Inklu­si­ons­stu­die INSIDE 

Kin­der mit För­der­be­darf konn­ten im Lock­down schlech­ter lernen

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LIfBi Außenansicht Wilhelmspost, Foto: Jürgen Schabel /Universität Bamberg
Inklu­siv beschul­te Schü­le­rin­nen und Schü­ler mit son­der­päd­ago­gi­schen För­der­be­dar­fen haben wäh­rend der Schul­schlie­ßun­gen im Früh­jahr 2020 ungüns­ti­ge­re Lern­be­din­gun­gen erlebt als ihre Mit­schü­le­rin­nen und Mit­schü­ler ohne sol­che beson­de­ren Bedar­fe, wie aus einer der Aus­wer­tung einer Befra­gung von fast 2.000 Kin­dern der Klas­sen­stu­fen 7 und 8 hervorgeht.

Die Befra­gung wur­de als Teil der schul­be­zo­ge­nen Inklu­si­ons­stu­die INSIDE durch­ge­führt, die unter ande­rem am Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi) behei­ma­tet ist. Es zeig­te sich, dass gleich­zei­tig die Kin­der, unab­hän­gig von För­der­be­dar­fen, die Zeit der Schul­schlie­ßung sehr unter­schied­lich wahr­ge­nom­men haben.

Die Bedin­gun­gen für das Ler­nen zuhau­se wäh­rend der ers­ten Schul­schlie­ßung waren für Schü­le­rin­nen und Schü­ler von ganz unter­schied­li­chen Vor­aus­set­zun­gen geprägt. Inzwi­schen herrscht Einig­keit dar­über, dass sich bestehen­de Benach­tei­li­gun­gen durch die Schul­schlie­ßun­gen wei­ter ver­schärft haben. Eine Grup­pe ist dabei beson­ders betrof­fen, jedoch weit­ge­hend aus dem Blick­feld gera­ten: Zur Situa­ti­on von Schü­le­rin­nen und Schü­lern mit son­der­päd­ago­gi­schen För­der­be­dar­fen lie­gen bis­lang nur wenig empi­ri­sche Befun­de vor. Die­se Lücke will das Pro­jekt INSIDE (Inklu­si­on in und nach der Sekun­dar­stu­fe) ver­rin­gern. Die For­sche­rin­nen Dr. Cor­ne­lia Gresch von der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät zu Ber­lin und Dr. Mon­ja Schmitt vom LIf­Bi in Bam­berg gehen in einer aktu­el­len Aus­wer­tung der Fra­ge nach, wel­che Unter­schie­de es wäh­rend der Schul­schlie­ßun­gen im Früh­jahr 2020 beim Ler­nen und Wohl­be­fin­den zwi­schen Schul­kin­dern mit und ohne För­der­be­dar­fe gab. Die Daten dafür lie­fern Selbst­ein­schät­zun­gen von 1.939 Kin­dern, die im Rah­men der regu­lä­ren Erhe­bun­gen der Lang­zeit­stu­die INSIDE im Herbst 2020 erfragt wur­den. 13 Pro­zent die­ser Kin­der hat­ten son­der­päd­ago­gi­sche Förderbedarfe.


Prä­senz­un­ter­richt ermög­licht Teilhabe

Kin­der mit son­der­päd­ago­gi­schen För­der­be­dar­fen wei­sen zu Hau­se häu­fig eher ungüns­ti­ge Lern­vor­aus­set­zun­gen auf. Für sie ist das Feh­len von Prä­senz­un­ter­richt beson­ders fol­gen­reich, denn die Teil­ha­be an Bil­dungs­an­ge­bo­ten wird ihnen dadurch erschwert. Dazu kommt, dass das Ler­nen zuhau­se sich stark von den indi­vi­dua­li­sier­ten Unter­richts­for­ma­ten unter­schei­det, die die­se Grup­pe gewohnt ist: Sie benö­tigt mehr Moti­va­ti­on, mehr Beglei­tung und Auf­merk­sam­keit durch die Lehr­kraft und umso mehr das Gefühl, in einer Gemein­schaft zu ler­nen – Fak­to­ren, die beim Ler­nen zuhau­se im Früh­jahr 2020 weit­ge­hend weg­ge­fal­len sind.


Kin­der mit För­der­be­darf lern­ten weniger

Wie auch aus ande­ren Befra­gun­gen zum Ler­nen zuhau­se wäh­rend der Schul­schlie­ßung (–> NEPS Coro­na & Bil­dung No. 1) her­vor­ging, war die Zeit­span­ne, die Schü­le­rin­nen und Schü­ler mit schu­li­schen Lern­in­hal­ten ver­brach­ten, sehr unter­schied­lich. Die­ses Bild zeigt sich auch in der INSI­DE-Befra­gung. Es gibt sowohl Kin­der, die berich­te­ten, in die­ser Zeit deut­lich weni­ger für die Schu­le gear­bei­tet zu haben, als auch sol­che, die einen viel grö­ße­ren Zeit­auf­wand als zu nor­ma­len Schul­zei­ten anga­ben. Beim Ver­gleich der Grup­pen mit und ohne För­der­be­dar­fe zei­gen sich sta­tis­tisch bedeut­sa­me Unter­schie­de. 18 Pro­zent der Schü­le­rin­nen und Schü­ler mit För­der­be­dar­fen gaben an, viel weni­ger gear­bei­tet zu haben. Bei den Mit­schü­le­rin­nen und Mit­schü­lern ohne För­der­be­dar­fe mach­ten die­se Aus­sa­ge nur 11 Pro­zent. Noch deut­li­cher wird die­ser Unter­schied bei der Fra­ge, in wel­chem Umfang die Auf­ga­ben bear­bei­tet wur­den, die von der Schu­le zur Ver­fü­gung gestellt wur­den. 17 Pro­zent der Kin­der mit För­der­be­dar­fen gaben hier „kei­ne“ oder „wenig“ an (im Ver­gleich zu 8 Pro­zent bei der Grup­pe ohne För­der­be­dar­fe). Bei der Arbeits­um­ge­bung ist auf­fäl­lig, dass Kin­der mit För­der­be­dar­fen weni­ger oft einen Zugang zu Dru­ckern hat­te, aber häu­fi­ger von Per­so­nen berich­te­ten, die auf die Erle­di­gung der Auf­ga­ben achteten.


Schul­schlie­ßung beein­flusst auch Wohlbefinden

Die For­schen­den frag­ten die Kin­der auch, wie es ihnen wäh­rend der ers­ten Schul­schlie­ßung ins­ge­samt gegan­gen ist. Die Ant­wor­ten erge­ben ein hete­ro­ge­nes Bild. Auf­fäl­lig ist, dass Kin­der mit För­der­be­dar­fen signi­fi­kant häu­fi­ger extre­me Emp­fin­dun­gen („über­haupt nicht gut“ oder „sehr gut“) angaben.

Ins­ge­samt sehen die For­sche­rin­nen Gresch und Schmitt Kin­der mit son­der­päd­ago­gi­schen För­der­be­dar­fen beim Ler­nen zuhau­se benach­tei­ligt. „Sie hat­ten zusätz­lich zu den bestehen­den Her­aus­for­de­run­gen teil­wei­se ungüns­ti­ge­re Lern­be­din­gun­gen und ver­brach­ten auch weni­ger Zeit mit Ler­nen. Wir sehen hier die Befun­de ande­rer Stu­di­en bestä­tigt, dass Ungleich­heit durch feh­len­den Prä­senz­un­ter­richt wei­ter ver­stärkt wird“, so Cor­ne­lia Gresch.

Der voll­stän­di­ge Bericht ist auf https://www.lifbi.de/Transferberichte zu finden.


Über das Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi)

Das Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi) unter­sucht Bil­dungs­pro­zes­se von der Geburt bis ins hohe Erwach­se­nen­al­ter. Um die bil­dungs­wis­sen­schaft­li­che Längs­schnitt­for­schung in Deutsch­land zu för­dern, stellt das LIf­Bi grund­le­gen­de, über­re­gio­nal und inter­na­tio­nal bedeut­sa­me, for­schungs­ba­sier­te Infra­struk­tu­ren für die empi­ri­sche Bil­dungs­for­schung zur Verfügung.

Kern des Insti­tuts ist das Natio­na­le Bil­dungs­pa­nel (NEPS), das am LIf­Bi behei­ma­tet ist und die Exper­ti­se eines deutsch­land­wei­ten, inter­dis­zi­pli­nä­ren Exzel­lenz­netz­werks ver­eint. Wei­te­re Groß­pro­jek­te, an denen das LIf­Bi betei­ligt oder füh­rend ist, sind die Geflüch­te­ten­stu­di­en ReGES und Bil­dungs­we­ge­Flucht oder das Inklu­si­ons­pro­jekt INSIDE. Grund­la­ge dafür sind die eige­nen For­schungs- und Ent­wick­lungs­ar­bei­ten, ins­be­son­de­re die fun­dier­te Instru­men­ten- und Metho­den­ent­wick­lung für längs­schnitt­li­che Bil­dungs­stu­di­en, von der auch ande­re Infra­struk­tur­ein­rich­tun­gen und ‑pro­jek­te profitieren.

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