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ArtEast

Nonoi­se-Auf­füh­rung

„Quar­tett“ von Hei­ner Müller

Der Bam­ber­ger Kom­po­nist Jochen Neu­r­a­th hat als Grund­la­ge für das neu­es­te Pro­jekt sei­nes Ensem­bles nonoi­se ein Thea­ter­stück aus­ge­wählt, des­sen redu­zier­te Mach­art dem Mini­ma­lis­mus der eige­nen Wer­ke in nichts nach­steht. Die kon­zer­tan­te Auf­füh­rung des Stücks „Quar­tett“ des Ber­li­ner DDR-Dra­ma­ti­kers Hei­ner Mül­ler hat am 6. Mai Pre­mie­re in der Bam­ber­ger Johanniskapelle.

„Quar­tett“ von Hei­ner Mül­ler (1929 bis 1995) han­delt von den, bezie­hungs­wei­se behan­delt die The­men Lust, Unmo­ral, Macht und deren Miss­brauch. Jochen Neu­r­a­ths Ver­to­nung des Tex­tes über­trägt des­sen Dia­lo­ge in ein musi­ka­li­sches Kam­mer­spiel für vier Stim­men. Die­se vier Stim­men gehö­ren Dani­elle Cîm­pean und Cor­ne­lia Mor­gen­roth, Mit­glie­der des nonoi­se-Ensem­bles, und Euge­ni­ya Ersho­va und Alex­an­dra Kaga­nows­ka vom Bam­ber­ger ArtE­ast-Thea­ter.

Wir haben Jochen Neu­r­a­th zum Gespräch getroffen.

Quartett
Jochen Neu­r­a­th, Foto: S. Quenzer
Herr Neu­r­a­th, Sie haben die Pro­duk­ti­on von Quar­tett“ als einen Schritt in künst­le­risch für Sie und für Ihr Pro­jekt nonoi­se neu­es Gelän­de angekündigt. Wor­in besteht das Neue? 

Jochen Neu­r­a­th: Mit der Ästhe­tik, die ich mit nonoi­se ent­wi­ckelt habe, gehe ich bei Quar­tett“ zum ers­ten Mal dezi­diert künst­le­risch auf einen für die Bühne gedach­ten Text zu. Dabei mutie­re ich aber nicht zum Regis­seur, son­dern ver­blei­be trotz­dem in mei­ner Eigen­schaft als Kom­po­nist. Ein Kom­po­nist, der ver­sucht, eine klang­li­che Umset­zung die­ses Tex­tes zu erreichen.

Die Insze­nie­rung wird also kei­ne sze­ni­sche Aufführung des Stücks sein, son­dern aus­schließ­lich eine klangliche?

Jochen Neu­r­a­th: Hei­ner Müller hat in die­sem Text so gut wie kei­ne Sze­nen­an­wei­sun­gen genutzt. Auch in sei­nen eige­nen Regie­ar­bei­ten hat er das Sze­ni­sche im Lau­fe der Zeit mehr und mehr ver­nachlässigt. Ich habe vor Jah­ren, eine Aufführung von Tris­tan und Isol­de“ in Bay­reuth gese­hen, die er insze­niert hat. Da gab so gut wie kei­ne Bühnen­ak­ti­on. Das heißt, ihm war die Musik und das erklin­gen­de Wort viel wich­ti­ger als mehr oder weni­ger bedeu­ten­de Aktio­nen auf der Bühne. So geht es auch uns um das dich­te­ri­sche Wort und des­sen Erklingen.

Den musi­ka­li­schen Aus­druck lie­fert also nur die Spra­che oder wird es auch instru­men­tel­le Pas­sa­gen geben?

Jochen Neu­r­a­th: Genau. Im Wesent­li­chen nur die Spra­che. Wir hören nur die Stim­men der vier Dar­stel­le­rin­nen. Wenn ich für mei­ne Kom­po­si­tio­nen Spra­che benut­ze, ist es für mich immer ein dich­te­ri­scher Ansatz­punkt, die Spra­che eigent­lich schon jen­seits der Bedeu­tung ihrer Wor­te als Musik zu emp­fin­den. Ich höre zum Bei­spiel wahn­sin­nig ger­ne Leu­ten zu, die in mir unbe­kann­ten Spra­chen reden, und genie­ße dabei ein­fach ger­ne die Melo­die und dem Rhyth­mus ihrer Sätze zu.

Sie spra­chen im Vor­feld auch von ungewöhnli­chen Kon­stel­la­ti­on, die Quar­tettr Sie dar­stellt. Warum?

Jochen Neu­r­a­th: Es sind meh­re­re ungewöhnli­che Kon­stel­la­tio­nen. Ein­mal die von Hei­ner Müller und mir. Mit sei­nem Namen ist ein­fach ein sehr hoher künst­le­ri­scher Anspruch ver­bun­den. Dem ver­su­che ich, zumin­dest halb­wegs, gerecht zu wer­den. Die ande­re ungewöhnli­che Kon­stel­la­ti­on besteht dar­in, dass wir von nonoi­se mit dem ArtE­ast-Thea­ter zusammenarbeiten.

Wie kam es zu die­ser Kooperation?

Jochen Neu­r­a­th: Ich bin begeis­ter­ter Fan von ArtE­ast, seit ich vor zwei Jah­ren die Aufführung „Dos­to­jew­ski Trip“ gese­hen habe. Ich war voll­kom­men hin und weg, mit wel­cher Ener­gie und künst­le­ri­schem Mut die Grup­pe arbei­tet. Und auch persönlich hat­te ich sofort einen Draht zu den Leu­ten. Außer­dem hat­te ich für mei­nen Mayröcker-Abend, als wir von nonoi­se Tex­te von Frie­de­ri­ke Mayröcker ver­tont haben, schon mit dem ArtE­ast-Mit­glied Alex­an­dra Kaga­nows­ka zusam­men­ar­bei­tet. Für „Quar­tett“ ist zusätzlich noch Euge­ni­ya Ersho­va dabei. Wir haben jetzt also zwei Leu­te von ArtE­ast und mit Dani­elle Cîmpean und Cor­ne­lia Mor­gen­roth zwei Ensem­ble­mit­glie­der von nonoi­se. Außer­dem dach­te ich mir, dass wir durch die Zusam­men­ar­beit nicht nur das nonoi­se-Publi­kum, son­dern viel­leicht auch das Publi­kum von ArtE­ast anspre­chen können.

War­um haben Sie für das neue nonoi­se-Pro­jekt Quar­tett“ aus­gewählt?

Jochen Neu­r­a­th: Das hat auch meh­re­re Gründe. Erst­mal spricht mich sei­ne unglaub­lich kon­zi­se Dich­tung und Spra­che an. Dann gibt es einen indi­rek­ten persönli­chen Bezug. Ich habe lan­ge Jah­re in Ber­lin gewohnt und vie­le Stücke an Hei­ner Müllers alter Wir­kungsstätte, der Volksbühne, gese­hen. Zeit­wei­se hat­te ich dort auch selbst zu tun in einem Stück war ich Bühnen­mu­si­ker. Dadurch habe ich vie­le Leu­te ken­nen­ge­lernt, die noch mit Hei­ner Müller zusam­men­ge­ar­bei­tet haben und ich konn­te sozu­sa­gen sei­nen Geist über­all spüren. Ich habe mich auch inten­siv mit ihm aus­ein­an­der­ge­setzt. Quar­tett“ ist wie­der­um eines von Müllers zugängli­che­ren Stücken. Es ist in sei­ner Dra­ma­tik klar greif­bar. Das war mir wich­tig, weil wir eben die Dra­ma­tik nicht durch Bühnen­ak­tio­nen unterstützen, son­dern das ganz über die Spra­che machen. Dann hat Müller für das Stück die über­ra­schen­de Kon­stel­la­ti­on gewählt, trotz dem Titel nur zwei Per­so­nen auf­tre­ten zu las­sen. Die­se bei­den spie­len aber tatsächlich ins­ge­samt vier ver­schie­de­ne Rol­len teil­wei­se auch sich gegen­sei­tig. In die­sem Loslösen des Spie­lers von der spie­len­den Per­son, was ja aus der Brecht-Tra­di­ti­on kommt, gehen wir aber noch einen Schritt wei­ter. Wir ver­tei­len den gan­zen Text auf vier Spre­che­rin­nen, die dann in ihren ver­schie­de­nen Kon­stel­la­tio­nen die ver­schie­de­nen Figu­ren­kon­stel­la­tio­nen nachstellen.

Wäre das im Sin­ne von Hei­ner Müller, der ja nur zwei Bühnen­per­so­nen vor­ge­se­hen hatte?

Jochen Neu­r­a­th: Ja, ich den­ke schon. Er hat sel­ber ein­mal Quar­tett“ insze­niert und dar­in noch zwei wei­te­re Mit­spie­ler, auch wenn sie kei­nen Text hat­ten, auf die Bühne gestellt. Auch sonst war er, wenn er insze­nier­te und es ihm nst­le­risch not­wen­dig schien, sehr frei mit der jewei­li­gen Vor­la­ge. Was wir machen, ist schon ein Ein­griff in das künst­le­ri­sche Kopn­zept von Hei­ner Müller, kei­ne Fra­ge. Aber er ist mit dem Roman, Gefährli­che Lieb­schaf­ten“ von Cho­der­los de Laclos, der die Vor­la­ge für „Quar­tett“ abgab, auch sehr frei ver­fah­ren. Das ist unter ande­rem dar­an erkenn­bar, dass er den Roman über­lie­fer­ter­wei­se nicht mal ganz gele­sen hat. Somit haben wir sein Stück sehr viel gründli­cher gele­sen als er den Roman las. Davon aus­ge­hend haben wir uns die künst­le­ri­schen Frei­heit erlaubt, das Per­so­nal zu erweitern.

Gilt Ähnli­ches bei der Fra­ge, wie­so Sie aus­schließ­lich Frau­en besetzt haben? In der Vor­la­ge kommt mit der Figur Val­mot ein Mann vor.

Jochen Neu­r­a­th: Ja. Ähnlich, wie Hei­ner Müller die Gren­zen der ver­schie­de­nen Persönlich­kei­ten oder Per­so­nen auf der Bühne auflöst und sie ver­schie­de­ne Figu­ren spie­len lässt so dass wir schon einen rela­tiv klei­nen Schritt von der Zwei­zahl zur Vier­zahl hat­ten so löst er auch die Gren­zen der Geschlech­ter auf. Während die Figu­ren im Stück ande­re Figu­ren spie­len, spie­len sie dabei auch durch­aus Figu­ren des ande­ren Geschlechts. Bei sozu­sa­gen klas­si­sche­ren Insze­nie­run­gen des Stücks bie­tet das immer einen gro­ßen Raum für Tra­ves­tie oder Kli­schees. Die­se Din­ge fin­de ich zwar grund­le­gend wit­zig, aber sie sind nicht, was uns hier inter­es­siert. Ich woll­te das Geschlech­ter­verhältnis nicht in den Vor­der­grund stel­len, son­dern die grundsätzli­che Grau­sam­keit des Men­schen dem Men­schen gegenüber. Dar­um habe ich vier Men­schen glei­chen Geschlechts besetzt, um noch eine grö­ße­re Ver­all­ge­mei­ne­rung rein­brin­gen zu können. Dies auch, um, vom musi­ka­li­schen Stand­punkt her, eine gemein­sa­me Stimm­la­ge haben zu können.

Es geht unter ande­rem um toxi­sche Bezie­hun­gen: Woll­ten Sie gezielt die­ses Stück insze­nie­ren oder haben Sie ein Stück gesucht, mit dem Sie die­se The­ma­tik illus­trie­ren können?

Jochen Neu­r­a­th: Es war tatsächlich erst das Stück sel­ber. Toxi­sche Bezie­hung ist aber viel­leicht etwas zu kurz gegrif­fen. Es geht all­ge­mein um die Gewalt, die Men­schen ein­an­der antun in die­sem Fall mas­kiert als Verführung und schein­ba­re Zunei­gung. Das sehr pes­si­mis­ti­sche Men­schen­bild des Stücks, das auch sehr gewalt­grun­diert ist, scheint mir auch gut in die heu­ti­ge Zeit zu pas­sen auch, wenn ich es schon aus­gewählt hat­te, bevor der Ukrai­ne­krieg los­ging. Aber, dass Men­schen häufig gera­de nicht edel, gut und hilf­reich“, wie es bei Goe­the heißt, zuein­an­der sind, ist glau­be ich eine Erkennt­nis, die man lei­der schon vor­her gewin­nen konnte. 

Ein Stück ohne Sze­nen, ver­tont durch nonoi­se, ein musi­ka­li­sches Ensem­ble, bekannt für sei­nen klang­li­chen Mini­ma­lis­mus. Wie genau wird das Publi­kum hinhören müssen?

Jochen Neu­r­a­th: Die Mit­tel sind tatsächlich und bewusst sehr redu­ziert. Aber das kennt das nonoi­se-Publi­kum schon aus früheren Aufführun­gen, wo wir auch mit sehr gerin­gen Mit­teln gear­bei­tet haben. Die­se Mit­tel ver­su­che ich, immer so kon­zi­se und genau ein­zu­set­zen, dass sich dar­aus eine Span­nung ergibt, die sich auch ohne viel Spek­ta­kel überträgt. Es wird nicht mini­ma­lis­tisch im Sin­ne von spröde, son­dern im Sin­ne von sehr genau und sehr auf Detail hin gear­bei­tet. Es wird in die­ser Genau­ig­keit, wenn ich das so sagen darf, ein­fach geil.

Wer­den Sie selbst auf der Bühne in Erschei­nung treten?

Jochen Neu­r­a­th: Ich wer­de in der Aufführun­gen höchs­tens die Musik­ein­spie­lun­gen machen, aber ansons­ten still in der Ecke sitzen.

Euge­ni­ya Ersho­va ist neben ihrer Mit­glied­schaft bei ArtE­ast auch Sänge­rin der Bam­ber­ger Punk-Band Sex­ge­wit­ter. Dort trägt sie, nach eige­nen Anga­ben, Gschrei“ bei. Ein Indiz für laut­star­ke Pas­sa­gen in der Inszenierung?

Jochen Neu­r­a­th: Bevor ich sie ken­nen­ge­lernt habe, hieß es immer: Das ist die, die in Bam­berg am lau­tes­ten schrei­en kann. Das ist für „Quar­tett“ unbe­dingt zuträglich! Wir hei­ßen zwar nonoi­se, aber es kann Momen­te geben, in denen es laut wird. Wir haben mit Dani­elle Cîmpean ja auch eine aus­ge­bil­de­te Opernsänge­rin. Es wird in der Insze­nie­rung also Momen­te geben, in denen jede Dar­stel­le­rin ihr jewei­li­ges Vermögen in exten­so ein­brin­gen wird. Für den Groß­teil der Insze­nie­rung ver­su­chen wir aber, alle vier auf ein Level zu brin­gen. Ich hof­fe, dass das Können der einen Dar­stel­le­rin Din­ge bei den ande­ren frei­setzt und wir so ein ziem­lich hohes Level errei­chen.

Auf­tritts­ort ist wie schon bei Echo­es of unborn thoughts, dem ers­ten Stück von nonoi­se, die Bam­ber­ger Johan­nis­ka­pel­le. Damals hat­te der Raum der Kapel­le eine Rol­le in der Insze­nie­rung, indem immer wie­der an Wänden oder Gegenstände bei­spiels­wei­se geklopft oder gekratzt wur­de. Wer­den Sie die Kapel­le auch für „Quar­tett“ mit­ein­be­zie­hen?

Jochen Neu­r­a­th: Die Insze­nie­rung wird, wie es bei nonoi­se immer der Fall ist, auch eine Art Raum­in­stal­la­ti­on sein. Mit der Johan­nis­ka­pel­le, als ehe­mals geist­li­chem Ort, gibt es zudem inso­fern einen beson­de­ren Bezug zum Stück, als dass zwei der Verführungs­op­fer, die vor­kom­men, eine star­ke Bin­dung an die Kir­che haben, ein­mal in Form von tat­säch­li­cher Gläu­big­keit, ein­mal durch das Auf­wach­sen in einem Klos­ter. Das hat bei die­ser Figur aller­dings kei­ne tie­fe­ren Spu­ren von Fröm­mig­keit hinterlassen.

ArtE­ast Thea­ter Bam­berg e. V. 

“Kraut­sup­pe, tief­ge­fro­ren” von Vla­di­mir Sorokin

Das ArtE­ast Thea­ter Bam­berg begeis­tert Kul­tur­in­ter­es­sier­te immer wie­der mit sei­nen Auf­füh­run­gen, zuletzt wur­de Vla­di­mir Sor­okins “Kraut­sup­pe, tief­ge­fro­ren” gespielt. Ein wahr­lich gro­tes­kes Dra­ma erzählt mit aller Här­te über die Absur­di­tät von Ideologien.

Wir befin­den uns im Jahr 2040. Die Grü­nen haben unwi­der­ruf­lich die Herr­schaft im Ver­ei­nig­ten Eura­si­en an sich geris­sen. Infol­ge­des­sen steht sowohl auf Tier­tö­tung als auch auf die blo­ße Vieh­zucht Gefäng­nis, wodurch zahl­rei­che Meis­ter alter (fleisch­hal­ti­ger) rus­si­scher Koch­kunst sich gezwun­ge­ner­ma­ßen in mafia­ähn­li­chen Struk­tu­ren auf­grund der vor­han­de­nen Gene­ral­über­wa­chung im Öko­staat im Unter­grund orga­ni­sie­ren müs­sen und sich in einem ste­ti­gen Kampf um ver­bo­te­ne Rezep­te und rare Zuta­ten befin­den. Alles in allem ein äußerst gro­tes­kes Dra­ma, das uns womög­lich mehr über die Absur­di­tät von Ideo­lo­gien nahe­le­gen möch­te und dar­über hin­aus auf aktu­el­le Pro­ble­ma­ti­ken poli­ti­scher und gesell­schaft­li­cher Natur hinweist.

Euge­ni­ya Ersho­va, Ben­ja­min Geh­rig, Micha­el Jan­de­j­sek, Chris­ti­ne Ren­ker, Michel­le Wie­der­kehr und Alex­an­dra Kaga­nows­ka als Schau­spie­le­rIn­nen woll­ten unter der Regie von Kris­ti­na Kroll (Per­for­mance: „Lach­pil­len­on­kel“) ihren „Umgang mit der Welt“ in den Vor­der­grund stel­len, wie die Regis­seu­rin sagt. Sie erklärt, wes­halb sie sich genau für die­ses Stück ent­schied: „Die The­ma­tik des Kli­ma­schut­zes ist bekannt­lich nicht erst seit ges­tern von enor­mer Bedeu­tung, rück­te bedingt durch die Wah­len jedoch wie­der zuneh­mend in den Fokus. “Kraut­sup­pe, tief­ge­fro­ren“ kari­kiert eine öko­lo­gi­sche Anti-Uto­pie. Hier­bei steht unser Umgang mit der Welt im Vor­der­grund, jedoch wird auch auf kapi­ta­lis­ti­sches Den­ken sowie eine gesell­schaft­li­che Abkehr von Tra­di­tio­nen und Kul­tur Bezug genom­men. Das Stück bie­tet eine wun­der­ba­re Grund­la­ge, um Schief­la­gen in der Gesell­schaft auf­zu­zei­gen ohne dabei zu dik­tie­ren, was rich­tig und falsch ist.“

Borschtsch à la Mos­kau, Koch mit Amts­ge­walt, wird wegen Zube­rei­tung von öko­lo­gisch schäd­li­chen Spei­sen zum wie­der­hol­ten Male in ein Son­der­straf­la­ger geschickt. Ihm gelingt letzt­lich die Flucht, sodass er sich auf den Weg macht, um einen ris­kan­ten Auf­trag zu erfül­len. Der Koch macht sich mit sei­ner Bei­schlä­fe­rin Laris­sa auf die Suche nach der „Pas­tu­chov­schen Kol­lek­ti­on“ – eine gefro­re­ne Kraut­sup­pe uner­mess­li­chen Wer­tes, die ein Meis­ter­koch im Ver­bor­ge­nen in 30 Rezept­va­ria­tio­nen für die Nach­welt der Fleisch­lieb­ha­ber kre­iert hat. Dabei herrscht eine stän­di­ge Grad­wan­de­rung zwi­schen Sex, psy­chi­scher Gewalt und einer brei­ten Aus­wahl von Obs­zö­ni­tä­ten, die gekonnt auf poli­ti­sche Unstim­mig­kei­ten im aktu­el­len Welt­ge­sche­hen auf­merk­sam machen.

“Kraut­sup­pe, tief­ge­fro­ren“ signa­li­siert, dass jede Geis­tes­hal­tung, Gesin­nung oder sogar eine – posi­tiv gemein­te – strik­te Welt­an­schau­ung neben den klar ersicht­li­chen Vor­tei­len auch diver­se Nach­tei­le mit sich brin­gen kann – umge­kehrt selbst­ver­ständ­lich genau­so. Dabei wird nichts­des­to­trotz immer wie­der unter­schwel­lig dar­auf hin­ge­deu­tet, dass man bestimm­ten Mei­nungs­fak­to­ren in der Gesell­schaft – ob man die­se unter­stützt, ist dabei zweit­ran­gig – zumin­dest ein Gehör ver­schafft und sich selbst und sein Han­deln in der kapi­ta­lis­ti­schen Welt – ohne Rück­sicht auf die Natur – hin­ter­fra­gen soll­te. Denn: Woher nimmt der Mensch sich eigent­lich das Recht, so zu sein, wie er sich in den heu­ti­gen „Amou­ren der Welt“ verhält?