Eine Studie des Bamberger Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe zeigt, dass insbesondere sozial benachteiligte Familien die pandemiebedingten Schulschließungen in den Jahren 2020 und 2021 als problematisch erlebt haben. Die Forschenden mahnen entsprechend gezielte Unterstützungsangebote an, um Bildungsungleichheiten entgegenzuwirken.
Eine Studie des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe (LIfBi) und der Universität Leipzig zeigt, wie Eltern von Schulkindern die Schulschließungen in den Corona-Jahren 2020 und 2021 erlebt haben. Dies teilte das Institut am Mittwoch (13. September) mit. Für die Auswertung wurden die Antworten von 1.813 Eltern aus dem Jahr 2020 und von 1.898 Eltern aus dem Jahr 2021 herangezogen. Die überwiegende Mehrheit der Kinder befand sich während des ersten Lockdowns in der zweiten Klassenstufe, während des zweiten Lockdowns im Winter und Frühjahr 2021 in der dritten.
Häusliche Lernsituation während der zweiten Schulschließungen schlechter bewertet
Zwei Drittel der Eltern schätzten laut der Studie des LIfBi ihre digitalen Kenntnisse und Fähigkeiten, ihre Kinder beim Lernen zu unterstützen, in der ersten Phase der Schulschließungen im Frühjahr 2020 noch als voll und ganz ausreichend ein. In der zweiten Phase im Winter 2020 //2021 waren es allerdings nur noch etwas mehr als die Hälfte der Eltern.
Auch die für den Distanzunterricht nötige technische Ausstattung wurde zunehmend kritischer gesehen. Schätzten mehr als drei Viertel der Eltern diese während der ersten Schulschließungen noch als ausreichend ein, waren es im zweiten Lockdown einige Monate später 10 Prozent weniger.
„Da in der zweiten Schulschließungsphase vermehrt Online-Plattformen und Videochats genutzt wurden“, sagt Markus Vogelbacher, Erstautor der Studie, „hatten Eltern dann vermutlich größere technische Schwierigkeiten als während der ersten Schließphase, in der überwiegend E‑Mails eingesetzt wurden.“
Starke Anspannungen erfuhren die familiären Situationen zusätzlich während der zweiten Phase der Schulschließungen durch Schwierigkeiten bei der Betreuung der Kinder und gleichzeitiger Berufstätigkeit. „Die Situation in der Familie war während der zweiten Schulschließungen sehr herausfordernd. Sowohl bei der Betreuung als auch bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gaben knapp ein Drittel der befragten Eltern starke bis sehr starke Probleme an“, sagt Markus Vogelbacher.
Pessimistisch blickten Eltern auch auf die Kompetenzentwicklung ihrer Kinder. Während der ersten Schließungen glaubten rund 34 Prozent, dass ihre Kinder in den Hauptfächern zuhause ebenso viel wie in der Schule lernen. Dieser Anteil sank im zweiten Lockdown leicht auf 30 Prozent. Dafür stieg der Anteil der Eltern, die Bildungsrückstände durch den Distanzunterricht erwarteten von 20 auf 31 Prozent deutlich an.
Größere Herausforderungen für sozial Benachteiligte
Die Lernsituation in der zweiten Corona-Welle variierte außerdem deutlich je nach sozialer Lage. Formal niedrig gebildete Mütter und Väter (maximal Hauptschulabschluss) fühlten sich im Gegensatz zu Befragten mit höherer Bildung (Mittlere Reife oder höher) durchweg schlechter darüber informiert, welche Aufgaben die Kinder zu bearbeiten haben. Gleiches gilt laut Studie des LIfBi für alleinerziehende Elternteile.
Im Vergleich zu den Befragten mit der niedrigsten Bildung sahen sich alle anderen Bildungsgruppen besser in der Lage, ihrem Kind beim Lernen des Schulstoffs zu helfen. Die einkommensschwächste Gruppe fühlte sich im Gegensatz zu allen anderen Einkommensgruppen weniger kompetent, ihre Kinder inhaltlich zu unterstützen.
Eine niedrigere inhaltliche Unterstützungsfähigkeit berichten in der Studie außerdem Befragte aus Familien, in denen mindestens ein Elternteil zugewandert ist. Auch bei der räumlichen Situation und der Möglichkeit, dem Kind einen ruhigen Platz zum Lernen zur Verfügung zu stellen, zeigen sich Einkommenseffekte und Nachteile für kinderreiche Familien.
Bildungsungleichheiten durch gezielte Unterstützung entgegenwirken
„Unsere Studie zeigt deutliche Unterschiede zwischen den sozialen Gruppen und im Zeitverlauf eine kritischere Bewertung der häuslichen Lernsituation“, fasst Thorsten Schneider von der Universität Leipzig die Studie zusammen. Er fordert: „Besonders sozial benachteiligten Gruppen müssen Unterstützungs‑, Coaching- und Vernetzungsangebote von den Schulen und öffentlichen Trägern unterbreitet werden, um den bereits entstandenen Bildungsungleichheiten durch die Corona-Pandemie entgegenzuwirken – vor allem, wenn es zu längeren Phasen des Distanzlernens kommt.“