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Bayerischer Kulturpreis

Baye­ri­scher Kulturpreis

nana thea­ter: „Im Kul­tus­mi­nis­te­ri­um kennt sich nie­mand mit tat­säch­lich statt­fin­den­der Kul­tur aus”

Am 12. Novem­ber wur­de Thea­ter­lei­ter, Schau­spie­ler und Klein­künst­ler Arnd Rühl­mann mit dem Kul­tur­preis Bay­ern aus­ge­zeich­net. Rühl­mann lei­tet seit 2011 das nana thea­ter im Club Kaul­berg und ist durch selbst­er­schaf­fe­ne Büh­nen-Figu­ren wie Hanu­ta Gon­za­les oder Bru­der Igna­zi­us genau­so bekannt wie durch sein sozia­les Enga­ge­ment. Zuletzt mach­te er mit sei­nem „Pan­de­mie Poe­sie Pro­jekt“ auf sich auf­merk­sam, einem der deutsch­land­weit ers­ten Online-Pro­jek­te wäh­rend der Coro­na-Kri­se. Wir haben mit Arnd Rühl­mann über die Preis­ver­lei­hung, die der­zei­ti­ge Sinn­haf­tig­keit von staat­li­chen Kul­tur­prei­sen und die Gemein­sam­kei­ten von Lock­down und Depres­sio­nen gesprochen.
Herr Rühl­mann, was bedeu­tet Ihnen und dem nana thea­ter die Aus­zeich­nung mit dem Baye­ri­schen Kulturpreis?

Arnd Rühl­mann: Im Moment kann ich das noch gar nicht rich­tig ein­schät­zen. Ich glau­be, die Bedeu­tung die­ses Prei­ses wäre mir in einem Jahr ohne Coro­na kla­rer gewe­sen. Auf jeden Fall habe ich mich irr­sin­nig gefreut. Ich habe im Leben nicht damit gerech­net, jemals so eine Aus­zeich­nung zu bekom­men. Um Him­mels Wil­len! Ich habe auch zuerst gedacht, die haben sich vertan.

War­um die­se Ungläubigkeit?

Arnd Rühl­mann: Für einen lokal akti­ven Klein­künst­ler, der kei­ne gro­ßen Sta­di­en füllt, son­dern im Ide­al­fall sein eige­nes klei­nes Thea­ter mit 60 Sitz­plät­zen, kam es mir eher unwahr­schein­lich vor, so eine Aus­zeich­nung bekom­men zu kön­nen. Ich wuss­te ja auch gar nicht, dass ich dafür vor­ge­schla­gen war – das läuft alles geheim ab. Aber dann kam auf ein­mal die­ser Brief, und ich habe meh­re­re Tage damit ver­bracht, mir zu über­le­gen, was ich mache, wenn die raus­fin­den, dass ich die­sen Preis gar nicht ver­dient habe. Erst dann habe ich ganz lang­sam ange­fan­gen, mich an den Gedan­ken zu gewöhnen.

Gab es den Preis für das nana thea­ter oder für Ihre per­sön­li­che künst­le­ri­sche Leistung?

Arnd Rühl­mann: Ich glau­be, im Thea­ter gibt es gar kei­ne Ein­zel­leis­tun­gen. Das ist eine Illu­si­on, die vie­le Bühnenkünstler*innen ger­ne auf­recht­erhal­ten, aber eine gelun­ge­ne Vor­stel­lung – selbst bei einem Solo-Pro­gramm – ist immer das Ver­dienst von vie­len, die einen Bei­trag leis­ten, sowohl hin­ter als auch neben der Büh­ne und sogar im Pri­va­ten. Auch ein Klein­künst­ler ist kei­ne Insel. Ich glau­be, ich habe den Preis des­we­gen bekom­men, weil ich mit tol­len Leu­ten zusam­men­ar­bei­te. In der Begrün­dung der Jury wur­de unter ande­rem mein „Pan­de­mie Poe­sie Pro­jekt“ wäh­rend des ers­ten Shut­downs genannt, weil ich damit Kolleg*innen die Mög­lich­keit gege­ben hät­te, sich künst­le­risch zu prä­sen­tie­ren und eine Stim­me zu haben.

Es gab den Preis also auch ein biss­chen dafür, dass ich ein guter Kol­le­ge bin. Das freut mich ganz beson­ders, das ist mein Lieb­lings­aspekt an der Geschich­te. Dar­um woll­te ich auch im Novem­ber eine klei­ne Gala im Spie­gel­saal ver­an­stal­ten mit Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen, die ich schon seit Jah­ren an mei­ner Sei­te habe und denen ich, glau­be ich, die­se Aus­zeich­nung mit ver­dan­ke. Als dann auch das nicht statt­fin­den konn­te, war ich ziem­lich geknickt. Es ist nach wie vor für mich die Fra­ge, was so ein Preis wert ist, wenn ich ihn nicht mit den Leu­ten fei­ern kann, die ihn ermög­licht haben. Von daher wird die Zeit aus­wei­sen, was die­se Tro­phäe auf Dau­er bedeu­tet. Im Moment ist sie ganz hübsch, ich freue mich über die Aner­ken­nung. Und, das sag ich ganz ehr­lich, das Preis­geld ret­tet mir in der aktu­el­len Situa­ti­on den Arsch.

Könn­te man es zynisch nen­nen, von staat­li­cher Sei­te Prei­se an Kul­tur zu ver­lei­hen in Zei­ten, in denen Kul­tur von staat­li­cher Sei­te eher mit Miss­ach­tung behan­delt wird?

Arnd Rühl­mann: Sagen wir mal so: Die baye­ri­sche Staats­re­gie­rung und auch die Bun­des­re­gie­rung haben sich zuletzt um die Kul­tur nun wirk­lich nicht son­der­lich ver­dient gemacht. Was die­se Kri­se lei­der deut­lich gezeigt hat, ist, dass sich in den Minis­te­ri­en nie­mand mit der tat­säch­lich statt­fin­den­den Kul­tur­land­schaft aus­kennt. Von daher bin ich froh, dass nie­mand bei die­ser Preis­ver­lei­hung von mir ein Lob­lied auf die Regie­rung ver­langt hat. Und ich glau­be auch, es gibt einen guten Grund, war­um sich der Herr Bernd Sibler, unser baye­ri­scher Staats­mi­nis­ter für Wis­sen­schaft und Kunst, nicht per­sön­lich hat bli­cken lassen.

Was hät­ten Sie ihm gesagt?

Arnd Rühl­mann: Ich weiß nicht, ob ich über­haupt was gesagt hät­te. Ich war froh, dass er nicht da war. Ich woll­te ja auch einen schö­nen Tag haben.

Schau­spie­le­rin Ursu­la Gumb­sch hat Sie zur Preis­ver­lei­hung beglei­tet. Wie war es?

Arnd Rühl­mann: Mit Ursel ste­he ich schon lan­ge auf der Büh­ne. Sie ist eine heiß­ge­lieb­te, wun­der­vol­le Kol­le­gin, mit der ich immer ganz viel Spaß habe, und des­we­gen war klar, wenn die Ursel mich nach Mün­chen beglei­tet, wer­den wir uns auch da amü­sie­ren. Und das haben wir, trotz aller wid­ri­gen Coro­na-Umstän­de. Die­ses Jahr konn­te die Preis­ver­lei­hung ja nicht wie üblich als Gala mit Publi­kum oder Emp­fang hin­ter­her statt­fin­den. Es gab lei­der auch nur wenig Mög­lich­keit, sich mit den ande­ren Preisträger*innen aus­zu­tau­schen. Aber auf dem Hotel­zim­mer haben wir unse­re per­sön­li­che After­show-Par­ty gefei­ert und für Face­book auf Video fest­ge­hal­ten. Der Kater am nächs­ten Mor­gen war aller­dings auch entsprechend.

In wel­chem Zustand befin­det sich das nana thea­ter nach bald einem Jahr Pandemie?

Arnd Rühl­mann: Anfang Dezem­ber kommt mein Hanu­ta-Gon­za­les-Album „Die uner­träg­li­che Knusp­rig­keit des Seins“ end­lich raus – ein Traum, den ich mir schon lan­ge erfül­len woll­te. Ansons­ten gibt es zur Zeit kei­nen Zustand. Wir ver­su­chen durch­zu­hal­ten, bis wir irgend­wann wie­der auf­ma­chen kön­nen. Zum Glück erfah­re ich viel Unter­stüt­zung von unse­ren Zuschauer*innen, unse­rem Ver­mie­ter und von allen, die irgend­wie mit dem Laden zu tun haben, die alle hel­fen, dass ich hier durch­hal­ten kann, bis wir irgend­wann wie­der spie­len dür­fen. Ich ken­ne aber auch ande­re Kul­tur­schaf­fen­de, die sich frus­triert erst­mal ins Pri­va­te zurück­zie­hen und der­zeit die Ener­gie nicht mehr haben, wei­ter­zu­ma­chen. Das kann ich verstehen.

Ich habe mich in den letz­ten Woche im Grun­de auch in mei­ner Woh­nung ein­gei­gelt, auf­ge­räumt und ent­rüm­pelt und den Punkt erreicht, an dem ich sag­te „Kunst, leck mich am Arsch, ich kann nicht mehr”. Ich woll­te kei­ne Kunst machen. Ich konn­te nicht, ich woll­te nicht und habe die Pau­se auch gebraucht, um mich sel­ber wie­der auf die Ket­te zu krie­gen. Für Dezem­ber möch­te ich das Pan­de­mie-Poe­sie-Pro­jekt fort­set­zen, aber im Moment kei­ne Pro­jek­te pla­nen, nur damit sie wie­der nicht stattfinden.

Gibt es zumin­dest grund­le­gen­de Pla­nun­gen für die kom­men­den Wochen oder Monate?

Arnd Rühl­mann: Nächs­tes Jahr mache ich ein Stück mit Ursu­la Gumb­sch. Wir sind gera­de dabei, uns die Rech­te zu sichern. Aber die Pla­nun­gen dazu fin­den nur sehr vor­sich­tig statt, weil wir immer die Fra­ge im Hin­ter­kopf haben, ob oder wann es auf die Büh­ne kommt. Das ist natür­lich kei­ne gute Motivation.

Könn­te es im nana thea­ter ein Stück über die Coro­na-The­ma­tik geben?

Arnd Rühl­mann: Nein, habe ich nicht vor. Und ich ken­ne auch kei­ne Büh­nen­schaf­fen­den, die das machen möch­ten. Das Publi­kum will davon doch auch nichts mehr sehen oder hören. Kein Mensch hat doch noch Bock auf die­se Coro­na-The­ma­tik, die den gan­zen Tag auf allen Kanä­len durch­ge­kaut wird.

Wie haben Sie die Nach­richt, dass es einen zwei­ten Lock­down geben wird, in dem Kul­tur­ein­rich­tun­gen wie­der schlie­ßen müs­sen, entgegengenommen?

Arnd Rühl­mann: Tat­säch­lich hat mich der zwei­te Lock­down sehr viel schwe­rer getrof­fen als der ers­te. War­um wüss­te ich aller­dings selbst ger­ne. Ich kann an die­ser Stel­le ver­ra­ten, dass ich seit vie­len Jah­ren Depres­si­ons­pa­ti­ent bin, das heißt, ich lebe mit kli­ni­schen Depres­sio­nen, die immer mal wie­der schub­wei­se auf­tau­chen. Durch jah­re­lan­ge The­ra­pien habe ich gelernt, ganz gut damit umzu­ge­hen. Ich habe mich damit arran­giert. Beim ers­ten Lock­down hat­te ich sogar den Ein­druck, dass ich damit viel bes­ser zurecht­ge­kom­men bin als vie­le von mei­nen „psy­chisch gesun­den“ Freun­din­nen und Freun­den, weil das die Situa­ti­on war, die ich in The­ra­pie trai­niert hat­te. Zuhau­se auf dem Sofa rum­lie­gen und zum Still­stand ver­don­nert sein, ist ein sehr depres­si­ver Zustand – damit kann­te ich mich aus, damit fand ich mich zurecht. Von ande­ren Freund*innen, die auch psy­chi­sche Pro­ble­me haben, habe ich gehört, dass ihnen das ganz ähn­lich ging. Wenn man sowie­so jeden Tag mit Angst­zu­stän­den zu tun hat, macht Coro­na kei­nen gro­ßen Unter­schied. Von daher kam ich mit dem ers­ten Shut­down ganz gut zurecht.

Als sich aber der zwei­te abge­zeich­ne­te und dann auch beschlos­sen wur­de, hat mich das sofort in ein tie­fes Depres­si­ons­loch gestürzt – das schlimms­te die­ses Jah­res. Ich war über­haupt nicht dar­auf vor­be­rei­tet, dass mich das so hart tref­fen wür­de, aber auch da ging es ande­ren Depressionspatient*innen ähn­lich. Ich glau­be, was das noch unter­stützt hat, ist der Ein­druck, dass sich von poli­ti­scher Sei­te nie­mand wirk­lich auf die zwei­te Wel­le vor­be­rei­tet hat­te. Es war zwar mona­te­lang klar, dass die kom­men wür­de, aber anschei­nend hat­te doch nie­mand ernst­haft Maß­nah­men aus­ge­ar­bei­tet. Es wirk­te jeden­falls, als wür­de genau­so fröh­lich vor sich hin impro­vi­siert wie im Frühjahr.

Die Bud­get-Pla­nun­gen der Stadt Bam­berg sehen der­zeit star­ke Kür­zun­gen für den Kul­tur­be­reich vor. Rech­nen Sie noch mit einer Bud­get-Ent­schei­dung, die die Kul­tur finan­zi­ell bes­ser unter­stüt­zen wird?

Arnd Rühl­mann: Nein, ich rech­ne da mit kei­ner Ein­sicht. Das Zei­chen gegen die Kul­tur ist gesetzt. Und es ist ein fata­les Zei­chen. Ich neh­me das allen Par­tei­en übel. Ganz beson­ders der Par­tei, die ich gewählt habe, auch wenn ich nicht sagen wer­de, wel­che das ist. Ich glau­be nicht, dass da noch irgend­ei­ne Ver­scho­nung der Kul­tur folgt. Ich glau­be im Gegen­teil, dass die­ser Umgang mit der Kul­tur und dem Kul­tur­bud­get von ande­ren Kom­mu­nen als Bei­spiel nach­ge­ahmt wird und Bam­berg eine trau­ri­ge Vor­rei­ter­rol­le über­nom­men hat. Ich fin­de das kata­stro­phal, ich fin­de es erbäm­lich und für eine Welt­erbe­stadt beschä­mend! Ich weiß, nor­ma­ler­wei­se ist man hier immer stolz, ein Bam­ber­ger zu sein, aber in die­sem Zusam­men­hang darf man sich ruhig auch mal schä­men, Bam­ber­ger zu sein.

Kul­tur­preis Bayern

Der Kul­tur­preis Bay­ern wird jähr­lich vom Baye­ri­schen Staats­mi­nis­te­ri­um für Wis­sen­schaft und Kunst und der Bay­ern­werk AG ver­ge­ben. Eine unab­hän­gi­ge Jury zeich­net künst­le­ri­sches Wir­ken in den baye­ri­schen Regie­rungs­be­zir­ken (Arnd Rühl­mann und das nana thea­ter wur­den als Ver­tre­ter Ober­fran­kens aus­ge­wählt) und Leis­tun­gen an den baye­ri­schen Hoch­schu­len aus. Die Kunst­prei­se sind jeweils mit 5.000 Euro dotiert.

nana thea­ter im Club Kaulberg

www.clubkaulberg.jimdofree.com