Auch im Bamberger Marionettentheater war in den zurückliegenden eineinhalb Jahren ein geregelter Betrieb nicht möglich. Hinzu kamen Querelen zwischen Ensemble und der Theaterleitung und die Suche nach einer neuen Spielstätte. Seit einigen Wochen kann aber wieder regelmäßig gespielt werden, ins Team ist Harmonie zurückgekehrt und mit Schloss Geyerswörth ist auch eine neue Unterkunft gefunden. Wir haben mit Maria Czepl, der 1. Vorständin, und Schriftführerin Judith Aumüller-Kirchschlager über diese ereignisreichen Zeiten im Marionettentheater gesprochen.
Frau Czepl, Frau Aumüller-Kirchschlager, wie waren die zurückliegenden eineinhalb Jahre für das Bamberger Marionettentheater?
Judith Aumüller-Kirchschlager: Das Marionettentheater hat in mehrfacher Hinsicht im vergangenen Jahr eine schwere Zeit hinter sich gebracht. Pandemiebedingt sahen wir uns, wie die Kulturszene insgesamt, mit einem nie zuvor dagewesenen Stillstand konfrontiert. Daraus resultierend hatten wir mit dem Ausfall sämtlicher Veranstaltungen, später mit in der Umsetzung aufwendiger Hygienekonzepte und – für alle Akteure besonders bitter – mit komplett fehlenden Einnahmen zu kämpfen. Interne Unstimmigkeiten im Verein und im Ensemble haben die schwierige Gesamtsituation weiter verschärft.
Waren Sie immer positiv, nach den Beschränkungen weitermachen zu können oder war die Zukunft des Theaters jemals ungewiss?
Maria Czepl: Es gab tatsächlich den Zeitpunkt, an dem wir uns die Frage nach Aufgeben oder Weitermachen stellten. Vom alten Ensemble war uns eine einzige Spielerin geblieben, Therese Frosch. Das Vorstandsteam bestand nur noch aus dem ersten und zweiten Vorstand, aus Manfred Kreidl und mir, der Schatzmeisterin Christine Göhl und der Theaterleitung Maria Sebald. Doch wir fassten noch im Dezember 2020 neuen Mut. Wir erhielten intensive Unterstützung durch externes Coaching von Judith Aumüller-Kirchschlager und konnten in nur sechs Monaten auf Basis eines umfassenden Projektplans nicht nur ein neues Ensemble aufbauen, das sich nun sukzessive alle Stücke aneignet, sondern auch zum Mai 2021 unter strengen Corona-Auflagen die neue Spielzeit eröffnen. Es gelang uns parallel dazu, die Neuinszenierung von „Dorn-Röschen“ mit sämtlichen erforderlichen Komponenten wie Musik, Sprechtexte, Kulissen, Puppenbau und Kostüme zu stemmen und eine ausgesprochen erfolgreiche Premiere Anfang Juli zu realisieren. Unsere gemeinsamen Anstrengungen wurden am 21. Juli in der Jahreshauptversammlung belohnt. Der erste und zweite Vorstand sowie die Schatzmeisterin wurden erneut in ihrem Amt bestätigt. Drei weitere Teammitglieder, die uns halfen, den Neustart des Marionettentheaters zu bewerkstelligen, wurden als Schriftführerin, Judith Aumüller-Kirchschlager, und Beiräte, Andreas Reichert und Dr. Dr. Matthias Scherbaum, gewählt.
Unter einigen ehemaligen Ensemble-Mitgliedern gab es Unmut, es war sogar von einer Meuterei gegen Maria Sebald und ihre Arbeitsweise die Rede. Was war da los?
Maria Czepl: Zwischen Teilen des Vorstandes, dem Ensemble und der Theaterleitung kam es zu Unstimmigkeiten im Hinblick auf die interne Kommunikation und Verzögerungen bezüglich der Neuinszenierung des Stückes „Dorn-Röschen“. Auf der Jahreshauptversammlung konnten einige dieser Kritikpunkte angesprochen werden und am Ende kam es in persönlichen Gesprächen zu versöhnlichen Anklängen.
Der Vorstand hat an Maria Sebald festgehalten. Womit hat sie Sie überzeugt?
Maria Czepl: Maria Sebald überzeugt einerseits als bildende Künstlerin in Verbindung mit dem Studium der Literaturwissenschaften und durch ihre kreativen Fähigkeiten. Ihre Liebe zum Detail und zur Perfektion wie auch ihr Ideenreichtum, beispielsweise in Bezug auf Ausstattung, Musikeinsatz oder Kulissen wirken sich letztlich immens auf die Qualität der Stücke aus. Frau Sebald vertritt das Theater gegenüber der Stadt absolut professionell. Ein weiterer relevanter Aspekt ist, dass die Theaterleitung das Marionettentheater wirklich gut kennt und die Intention des Gründers Loose auf eine Weise verinnerlicht hat, die eine sanfte Modernisierung auf der profunden Basis der Tradition zulässt.
Nun haben Sie ein neues Ensemble. Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie die neuen Mitglieder ausgewählt?
Judith Aumüller-Kirchschlager: Lust auf Marionettentheater, Begeisterung, Spielfreude, Fingerfertigkeit, Feinfühligkeit, Flexibilität, Spaß an der Arbeit im Team und Achtsamkeit innerhalb des Teams.
Ist die Stimmung mit dem neuen Ensemble wieder besser?
Judith Aumüller-Kirchschlager: Die Stimmung ist tatsächlich großartig. Es ist die Stimmung des Aufbruchs. Jetzt Zukunft!
Spielplan und Optik der Inszenierungen sind klassisch-romantisch geprägt. Halten Sie an dieser Herangehensweise fest oder wird es in Zukunft auch modernere Stücke und aktuelle Bezüge geben?
Judith Aumüller-Kirchschlager: Das Bamberger Marionettentheater ist ein Barocktheater, also aus sich selbst heraus dem klassisch-romantischen zugeeignet. Dennoch streben wir zeitnah eine behutsame Erneuerung des Marionettentheaters an und wollen uns künftig auch Stücken mit aktuellen Inhalten und Bezügen widmen.
Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie den Spielplan der aktuellen Spielzeit zusammengestellt?
Maria Czepl: Aktuell spielen wir coronagerechte Stücke, also kürzere Stücke, die ohne Pause auskommen und mit den Hygieneauflagen gut vereinbar sind. Wir bieten daher auch zeitlich sehr flexibel Sondervorstellungen nach Wunsch für kleinere Gruppen an. Über den Sommer wird das Ensemble sein Repertoire sukzessive erweitern. Ab Mitte September gehen wir dann mit erweitertem Spielplan in die Herbst- und Wintersaison.
Welche sind die Highlights des Spielplans?
Judith Aumüller-Kirchschlager: Ein Highlight stellt sicherlich die Neuinszenierung des „Dorn-Röschen“ für den Herbst dar. Außerdem wird die romantische Oper „Die Zauberflöte“ den Spielplan bereichern. Als Weihnachtsmärchen planen wir den „Schweinehirt“.
Werden Sie in den Aufführungen auf die Pandemie eingehen?
Judith Aumüller-Kirchschlager: In den Stücken selbst sicher nicht. Im Marionettentheater ist ein kurzzeitiges Abtauchen in eine andere Welt und Zeit möglich und das versöhnt vielleicht auch manches Mal mit der aktuell doch auch zuweilen ungemütlichen Wirklichkeit. In den Einführungen, die jeder Aufführung vorausgeht, ist das Thema sicherlich auch in der kommenden Spielzeit nach wie vor präsent.
Wie sah in der Corona-Zeit die Zusammenarbeit mit der Stadt aus?
Maria Czepl: Die Stadt Bamberg hat uns grundsätzlich sehr gut unterstützt. Das Kulturamt stand uns immer beratend zur Seite, vor allem in Sachen Fördergelder. Wir fühlten uns nicht allein gelassen.
In etwa zwei Jahren geht die Residenz des Marionettentheaters im Staubschen Haus zu Ende. Nun hat der Kultursenat der Stadt beschlossen, Ihnen als neue Heimstätte Räumlichkeiten in Schloss Geyerswörth zur Verfügung zu stellen. Wie kam diese Entwicklung zustande?
Maria Czepl: Der Barockflügel in Schloß Geyerswörth stand vor einiger Zeit schon einmal zur Diskussion als neue Heimat für das Marionettentheater. Diese Möglichkeit wurde damals verworfen, weil das Raumangebot nicht für das Marionettentheater ausreichte. Nun sind dort aber weitere, ehemals von der Stadt als Büroräume genutzte Räumlichkeiten freigeworden, was dem Theater zusätzliche Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet.
Was macht Geyerswörth für das Marionettentheater besonders attraktiv?
Judith Aumüller-Kirchschlager: Zuallererst die zentrale Lage mitten im Weltkulturerbe. Hohe Lauf-Frequenz von Bambergern, Menschen aus dem Bamberger Umland, Tagesgästen und Urlaubern. Gleich daneben gibt es eine Tiefgarage und der Tourismus & Kongress Service sowie zahlreiche Gastronomieangebote befinden sich in allernächster Nähe. Besser geht es kaum.
Die aktuelle Spielzeit läuft seit 26. Juni. Wie sieht das Publikumsinteresse aus, wie die Reaktionen?
Maria Czepl: Wir sind gut gebucht. Die Neuinszenierung „Dorn-Röschen“ brachte uns zur Premiere hohe Aufmerksamkeit und kommt beim Publikum sehr gut an. Das Märchen „Hänsel und Gretel“ erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Da wir durch das pandemiebedingte Hygienekonzept von den Plätzen her schon eingeschränkt sind, planen wir für den Herbst die Einbindung unseres „Salons“, den wir mittels Streaming als zusätzlichen Theaterraum gewinnen wollen.