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Berganzapreis

Fri­sche Luft unter der Glasglocke

Began­za­preis­trä­ger Chris­toph Gatz

Der Bergan­za­preis des Bam­ber­ger Kunst­ver­eins geht in die­sem Jahr an den Archi­tek­ten Chris­toph Gatz. Damit hat die Ver­ei­ni­gung in ers­ter Linie einen Unter­stüt­zer der ört­li­chen Kunst und Kul­tur und nicht einen ihrer Akteu­re, anders aus­ge­drückt einen Künst­ler, aus­ge­zeich­net. Zur Begrün­dung nennt der Kunst­ver­ein unter ande­rem Gatz’ Ein­satz für zeit­ge­nös­si­sche Kunst. Außer­dem haben Gatz’ Bau­ten den hie­si­gen Blick auf Archi­tek­tur erwei­tert. Denn: Es muss nicht immer alles alt sein.

Sei­ne Ent­wurfs­an­sät­ze bezeich­net der Archi­tekt Chris­toph Gatz als modern – nicht modisch –, unauf­ge­regt und ein­fach. Er ver­fol­ge eher einen kon­zep­tio­nel­len Zugang zur Gestal­tung, der im gedach­ten Dia­log mit umste­hen­den, bereits bestehen­den Gebäu­den und Bau­sti­len lie­ge, als die Bau­wei­se einer exal­tier­ten, „fast schon skulp­tu­ral anmu­ten­den Archi­tek­tur, wie sie immer häu­fi­ger zu fin­den ist.“

Christoph Gatz
Chris­toph Gatz, Foto: S. Quenzer

„Wel­chen Dia­log mit bereits bestehen­der Bau­sub­stanz kann man ein­ge­hen?“, sagt Chris­toph Gatz. „Was kann man an die­ser Stel­le für die Men­schen, für die wir bau­en, mit den zur Ver­fü­gung ste­hen­den Mit­teln machen? Wir wol­len ein­fach und gut bau­en. Das haben, glau­be ich, Archi­tek­ten häu­fig nicht mehr auf ihrem Fir­men­schild ste­hen. Vie­le wol­len etwas Ein­ma­li­ges, etwas ganz Beson­de­res ent­ste­hen las­sen. Das ist nicht unse­re aller­ers­te Handlungsmaxime.“

Der von Chris­toph Gatz und sei­nem Team ent­wor­fe­ne Glas­bau des Appar­te­ment­hau­ses der Vil­la Con­cor­dia ist ein gutes Bei­spiel dafür. Anstatt den prunk­vol­len, geschmück­ten Barock­stil des Was­ser­schlos­ses fort­zu­füh­ren, oder zu kopie­ren, ent­schied man sich, durch eine redu­zier­te Gestal­tung Span­nung mit der Vil­la zu erzeugen.

Der Rhyth­mus der Fens­ter­rei­hen des his­to­ri­schen Gebäu­des wur­de zwar bei­be­hal­ten, aber ohne die ent­spre­chen­den Bestand­tei­le der Glas­fas­sa­de etwa durch Rah­men oder Abtren­nun­gen beson­ders her­vor­zu­he­ben. Die Kon­struk­ti­on des Glas­baus ver­schwin­det hin­ter dem Glas. Die­ses Neben­ein­an­der­stel­len von His­to­ri­schem und Moder­nem, die­ses gleich­zei­ti­ge Zitie­ren und Redu­zie­ren der Gestal­tung der Vil­la erzeugt archi­tek­to­ni­sche Span­nung. Beson­ders wich­tig war dem Archi­tek­ten, die gro­ßen Bäu­me zu erhal­ten, wes­halb das Gebäu­de auf ein­zel­ne Pfäh­le gestellt wur­de, um die Wur­zeln nicht zu verletzen.

Eine der­ar­ti­ge Bau­wei­se war im Jahr 1999, als die ers­ten Sti­pen­dia­tin­nen und Sti­pen­dia­ten ein­zo­gen, noch rela­tiv neu in Bam­berg und trug trotz oder viel­leicht gera­de wegen ihrer Unspek­ta­ku­lär­heit zu einem Umden­ken beim The­ma „Alt-Neu“ bei. Teil­wei­se lös­te sie sogar hef­ti­ge Reak­tio­nen in der Bevöl­ke­rung aus.

Unter der Glasglocke

Die kul­tu­rel­le Situa­ti­on, die Chris­toph Gatz 1985 nach sei­ner Rück­kehr in sei­ne Hei­mat­stadt nach Stu­di­en­jah­ren in Karls­ru­he, Mün­chen und Nord­afri­ka und ers­ten Berufs­jah­ren in Mün­chen vor­fand, war näm­lich eher eine kon­ser­va­ti­ve. Bam­berg hat­te sich, so Gatz, bau­kul­tu­rell unter eine Glas­glo­cke bege­ben. Man ruh­te sich auf dem Titel der Welt­kul­tur­er­be­stadt aus. Die Bewah­rung der Bau­tra­di­ti­on, die Pfle­ge der Denk­mä­ler und ganz all­ge­mein das Geschichts­be­wusst­sein stand ganz oben. Und das Pro­gramm der Sym­pho­ni­ker beweg­te sich vor­wie­gend im Bereich der Klassik.

Und so freu­te es Chris­toph Gatz, den Lieb­ha­ber zeit­ge­nös­si­scher Kunst, als mit dem von Dr. Bernd Gold­mann initi­ier­ten Skulp­tu­ren­pfad die Moder­ne an vie­len Orten im Stadt­bild sicht­bar zu wer­den begann. „Das war ein ganz wich­ti­ger Impuls.“

Die­ser Über­be­to­nung des zwar Alt­ehr­wür­di­gen, aber eben auch Alten, steu­ert Gatz, kurz gesagt, sei­ner­seits seit jeher archi­tek­to­nisch ent­ge­gen. Was ihn für den Kunst­ver­ein aber vor­nehm­lich bergan­za­preis­träch­tig gemacht hat, waren nicht so sehr künst­le­ri­sche Erwä­gun­gen sei­ner zeit­ge­nös­si­schen Bau­wei­se. Er sieht sich ohne­hin aus­drück­lich nicht als Künst­ler. Der hun­de­för­mi­ge Preis wur­de ihm vor allem für den genann­ten Dis­kus­si­ons­an­stoß und sei­nen Ein­satz für die Bam­ber­ger Kul­tur, soll hei­ßen für die Eta­blie­rung der zeit­ge­nös­si­schen Kunst vor Ort zugesprochen.

Für die zeit­ge­nös­si­sche Kunst in Bamberg

Seit 1989 ver­gibt der Kunst­ver­ein Bam­berg jähr­lich den Bergan­za­preis an kunst- oder kul­tur­schaf­fen­de Per­so­nen oder Ein­rich­tun­gen Bam­bergs. In der Begrün­dung, Chris­toph Gatz die dies­jäh­ri­ge Aus­zeich­nung zu ver­lei­hen, heißt es: „Als Bergan­za-Preis­trä­ger hat der Vor­stand des Kunst­ver­eins in die­sem Jahr eine Per­sön­lich­keit aus­ge­wählt, die sich gemäß unse­ren Kri­te­ri­en seit vie­len Jah­ren mit Lei­den­schaft, Idea­lis­mus, Selbst­lo­sig­keit und nicht zuletzt inten­si­ver Arbeit im Kul­tur­le­ben der Stadt engagiert.“

Und wei­ter: „So ver­dan­ken wir sei­nem initia­ti­ven und uner­müd­li­chen Ein­satz für das Kes­sel­haus, dass wir die­ses Haus seit nun schon zehn Jah­ren bespie­len kön­nen. Er ist seit vie­len Jah­ren auch ein För­de­rer des Levi-Strauss-Muse­ums in But­ten­heim und hat als lang­jäh­ri­ger Spre­cher des Archi­tek­tur-Treffs-Bam­berg die Dis­kus­si­on um neue Archi­tek­tur in die­ser Stadt beför­dert. (…) Nicht zuletzt dank sei­nes Enga­ge­ments sind auch die groß­ar­ti­gen Fens­ter von Mar­kus Lüpertz in der Eli­sa­be­then­kir­che nahe­zu fer­tig gestellt.“

Über­rascht habe ihn die Nach­richt von der Ver­lei­hung des Bergan­za­prei­ses aber schon, sagt Chris­toph Gatz. „Das dau­er­haf­te Enga­ge­ment der VR Bam­berg-Forch­heim und des Bam­ber­ger Kunst­ver­ei­nes fin­de ich sehr bemer­kens­wert. Ich weiß auch schon, in wel­ches künst­le­ri­sche Pro­jekt ich das Geld ste­cken wer­de.“ Moder­ner Kunst jen­seits von Welt­erbe und Barock einen Platz in der Stadt zu schaf­fen, ihr zu ermög­li­chen, dass sie statt­fin­den kann, ist sein gro­ßes Anliegen.

„Vor über zehn Jah­ren habe ich zusam­men mit Ger­hard Schlöt­zer vom Berufs­ver­band Bil­den­der Künst­le­rin­nen und Künst­ler Ober­fran­ken eine Bege­hung im Kes­sel­haus gemacht. Der Raum lag damals zwar noch mehr oder weni­ger in Schutt und Asche, aber ich wuss­te sofort, dass wir dar­aus was machen können.“

2011 konn­te der Kunst­ver­ein die ers­te Aus­stel­lung im ehe­ma­li­gen Heiz­raum Kes­sel­haus eröff­nen. Dort, zwi­schen der Unte­ren Sand­stra­ße und dem Lein­ritt, hat zeit­ge­nös­si­sche Kunst seit 2015 unun­ter­bro­chen bis heu­te einen Platz, von dem aus sie in die Stadt und den öffent­li­chen Raum hin­ein­wir­ken kann.

Lüpertz in Bamberg

Ein wei­te­res Pro­jekt, in das Chris­toph Gatz seit sie­ben Jah­ren sehr viel Ener­gie steckt, ist die Aus­stat­tung der Kir­che St. Eli­sa­beth im Sand mit vom Maler und Bild­hau­er Mar­kus Lüpertz gestal­te­ten Fens­tern. Bei der Ent­hül­lung der Bron­ze­fi­gur des Apoll unmit­tel­bar vor der Kir­che soll der Künst­ler den Vor­schlag gemacht haben, die Glas­fens­ter durch far­bi­ge Neu­schaf­fun­gen zu erset­zen. Pfar­rer Hans Lyer war natür­lich sofort begeis­tert. Er über­gab die Orga­ni­sa­ti­on des Pro­jek­tes und vor allem die Akqui­se der Geld­mit­tel aber wenig spä­ter an sei­nen Freund aus Kin­der­ta­gen, Chris­toph Gatz.

Die Beschaf­fung der nicht klei­nen Sum­me stellt sich seit­dem als Dau­er­auf­ga­be dar. 2019 konn­te das ers­te der acht geplan­ten Fens­ter ein­ge­setzt wer­den, bereits weni­ge Mona­te spä­ter das zwei­te, nach vier wei­te­ren im Jahr 2021 soll der Abschluss des Pro­jek­tes im Juni 2022 mit einem Fest gefei­ert wer­den. Denn es waren vor­nehm­lich die Kunst­lieb­ha­ber, die den größ­ten Teil der Sum­me auf­ge­bracht haben.

Für Chris­toph Gatz war es eine reiz­vol­le Auf­ga­be, das Ent­ste­hen der far­bi­gen Glas­kunst in einem his­to­ri­schen Kir­chen­ge­bäu­de beglei­ten zu dür­fen. „Die Kir­chen­fens­ter sind eines der ganz weni­gen Bei­spie­le zeit­ge­nös­si­scher Male­rei in der Stadt Bam­berg. Obwohl das Fens­ter­pro­jekt noch nicht fer­tig­ge­stellt ist, hat es bun­des­wei­te Bekannt­heit und Auf­merk­sam­keit gewonnen.“

Wäh­rend der sams­täg­li­chen Got­tes­diens­te spielt Gatz in St. Eli­sa­beth übri­gens Key­board. „Ich bin musi­ka­lisch ein ziem­li­cher Dilet­tant, aber die Leu­te hören es ger­ne und sin­gen kräf­tig mit.“

Bei­spie­le für Gatz‘ Schaffen

Das Bau­en im his­to­ri­schen Umfeld nimmt einen sehr gro­ßen Platz im Werk des Archi­tek­ten Chris­toph Gatz ein. Kul­tur- und Bil­dungs­ein­rich­tun­gen ste­hen im Vor­der­grund. Eine Aus­nah­me ist der Bau der Zuschau­er­tri­bü­ne des Fuchs-Park-Sta­di­ons – Heim­stät­te des FC Ein­tracht Bamberg.

Auch hier war der Umgang mit his­to­ri­schem Gebäu­de­be­stand gefragt, galt es doch, das Ein­gangs­ge­bäu­de aus der Wen­de zwi­schen 19. und 20. Jahr­hun­dert zu erhal­ten. Der Archi­tekt setz­te wie­der­um auf einen Dia­log zwi­schen Neu­em und Bestehen­dem und auf die Span­nung, die sich dar­aus ergibt.

Das Tri­bü­nen­dach stell­te sei­ne eige­nen Anfor­de­run­gen. „Das sehr wei­te Hin­aus­ra­gen der Dach­kon­struk­ti­on muss­te mit ein­fa­chen Mit­teln bewäl­tigt wer­den. Auf­ge­reg­te Kon­struk­tio­nen woll­ten wir aus Respekt gegen­über dem Denk­mal nicht.“ Und das Grün der Sit­ze auf der Tri­bü­ne passt sogar zum Grün des Rasens.

Chris­toph Gatz ist und war außer­dem auch immer schon außer­halb Bam­bergs tätig. Über­re­gio­na­le Bei­spie­le sei­nes Schaf­fens las­sen sich über­all in Fran­ken fin­den. In Coburg ent­stand aus sei­nen Plä­nen ein Hör­saal­ge­bäu­de der Hoch­schu­le und in Fürth das Jüdi­sche Muse­um Franken.

In Mem­mels­dorf fer­tig­te er die Bau­plä­ne der Oran­ge­rie des Schlos­ses See­hof an und in But­ten­heim zeich­ne­te er ver­ant­wort­lich für die Reno­vie­rung und Erwei­te­rung des Levi-Strauss-Muse­ums. Und aktu­ell arbei­tet er mit sei­nem Team am Bau eines neu­en Rat­hau­ses in Bur­ge­brach, an Wohn­an­la­gen in Frens­dorf und Schlüs­sel­feld, an Schu­len in Scheß­litz und But­ten­heim.
Noch nicht hat er den Gedan­ken dar­an auf­ge­ge­ben, dass eines Tages das Kes­sel­haus in Bam­berg ein stän­di­ger Ort für zeit­ge­nös­si­sche Kunst in Bam­berg sein wird. Das läge wohl in der Fami­lie. „Mein Vater und mein Groß­va­ter hat­ten sich als Vor­stän­de des Kunst­ver­ei­nes Bam­berg immer eige­ne Aus­stel­lungs­räu­me gewünscht.“

„Die Qua­li­tät muss stimmen“

Bergan­za­preis

All­jähr­lich ver­gibt der Bam­ber­ger Kunst­ver­ein den Bergan­za­preis. Aus­ge­zeich­net wer­den die, die den „selbst­mör­de­ri­schen Ansprü­chen“ E.T.A. Hoff­manns gerecht werden.

So for­mu­lier­te es zumin­dest einst der Grün­der des Bergan­za­prei­ses Hans Neu­bau­er. Anders aus­ge­drückt geht die mit 4.000 Euro dotier­te Aus­zeich­nung an Kunst- oder Kul­tur­schaf­fen­de und kul­tu­rel­le Ein­rich­tun­gen, die sich durch ihr Schaf­fen oder ihre Arbeit um die Qua­li­tät der regio­na­len Kul­tur ver­dient gemacht haben. Die Lis­te bis­he­ri­ger Preis­trä­ge­rin­nen und Preis­trä­ger liest sich wie ein Who-is-who der ört­li­chen Sze­ne (auch wenn einer der größ­ten ört­li­chen Namen fehlt): Ger­rit Zach­rich, Cha­peau Claque oder Wer­ner Kohn wur­den schon mit dem Bergan­za­preis aus­ge­zeich­net, genau wie Ger­hard Schlöt­zer oder, als eine der weni­gen Frau­en, Chris­tia­ne Toe­we. Als Preis­trä­ger des Jah­res 2020 hat sich die Jury aus den Kunst­ver­ein-Vor­stands­mit­glie­dern Bar­ba­ra Kah­le, Maren Jen­sen, Not­bur­ga Karl, Jür­gen Wil­helm, Franz Ulrich und Karl­heinz Erbe für den Gun­dels­hei­mer Gra­fi­ker Peter Schop­pel ent­schie­den. Wir haben Bar­ba­ra Kah­le zum Gespräch getroffen.

Der Berganzapreis, gestaltet von Preisträger Adelbert Heil
Der Bergan­za­preis, gestal­tet von Preis­trä­ger Adel­bert Heil
Frau Kah­le, seit 1989 ver­gibt der Kunst­ver­ein Bam­berg den Bergan­za­preis. Wie kam es zur Ent­schei­dung, die Aus­zeich­nung in die­sem Jahr zum ers­ten Mal zu vergeben?

Bar­ba­ra Kah­le: In den 80er Jah­ren des zurück­lie­gen­den Jahr­hun­derts gab es in Bam­berg über­haupt kei­ne Kul­tur­prei­se. Aber es lag in der Luft, dass sich Kul­tur­in­ter­es­sier­te zu über­le­gen began­nen, dass es sinn­voll sein könn­te, die regio­na­le Kul­tur­sze­ne durch einen Preis zu stär­ken und zu wür­di­gen. Der Kul­tur­för­der­preis bezie­hungs­wei­se der E.-T.-A.-Hoffmann-Preis der Stadt Bam­berg ist auch 1989 zum ers­ten Mal ver­ge­ben wor­den. Der dama­li­ge Vor­sit­zen­de des Kunst­ver­eins, Hans Neu­bau­er, der in den 80er Jah­ren vie­le, posi­ti­ve Neue­run­gen für den Kunst­ver­ein ein­ge­führt hat, arbei­te­te auch an der Aus­schrei­bung eines Kunst­prei­ses. Bei der Namens­ge­bung, für die es eines grif­fi­gen Begriffs bedurf­te, kam man natür­lich zuerst auf E.T.A. Hoff­mann, der sei­ner­zeit Grün­dungs­mit­glied des Kunst­ver­eins war. Ein Preis mit dem Namen „E.T.A. Hoff­mann Preis“ ins Leben zu rufen, wäre also nahe­lie­gend gewe­sen, aber die­sen Namen hat­te die Stadt dem Kunst­ver­ein schon weg­ge­schnappt. Also besann man sich auf die Hoffmann’sche Figur des Hun­des Bergan­za, mit dem sich Hoff­mann in „Nach­richt von den neu­es­ten Schick­sa­len des Hun­des Bergan­za“ über Bam­ber­ger Kul­tur unter­hält. Dar­in gibt es auch eine Stel­le, die als Vor­la­ge der Eigen­schaf­ten dien­te, die die Preis­trä­ge­rin­nen und Preis­trä­ger haben müssen.

Wie lau­tet die­se Stelle?

Bar­ba­ra Kah­le (liest aus einem Jah­res­heft des Kunst­ver­eins vor): „In gewis­sem Sinn ist jeder nur irgend exzen­tri­sche Kopf wahn­sin­nig und scheint es des­to mehr zu sein, je eif­ri­ger er sich bemüht, das äuße­re mat­te, tote Leben durch sei­ne inne­ren, glü­hen­den Erschei­nun­gen zu ent­zün­den. Jeden, der einer gro­ßen, hei­li­gen Idee, die nur der höhe­ren, gött­li­chen Natur eigen, Glück, Wohl­stand, ja selbst das Leben opfert, schilt gewiss der, des­sen höchs­te Bemü­hun­gen im Leben sich end­lich dahin kon­zen­trie­ren, bes­ser zu essen und zu trin­ken und kei­ne Schul­den zu haben, wahn­sin­nig, und er erhebt ihn viel­leicht, indem er ihn zu schel­ten glaubt, da er als ein höchst ver­stän­di­ger Mensch jeder Gemein­schaft mit ihm ent­sagt.“ Das war eine Spra­che! Aber Hans Neu­bau­er hat dar­aus das Ziel für die Fin­dung der Preis­trä­ger abge­lei­tet und gesagt, dass all­jähr­lich die Per­son aus­ge­zeich­net wer­den sol­le, die die­sen selbst­mör­de­ri­schen Ansprü­chen am bes­ten genüge.

Wie erfüllt der aktu­el­le Preis­trä­ger Peter Schop­pel die­se selbst­mör­de­ri­schen Ansprüche?

Bar­ba­ra Kah­le: Er füllt sie schon dadurch, dass er sich ent­schlos­sen hat, frei­be­ruf­li­cher Künst­ler zu wer­den. Aber die Kri­te­ri­en der Ver­ga­be sind, wie auch beim Kul­tur­preis der Stadt, rela­tiv weit aus­ge­legt. Es sol­len Per­so­nen gewür­digt wer­den, die sich durch ihr künst­le­ri­sches oder ihr gesell­schaft­li­ches Enga­ge­ment aus­zeich­nen. 2014 haben wir bei­spiels­wei­se den Gefäng­nis­pfar­rer Hans Lyer für sein Enga­ge­ment im künst­le­ri­schen Bereich mit Gefan­ge­nen gewür­digt. Ähn­li­ches galt für das Neue Palais, Ger­rit Zach­rich oder den Jazz­club. Es wer­den also kei­ne unter­schied­li­chen Kri­te­ri­en ange­legt, son­dern die ein­zel­nen Kan­di­da­ten erfül­len die Kri­te­ri­en auf unter­schied­li­che Art und Wei­se. Wir haben bei der Ent­schei­dung für Peter Schop­pel auf zwei Din­ge geach­tet, näm­lich auf sein künst­le­ri­sches Werk – er ist ein exzel­len­ter Gra­fi­ker – und auf die Tat­sa­che, dass er sich stark in der ört­li­chen Kul­tur­sze­ne, im Kunst­ver­ein und im BBK enga­giert. Außer­dem haben wir die­ses Jahr dar­auf geach­tet, jeman­den aus­zu­zeich­nen, der nicht über ein fes­tes Ein­kom­men ver­fügt. In die­sen Coro­na-Zei­ten befin­den sich frei­schaf­fen­de Künst­ler in noch pre­kä­re­ren Umstän­den als sonst. Das heißt aber nicht, dass der Bergan­za­preis ein Sozi­al­preis ist.

Heißt das im Umkehr­schluss, dass, wenn Künst­ler, die neben der Kunst einem Beruf nach­ge­hen, aus­ge­zeich­net wer­den, Hob­by-Künst­ler den Preis bekommen?

Bar­ba­ra Kah­le: Nein, das sicher nicht. Wenn wir Bil­den­de Künst­ler aus­zeich­nen, schau­en wir immer sehr stark auf das künst­le­ri­sche Werk. Die Qua­li­tät muss stimmen.

Ist es in der gemein­sa­men Zeit von Bergan­za­preis und Kul­tur­för­der­preis der Stadt bezie­hungs­wei­se E.-T.-A.-Hoffmann-Preis vor­ge­kom­men, dass man sich gegen­sei­tig poten­zi­el­le Preis­trä­ger weg­ge­nom­men hat?

Bar­ba­ra Kah­le: Nein, aber man schaut immer ein biss­chen dar­auf, was die ande­ren machen und im Lauf der Jah­re haben sich Über­ein­stim­mun­gen zwi­schen unse­rer und deren Preis­trä­ger­lis­te erge­ben. Foto­graf Wer­ner Kohn hat zum Bei­spiel bei­de Prei­se bekom­men oder Hans Woll­schlä­ger, der Schrift­stel­ler. Obwohl ich schon sagen muss, dass der E.-T.-A.-Hoffmann-Preis noch ein biss­chen mehr Aner­ken­nung genießt.

Ein gro­ßer Bam­ber­ger Name, der auf Ihrer Lis­te fehlt, auf der des E.-T.-A.-Hoffmann-Preis jedoch nicht, ist der von Paul Maar.

Bar­ba­ra Kah­le: Die Fra­ge, Paul Maar aus­zu­zeich­nen oder nicht, ist eine, die sich uns schon lan­ge stellt. Er hat schon so vie­le Prei­se gewon­nen, dass es bei uns Dis­kus­sio­nen gibt, ob man ihm den Bergan­za­preis auch noch geben muss oder wir lie­ber Leu­te aus­zeich­nen, deren Wir­ken noch nicht so bekannt ist.

Wie sieht die Ent­schei­dungs­fin­dung in der Jury aus?

Bar­ba­ra Kah­le: Nach Mehr­heits­be­schluss. Wir dis­ku­tie­ren, bis wir ein ein­stim­mi­ges Ergeb­nis haben. Klar ist es dabei schon vor­ge­kom­men, dass die eine oder der ande­re mit der Mei­nung ein biss­chen zurück­ste­hen muss­te, aber es hat nie einen der­ar­ti­gen Dis­sens gege­ben, dass jemand mit einer Ent­schei­dung über­haupt nicht ein­ver­stan­den war.

1998 wur­de Mar­tin Neu­bau­er, der Sohn des dama­li­gen Kunst­ver­ein-Vor­sit­zen­den Hans Neu­bau­er, aus­ge­zeich­net. Gab es damals Stim­men, die in die­ser Ent­schei­dung einen gewis­sen Bei­geschmack aus­ge­macht haben?

Bar­ba­ra Kah­le: Nein, aber da muss man schon auf­pas­sen. Genau wie man beim E.-T.-A.-Hoffmann-Preis hät­te dar­auf ach­ten müs­sen, dass Leu­te, die in der Jury sit­zen, zum Bei­spiel Tan­ja Kin­kel, den Preis nicht gewinnen.

Wür­den Sie sagen, dass der Bergan­za­preis ein fes­ter, eta­blier­ter Ter­min im ört­li­chen Kul­tur­be­trieb ist?

Bar­ba­ra Kah­le: Ja, auf jeden Fall. Und er ist vor allem eine fes­te Grö­ße, was Aus­zeich­nun­gen für Bil­den­de Künst­ler angeht.

Wie pro­fi­tie­ren die Preis­trä­ge­rin­nen und Preis­trä­ger von der Aus­zeich­nung mit dem Berganzapreis?

Bar­ba­ra Kah­le: Abge­se­hen von den 4.000 Euro Preis­geld tra­gen sie Renom­mee davon. Ein Künst­ler lebt von sei­nen Ver­käu­fen und in sei­nem Lebens­lauf ist ein ganz wich­ti­ger Punkt, wel­che Aus­zeich­nun­gen und Prei­se er gewon­nen hat. Sol­che Aus­zeich­nun­gen auf­füh­ren zu kön­nen, hebt einen Künst­ler von der rie­si­gen Mas­se ande­rer Künst­ler ab.

Das durch­schnitt­li­che Alter der bis­her Aus­ge­zeich­ne­ten scheint bei etwa 40 Jah­ren zu lie­gen. Wie kommt die­ser ver­gleichs­wei­se hohe Schnitt zustande?

Bar­ba­ra Kah­le: Es ist schon so, dass wir bis­her mehr die­je­ni­gen aus­ge­zeich­net haben, die schon län­ger künst­le­risch aktiv und dar­um schon ein biss­chen älter sind. Aber es gibt Über­le­gun­gen, um auch die jun­ge Sze­ne zu stär­ken, ab und zu auch jün­ge­re Künst­le­rin­nen und Künst­ler auszuzeichnen.

Eine wei­te­re auf­fäl­li­ge Eigen­schaft der bis­her Aus­ge­zeich­ne­ten besteht dar­in, dass sehr weni­ge Frau­en den Preis erhal­ten haben. Die ers­te Künst­le­rin, die den Preis erhielt, war Dinah Poli­ti­ki im Jahr 2000.

Bar­ba­ra Kah­le: Ja, das stimmt abso­lut. Obwohl der ört­li­che Kul­tur­be­trieb in eini­gen Spit­zen­po­si­tio­nen wie in Muse­en, Thea­tern oder im Kul­tur­amt sehr stark weib­lich besetzt ist, hat sich das bedau­er­li­cher­wei­se nicht in der Zahl unse­rer Preis­trä­ge­rin­nen niedergeschlagen.

Wie wird die Ver­lei­hungs­ze­re­mo­nie in Coro­na-Zei­ten ablaufen?

Bar­ba­ra Kah­le: Sie soll statt­fin­den, in der Vil­la Des­sau­er, auch wenn wir noch nicht genau wis­sen, wann. Aller­dings haben wir das Pro­blem, dass höchs­tens 30 Leu­te anwe­send sein dür­fen. Aber dann gibt es eben eine klei­ne­re Feier.