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Erasure

Inter­na­tio­na­le Popgrößen

35 Jah­re Erasure

Im ver­gan­ge­nen Jahr konn­te das Syn­thie-Pop-Duo Era­su­re das 35-jäh­ri­ge Band­be­stehen fei­ern. Zusam­men haben Sän­ger Andy Bell und Musi­ker Vin­ce Clar­ke mehr als 40 Hit­sin­gles ver­öf­fent­licht und welt­weit über 25 Mil­lio­nen Alben ver­kauft. Andy Bell stand uns für ein Inter­view zur Verfügung.

Mit „The Neon“ ver­öf­fent­lich­te Era­su­re im ver­gan­ge­nen Jahr sein ins­ge­samt 18. Stu­dio­al­bum – auf Vinyl, CD und sogar Kas­set­te. Nach wie vor bürgt das Duo für musi­ka­li­sche Güte und ver­steht noch immer, wor­um es im Elek­tro­nik-Pop geht. Mit dem Lon­do­ner Andy Bell (im Foto rechts), des­sen Wahl­hei­mat Miami ist, haben wir auf die Band­ge­schich­te zurückgeblickt.

Vin­ce Clar­ke war Grün­dungs­mit­glied von Depe­che Mode, ver­ließ sie 1981 und war dann zusam­men mit Sän­ge­rin Ali­son Moy­et bis 1983 als Yazoo erfolg­reich. Danach folg­ten wei­te­re Pro­jek­te, ehe er sich Ihnen anschloss. Erin­nern Sie sich noch an die Grün­dung von Era­su­re und wie alles ange­fan­gen hat?

Andy Bell: Selbst­ver­ständ­lich. Ich leb­te in einer Gay-WG, hat­te ers­te musi­ka­li­sche Erfah­run­gen in Lon­don gesam­melt. Abba, Blon­die, Human League, Sel­ec­ter, Yazoo – mein Musik­ge­schmack war damals sehr viel­fäl­tig. Über eine Anzei­ge im Melo­dy Maker such­te Vin­ce einen Sän­ger, nann­te sich in der Anzei­ge aber nicht. Erst als ich mich bewarb, wur­de mir am Tele­fon gesagt, dass er es ist, der jeman­den sucht. Ich sang dann vor und weni­ge Tage spä­ter bekam ich das OK, ich ent­sprach genau sei­nen Vor­stel­lun­gen. Vin­ce hat­te noch mit The Assem­bly zu tun, gab mir aber einen groß­zü­gi­gen Vor­schuss, damit ich nicht irgend­wo anders anheu­er­te.

Vor allem Ihre Live-Shows sind bis heu­te spek­ta­ku­lär, die Erfol­ge lie­ßen nicht lan­ge auf sich war­ten. Die Che­mie zwi­schen Ihnen scheint also nach wie vor zu stimmen.

Andy Bell: Es ist in der Tat so etwas wie Lie­be zwi­schen uns. Eine Art größt­mög­li­cher Empa­thie, die uns bis heu­te nicht anein­an­der zwei­feln lässt, ange­fan­gen bei unse­rem Debüt „Won­der­land“ von 1986, der einen Abba-Boom aus­lö­sen­den „Abba-esque-EP“ aus dem Jahr 1992, über Kri­sen und Come­backs bis hin zu „World be gone“ mit dem wir 2017 nach 24 Jah­ren wie­der die UK Top Ten-Charts erreich­ten.

2018 wur­de zwi­schen­zeit­lich „World bey­ond“ ver­öf­fent­licht. Was hat es damit auf sich?

Andy Bell: Es ist qua­si eine Neu­ein­spie­lung von „World be gone“ in einem post-klas­si­schen Gewand. Wir haben es in Brüs­sel mit den sie­ben Musi­kern des Echo Coll­ec­ti­ves ein­ge­spielt und damit den ers­ten Platz der Bill­board-Clas­si­cal Charts erreicht.

Vin­ce lebt mit sei­ner Ehe­frau in New York, Sie mit Ihrem Ehe­mann in Lon­don und Miami. Jeder geht eige­nen Pro­jek­ten nach, Sie zuletzt unter ande­rem mit Thea­ter­ar­beit. Dane­ben kann PETA auf Ihre Unter­stüt­zung zäh­len, eben­so die AIDS-Hil­fe und die LGBT-Bewe­gung. Ist da über­haupt noch Zeit für Erasure?

Andy Bell: Ich bin seit 1998 HIV-posi­tiv und habe mich bereits 2004 geoutet. Unse­re Erfol­ge mit Era­su­re haben es mir ermög­licht, mich in vie­ler­lei Hin­sicht aktiv zu enga­gie­ren und an gesell­schaft­li­chen Ver­än­de­run­gen, vor allem im Hin­blick auf die LGBT-Com­mu­ni­ty, mit­zu­wir­ken. Was Era­su­re betrifft sind wir trotz­dem immer im Aus­tausch, Syn­thie-Pop wird uns immer ver­bin­den. Für „The Neon“ gab es kei­nen exak­ten Plan. Vin­ce hat­te 2019 ers­te Tracks in sei­nem mit Syn­the­si­zern voll­ge­pack­ten Stu­dio vor­be­rei­tet, ich ihn dort für eini­ge Zeit besucht. Wir impro­vi­sier­ten Melo­dien und Tex­te und es zeich­ne­te sich schnell ab, dass die neu­en Stü­cke für „The Neon“ mehr radio­taug­li­che Upt­em­po-Num­mern mit cat­chy Har­mo­nien wer­den und zur Ver­öf­fent­li­chung tau­gen.

Ins­ge­samt sind es dann zehn Stü­cke zwi­schen „Hey now (think I got a fee­ling)“ bis hin zu „Kid you´re not alo­ne“ gewor­den. Man kann zwei­fels­frei hören, dass Sie sich mit allen Titeln iden­ti­fi­zie­ren und bei den Auf­nah­men spi­ri­tu­ell mit sich selbst im Rei­nen waren. Wie und wo haben Sie das Album dann fertiggestellt?

Andy Bell: Wir haben ver­sucht, den Stü­cken die­ses nost­al­gi­sche 1980er Jah­re-Fee­ling zu geben, mit dem wir uns nach wie vor iden­ti­fi­zie­ren. Und gleich der Ope­ner, die ers­te Sin­gle ver­sprüht die­se Krea­ti­vi­tät und Begeis­te­rung, die sich mit Stü­cken wie „Shot a satel­li­te“ oder „Tower of love“ fort­setzt. Beson­de­re Bedeu­tung haben für mich der Titel „Dia­mond lies“ und „Ner­ves of steel“, die ich mei­nem Ehe­mann gewid­met habe. Alle Vocals habe ich final in einem ana­lo­gen Stu­dio in Atlanta/​USA ein­ge­sun­gen. Das Album strahlt die­se Spi­ri­tua­li­tät aus, die Ver­gan­gen­heit mit Gegen­wart und Zukunft ver­bin­det und mehr als alles ande­re für Era­su­re steht.

Neon ist ein che­mi­sches Ele­ment, ein Edel­gas, das durch Gas­ent­la­dun­gen Röh­ren zum Leuch­ten bringt und bis heu­te für viel­fäl­ti­ge Neon­re­kla­me ver­wen­det wird. Seit den 1960er fin­det es auch in der Kunst Ver­wen­dung. Wel­che Bedeu­tung hat ent­spre­chend der Albumtitel?

Andy Bell: Neon hat mich schon als Kind fas­zi­niert. Old fashio­ned, aber still modern. Im Lon­do­ner Stadt­vier­tel Walt­hamstow gibt es das soge­nann­te „God´s own jun­k­yard“, Euro­pas größ­tes Neon-Muse­um für Schil­der und Objek­te, ein fan­tas­ti­scher Ort. Er hat mich zum Album­ti­tel inspi­riert und dort wur­den dann auch die aktu­el­len Cover-Shoo­tings gemacht.

Syn­the­si­zer-Pop hat auch in Deutsch­land eine lan­ge Tra­di­ti­on. Acts wie Alpha­ville oder Camou­fla­ge kennt man welt­weit. Neue Grup­pen wie Sea Of Sin oder St Geor­ge bele­ben die Sze­ne. Ver­fol­gen Sie auch inter­na­tio­nal, was in die­sem Gen­re passiert?

Andy Bell: Immer noch, vor allem, wenn ich im Urlaub bin und Zeit habe, mich vor Ort damit zu beschäf­ti­gen, so wie in den 1980er Jah­ren, als ich eini­ge Zeit in Ber­lin gelebt habe. Als Samm­ler heu­te weni­ger, mei­ne Vinyl- und CD-Samm­lung habe ich aus Platz­grün­den in einer Lager­ein­rich­tung unter­ge­bracht und beschrän­ke mich musi­ka­lisch auf mobi­le End­ge­rä­te.

„The Neon“ wur­de sogar als Kas­set­te ver­öf­fent­licht. Wegen der alten Zeiten?

Andy Bell: Nein, Kas­set­ten sind ein­fach wie­der ange­sagt, es ist ein Trend. Und den bedient unser Label damit.