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Andreas Woitzik

Illus­tra­tor aus Bamberg

Andre­as Woit­zik im Porträt

Andre­as Woit­zik ist frei­schaf­fen­der Illus­tra­tor. Sei­ne Zeich­nun­gen umfas­sen eine brei­te Palet­te von Moti­ven – dar­un­ter Figu­ren, Comics, Gebäu­de, Tie­re und urba­ne All­tags­sze­nen –, deren Schwung durch einen schnel­len Feder­strich und knal­li­ge Far­ben ent­steht. Wir haben ihn zu sei­ner Arbeit interviewt.

Andre­as Woit­zik, 35 Jah­re alt und gebür­tig aus Kulm­bach, zeich­net seit der frü­hen Kind­heit. Schon als Zwei­jäh­ri­ger und nicht sel­ten zum Schre­cken der Eltern bemal­te er mit sei­nen Bunt­stif­ten die Zim­mer­wän­de. Auch spä­ter in der Grund­schu­le ging die­se Krit­zel­pha­se, wie er sagt, wei­ter. Bald wur­de das Krit­zeln jedoch ziel­ge­rich­te­ter, um nicht zu sagen auf­säs­si­ger. „Etwa ab der fünf­ten Klas­se wur­de mir klar“, sagt Andre­as Woit­zik, „dass ich mei­nen Unmut, sei es gegen Leh­rer oder Mathe­ma­tik, mit Zeich­nun­gen aus­drü­cken konn­te.“ Die­ser Unmut bezog sich vor allem auf einen Leh­rer. Des­sen über­trie­be­ne Stren­ge ging so weit, dass der jun­ge Andre­as Woit­zik den Päd­ago­gen in meh­re­ren, wenig schmei­chel­haf­ten Kari­ka­tu­ren fest­hielt. Ärger habe es natür­lich gege­ben, als die Zeich­nung ihren Weg zum auf die­se Art ver­ewig­ten Leh­rer fand. Aber Andre­as Woit­zik erkann­te für sich: „Zeich­nen war wie durch­at­men zu können.“

Fort­an wur­de ein Skiz­zen­buch sein stän­di­ger Beglei­ter, Zeich­nun­gen von allen mög­li­chen Bege­ben­hei­ten des All­tags füll­ten Sei­te um Sei­te. „Mit 16 Jah­ren hat­te ich dann sogar mei­ne ers­te Auf­trags­ar­beit. Ich soll­te fünf Lein­wän­de gestal­ten. Zwei waren bereits gemalt, die ande­ren drei waren in Auf­trag gege­ben.“ Schön am Ver­kauf der Arbei­ten war zudem, dass der Erlös eine Geld­stra­fe deck­te, die er kurz zuvor erhal­ten hat­te, weil er beim Graf­fi­ti­sprü­hen erwischt wor­den war. Was mit zwei Jah­ren noch mit Bunt­stif­ten geschah, mach­te der jun­ge Künst­ler nun in gewis­ser Wei­se mit der Spray­do­se im öffent­li­chen Raum von Kulm­bach. Viel Gewinn hat­te die­ser ers­te Auf­trag zwar nicht ein­ge­bracht, aber eine wei­te­re Erkennt­nis blieb: „Es war die Öff­nung in eine neue Welt, die Welt der Illus­tra­ti­on. Ich hat­te das Gefühl, dass man auch einen lus­ti­gen Beruf haben kann. Das war von da an mein Ziel.“

Als Andre­as Woit­zik eini­ge Zeit spä­ter nach Bam­berg umsie­del­te, um dort das Abitur nach­zu­ho­len, hat­te er sei­ne krea­ti­ven Ambi­tio­nen nicht wie­der ver­ges­sen. So zog er auch mit dem Hin­ter­ge­dan­ken um, in der Stadt nach dem Schul­ab­schluss gleich ein krea­ti­ves Stu­di­um dran­zu­hän­gen. Im Jahr 2017 schrieb er sich für den Stu­di­en­gang Kunst­lehr­amt ein.

Doch die Fas­zi­na­ti­on hielt nicht lan­ge an. Finan­zi­el­le Pro­ble­me und Lan­ge­wei­le ver­lei­de­ten ihm das Stu­di­um. Schließ­lich brach er es ab und ent­schied sich, halb­tags als Gärt­ner und Buch­händ­ler zu arbei­ten und den Rest sei­ner Zeit dem Zeich­nen zu wid­men. Aber: „Als Coro­na kam, wur­de ich in der Gärt­ne­rei gekün­digt und war von heu­te auf mor­gen arbeits­los.“ Trotz­dem beschloss er zur sel­ben Zeit außer­dem, sei­ne inzwi­schen zahl­rei­chen Zeich­nun­gen
online zu zei­gen. „Viel­leicht hat­te ich Glück, dass die Leu­te wäh­rend der Pan­de­mie mehr auf Social Media unter­wegs waren, aber als ich anfing, mei­ne Zeich­nun­gen regel­mä­ßig hoch­zu­la­den, begann ein sehr dyna­mi­scher Pro­zess für mich.“

So erhielt er eines Tages eine Anfra­ge von der Gas­tro­no­mie des Bam­ber­ger Schwimm­bads „Bam­ba­dos“. Zu jedem Ter­min des Som­mer­ki­nos, das die Ein­rich­tung ver­an­stal­te­te, soll­te ein Gemäl­de zum The­ma „Essen“ ange­fer­tigt wer­den. „Ich habe einen guten Vor­schuss für das Mate­ri­al bekom­men und fast jeden Abend wur­de die Lein­wand ver­kauft. So ent­wi­ckel­te sich nach und nach mei­ne Selbst­stän­dig­keit.“ Wei­te­re Auf­trä­ge für Pri­vat­per­so­nen, Fir­men oder die Uni­zei­tung Bam­bergs folgten.

Andre­as Woit­zik, Foto: Andre­as Woitzik
Schnel­le Stri­che und Aquarellfarben

Heu­te bestrei­tet Andre­as Woit­zik sei­nen Lebens­un­ter­halt als frei­schaf­fen­der Illus­tra­tor und lebt der­zeit in Müns­ter, um sich an der dor­ti­gen School of Design mit Schwer­punkt Illus­tra­ti­on wei­ter­zu­bil­den. „Ich hat­te trotz der Auf­trä­ge das Gefühl, in Fran­ken zu sta­gnie­ren und woll­te den­noch eine gute Aus­bil­dung bekom­men. Lei­der blieb mir das auf­grund der Finan­zen ver­wehrt. Doch durch die frei­schaf­fen­de Arbeit geht nun beides.“

So prä­sen­tiert er sei­ne Wer­ke nach wie vor online und ein Blick auf sei­ne Insta­gram-Sei­te offen­bart sei­ne Band­brei­te – auch wenn teil­wei­se nur Erst­ver­su­che zu sehen sind. Mit zumeist Tusche-Zeich­nun­gen und Aqua­rel­len fer­tigt er Por­träts, Stadt­an­sich­ten, Car­toons oder Illus­tra­tio­nen an. Auch ein ein­heit­li­cher Stil, in jedem der Gen­res, ist erkenn­bar. Wobei die Anwen­dung des Stils stark davon abhän­ge, ob es sich um eine Auf­trags­ar­beit han­delt, „oder ob ich frei für mich zeichne“.

Wenn Andre­as Woit­zik für sich zeich­net, unter­schei­det sich sein Zeich­nen, von der inhalt­li­chen und qua­li­ta­ti­ven Wei­ter­ent­wick­lung ein­mal abge­se­hen, was die inne­re Hal­tung angeht aller­dings nicht son­der­lich von der Zeit in der Grundschule.

„Auch wenn es jetzt ein Beruf gewor­den ist, ist das Illus­trie­ren für mich doch immer noch ein Inne­hal­ten und Durch­at­men in hek­ti­schen Zei­ten und die Mög­lich­keit, das Leben zu reflek­tie­ren. Ich sit­ze zum Bei­spiel an einem öffent­li­chen Platz mit einem Skiz­zen­buch und las­se die Ein­drü­cke, die sich dort abspie­len, auf mich wir­ken, anstatt sie ein­fach schnell vor­bei­ge­hen zu las­sen.“ Bei sol­chen Vor­ort-Zei­chen­ex­kur­sio­nen schwin­gen für Andre­as Woit­zik immer noch Befreit­heits­ge­füh­le wie in der Kind­heit mit.

So ent­stand im zurück­lie­gen­den Mai etwa die Zeich­nung „Altes Rat­haus, Bam­berg“. Zu sehen ist dar­auf eine männ­li­che Figur im karier­ten Hemd, die einen Blick über die Schul­ter auf Bam­bergs Altes Rat­haus und sei­nen bogen­för­mi­gen Durch­gang wirft. Die­se Zeich­nung ver­mit­telt einen anschau­li­chen Ein­druck von Woit­ziks Stil. Flüch­ti­ge Bege­ben­hei­ten hält er mit schnel­len Tuschestri­chen fest, und wo ein Strich zu viel ist, wird nicht radiert oder über­malt, son­dern bewusst die Unvoll­kom­men­heit oder der Zufall im Bild belas­sen. „Oft habe ich nicht ein­mal einen Radie­rer dabei“, sagt er. Die­ser Ansatz ver­stärkt die Leben­dig­keit und Bewe­gung von zum Bei­spiel der städ­ti­schen Sze­ne des Man­nes vor dem Rat­haus. Eine wei­te­re Span­nungs­li­nie ent­steht, weil der spitz­för­mi­ge Kopf des Man­nes die glei­che Zei­ge­rich­tung wie der Rat­haus­turm hat.

Stil­fra­ge

Dann kommt die Kolo­rie­rung hin­zu. Bei der Farb­aus­wahl geht Woit­zik im Unter­schied zum Zeich­nen der Umris­se und Kan­ten eines Motivs aller­dings nach dem Mot­to „weni­ger ist mehr“ vor. Auch lässt er sich mehr Zeit dabei. „Ich mag eine prä­gnan­te Farb­ge­bung bis hin zu mit Kom­ple­men­tär­ef­fek­ten. Auf der ande­ren Sei­te ver­wen­de ich aber sel­ten mehr als zwei oder drei Far­ben, weil dann ihre Dyna­mik ver­lo­ren gehen könnte.“

Die­se Dyna­mik stei­gert Andre­as Woit­zik in sei­nen Wer­ken noch durch soge­nann­ten Nega­tiv­raum, also unge­zeich­ne­te und unko­lo­rier­te Berei­che. „Mich kickt die­ser Effekt total, denn man muss lee­re Flä­chen schon bewusst und aus­ge­wo­gen ein­set­zen. Das ist oft ein lan­ger Pro­zess des Abwä­gens und Übens, wie viel Far­be man einem Bild zumu­ten kann. Gera­de bei Aqua­rel­len mit ihren star­ken Far­ben ist luf­ti­ger Raum wichtig.“

Die Figu­ren in Andre­as Woit­ziks Zeich­nun­gen ent­spre­chen jedoch nicht dem, was man klas­si­sche Schön­heits­idea­le nen­nen könn­te. Man sieht vie­le unför­mi­ge Gesich­ter, abste­hen­de Ohren, flei­schi­ge Nasen und zu nahe bei­ein­an­der oder zu weit von­ein­an­der weg ste­hen­de Augen. Eine Skiz­zen­buch-Zeich­nung vom Juni, die man auf Insta­gram sehen kann, und die eine Sze­ne mit Fahr­gäs­ten in einem Zug zeigt, beinhal­tet ein wah­res Pan­ora­ma davon. Dahin­ter ver­steckt sich aber nicht etwa ein nega­ti­ves Men­schen­bild Woit­ziks – im Gegen­teil. Aus fast allen sei­nen Zeich­nun­gen spricht Posi­ti­vi­tät. So erkann­te sich Arnd Rühl­mann, Lei­ter des Bam­ber­ger nana Thea­ters, in der Zeich­nung des Man­nes vor dem Rat­haus wie­der und kauf­te das Bild.

Den eige­nen Stil der Mischung aus Skiz­z­enstri­chen und Aqua­rell­fär­bung hat sich Andre­as Woit­zik in unzäh­li­gen Stun­den des pri­va­ten Zeich­nens ange­eig­net. Und auch in sei­nen Auf­trags­ar­bei­ten kann er ihm mehr oder weni­ger nach­ge­hen. „Ich unter­schei­de pri­va­tes und beruf­li­ches Zeich­nen, was den Stil angeht, tat­säch­lich gar nicht so sehr“, sagt er. „Ich bin im Gegen­teil froh, dass es über­haupt geht, dass ich immer einen krea­ti­ven Anspruch haben und davon leben kann. Und selbst wenn es eine strik­te gestal­te­ri­sche Vor­ga­be gibt, ist es schön, krea­tiv zu sein.“ Wobei es, wie Woit­zik ger­ne ein­räumt, als beruf­li­cher Illus­tra­tor auch nicht scha­det, wenn man – je nach Vor­ga­be der Kund­schaft – auch ande­re Sti­le oder Dar­stel­lungs­for­men anwen­den und bedie­nen kann.

Wer die Wer­ke des Zeich­ners ein­mal sehen möch­te, hat ab dem
1. Okto­ber die Gele­gen­heit dazu. An die­sem Tag eröff­net Andre­as Woit­zik in der Spi­tal­gas­se 1 in Kulm­bach eine Ein­zel­aus­stel­lung, die fünf­te bis­her. „Es wird eine sehr per­sön­li­che Aus­stel­lung“, sagt er. Der­zeit sind sei­ne Wer­ke außer­dem in einer Grup­pen­aus­stel­lung zum The­ma Kli­ma­wan­del ver­tre­ten, die noch bis August im Bam­ber­ger Kli­ni­kum zu sehen ist und danach als Wan­der­aus­stel­lung fort­ge­setzt wird.