Das ArtEast Theater Bamberg begeistert Kulturinteressierte immer wieder mit seinen Aufführungen, zuletzt wurde Vladimir Sorokins “Krautsuppe, tiefgefroren” gespielt. Ein wahrlich groteskes Drama erzählt mit aller Härte über die Absurdität von Ideologien.
Wir befinden uns im Jahr 2040. Die Grünen haben unwiderruflich die Herrschaft im Vereinigten Eurasien an sich gerissen. Infolgedessen steht sowohl auf Tiertötung als auch auf die bloße Viehzucht Gefängnis, wodurch zahlreiche Meister alter (fleischhaltiger) russischer Kochkunst sich gezwungenermaßen in mafiaähnlichen Strukturen aufgrund der vorhandenen Generalüberwachung im Ökostaat im Untergrund organisieren müssen und sich in einem stetigen Kampf um verbotene Rezepte und rare Zutaten befinden. Alles in allem ein äußerst groteskes Drama, das uns womöglich mehr über die Absurdität von Ideologien nahelegen möchte und darüber hinaus auf aktuelle Problematiken politischer und gesellschaftlicher Natur hinweist.
Eugeniya Ershova, Benjamin Gehrig, Michael Jandejsek, Christine Renker, Michelle Wiederkehr und Alexandra Kaganowska als SchauspielerInnen wollten unter der Regie von Kristina Kroll (Performance: „Lachpillenonkel“) ihren „Umgang mit der Welt“ in den Vordergrund stellen, wie die Regisseurin sagt. Sie erklärt, weshalb sie sich genau für dieses Stück entschied: „Die Thematik des Klimaschutzes ist bekanntlich nicht erst seit gestern von enormer Bedeutung, rückte bedingt durch die Wahlen jedoch wieder zunehmend in den Fokus. “Krautsuppe, tiefgefroren“ karikiert eine ökologische Anti-Utopie. Hierbei steht unser Umgang mit der Welt im Vordergrund, jedoch wird auch auf kapitalistisches Denken sowie eine gesellschaftliche Abkehr von Traditionen und Kultur Bezug genommen. Das Stück bietet eine wunderbare Grundlage, um Schieflagen in der Gesellschaft aufzuzeigen ohne dabei zu diktieren, was richtig und falsch ist.“
Borschtsch à la Moskau, Koch mit Amtsgewalt, wird wegen Zubereitung von ökologisch schädlichen Speisen zum wiederholten Male in ein Sonderstraflager geschickt. Ihm gelingt letztlich die Flucht, sodass er sich auf den Weg macht, um einen riskanten Auftrag zu erfüllen. Der Koch macht sich mit seiner Beischläferin Larissa auf die Suche nach der „Pastuchovschen Kollektion“ – eine gefrorene Krautsuppe unermesslichen Wertes, die ein Meisterkoch im Verborgenen in 30 Rezeptvariationen für die Nachwelt der Fleischliebhaber kreiert hat. Dabei herrscht eine ständige Gradwanderung zwischen Sex, psychischer Gewalt und einer breiten Auswahl von Obszönitäten, die gekonnt auf politische Unstimmigkeiten im aktuellen Weltgeschehen aufmerksam machen.
“Krautsuppe, tiefgefroren“ signalisiert, dass jede Geisteshaltung, Gesinnung oder sogar eine – positiv gemeinte – strikte Weltanschauung neben den klar ersichtlichen Vorteilen auch diverse Nachteile mit sich bringen kann – umgekehrt selbstverständlich genauso. Dabei wird nichtsdestotrotz immer wieder unterschwellig darauf hingedeutet, dass man bestimmten Meinungsfaktoren in der Gesellschaft – ob man diese unterstützt, ist dabei zweitrangig – zumindest ein Gehör verschafft und sich selbst und sein Handeln in der kapitalistischen Welt – ohne Rücksicht auf die Natur – hinterfragen sollte. Denn: Woher nimmt der Mensch sich eigentlich das Recht, so zu sein, wie er sich in den heutigen „Amouren der Welt“ verhält?