Leib­niz-Insti­tut für Bildungsverläufe

Poli­ti­sche Bil­dung: Schul­stun­den­zahl hängt mit Lan­des­re­gie­rung zusammen

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Politische Bildung
Das LIfBi, Foto: Tim Kipphan
Je mehr CDU in der Lan­des­re­gie­rung, des­to weni­ger poli­ti­sche Bil­dung in den Schu­len. So lau­tet ein Ergeb­nis einer aktu­el­len Stu­die des Leib­niz-Insti­tuts für Bildungsverläufe.

Popu­lis­mus, Poli­tik­ver­druss, sin­ken­des Ver­trau­en in staat­li­che Insti­tu­tio­nen, Wahl­er­fol­ge extrem rech­ter Par­tei­en – die­se und wei­te­re als demo­kra­tie­ge­fähr­dend ein­ge­stuf­te Ent­wick­lun­gen der letz­ten Jah­re füh­ren zu For­de­run­gen, die poli­ti­sche Bil­dung an Schu­len aus­zu­bau­en, wie das Bam­ber­ger Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (Lif­Bi) aktu­ell mit­teilt. Dem Poli­tik­un­ter­richt wird dabei eine Schlüs­sel­funk­ti­on bei der Stär­kung demo­kra­ti­schen Ver­hal­tens und Han­delns zugeschrieben.

Mit­hil­fe von Daten aus his­to­ri­schen Stun­den­ta­feln haben For­schen­de des Insti­tuts nun die Ent­wick­lung des Unter­richts­fachs Poli­tik in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten nach­ge­zeich­net. Dabei zeigt sich, dass fast durch­ge­hend mehr poli­ti­sche Bil­dung an nicht-gym­na­sia­len Schul­for­men im Ver­gleich zum Gym­na­si­um vor­ge­se­hen war. Zudem lässt sich bis Ende der 1990er Jah­re ein deut­li­cher Zusam­men­hang zwi­schen der Anzahl der Unter­richts­stun­den in die­sem Fach und der par­tei­po­li­ti­schen Regie­rungs­kon­stel­la­ti­on beobachten.

Um zu klä­ren, wel­chen Stel­len­wert Poli­tik­un­ter­richt an Schu­len in Deutsch­land hat, schuf ein LIf­Bi-For­schungs­team aus Nor­bert Send­zik, Ulri­ke Meh­nert und Mar­cel Hel­big auf Basis von Stun­den­ta­feln einen neu­en Daten­satz. Die­ser erfasst für alle west­deut­schen Bun­des­län­der von 1949 bis 2019, wie vie­le Wochen­stun­den „Poli­tik“ in der Sekun­dar­stu­fe I, also von der 5. bis ein­schließ­lich 10. Klas­se, in den ver­schie­de­nen Schul­for­men pro Schul­jahr gelehrt wer­den soll­ten. Die Daten der ost­deut­schen Bun­des­län­der sind dar­in seit der Wie­der­ver­ei­ni­gung ent­hal­ten. Dem­ge­mäß erlau­ben die Daten zum ers­ten Mal einen bil­dungs­his­to­risch-quan­ti­ta­ti­ven Blick auf die Ent­wick­lung des Poli­tik­un­ter­richts von der Grün­dung der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land bis in die Gegenwart.

Gro­ße Unter­schie­de zwi­schen den Ländern

Die Ana­ly­sen zei­gen, dass seit den 1970er Jah­ren die Bedeu­tung des Poli­tik­un­ter­richts zunahm und sich die Unter­richts­zeit für die­ses Fach in allen Bun­des­län­dern und an allen Schul­ar­ten bis zu den 1990er Jah­ren nahe­zu ver­dop­pel­te. Dabei gab es gro­ße Bundeslandunterschiede.

So wur­de bei­spiels­wei­se um die Jahr­tau­send­wen­de das Fach Poli­tik in Nord­rhein-West­fa­len mit sie­ben Wochen­stun­den gelehrt (also pro Schul­jahr im Durch­schnitt etwa 1,2 Wochen­stun­den), wäh­rend es in Bay­ern und Sach­sen nur zwei Wochen­stun­den waren (etwa 0,3 pro Schuljahr).

Aber auch in der jün­ge­ren Ver­gan­gen­heit fin­den sich bun­des­land­spe­zi­fi­sche Ent­wick­lun­gen. So wur­de in Hes­sen die Unter­richts­zeit seit den 1990er Jah­ren bis in die 2010er Jah­re von sie­ben auf drei Wochen­stun­den mehr als hal­biert. In Schles­wig-Hol­stein stieg sie im sel­ben Zeit­raum von einer auf fast fünf Wochen­stun­den an.

Mehr poli­ti­sche Bil­dung unter SPD-geführ­ten Regierungen

In sel­te­ner Klar­heit zeigt sich im neu­en Daten­satz zudem ein poli­ti­scher Ein­fluss der Lan­des­re­gie­rung auf den Poli­tik­un­ter­richt, ins­be­son­de­re für die 1970er bis Ende der 1990er Jah­re, so Nor­bert Send­zik. „Je nach poli­ti­scher Lan­des­far­be erhiel­ten die Schü­le­rin­nen und Schü­ler unter­schied­lich viel poli­ti­sche Bil­dung. War die SPD an einer Regie­rung betei­ligt, wur­de mehr poli­ti­sche Bil­dung unter­rich­tet. Regier­te die CDU, war weni­ger poli­ti­sche Bil­dung vor­ge­se­hen. Beson­ders deut­lich ist das für die ost­deut­schen Bun­des­län­der Sach­sen, Sach­sen-Anhalt und Thü­rin­gen, die nach der Wen­de christ­de­mo­kra­tisch geprägt waren. Dort war im Ver­gleich sehr wenig poli­ti­sche Bil­dung vor­ge­se­hen.“ Seit den 2000er Jah­ren ist poli­ti­sche Bil­dung jedoch weni­ger von der Zusam­men­set­zung der Lan­des­re­gie­rung geprägt.

Die Daten zei­gen jedoch nicht nur die unter­schied­li­che und poli­tisch beein­fluss­te zeit­li­che Aus­prä­gung des Poli­tik­un­ter­richts. So waren ent­ge­gen der land­läu­fi­gen Ver­mu­tung in der Geschich­te der Bun­des­re­pu­blik in der Regel mehr Unter­richts­stun­den „Poli­tik“ an nicht-gym­na­sia­len Schul­for­men im Ver­gleich zum Gym­na­si­um vor­ge­se­hen. Der Befund war in der Form nicht zu erwar­ten, denn ande­re For­schung weist für die Gegen­wart dar­auf hin, dass Gymnasiast:innen heut­zu­ta­ge mehr poli­ti­sche Bil­dung erhal­ten als Schüler:innen an ande­ren Schulformen.

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