein Indiz für sie auf­zu­hö­ren – zeit­gleich mit ihrem Mann Kon­rad. „Seit­dem sind wir im Ruhe­stand. Aber es ist nicht wirk­lich Ruhe ein­ge­kehrt. Wenn ich möch­te, ent­span­ne ich natür­lich, sit­ze mit mei­nem Mann oder Gäs­ten auf der Ter­ras­se und genie­ße den Blick über die Stadt. Aber mir ist lang­wei­lig ohne Arbeit. So ver­brin­ge ich viel Zeit an mei­nem Schreib­tisch und füh­le mich dort sehr wohl.“

Eines von zahl­rei­chen Ehren­äm­tern, die Karin Deng­ler-Schrei­ber bis dato beklei­det, ist ihre seit 1997 wäh­ren­de Mit­glied­schaft im Baye­ri­schen Lan­des­denk­mal­rat. In ihrer Funk­ti­on als stell­ver­tre­ten­de Vor­sit­zen­de, die sie seit 1999 inne­hat, berät sie die Staats­re­gie­rung in Denkmalfragen.

Denkt man, mit die­sem Pos­ten bewegt sich die His­to­ri­ke­rin vor­nehm­lich in alten Gemäu­ern und wid­met sich eher mit­tel­al­ter­li­cher Sub­stanz, so liegt man nur halb rich­tig. Auch die Denk­mal­pfle­ge hat eine Ver­bin­dung zur Moder­ne. Die­sen Ver­bin­dung nimmt Karin Deng­ler-Schrei­ber mit. Schnell merkt man, wie poli­tisch aktu­ell die His­to­ri­ke­rin auf­ge­stellt ist. „Der Zusam­men­hang von Ener­gie und Denk­mal­pfle­ge“, hebt sie an, „ist ein hoch­span­nen­des The­ma, mit dem ich mich gera­de beschäf­ti­ge. Über­le­gen Sie mal, wie viel Ener­gie es kos­tet, ein Haus abzu­rei­ßen und dafür ein neu­es zu bau­en. Viel klü­ger ist es, die „graue Ener­gie“, die in einem alten Haus steckt, also die­je­ni­ge, die schon mal auf­ge­wen­det wur­de, um es zu bau­en, zu nut­zen. Oder Denk­mal­pfle­ge als Wirt­schafts­fak­tor – hät­ten Sie gewusst, dass da ein Zusam­men­hang besteht? Die Denk­mal­pfle­ge kos­tet nicht nur, son­dern sie ist auch ein Motor für die Wirt­schaft. Wir haben Unter­su­chun­gen ange­stellt, dass für vie­le Hand­wer­ker, aber auch Inge­nieur- und Archi­tek­ten­bü­ros die Denk­mal­pfle­ge ein kon­stan­ter Ein­nah­me­be­reich ist, der vor allem Jobs in der Regi­on schafft.“

Wis­sen­schaft­li­che Tex­te und Romane

Seit­dem Karin Deng­ler-Schrei­ber Rent­ne­rin ist, hat sie natür­lich ein biss­chen mehr zeit­li­che Spiel­räu­me und Frei­hei­ten als frü­her. Nach wie vor fährt sie noch oft auf Tagun­gen, hält wei­ter­hin Vor­trä­ge, arbei­tet an wis­sen­schaft­li­chen Publi­ka­tio­nen oder ist mit ihrem Mann auf Rei­sen. Aber einen Traum konn­te sie sich erfül­len. Ihren gro­ßen Roman „Die Flü­gel der Lüge“ hat sie im Febru­ar 2023 voll­endet. Schon immer woll­te sie wis­sen, was sich hin­ter dem Königs­mord von 1208 ver­birgt, als Pfalz­graf Otto von Wit­tels­bach am 21. Juni in Bam­berg den deut­schen König Phil­ipp von Schwa­ben ermor­de­te. Das War­um die­ser Geschich­te ist bis­her nicht erklärt. So ver­ar­bei­te­te Karin Deng­ler-Schrei­ber das The­ma in einem Kri­mi­nal­ro­man, ihr drit­ter Roman übri­gens. Das etwa 500-sei­ti­ge Werk liegt der­zeit bei einem Ver­lag und harrt der Veröffentlichung.

„Mei­ne Schwes­ter war die Erst­le­se­rin und sie ist sehr kri­tisch. Sie mokier­te, dass ein biss­chen Action und böse Men­schen feh­len. Offen­sicht­lich bin ich nicht rich­tig in der Lage, böse Cha­rak­te­re zu beschrei­ben, viel­leicht, weil mir im gan­zen Leben kein wirk­lich böser Mensch begeg­net ist“, sagt sie nach­denk­lich. An dem bösen Cha­rak­ter hat die His­to­ri­ke­rin und Schrift­stel­le­rin dann aber doch noch erfolg­reich gefeilt.

Heu­te ist Karin Deng­ler-Schrei­ber 76 Jah­re alt und wird des Nach­den­kens nicht müde. Sie beschäf­tigt sich mit Denk­mal­pfle­ge und His­to­rie, sie wälzt in die­sem Zusam­men­hang Geset­zes­tex­te, kämpft für Erhalt und Gerech­tig­keit und setzt Impul­se, die an das Schö­ne und das Bewah­rens­wer­te appel­lie­ren sol­len. „Ich habe nicht dar­an mit­ge­wirkt, dass Bam­berg Welt­kul­tur­er­be wur­de. Das wird oft durch­ein­an­der­ge­bracht. Aber ich habe sicher­lich ein biss­chen dazu bei­getra­gen, dass der 1993 ver­lie­he­ne Titel mehr und mehr ins Bewusst­sein der Bam­ber­ger, sei­ner Gäs­te und der Welt rückt.“

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