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Esssucht

Tria­log zur Sucht

SkF Bam­berg: Bera­tun­gen zu Esssucht

Die Sucht­be­ra­tung des SkF Bam­berg ist eine Anlauf­stel­le für sucht­ge­fähr­de­te und sucht­kran­ke Men­schen und alle, die von einer Sucht­pro­ble­ma­tik mit­be­trof­fen sind. Hil­fe fin­den Betrof­fe­ne und Ange­hö­ri­ge bei Drogen‑, Alko­hol- oder Spiel­sucht und auch bei Ess­stö­run­gen. Zusätz­lich ist jüngst ein Bera­tungs­an­ge­bot in Tria­log-Form angelaufen.

In sei­nen Räum­lich­kei­ten in der Schwar­zen­berg­stra­ße betreut der SkF Bam­berg (Sozi­al­dienst katho­li­scher Frau­en) etwa ein Dut­zend Per­so­nen mit Ess­sucht. Betrof­fe­ne lei­den an einer stän­di­gen und zwang­haf­ten Fixie­rung auf das Essen und ihre mög­li­chen, als nega­tiv wahr­ge­nom­me­nen Fol­gen für den Körper.

Die häu­figs­ten For­men die­ser Stö­run­gen sind Anore­xie, Buli­mie und Bin­ge Eating. Anore­xie, bezie­hungs­wei­se voll­stän­dig: Anorexia ner­vo­sa ist die Mager­sucht, bei der Betrof­fe­ne hun­gern, um Gewicht zu ver­lie­ren. Buli­mie, oder auch Buli­mia ner­vo­sa oder Ess-Brech-Sucht, ist eben­falls von der Angst vor Gewichts­zu­nah­me gekenn­zeich­net. Hier­bei hun­gern Betrof­fe­ne aller­dings nicht, son­dern ver­su­chen, ihr Gewicht durch selbst­her­bei­ge­führ­tes Erbre­chen zu regu­lie­ren. Liegt hin­ge­gen eine Bin­ge-Eating-Stö­rung vor, kommt es immer wie­der zu Ess-Atta­cken und über­mä­ßi­ger Nah­rungs­auf­nah­me. Gemein ist sämt­li­chen Ess­süch­ten eine zugrun­de­lie­gen­de gestör­te Wahr­neh­mung des eige­nen Körpers.

„Ess­stö­run­gen ent­wi­ckeln sich sehr oft bereits in der Jugend“, sagt Mari­on Haa­se, Psy­cho­lo­gin und Sucht­be­ra­te­rin beim SkF, „in einer unsi­che­ren Pha­se, in der man ver­sucht her­aus­zu­fin­den, wer man ist.“

Ist man in die­ser Zeit der Selbst­fin­dung nega­ti­ven sozia­len Ein­flüs­sen aus­ge­setzt, wie etwa durch Mob­bing oder Zurück­wei­sung, kann dies Stö­run­gen im ent­ste­hen­den Selbst­bild zur Fol­ge haben.

„Die Grün­de für das gestör­te Selbst­bild könn­ten letzt­lich sehr viel­fäl­tig sein, aber Betrof­fe­ne den­ken meis­tens, dass sie nicht in Ord­nung sind, so wie sie sind. Die­se Ein­schät­zung kann sich wie­der­um auf das Ess­ver­hal­ten nie­der­schla­gen, weil dabei eine Mög­lich­keit besteht, das als unkon­trol­lier­bar und nega­tiv wahr­ge­nom­me­ne Umfeld zu kontrollieren.“

Jun­ge Frau­en oder Mäd­chen sei­en am häu­figs­ten betrof­fen. „Wobei Män­ner immer mehr nach­zie­hen, auch wenn sie durch hun­gern oder über­mä­ßi­ges Trai­ning Kör­per­fett öfter aus dem Grund zu redu­zie­ren ver­su­chen, um Mus­keln auf­zu­bau­en und zu formen.“

Auch media­ler Druck mit sei­nen etwa­igen Schön­heits­idea­len kann Ess­stö­run­gen bedin­gen. „Ja, die­ser Druck ist da und hat in den letz­ten Jah­ren zuge­nom­men, wobei man aber nicht gleich ess­ge­stört wird, nur weil man sich mit sozia­len Medi­en beschäf­tigt. Da muss vor­her schon etwas mit dem Selbst­wert im Argen gele­gen haben. Aber es kann pas­sie­ren, dass man in den Medi­en schlan­ke Men­schen sieht, die berühmt sind und vie­le Freun­de haben und man beginnt zu den­ken: Da will ich auch hin. Hin­zu kann fami­liä­rer Druck kom­men, der sich über Rebel­li­on gegen die Fami­li­en­kul­tur wie­der­um in Kon­troll­ver­su­chen des Ess­ver­hal­tens nie­der­schlägt. Letzt­lich ver­spre­chen sich Betrof­fe­ne eine Auf­wer­tung des abge­wer­te­ten Selbst.“

Was ihre Häu­fig­keit angeht, hat der Bun­des­fach­ver­band Ess­stö­run­gen e.V. (BFE) in den letz­ten zehn Jah­ren aller­dings eine Ver­dopp­lung der Fäl­le der Ess­stö­run­gen ver­zeich­net, was also in etwa dem Zeit­raum der zuneh­men­den Ver­brei­tung und Gegen­wär­tig­keit sozia­ler Medi­en ent­spricht. Zuneh­men­der Erfolgs-Druck in Schu­le oder Stu­di­um taten ihr Übri­ges – nicht zu ver­ges­sen die Corona-Pandemie.

„Wäh­rend Coro­na sind zwar nicht unbe­dingt vie­le neue Fäl­le hin­zu­ge­kom­men, aber vie­le Rück­fäl­le. Denn in der sozia­len Iso­la­ti­on der Lock­downs bestand plötz­lich nicht mehr die Mög­lich­keit, sich wie zuvor zur Bewäl­ti­gung von psy­chi­schem Druck zum Bei­spiel dem Ver­eins­le­ben oder Kul­tur­ange­bo­ten zuzu­wen­den. So haben die Leu­te wie­der ver­sucht, Kon­trol­le über das Ess­ver­hal­ten zu erlangen.“

Atmo­sphä­re der Sicherheit

Um Men­schen mit Ess­süch­ten Hil­fe zu leis­ten, hat der SkF auch die­sen Bereich in sein Bera­tungs­an­ge­bot auf­ge­nom­men. In Ein­zel­ge­sprä­chen ver­su­chen Bera­te­rin­nen und Bera­ter dabei, zuerst den Betrof­fe­nen und Ange­hö­ri­gen eine Atmo­sphä­re der Sicher­heit und Ver­trau­lich­keit zu schaf­fen, in der sie sich dann beden­ken­los öff­nen und ihre Pro­ble­me an- oder aus­spre­chen können.

In der Sucht­be­ra­tung geht es vor­nehm­lich dar­um, die Zie­le der hil­fe­su­chen­den Per­son zu ermit­teln, um dann Lösun­gen zu fin­den. Ver­än­de­run­gen machen sich unter ande­rem in fle­xi­ble­ren Denk­mus­tern bei den Betrof­fe­nen und im bes­ten Fal­le einer posi­ti­ve­ren Sicht­wei­se auf sich und das Selbst­bild bemerkbar.

Auf­grund gesell­schaft­li­cher Tabui­sie­rung und Scham­be­setzt­heit von Ess­stö­run­gen fällt es Betrof­fe­nen aller­dings oft schwer, Hil­fe anzu­neh­men und dar­über zu spre­chen. „Das gilt im pri­va­ten und im Bera­tungs­be­reich beson­ders. Dar­um bedarf es manch­mal erst meh­re­rer Bera­tungs­ter­mi­ne, bevor sich die Betrof­fe­nen öff­nen. Dar­um ist es wich­tig, in den Gesprä­chen eine Bezie­hung auf­zu­bau­en, etwa unter Gesichts­punk­ten wie: Komm an, du bist hier sicher, wie gestal­ten wir das gemein­sam? Unser Hilfs­an­ge­bot heißt, dass man mit uns als Sucht­be­ra­tung offen und tabufrei über sei­ne Pro­ble­me spre­chen kann und so viel­leicht zu einer neu­en Blick­rich­tung kommt. Und wenn es nötig ist, bera­ten wir auch dar­über, an wel­che der vie­len ande­ren ört­li­chen Stel­len wie Gesund­heits­amt, Erzie­hungs­be­ra­tung oder Kli­ni­ken man sich wen­den kann.“

Wenn jemand fort­ge­schrit­ten an zum Bei­spiel Anorexia ner­vo­sa lei­det und bereits gesund­heits­ge­fähr­dend dünn gewor­den ist, berät die SkF sogar über­haupt nicht. In sol­chen Fäl­len folgt umge­hend der Ver­weis an eine Kli­nik oder in ärzt­li­che Behandlung.

Bera­tun­gen auf Augenhöhe

Betrof­fe­ne und Ange­hö­ri­ge fra­gen sich oft, wann der rich­ti­ge Zeit­punkt ist, sich Hil­fe zu suchen? Und wor­an kön­nen im Fall von jugend­li­chen Betrof­fe­nen Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge oder Freun­de erken­nen, wenn jemand in die Anore­xie oder Buli­mie abzu­rut­schen droht?

„Die­se Per­so­nen beschäf­ti­gen sich oft über­mä­ßig mit dem The­ma Essen. Sie begin­nen, Mahl­zei­ten aus­zu­las­sen, neh­men im Fami­li­en­kreis nicht mehr an Mahl­zei­ten teil oder ver­ste­cken Lebens­mit­tel. Hin­zu kommt oft, dass die­se Per­so­nen sich immer mehr zurück­zie­hen, nicht mehr Akti­vi­tä­ten nach­ge­hen, an denen sie vor­her mög­li­cher­wei­se Spaß hat­ten, und anfan­gen, einem sehr nega­ti­ven Selbst­bild und einer eben­sol­chen Selbst­re­fle­xi­on anzu­hän­gen. Solch ein Ver­hal­ten kann natür­lich auch ande­re Grün­de haben, aber bei Ess­sucht kommt eben noch die Kom­po­nen­te des Essens hinzu.“

Ob bei der­ar­ti­gen Anzei­chen immer sofort pro­fes­sio­nel­le Hil­fe auf­ge­sucht wer­den soll­te, hängt unter­des­sen von der betrof­fe­nen Per­son oder der jewei­li­gen Fami­li­en­struk­tur ab.

„Wenn die Kom­mu­ni­ka­ti­on in der Fami­lie und der Kon­takt zwi­schen Eltern und Kin­dern in der Fami­lie gut sind, kön­nen Ange­hö­ri­ge noch viel selbst machen. Man kann Din­ge sagen wie: Ich habe eine Ver­än­de­rung an dir fest­ge­stellt. Gibt es etwas, über das du spre­chen möch­test, kann ich dir helfen?“

Den Betrof­fe­nen auf Augen­hö­he zu begeg­nen sei dabei beson­ders wich­tig. Und auch im Fokus zu behal­ten, dass eine Ess­stö­rung zwar eine Erkran­kung ist, man des­we­gen die betrof­fe­ne Per­son aber nicht auf die Stö­rung redu­zie­ren soll­te, kann Mari­on Haa­se nur emp­feh­len. „Man soll­te ver­su­chen, die Per­son ganz nor­mal in die Fami­lie ein­zu­bin­den.“ Und, fügt sie an, auf die Gefahr hin über­vor­sich­tig zu sein, wie­so nicht schon früh­zei­tig eine Bera­tung in Anspruch neh­men? „Sie kos­tet ja nichts.“

Tria­log zur Suchtberatung

Ein zusätz­li­ches Ange­bot zu Ess­süch­ten hat der SkF Bam­berg Mit­te März begon­nen. Zusam­men mit der Uni­ver­si­tät Lands­hut orga­ni­siert er ein Gesprächs­for­mat in der soge­nann­ten Trialogform.

„Tria­log bedeu­tet“, sagt Mari­on Haa­se, „dass Fach­per­so­nen, Betrof­fe­ne und Ange­hö­ri­ge zusam­men­kom­men, wie­der­um auf Augen­hö­he, um sich aus­zu­tau­schen. Auch dabei ver­su­chen wir einen Raum zu schaf­fen, der sicher ist, um ande­re Denk- und Ver­hal­tens­mus­ter zu ermöglichen.“

Im Unter­schied zu her­kömm­li­chen Bera­tungs­kon­stel­la­tio­nen oder The­ra­pie­for­men tref­fen sich im Tria­log meh­re­re von­ein­an­der unab­hän­gig betrof­fe­ne Men­schen, Ange­hö­ri­ge und Fach­kräf­te und tau­schen sich aus. So ler­nen zum Bei­spiel Ange­hö­ri­ge die Per­spek­ti­ve ande­rer betrof­fe­ner Ange­hö­ri­ger ken­nen und Fach­kräf­te kön­nen sich mit Ange­hö­ri­gen, die sie nicht selbst betreu­ten, über deren Erfah­run­gen auf dem Weg durch die Ess­stö­rung aus­tau­schen. Auch Betrof­fe­ne kön­nen in die­sem Rah­men eine gleich­be­rech­tig­te Stim­me einbringen.

„Alle Teil­neh­men­den sind Ler­nen­de und Exper­tIn­nen zugleich. Betrof­fe­ne haben Exper­ti­se durch eige­ne Erfah­rung mit Ess­stö­run­gen, Ange­hö­ri­ge durch Erfah­rung und Beglei­tung im All­tag, und Fach­kräf­te durch Aus­bil­dung und Beruf. Bei einem Dia­log zwi­schen Ange­hö­ri­gen und Betrof­fe­nen ist es oft außer­dem so, dass die Ange­hö­ri­gen den Betrof­fe­nen gegen­über natur­ge­mäß emo­tio­nal vor­ein­ge­nom­men sind. Sie haben Ver­ant­wor­tung oder Angst um die Betrof­fe­nen. Beim Tria­log kön­nen Teil­neh­men­de frei von fami­liä­ren Bezie­hun­gen ihre Fra­gen oder Nöte mit ande­ren Betrof­fe­nen oder Ange­hö­ri­gen besprechen.“

Vier Ter­mi­ne des Tria­logs sind geplant. Einer fand bereits statt, drei wei­te­re fol­gen am
4. April, 2. Mai und 6. Juni.