Auch den Musikerinnen und Musikern der Bamberger Symphoniker fehlt der Kontakt zu ihrem Publikum und die Möglichkeit, Musik zu spielen. Gegen den ersten Mangel kann derzeit nur wenig ausgerichtet werden, dem zweiten lässt sich allerdings entgegentreten. Das beweist Eduard Resatsch, Cellist bei den Bamberger Symphonikern, mit seiner Komposition
„reflections of hope“. Für die Aufführung beziehungsweise Aufnahme des Werks hat er einen Großteil der Orchestermitglieder, 86 Stück an der Zahl, vor die heimischen Webcams gebeten, um die jeweiligen Parts einzuspielen. Herausgekommen ist ein etwa siebenminütiger musikalischer Aufschrei gegen die Beklommenheit des Lockdowns.
Wie geht es den Mitgliedern des Bamberger Symphonieorchesters nach
monatelangem Stillstand?
Eduard Resatsch: Wir halten uns alle fit und wie beim Sport müssen wir täglich trainieren, auch in dieser Ausnahmesituation. Wir hoffen natürlich sehr, dass wir bald wieder das tun können, was unsere Berufung ist, für ein großes Publikum zu musizieren und uns gemeinsam musikalisch auszudrücken. Auch Kultur ist systemrelevant, denn was wäre unser Leben ohne Musik, Kunst, Theater und Literatur?
Wie sind Sie auf die Idee zu „reflections of hope“ gekommen?
Eduard Resatsch: Das Werk ist in der Zeit des Lockdowns entstanden, die Zeit der Beklommenheit, Ungewissheit, Enge, nicht auf der Bühne musizieren zu dürfen, die Zeit der gezwungenen Stille auch für uns als Musiker – es war mir ein Bedürfnis, dies alles in Tönen festzuhalten und damit stellt meine Komposition eine direkte Reaktion auf die Pandemie dar.
Um was geht es darin?
Eduard Resatsch: Das Stück behandelt explizit die Welt im Ausnahmezustand. Dabei war für mich der Gedanke besonders wichtig: Wie reagiert ein Mensch in dieser Ausnahmesituation, wie reagiert der Musiker auf diese schreckliche Zeit – mit ängstlichem Flüstern oder mit einem verzweifelten Schrei? Darf die Kunst überhaupt schreien?
Etwa in der Mitte des Werks schreien die Musikerinnen und Musiker in ihrer jeweiligen Muttersprache das Wort „Corona“ in die Kameras. Was hat es damit auf sich?
Dieser Moment bildet eine Besonderheit Mitte des Werkes. Zuerst rezitieren die Orchestermusikerinnen und ‑musiker in ihrer jeweiligen Muttersprache aktuelle Begriffe von Ausgangssperre, Covid-19, Fallzahlen bis Atemmaske. In mehr als 20 Sprachen wird gemurmelt, geflüstert, gesprochen bis es zu diesem schreienden „Corona“-Ausbruch kommt. Für mich war es eine Form der Befreiung, das was sich nicht in Worten ausdrücken lässt, in Töne und Klänge umzuwandeln – somit entstand ein künstlerisches Dokument dieser Zeit, das ich dem Orchester kostenfrei zur Verfügung gestellt habe.
Beschreiben Sie bitte, wie es Ihnen gelungen ist, 86 Musikerinnen und Musiker davon zu überzeugen, bei dem Projekt mitzumachen und sie zu koordinieren.
Ich bin sehr dankbar, dass meine Orchesterkolleginnen und ‑kollegen, unser Chefdirigent Jakub Hrůša und unser Management die ganze Aktion unterstützt haben und dieses großartige Projekt nur mit dem Beitrag aller zu einem so wunderbaren Hör- und Seherlebnis werden konnte. Mit diesem Projekt hat das Orchester gezeigt, dass es gemeinsam etwas Neues erschaffen und diesen furchtbaren Umständen durch Zusammenhalt trotzen kann.
War die Umsetzung, auch unter technischen Gesichtspunkten, schwer?
Die Umsetzung war extrem schwierig – 86 Leute haben jeweils ihre Stimme aus ihren Wohnzimmern einzeln aufgenommen und der Tonmeister Georg Obermayer hat die digitalen Einzel-Dateien zusammengefügt und damit ein außergewöhnliches Konzerterlebnis geschaffen. Der Filmemacher Michael Wende hat meine Komposition großartig in Bilder umgesetzt. Besonders war auch, dass die ganze Produktion in sehr kurzer Zeit stattgefunden hat, alle waren mit vollem Einsatz dabei.