Am 28. Oktober, nach fast 13 Jahren als Professorin für Slavische Kunst- und Kulturgeschichte an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, hielt Prof. Dr. Ada
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Ikone der Fakultät für slavische Kunst- und Kulturgeschichte
Prof. Dr. Ada Raev feiert ihren Abschied
von Stanimir Bugar
Am 28. Oktober, nach fast 13 Jahren als Professorin für Slavische Kunst- und Kulturgeschichte an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, hielt Prof. Dr. Ada Raev ihre Abschiedsvorlesung mit dem Titel „Die Macht der Bilder. Fëdor Dostoevskij als Bildbetrachter. Versuch einer Annäherung“. Dies war das Ende einer beachtlichen akademischen Laufbahn.
1979 war Ada Raev wissenschaftliche Assistentin am Kunstgeschichtlichen Institut der Humboldt-Universität Berlin. Bereits drei Jahre später wurde sie 1982 an der Lomonossow-Universität Moskau promoviert. 1999 habilitierte sie sich an der Humboldt-Universität und wurde im Anschluss Oberassistentin am Kunstgeschichtlichen Seminar. Im weiteren Verlauf ihres Werdegangs hatte sie Vertretungsprofessuren für Kunstgeschichte an der Technischen Universität Dresden (2001÷2002), an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (2003÷2004) sowie an der Humboldt-Universität (2005) inne.
2006 wurde sie Gastprofessorin an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, bevor sie eben 2008 die Stelle als Professorin für Slavische Kunst- und Kulturgeschichte an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg antrat. Von diesem Zeitpunkt an war sie „daham in Franggn“ und schätzt hier die hohe Lebensqualität, auch wenn sie ihren Werdegang zunächst etwas anders plante und gewissermaßen nur dank eines Stipendiums in das Themengebiet der slavischen Kunst- und Kulturgeschichte gelangte.
„Nach meinem Studium der Kunstgeschichte in Moskau“, sagt Ada Raev, „hätte ich mich gern mit italienischer Renaissance beschäftigt – meine Diplomarbeit habe ich über „Das Porträt im
frühen Florentiner Manierismus“ geschrieben – weil ich ganz fasziniert von den häufig melancholischen Bildnissen gewesen bin. In der damaligen DDR waren die Forschungen zur Renaissance an der Uni Leipzig gerade abgeschlossen, man widmete sich dort dem Barock. So bin ich an die Humboldt-Universität nach Berlin gegangen, wo zur Moderne und Avantgarde geforscht wurde.“
Promotion und ein weiterer Aufenthalt in Moskau
Aus diesen Forschungen ergab sich das Thema ihrer Promotion „Russisch-deutsche Kunstbeziehungen an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert (1896 bis 1906)“. Ein Stipendium ermöglichte ihr einen weiteren, diesmal dreijährigen, Aufenthalt in Moskau, wo Grigorij Sternin ihr Doktorvater wurde.
„Das war im Grunde genommen mein Einstieg in die slavische Kunst- und Kulturgeschichte. Als nach meiner Rückkehr nach Berlin im Zuge der Perestroika das Interesse an russischen Themen wuchs, habe ich mich darauf fokussiert, nichtsdestotrotz aber auch anderes unterrichtet. Zum Beispiel zusammen mit meiner Kollegin und Freundin Ruth Tesmar, die Künstlerin ist, lehrte ich viel über Zeichnung und Druckgraphik, verbunden mit Besuchen im Berliner Kupferstichkabinett – die Auseinandersetzung mit dem Original ist immer eine Bereicherung für Lehrende und Studierende.“
Dieser Russlandschwerpunkt, befördert durch die Kenntnis von Sprache und Kultur, spiegele sich deutlich in ihrer Publikationsliste. Nach der Wende gab die Berührung mit feministischer Kunstgeschichte zudem den Impuls, über russische Künstlerinnen der Moderne zu forschen und Vorträge zu halten.
„Damit habe ich mich einige Jahre später, 1999, habilitiert. Aber mit dem Fokus auf Russland war es schwer bis unmöglich, eine Professur in der Kunstgeschichte zu bekommen, was mir auch eineinhalb Jahre Arbeitslosigkeit beschert hat. Umso mehr war die Ausschreibung der Professur für Slavische Kunst und Kultur an der Uni Bamberg für mich eine große Chance und ich hatte das Glück, den Ruf darauf zu bekommen.“
Lebendige Seminare
Ada Raev deckt mit ihren Themensetzungen ein weit gefasstes Forschungsspektrum und bekleidet zahlreiche Ämter in diversen Funktionen. Unter anderem ist sie seit 2015 Mitglied des Beirats der Graduiertenschule für Ost- und Südosteuropastudien der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Universität Regensburg. Eigene Forschungsschwerpunkte betreffen neben Genderfragen auch den Kulturtransfer, Bühne, Tanz und Theatralität sowie Aspekte der Landschaftsmalerei. Unter anderem diese Aspekte gab sie viele Jahre lang an ihre Studierenden weiter.
„Es ist mir immer wichtig gewesen, die Studierenden für Themen, die mir selbst am Herzen liegen, zu begeistern oder jedenfalls zu sensibilisieren. Als Kunsthistorikerin wollte ich sie dazu zu befähigen, genau hinzuschauen, visuelle Strukturen zu erkennen und über das Gesehene zu reflektieren – eine anspruchsvolle Angelegenheit.“
Immer habe sie sich gefreut, wenn es gelang, Seminarsitzungen zu einer lebendigen Veranstaltung zu machen. „Das ist kein Selbstläufer, funktioniert aber, wenn man sich gegenseitiges Vertrauen und Wertschätzung entgegenbringt. Und langfristig gesehen ist es natürlich eine Freude, wenn man sieht, dass die Studierenden ihren eigenen Weg gehen und im Beruf ankommen, promovieren oder sich habilitieren. Dann entsteht das Gefühl, dass die eigenen Bemühungen nicht umsonst gewesen sind“, so Prof. Raev.
Geteilte Erfahrungen und Erinnerungen bleiben lebendig
Exkursionen spielen dabei eine wichtige Rolle und setzen der bereits attraktiven Lehre das i‑Tüpfelchen auf. „Zweifelsohne haben die Exkursionen, für die mir schon in Berlin und dann auch in Bamberg die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung standen, dazu beigetragen, die Lehre attraktiv zu gestalten und bestimmte Themen zu vertiefen.“
Vielleicht hänge es auch mit ihrer DDR-Herkunft zusammen, wo die Reisemöglichkeiten sehr eingeschränkt waren, und mit den Exkursionen, die sie von Moskau aus gemacht habe, nach Armenien, Georgien, Leningrad und Prag, dass es sie immer gelockt habe, andere Orte und Länder kennenzulernen.
„Ich tue das gern in Gesellschaft, weil sich so die Gelegenheit bietet, sich sofort über Gesehenes und Erlebtes auszutauschen. Das ist einfach schön und belebend. Man kann sein eigenes Wissen weitergeben und lernt die Mitreisenden näher kennen. Man unterhält sich über Dinge, über die man sonst nicht miteinander sprechen würde. Das ist für den generationsübergreifenden Dialog, aber auch für den der Studierenden untereinander, ganz wichtig, wie mir scheint. Und: Geteilte Erfahrungen und Erinnerungen bleiben lebendig.“
Freiheit setzt Energien frei
Ada Raev sieht den größten beziehungsweise wichtigsten Vorteil der Tätigkeit als Professorin darin, eigene Interessen zur Profession machen zu können. Man untersteht gewissen Richtlinien des Fachgebietes, für das man zuständig ist, die verlangen, möglichst breit, methodisch und abwechslungsreich zu unterrichten. Trotzdem ist man relativ frei in der Wahl der Themen.
„Das ist ein großes Privileg, das viele Energien freisetzt und den eigenen Horizont erweitert. Dazu gehört auch die Möglichkeit, Buchanschaffungen in der Universitätsbibliothek zu initiieren oder dort sogar Ausstellungen zusammen mit Studierenden zu machen. In den Semesterpausen, in denen man den Arbeitsrhythmus selbst bestimmen kann, hat man das Recht und die Pflicht, sich in neue Themen einzuarbeiten und die eigenen Forschungen voranzubringen.“
Rückblickend schätze sie ihre alte Arbeitsstätte wahrscheinlich sogar noch einmal ein Stück mehr und riskiert einen Blick auf daraus resultierende Kooperationen: „Erwähnen möchte ich dazu den Austausch mit den Hilfswissenschaftlerinnen und ‑wissenschaftlern und den Kolleginnen und Kollegen, denn man sitzt als Professorin ja nicht im sogenannten Elfenbeinturm. Als besonders anregend und herausfordernd habe ich außerhalb der Universität immer die Zusammenarbeit mit Museen empfunden, die sich durch meine gesamte berufliche Laufbahn gezogen hat. Dafür bin ich sehr dankbar!“
Der Regnitz entlang zur Arbeit
Dass Bamberg zu den schönsten Städten Deutschlands gehört, ist für viele selbsterklärend. Selbsterklärend ist ebenfalls, dass Ada Raev Bamberg bereits jetzt vermisst. „Gewohnt habe ich im Hain, hatte also an der Regnitz oder am Hollergraben entlang einen zauberhaften Weg zur und von der Arbeit. Von meinem Bürofenster aus habe ich auf die Dächer der Altstadt und den Bamberger Dom geschaut. Das ist nicht zu toppen!“
Doch nicht nur das werde ihr fehlen: „Das gilt auch für die Bamberger Backkultur, die Atmosphäre auf dem Grünen Markt, die Stimmung in der Vorweihnachtszeit. Und natürlich werde ich meine Kolleginnen und Kollegen und die Studierenden vermissen.“
Es wird deutlich, dass sie sich in Bamberg zu jedem Zeitpunkt wohlfühlte. Dies liege nicht nur an der Schönheit der Stadt, sondern ebenfalls an denjenigen Personen, die sie während ihrer Zeit in Bamberg unterstützten. Ganz besonders denke sie hierbei an ihren Mann Boris, Markus Behmer, als Dekan der Fakultät für Geschichts- und Kulturwissenschaften, und Elisabeth von Erdmann und Sandra Birzer, Kolleginnen am Institut für Slavistik Bamberg. Großartige Unterstützung habe sie auch von ihren Hiwis bekommen. Hier seien stellvertretend Irina Alter, Mira Banka, Magdalena Burger, Eugeniya Ershova, Kathrin Gentner, Helene Kißler und Jaroslav Sebov zu nennen.
Fokus, Eigeninitiative und Mut
An Ada Raev wird deutlich, dass man mit einem Fokus und viel Willenskraft einiges erreichen kann. Genau dies möchte sie jungen Studierenden und Absolventen auf Jobsuche mitgeben. „Es ist wichtig, dass man das, was man tut, mit Herzblut tut und bereit ist, sein Bestes zu geben. Das setzt positive Energien frei und hilft, Durststrecken besser zu überstehen. Offenheit und Kommunikationsbereitschaft tragen dazu bei, Frusterfahrungen zu minimieren. Dazu gehört aber auch der Mut, gegebenenfalls „Nein“ zu sagen.“
Ada Raev selbst setzt in ihrem Ruhestand von nun an den Fokus auf andere Dinge und kann bereits einige Pläne vorweisen – öde wird es ihr wohl sicherlich nicht. „Noch ist keine Langeweile in Sicht, darunter habe ich aber auch noch nie gelitten. In den nächsten Jahren gilt es, meine drei verbliebenen Promovendinnen auf dem Weg zum Abschluss ihrer Promotion zu begleiten. Mehrere Aufsätze wollen geschrieben sein und ich möchte mein auf Russisch erschienenes Buch über Marie Vassilieff, eine Protagonistin der École de Paris, gern auf Deutsch publizieren. Und Boris und ich wollen reisen.“
Auf lange Sicht freue sie sich über die neu gewonnenen Freiheiten und den Umstand, dass administrative Pflichten nun wegfallen und sie sich auf die ihr wichtigen Dinge konzentrieren, soziale Kontakte intensiver pflegen und spontan auf Reisen gehen kann.
Eines ist sicher: Ada Raev wird Bamberg keinesfalls für immer verlassen – im Gegenteil. In Zukunft muss sie jedoch nicht mehr universitären Pflichten nachkommen und kann ohne Zeitdruck in den Gassen Bambergs spazieren gehen, Kuchen und Kaffee im Café am Dom genießen und die Stimmung in der Bamberger Altstadt spüren. Sie hat Spuren in der Bamberger Universität hinterlassen und viel zu einem angenehmen Klima an der Hochschule beigetragen.