Im Mai kehrt der Plastiker Dieter Froelich, bis März diesen Jahres Stipendiat der Villa Concordia, mit der Ausstellung „Großes Bamberger Gewölk und
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Großes Bamberger Gewölk und weitere notwendige Plastik
Ausstellung Dieter Froelich
Im Mai kehrt der Plastiker Dieter Froelich, bis März diesen Jahres Stipendiat der Villa Concordia, mit der Ausstellung „Großes Bamberger Gewölk und weitere notwendige Plastik (1989–2022)“ nach Bamberg zurück. In Kooperation mit dem Kunstverein zeigt er ab 21. Mai in der Villa Dessauer Arbeiten aus 30 Jahren Schaffenszeit. Wir haben mit ihm über die Vorteile der Plastik gegenüber der Malerei, Gemeinsamkeiten von Kochen und Kunst, seine Zeit in Bamberg und das Unaussprechliche in seinen Werken gesprochen.
Herr Froelich, der Titel Ihrer Ausstellung lautet „Großes Bamberger Gewölk und weitere notwendige Plastik“. Was bedeutet in diesem Zusammenhang „notwendig“?
Dieter Froelich: Damit ist eine subjektive Notwendigkeit gemeint. Ich arbeite jetzt seit mehr als 30 Jahren als Plastiker. Dabei haben sich bestimmte Handlungsmaximen herausgearbeitet und sind gereift. Es gibt für mich bestimmte, ich will nicht sagen, Zwangsläufigkeiten – ich könnte auch anders – Schritte, die aufeinander folgen müssen, sobald man beim Arbeiten einen bestimmten Weg eingeschlagen hat. Diese Schritte bestimmt man aber nicht immer selber. Früher, in den 1980ern, im Studium hieß es immer „was will das Material“, aber diese Auffassung ist ein wenig antiquiert. Das Material will natürlich überhaupt nichts. Es ist immer der Geist, der dahintersteht, der etwas will. „Notwendige Plastik“ heißt darum für mich, dass es bestimmte, und das ist eigentlich eine romantische Haltung, Dinge gibt, die ich machen will oder machen muss. Hinzu kommen Notwendigkeiten von Schönheit oder Wahrheit, wenn man so will.
Welche Handlungsmaximen meinen Sie?
Dieter Froelich: Es ist schwierig, das in Worte zu fassen. Je älter ich werde, je länger ich es mache, desto schwerer fällt es mir. Handlungsmaximen bilden sich heraus. Ich behandle sowohl in der Plastik als auch beim Kochen, das ich auch als plastische Handlung verstehe, Archetypen. In der Plastik ist es eigentlich immer so, dass man die Dinge zu kennen meint. Ich bin kein großer Anhänger von Originalität, der Künstler muss etwas schaffen, das vorher noch nie zu sehen war. Das halte ich für großen Nonsense. Wenn man Glück hat, passiert es zwar, dass es originell wird. Aber meine Handlungsweise ist eher, dass ich mir die Dinge meiner Umgebung aneigne, indem ich sie plastisch nachvollziehe.
Das heißt?
Dieter Froelich: Zum Beispiel das „Große Bamberger Gewölk“ hat die Darstellung kleiner Wölkchen in der Oberen Pfarre als Vorbild. Diese Wölkchen haben mich sehr fasziniert und ich habe sie plastisch nachvollzogen und so entstand das „Große Bamberger Gewölk“. Beziehungsweise es entsteht noch.
Das titelgebende Werk der Ausstellung ist noch nicht fertig?
Dieter Froelich: Nein, bisher, Anfang April, ist es noch nicht ganz fertig. Ich habe das unterschätzt. Es ist ein 20-teiliger Wolkenhaufen, den ich auf eine Stellage montiere. Und dann müssen die einzelnen Wolken noch vergoldet werden. Schon die letzten Wochen in Bamberg habe ich fast nichts anderes getan, als am Gewölk zu arbeiten und seit meiner Rückkehr nach Hannover bin ich ausschließlich damit beschäftigt. Jedes Ding hat halt seine Zeit.
Wir sprechen Anfang April, die Ausstellung beginnt am 21. Mai. Wird das Werk bis dahin fertig werden?
Dieter Froelich: Das wollen wir hoffen (lacht)! Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es fertig wird, aber ich werde es auf jeden Fall zeigen – auch wenn es nicht fertig werden sollte. Denn, wo die klassische Plastik früher noch einen sozusagen Endpunkt hatte, ist es ja heutzutage eher so, dass durchaus auch prozessual ausgestellt wird. Zwar entspricht dies eigentlich nicht meiner Handlungsweise, aber ein Fragment verweist ja auf ein Ganzes. Und das Gewölk muss unbedingt in Bamberg gezeigt werden, denn hier hat es seinen Ursprung.
Neben dem „Bamberger Gewölk“ zeigen Sie in der Ausstellung weitere Plastiken der letzten 30 Jahre. Wie viele sind in dieser Zeit entstanden? Hunderte, tausende?
Dieter Froelich: Das weiß ich nicht. Aber eines ist sicher: der Ausstellungsraum, die Villa Dessauer, so schön er ist, bringt schon viel mit. Er ist für eine Ausstellung nicht ganz so schwer zu erobern wie das Kesselhaus in Bamberg. Das hat eine extrem starke architektonische Sprache mit seinem Interieur. Eine gleiche Last herrscht im Grunde in der Villa Dessauer – wenn auch nicht so brutal wie im Kesselhaus, sondern eher großbürgerlich verfeinert. Von daher muss man sehr behutsam vorgehen. Ich werde darum auch sparsam und akzentuiert handeln.
Sie haben in den 1980er zuerst mit Malerei angefangen und wechselten dann zur Plastik. Warum unternahmen Sie damals diesen Schritt?
Dieter Froelich: Der Grund dafür war, dass ich mit der Malerei, die ich damals hier in Hannover studierte, sehr unzufrieden war. Dann wechselte ich an die Städelschule in Frankfurt. Während meines Studiums dort wuchs meine Unzufriedenheit mit der Malerei in ihrer Abstraktheit und ich wechselte in die Bildhauerklasse von Michael Croissant.
Was ist entsprechend mit Plastik ausdrückbar, das mit Malerei nicht geht?
Dieter Froelich: Ich drücke nichts aus. Das ist das alte Klische, dass sich der Künstler etwas ausdenkt und die anderen müssen erraten, was er meint. Das gibt es zwar heute wieder mit diesen ganzen unsäglichen Arbeiten, die für oder gegen etwas sind. Malen für den Frieden zum Beispiel, den wir zwar dringend brauchen, aber als Künstler ist man da völlig machtlos. Ich halte das für gelinde gesagt nicht möglich, um nicht zu sagen groben Unfug. Es lässt sich aus dem Material nicht ablesen, ob es für etwas oder gegen etwas ist. Man kann das textlich machen, zum Beispiel indem man sagt „das große Bamberger Gewölk widme ich dem ukrainischen Volk, weil es sich so tapfer schlägt“, aber man muss aufpassen, dass man nicht in den Kitsch verfällt. Wirklich Kunst hat immer einen freiheitlichen Impetus und erfüllt das auch, ohne dass man noch eine Meinung draufsetzt.
Dann frage ich so herum: Warum liegt Ihnen die Plastik näher am Herzen?
Dieter Froelich: Es ist einfach die Ausdehnung der Plastik. Ich glaube, ich habe eine extrem starke Affinität zu Dingen. Ich denke, nein ich fühle, dass eine Plastik von realer und sinnlicher Gegenwart ist, während Malerei immer ein extrem abstraktes Moment in sich trägt. Diese Gegenwart ist mir sehr nahe. Deswegen bin ich zur Plastik gekommen. Außerdem hat sie durch die reale Gegenwart eine gewisse Transzendenz.
Was meinen Sie mit Transzendenz?
Dieter Froelich: Das ist etwas, das über das Werk hinausweist. Wenn einem Werk diese Kompenente fehlt, ist es keine Kunst. Kunst ist immer etwas, das auch über sich hinausweist, auf etwas anderes, auf etwas besseres vielleicht, in meinem Verständnis jedenfalls. Aber vielleicht bin ich da konservativ. Ich meine nämlich auch, dass Kunst die Funktion hat, durch Schönheit Wahrheit zu zeigen. Aber das ist im Moment nicht ganz so en vogue.
Welche Wahrheiten können das sein?
Dieter Froelich: Wenn man die mit Worten ausdrücken könnte, müsste ich keine Kunst machen. Wir sprechen hier, und das ist das Absurde, über den nichtsprachlichen Bereich. Von da könnte man übrigens einen Bogen spannen in den Glauben und die Kirche. Glauben wäre ja nicht zu verstehen, ohne das Unaussprechliche. Bei der Kunst ist das genauso. Kunst und Kirche stecken im Grunde zurzeit ähnlich in der Krise. Die Leute laufen ihnen weg. Viele Menschen brauchen keinen Gott mehr, genau wie sie keine Kunst mehr brauchen. Sie sind ihre eigene Kunst – man schaue sich nur mal Tattoos an. Die Selbstinszenierung ist im Grunde anstelle des Künstlers getreten. Was früher auf Künstler projeziert wurde – sei anders, sei kreativ, erfinde dich selbst – ist heute an jeden gerichtet. Man muss auf jeden Fall kreativ sein, sonst ist man niemand. Mit dem Glauben ist es ähnlich. Viele haben sich ihren eigenen Gott geschaffen.
Für Ihre Plastiken empfinden Sie oft Gegenstände des Alltags nach, wie Geschirr, Möbelstücke oder Madonnenfiguren. Wodurch qualifizieren sich Gegenstände für Ihre Arbeit?
Dieter Froelich: Auch das ist sehr schwer zu beschreiben, weil dann könnte ich ja gezielt auf die Suche danach gehen. Ich denke, es ist eher so eine Beziehung, die sich aufbaut. In der Regel, ich denke, das kann ich so verallgemeinern, sind es aber recht einfache Gegenstände, bei denen es, wie gesagt, zum Archetypischen hingeht. Um bei der Oberen Pfarre zu bleiben: Es ist doch schön zu sehen, wie jemand so etwas Grundsätzliches wie eine Wolke abbildet und welche Vorstellungen er von der Wolke hat. Vergleichen Sie einmal die Wolken aus dem Barock mit welchen aus dem Rokoko, wie wir sie in Vierzehnheiligen finden. An beiden Formen läßt sich die dahinter stehende Auffassung von Welt ablesen. Hinter jeder Form steht eine Idee.
In der Villa Dessauer werden Sie auch eine Version der Maske des Bamberger Reiters zeigen – allerdings farbig gefasst. Was hat es damit auf sich?
Dieter Froelich: Ähnlich wie die Skulpturen der griechischen Antike waren auch die Plastiken der Bamberger Kathedrale farbig gefasst. Es gibt eine Dissertation von Walter Hartleitner, „Zur Polychromie der Bamberger Domskulptur“, die 2011 in der University Press of Bamberg erschien. Nach diesen Erkenntnissen habe ich versucht, die Farbigkeit des Reiterkopfes nachzuvollziehen, mit vergoldeter Krone, kastanienbraunen Haaren, leicht rosiger Gesichtsfarbe und roten, wie geschminkten, Lippen. Er sieht schon ganz sexy aus.
Welche Erinnerungen haben Sie an Bamberg?
Dieter Froelich: Das sind in erster Linie Erinnerungen an die wunderbare Villa Concordia, wo man als Stipendiat monatelang ungestört arbeiten kann. Das ganze Team war sehr bemüht, uns Stipendiaten den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Und was ich an Bamberg wirklich schätze, sind die freundlichen Leute.
Dafür sind Franken allerdings nicht überall bekannt.
Dieter Froelich: Ich weiß, die Franken freuen sich eher nach innen. Vielleicht waren es auch Zugezogene. Aber ich habe gerade in der Concordiastraße relativ viele Leute angesprochen und mich vorgestellt und da ist so etwas wie Nachbarschaft entstanden. In der Großstadt, auch wenn Hannover nicht allzu groß ist, bekommt man das nicht ganz so einfach. Was aber wirklich eine Zumutung ist, sind die ganzen Touristen. Ich finde es erstaunlich, dass sich eine Stadt wie Bamberg im Stadtmarketing mehr oder weniger nur auf das Bier kapriziert. Denn wenn man mit Bier wirbt, muss man sich nicht wundern, wenn Biertrinker kommen und die Stadt bevölkern. Die reichlichen Kulturschätze, die Bamberg hat, könnte man ein bisschen besser herausstellen. Allein die Sammlung des Diözesanmuseums ist von unglaublicher Qualität, um nur einen Ort von vielen zu nennen.
Am 30. Juni halten Sie einen Vortrag zum Thema „Kochen als Kunstgattung“. Was erwartet das Publikum hierbei?
Dieter Froelich: Ich werde einen Überblick geben über das Kochen als Kunstgattung, bebildert, von den Römern bis heute, und darüber sprechen, wie sich das Genre entwickelt hat. Und danach gibt es etwas zu essen.
Was werden Sie servieren?
Dieter Froelich: Das verrate ich nicht. Die Handlungsmaxime hier ist: Beim Kochen liegt mein Herz eher auf der Seite der einfachen Speisen. Prinzipiell koche ich immer gerne Dinge, die den Leuten erstmal vielleicht fremd sind. Aber damit meine ich nicht Heuschrecken oder so. Ich koche das Fremde im Eigenen. Dinge, für die man gar nicht weit weg gehen braucht. Man kann innerhalb der eigenen Speisenkultur viel entdecken.
Warum ist Kochen Kunst?
Dieter Froelich: Sie ist es nicht grundsätzlich. Wie alles kann sich auch das Kochen, wenn es über sich selbst hinausgeht, wenn es auf ein Anderes verweist, zu Kunst werden.