Leon Tölle, Ensemblemitglied am ETA Hoffmann Theater Bamberg, erhält den Kunstförderpreis des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst in der Sparte „Darstellende
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Motto „Verwandtschaften“
ETA Hoffmann Theater: Neue Spielzeit vorgestellt
Heute Vormittag hat das ETA Hoffmann Theater das Programm seiner Spielzeit 2023 //2024 vorgestellt. Auf dem Spielplan stehen neben zwei Klassikern vor allem zeitgenössische Stücke. Neu wird die Reihe „ETA off“ mit Gästen aus der freien Szene sein, während zurückliegende hausinterne Querelen noch ein wenig nachwirken.
„Verwandte haben wir fast alle“, sagte Intendantin Sibylle Broll-Pape bei der Vorstellung der neuen Spielzeit des ETA Hoffmann Theaters, „manchmal zum Vorteil, manchmal zum Nachteil. Verwandtschaft kann Rückhalt und Stabilität bedeuten, aber auch Verpflichtungen und Herausforderung.“ Ein großes menschliches Thema sei sie allemal und nach biologischen Abstammungstheorien seien sogar alle menschlichen Wesen miteinander verwandt. „Aber selbst, wenn wir dabei nicht bis aufs Blutverwandte gehen wollen, wissen wir seit den Klimaberichten der letzte Jahre, wie sehr wir mit der Natur und allem Leben um uns herum verbunden sind und welche Verantwortungen uns daraus erwachsen.“
Auch das Theater selbst habe eine große, natürlich vor allem thematische Verwandtschaftstradition. Schon antike Stücke wie „Antigone“ oder „König Ödipus“ handelten von kaum etwas anderem. Der neue Spielplan gehe zwar nicht ganz so weit zurück, aber mit Stücken von Friedrich Schiller und Johann Wolfgang Goethe stehen zumindest zwei nachantike Klassiker auf dem Programm. „Wir beschäftigen uns im Spielplan aber eher mit Zeitgenössischen“, sagte Sibylle Broll-Pape. Ein Schwerpunkt, der vor Kurzem den Preis der Deutschen Theaterverlage einbrachte.
Das Ausmaß dieser Beschäftigung hat der Stadtrat allerdings jüngst ein wenig eingeschränkt. Ende März entschied das Gremium, entgegen dem Wunsch der Intendantin, den Vertrag von Sibylle Broll-Pape nicht über das Jahr 2025 hinaus zu verlängern. Dem vorausgegangene, unbestätigte hausinterne Vorwürfe über etwaiges persönliches und wirtschaftliches Fehlverhalten Broll-Papes seien dafür aber nicht der Grund gewesen. Der Stadtrat habe die Stelle der Intendanz nach zehn Jahren lediglich neu besetzen wollen. Bei der Vorstellung der neuen Spielzeit bedauerte Broll-Pape entsprechend, einige Inszenierungen, die wegen der Pandemie verschoben werden mussten, nun aus Zeitmangel nicht mehr realisieren zu können.
Programm 2023
Zur Spielzeiteröffnung am 6. Oktober inszeniert Sibylle Broll-Pape „Das Vermächtnis“. Das mehrfach ausgezeichnete Stück des US-amerikanischen Dramatikers Matthew Lopez handelt vom Leben dreier Generationen homosexueller Männer in New York und fragt vor diesem Hintergrund nach der Verfassung der US-amerikanischen Gesellschaft. Wegen der Länge der Textvorlage teilt das ETA Hoffmann Theater das Stück in zwei Teile – die Inszenierung der Fortsetzung steht im Januar 2024 an.
Schaurig märchenhaft wird es, wenn Regisseurin Wilke Weermann in deutscher Erstaufführung am 8. Oktober mit „Hänsel & Greta & The big bad witch“ Premiere feiert. Das Stück von Kim de l’Horizon, für den Roman „Blutbuch“ mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet, adaptiert die Geschichte von Hänsel und Gretel und macht daraus einen Kampf ums Überleben der Menschheit. „Das ist ein candybuntes Horrormärchen“, sagte der leitende Dramaturg Armin Breidenbach, „und sprachlich abgefahren.“ Märchentext mischt sich hier unter anderem mit Slang, Wortneuschöpfungen und Gereimtem.
Am 10. November gibt es den ersten Klassiker der kommenden Spielzeit am ETA Theater: „Die Leiden des jungen Werther“. Johann Wolfgang Goethes Bestseller ist 250 alt und hat nichts an Faszination eingebüßt. Das ETA bringt es als Monologstück auf die Bühne. Der zweite Klassiker steht im März nächsten Jahres mit Friedrich Schillers „Maria Stuart“ an.
Am 11. November kann das kindliche Publikum auf seine Kosten kommen. Unter der Regie von Philine Bührer, die zum ersten Mal überhaupt inszeniert, zeigt das Theater Michael Endes Märchen „Der Satanarchäolügenialkohöllischewunschpunsch“. Hinter diesem Titel verbirgt sich die Geschichte des Magiers Beelzebub Irrwitzer und der Hexe Tyrannja Vamperl, die kurz vor Silvester feststellen, dass sie ihr Pensum an schlechten Taten für das zu ende gehende Jahr noch nicht erfüllt haben.
Die große Komödie der Spielzeit, so Sibylle Broll-Pape, führt ab 1. Dezember Martin Schulze mit dem Stück „Marie-Antoinette oder Kuchen für alle!“ auf. Im Schloss von Versailles warten Ex-König Ludwig XVI. und seine Ehefrau Marie-Antoinette auf ihre Hinrichtung durch die Revolution. Dies aber schon seit fast 20 Jahren, denn man hat die beiden vergessen und längst ist Verdruss eingekehrt. „Ein Stück gemacht für Schauspielerinnen und Schauspieler, die lustig sind“, sagte Broll-Pape.
Programm 2024
Auch ein Auftragswerk bietet die neue Spielzeit am ETA Hoffmann Theater. Amanda Lasker-Berlins „Jahre ohne Sommer“ hat am 19. Januar 2024 Uraufführung und handelt von Bamberger Geschichte, namentlich den Hexenverbrennungen. Mona Sabaschus inszeniert.
Einen ungewohnten Handlungsrahmen bietet „Olm“ von Philipp Gärtner. Die Uraufführung spielt unter der Erde. In einem unerforschten Höhlensystem will der Wissenschaftler Mumiko Omar mit seinem Team ein neues Verfahren zur Energiegewinnung ausprobieren. Schnell wird die Forschungsreise aber zum Survival-Horror. Regie führt die Schweizer Regisseurin Manon Pfrunder.
Arthur Schnitzlers „Professor Bernhardi“ ist die Vorlage für „Die Ärztin“, das am 3. Mai 2024 Premiere feiert. Darin sieht sich eine Medizinerin plötzlichen Anfeindungen ausgesetzt, weil sie einem katholischen Priester den Zutritt zu einer sterbenden Patientin verwehrt, da in deren Akte kein Hinweis auf ihre Konfession zu finden ist. Der Ärztin wird Rassismus vorgeworfen, denn der Priester ist schwarz.
„Das Spiel von Liebe und Zufall“ ist eine Verwechslungskomödie des französischen Barock-Schriftstellers Pierre Carlet de Marivaux. In der Inszenierung von Sebastian Schug zeigt das Theater das Stück über gesellschaftliche Rollen und Standesunterschiede bei den Calderón-Spielen Ende Juni 2024 in der Alten Hofhaltung.
Neben den auch 2023 //2024 wiederkehrenden Formaten „ETA fragt“, „ETA trifft“ und „Villa Wild“ wird das Theater auch eine neue Reihe beginnen. Für „ETA off“ lädt es sich VertreterInnen der freien Szene ein, um diesen nach den Entbehrungen der Pandemiezeit Auftrittsmöglichkeiten zu verschaffen. Den Anfang macht am 18. Oktober das Wildwuchstheater, Auftritte von Chapeau Claque, Ernst von Leben und Kabarettist Mäc Härder folgen.
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ETA Hoffmann Theater
Partizipatives Theaterprojekt „Scheinzeit“
Am Dienstag, 25. April, führen benachteiligte Kinder und Jugendliche im ETA Hoffmann Theater das partizipative Theaterprojekt „Scheinzeit: Nicht alles Gold im Cyberspace“ auf. Der Eintritt ist kostenlos.
Die Stück-Entwicklung von „ScheinZeit – nicht alles Gold im Cyberspace“ ist Teil eines partizipativen Theaterprojektes, das vor drei Jahren am ETA Hoffmann Theater begann. Ziel ist es, die kulturelle Teilhabe von benachteiligten Kindern und Jugendlichen aus der Gereuth an einem künstlerisch-kreativen Theaterprozess zu fördern. Durch die pandemiebedingten Lockdowns musste das Projekt 2020 abgebrochen werden.
Ein Neustart erfolgte im Juni 2022 unter der künstlerischen Leitung von Therese Frosch, nun Theaterpädagogin am ETA Hoffmann Theater. In Begleitung lernten die teilnehmenden Mädchen im Alter von 12 Jahren die Grundlagen des darstellenden Spiels und die zahlreichen Möglichkeiten der szenischen Ausgestaltung kennen.
Ausgehend von der Lebenswelt der Teilnehmerinnen wurden sie dazu mit Übungen aus dem Improvisations‑, dem Narrativ-Biografischen-Theater und mit kreativen Schreiben dazu angeregt, ihre eigenen, persönlichen Geschichten zu erzählen. Sie lernten, diese nach ihren Ideen hin auszuschmücken und in Szenen zu verwandeln. Am Dienstag, 25. April, 18 Uhr, führen die Mädchen das Stück im Studio des ETA Hoffmann Theaters auf.
Entstanden ist eine Stück-Entwicklung, welche die ambivalente Alltagsrealität der Teilnehmerinnen widerspiegelt, ständig hin- und her pendelnd zwischen analoger Lebenswelt und den Aktivitäten im digitalem Raum. Ausgangspunkt war dabei das umstrittene chinesische Videoportal TikTok.
Denn zeitgleich zu den gemeinsamen Proben geriet TikTok immer häufiger in den Medien in die Kritik. Zu seinen Problemfeldern zählen unter anderem der mangelnde Daten- und Jugendschutz, Aufrufe zu Gewalt und Radikalisierung, eine umfangreiche politische Zensur, die Verbreitung von Fake News, Werbung für Fake-Markenartikel oder andere betrügerische Inhalte, bis hin zu Spionageverdachtsfällen durch die Auswertung der Nutzerprofile.
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Für Bekenntnis zur zeitgenössischen Dramatik
Preis der Deutschen Theaterverlage an ETA Hoffmann Theater
Das ETA Hoffmann Theater Bamberg erhält den Preis der Deutschen Theaterverlage 2023. Die Jury würdige mit ihrer Entscheidung das kontinuierliche, konsequente Bekenntnis des Theaters zur zeitgenössischen Dramatik.
Wie der Verband Deutscher Bühnen- und Medienverlage mitteilte, geht der diesjährige Preis der Deutschen Theaterverlage an das Bamberger ETA Hoffmann Theater. Der Verband vergibt den undotierten Preis seit 2006 im Wechsel an ein Opern- oder Schauspielhaus. Seiner Jury gehören in diesem Jahr die Komponistin Iris ter Schiphorst, der Komponist Ketan Bhatti, der Theaterautor Ulrich Hub sowie Ruth Feindel (Suhrkamp Theater), Daniela Brendel (Ricordi Berlin) und Annette Reschke (Verlag der Autoren) an.
Neben dem Bekenntnis zur zeitgenössischen Dramatik des ETA Theaters habe bei der Entscheidung der Jury, laut einer Mitteilung des Verbands, auch eine kluge Spielplangestaltung, in der sich die Überzeugung spiegele, dass neue Stücke für die Beschäftigung mit den drängenden Themen der Gegenwart unverzichtbar seien, eine Rolle gespielt. Dabei liefere das ETA Theater aber keine schnellen Erklärungen und einfachen Gewissheiten, sondern lade das Publikum zur gemeinsamen Annäherung an die Leitfrage ein, die über jeder Spielzeit steht. Einige der ETA-Mottos der letzten Jahre lauteten: Was bedeutet Heimat? Was macht Europa aus? Was heißt der Westen? Und in dieser Spielzeit: Wie angreifbar, wie verletzlich sind wir?
In die Suche nach Antworten auf diese Fragen hätten Intendantin Sibylle Broll-Pape und ihr Team zudem von Beginn an zeitgenössische AutorInnen wie selbstverständlich einbezogen. Dabei seien die Beteiligten von der Überzeugung geleitet, dass eine kontinuierliche Zusammenarbeit für AutorInnen, Theater und Publikum ein Gewinn ist.
Die Verleihung des Preises der Deutschen Theaterverlage findet im Juni in Bamberg statt.
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Theaterstück über den Ukraine-Krieg
„Zerstörte Straßen“ im ETA Hoffmann Theater
Am kommenden Freitag feiert Natalia Vorozhbyts „Zerstörte Straßen“ Premiere im Großen Haus des ETA Hoffmann Theaters. Das Theaterstück, das vor fünf Jahren entstand, thematisiert den Ukraine-Krieg. Durch eine neue Szene wird das Stück bis in die Gegenwart hinein fortgesetzt.
Was macht der Krieg in der Ukraine mit den Menschen? Welche Beschädigungen hat er in den letzten acht Jahren bereits hinterlassen? Wie sieht der Alltag in einem vom Krieg zerrissenen Land aus? Diese Fragen sind zentral für die ukrainische Autorin und Filmemacherin Natalia Vorozhbyt. Ihr Stück „Zerstörte Straßen“ (Bad Roads; Deutsch von Lydia Nagel), das sie schon 2017 für das Royal Court Theatre in London geschrieben hat, zeigt Menschen, die eine nur noch Gesetzen des Krieges gehorchenden Welt zu bewältigen versuchen. Das ist mal absurd, mal bitter, mal bedrückend. Wie soll man auch klarkommen, wenn das eigene Land auf einmal geteilt ist in einen Teil, in dem Krieg herrscht, und einen Teil, der scheinbar normal funktioniert? Vorozhbyts Figuren suchen in einem Alltag zwischen Gewalt, Folter und Missbrauch nach einem Ausweg und Überlebensstrategien. Gibt es nicht doch noch einen Rest Menschlichkeit inmitten des unvorstellbaren Wahnsinns, der Krieg heißt?
Fortsetzung des Stücks um gegenwärtige Situation
Das Theaterstück über den Ukraine-Krieg feiert am kommenden Freitag, 21. Oktober, um 19:30 Uhr Premiere im Großen Haus, wie das ETA Hoffmann Theater mitteilt.
Für ihren Text hat Vorozhbyt eigene Recherchen und Geschichten von aus dem Donbas Geflüchteten genutzt. Für das ETA Hoffmann Theater wird die Autorin eine neue Szene schreiben und das Stück damit bis in die Gegenwart hinein fortsetzen.
Natalia Vorozhbyt ist Co-Gründerin des Theaters der Vertriebenen, in dem Geflüchtete aus dem Donbas ihre Geschichten erzählen können. „Bad Roads“, der Film nach dem Stück in der Regie der Autorin, kam 2020 in die Kinos und wurde 2021 als ukrainischer Oscar-Beitrag ausgewählt.
Regisseur Wojtek Klemm stellt sich mit seiner Inszenierung erstmals dem Bamberger Publikum vor.
Zuständig für Bühne und Kostüme ist Romy Rexheuser, für die Musik Ola Rzepka und für die Dramaturgie Armin Breidenbach. Das Stück wird von Marek Egert, Robert Knorr, Jeanne LeMoign, Alina Rank, Stephan Ullrich, Eric Wehlan gespielt.
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Bayerischer Kunstförderpreis
Preis für „Darstellende Kunst“ an fünf DarstellerInnen
Den Kunstförderpreis des bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst in der Sparte „Darstellende Kunst (inkl. Tanz)“ erhalten in diesem Jahr fünf DarstellerInnen von bayerischen Theatern. Unter den Ausgezeichneten ist auch ein Schauspieler aus Bamberg.
In der Sparte „Darstellende Kunst (inkl. Tanz)“ geht der Kunstförderpreis des bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst 2022 an den Schauspieler Jakob Immervoll, den Sänger Matija Meić, den Tänzer Nikolaos Doede und die Schauspielerin Luiza Monteiro. Mit Schauspieler Stefan Herrmann wurde zudem ein Ensemblemitglied des Bamberger ETA Hoffmann Theaters ausgezeichnet. Das gab Kunstminister Markus Blume gestern in München bekannt.
Jedes Jahr verleiht der Freistaat 17 Kunstförderpreise in den vier Sparten „Musik“, „Bildende Kunst“, „Darstellende Kunst (inkl. Tanz)“ und „Literatur“. Fachjurys schlagen die KünstlerInnen der verschiedenen Sparten vor. Die PreisträgerInnen, die am Beginn ihres Schaffens stehen, sollten sich durch außergewöhnliche künstlerische Begabung auszeichnen und hervorragende Leistungen vorweisen können. Der Kunstförderpreis ist mit jeweils 6.000 Euro für Einzelpersonen beziehungsweise mit jeweils 10.000 Euro für Ensembles dotiert. Die Verleihung der diesjährigen Bayerischen Kunstförderpreise findet am 14. November in der Hochschule für Musik und Theater München statt.
PreisträgerInnen des Bayerischen Kunstförderpreises 2022 in der Sparte „Darstellende Kunst (inkl. Tanz)“
Der 1990 geborene amerikanische Tänzer Nikolaos Doede begann sein Ballettstudium in Los Angeles und führte es an der Ballettschule in Hamburg fort. Dort wirkte er währenddessen von 2008 bis 2011 beim Hamburger Ballett in zahlreichen Choreografien mit. Von 2011 bis 2015 war er am Ballett Kiel engagiert, wo Yaroslav Ivanenko für ihn mehrere Solorollen kreierte. 2015 wechselte er ans Ballett Hagen unter Ricardo Fernando. Mit ihm setzt Doede seine Zusammenarbeit seit 2017 am Ballett des Staatstheater Augsburg fort. Die Jury würdig insbesondere Doedes breites künstlerisches Potential als Tänzer, Musiker, Sänger, Komponist, Choreograph, Fotograf und Filmemacher.
Jakob Immervoll wurde 1992 in Wien geboren. Dort sammelte er von 2006 bis 2009 am Volkstheater Wien und am Dschungel Wien erste Theatererfahrung. Seine Ausbildung im Schauspiel erhielt er 2013 bis 2017 an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. 2016 spielte er am Deutschen Schauspielhaus Hamburg in „Yvonne, Prinzessin von Burgund“. Das Stück erhielt den Ensemblepreis und Preis für Studierende beim 27. Theatertreffen deutschsprachiger Schauspielstudierender in Bern. Immervoll sei auf der Bühne ein herausragender Erzähler. Er beherrsche meisterhaft die Kunst, Geschichten neu zu erfinden, in Szene zu setzen und den Menschen nahe zu bringen. Mit seinem Wirken präge er das Münchner Volkstheater und die Münchner Theaterszene als Ensemblemitglied entscheidend, so die Jury.
Matija Meić wurde in Zagreb geboren und erhielt dort und an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien seine Ausbildung. Er sang unter anderem Escamillo („Carmen“), Figaro („Il barbiere di Siviglia“) und Belcore („L’elisir d’amore“) am Kroatischen Nationaltheater Zagreb, Don Alvaro („Il viaggio a Reim“«) beim Belcanto Opera Festival Bad Wildbad und Ping („Turandot“) bei den Bregenzer Festspielen. Im Konzertbereich war er zum Beispiel mit dem Zagreb Philharmonic Orchestra sowie mit dem Dubrovnik Symphony Orchestra als Solist zu hören. Seit 2016 ist er festes Ensemblemitglied am Gärtnerplatztheater in München. Dort habe er sich zu einem ersten großen Kavalierbariton entwickelt. Das Juryurteil lobte Meićs perfekte technische Stimmführung, sein Timbre und seine enorme schauspielerische Begabung.
Die 1997 in Rio de Janeiro geborene Schauspielerin Luiza Monteiro absolvierte ihre Ausbildung 2017 an der Münchner Theaterakademie August Everding. Schon während dieser Zeit wirkte Monteiro bei Inszenierungen am Mozarteum Salzburg und am Thalia Theater Hamburg, am Prinzregenten- und am Metropoltheater München mit. Ab September 2021 folgte das Engagement am Stadttheater Ingolstadt, wo sie gleich mehrere Hauptrollen übernahm. 2019 erhielt Monteiro den Monika Bleibtreu Preis für das Stück „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“. Die Jury ist der Meinung: Luiza Monteiro sei eine Entdeckung. Bereits in ihrem ersten Jahr am Stadttheater Ingolstadt habe sie mit ihrer Bühnenpräsenz und ihrer Spielenergie, die sie mit Sensibilität und Einfühlungsvermögen vereine, begeistert. Sie nehme ihren großen Charme, ihren schelmischen Witz und ihre starke Persönlichkeit mit auf die Bühne. Auch verleihe sie ihren Figuren Vielschichtigkeit und Authentizität.
Stefan Herrmann, geboren 1989 in Würzburg, studierte von 2012 bis 2016 an der Folkwang Universität der Künste in Bochum Schauspiel. Nach dem Studium arbeitete er zunächst als freier Schauspieler und war am Staatstheater Nürnberg in „Töt’ erst sein Weib“, später am Pfalztheater Kaiserslautern unter anderem als Ariel in William Shakespeares „The Tempest“ zu sehen. Seit der Spielzeit 2018 //2019 ist Herrmann festes Ensemblemitglied am ETA Hoffmann Theater Bamberg. Laut Jury zeichnet er sich in zahlreichen Arbeiten durch seine große Vielseitigkeit, Sensibilität und Empathie aus – sei es als Ensemblespieler oder als Protagonist. Es gelinge ihm, seinen großen Horizont in Inszenierungen einzubringen und über sich hinauszuwachsen.
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38. Bayerische Theatertage
„Kitzeleien – Der Tanz der Wut“ erhält den Publikumspreis
Zum Abschluss der 38. Bayerischen Theatertage, die in diesem Jahr vom ETA Hoffmann Theater in Bamberg ausgerichtet wurden, wurde am gestrigen Samstag der Publikumspreis vergeben. Unter allen gezeigten Gastspielen bekam die Kulturbühne Spagat aus München mit „Kitzeleien – Der Tanz der Wut“ die beste Bewertung von den Zuschauerinnen und Zuschauern.
Regie bei der deutschsprachigen Erstaufführung von „Kitzeleien – Der Tanz der Wut“ führt Thorsten Krohn, gespielt wird das Solo-Stück, das sich um das Thema Kindesmissbrauch dreht, von Lucca Züchner.
Die heile Welt der achtjährigen Odette zersplittert, als Ronald, ein Freund der Familie, sie sexuell missbraucht. Das Tanzen, das sie von Kindesbeinen an liebt, wird ihre einzige Zuflucht. 22 Jahre später beginnt Odette, das Erlebte aufzuarbeiten. Mit wütender Kraft und lebensrettendem Humor erzählt Odette ihre Geschichte, durchläuft Höhen und Tiefen auf ihrem Weg zurück zu sich selbst und entdeckt schließlich, was sie tun muss, um das Blatt zu wenden.
„Kitzeleien – Der Tanz der Wut“ erzählt von diesen oft typischen Wegen eines Kindes, das Opfer von sexualisierter Gewalt geworden ist. Der Monolog basiert auf der wahren Geschichte der Autorin, genauso wahr wie die alarmierende Realität: jedes Jahr werden in Deutschland tausende Missbrauchsfälle gezählt, die Dunkelziffer ist hoch. Die Geschichte spricht laut und deutlich aus, was viele nicht hören wollen, was in Bausch und Bogen abgelehnt wird. Denn was ist unerträglicher als der Missbrauch eines Kindes?
Diese One-Woman-Show widmet sich einem sehr ernsten Thema jedoch mit großer Leichtigkeit, sogar mit viel Humor. Die Schauspielerin Lucca Züchner gleitet von einer Rolle in die nächste, verwandelt sich von einem Moment zum anderen. Sie führt die Zuseherinnen und Zuseher ins tiefste Innere des Tanzes, wo es ihr erlaubt ist, all das auszudrücken, was nicht gesagt werden kann.
Für die Choreographische Einrichtung bei „Kitzeleien – Der Tanz der Wut“ ist Sophie Charlotte Becker verantwortlich, für die Dramaturgie Stephanie Tschunko, für das Licht Janik Valler und für Musik-/Sounddesign Moritz Hasse.
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ETA Hoffmann Theater
38. Bayerische Theatertage
Vom 13. bis 28. Mai ist das ETA Hoffmann Theater Ausrichter der 38. Ausgabe der Bayerischen Theatertage. Ein Blick auf das Programm und den Auswahlprozess für das Festival mit ETA-Intendantin Sibylle Broll-Pape und der Sprecherin des Auswahlgremiums, Victoria Weich.
Die Bayerischen Theatertage, Bayerns größtes Theaterfestival, finden 2022 zum siebten Mal in Bamberg statt. Mehr als 30 Inszenierungen verschiedenster bayerischer Theater hat das Auswahlgremium um Victoria Weich, Leitende Dramaturgin am ETA Theater, nach Bamberg eingeladen.
Im so gewonnenen Programm spiegelt sich die Vielfalt bayerischer Theater, zahlreiche Themen gesellschaftlicher Missstände und aktueller Entwicklungen wider. Im umfangreichen Rahmenprogramm steht die Freude über die Aussicht, wieder 100 Prozent Publikumsauslastung haben und ausgelassen feiern zu können, im Vordergrund. Wir haben mit Sibylle Broll-Pape und Victoria Weich gesprochen.
Frau Broll-Pape, vor einigen Wochen haben Sie zur Eröffnung der Bayerischen Theatertage eine rauschende Eröffnungsfeier angekündigt. Auf was kann sich das Publikum einstellen?
Sibylle Broll-Pape: Darauf, dass man endlich wieder in der Gemeinschaft sein und miteinander feiern kann! Ich muss allerdings sagen, dass die damalige Pressekonferenz vor einem anderen Hintergrund stattfand. Damals gab es noch keinen Krieg in Europa. Jetzt sind wir durch den Angriffskrieg mit einer desaströsen Situation konfrontiert und uns stellte sich die Frage, ob wir das Festival, so wie wir es geplant hatten – mit Feiern und Tanz– vor der neuen Situation überhaupt veranstalten sollten. Wir haben innegehalten und uns entschieden, nicht zurückzuschrecken. Deshalb wird es ein rauschendes Eröffnungsfest mit zahlreichen Gästen, der einladenden Live-Musik von vier Jazz-Musikerinnen um Sängerin Johanna Schneider, eigens gebrautem Festivalbier und viel Vorfreude auf die Festivalzeit geben.
Wird der Krieg in der Ukraine in der einen oder anderen Form ins Festival-Programm eingehen?
Sibylle Broll-Pape: Ja, da sind wir dran, man kann ja gar nicht anders. Wie man als Theater auf so eine Situation aber richtig reagiert, ist nicht ganz einfach zu beantworten.
Ließe sich spontan ein weiteres Stück, eines mit Kriegsthematik, ins Programm aufnehmen?
Sibylle Broll-Pape: Nein, das geht nicht – zumal wir mit „Gott ist nicht schüchtern“ ein Stück mit verwandter Thematik im regulären Spielplan haben. Außerdem ist das Programm eine kuratierte Angelegenheit, in die wir nicht noch etwas reinpflanzen möchten. Wir haben für die Auswahl nach speziellen Formen und besonderen Inhalten gesucht. Und da zu dem Zeitpunkt, als wir kuratierten, Krieg in dieser Form nicht allgegenwärtig war, war das Thema kein Kriterium der Auswahl. Das im Nachhinein noch zu verändern, wäre falsch.
Zur Eröffnung inszenieren Sie die Uraufführung der Auftragsarbeit „Kängurus am Pool“ von Theresia Walser. Darin geht es im weitesten Sinne um eine Hausgemeinschaft wider Willen. Bestehen darin aktuelle Bezüge?
Sibylle Broll-Pape: Durchaus hat das Stück etwas mit der pandemischen Situation der letzten beiden Jahre zu tun hat. Es steht zwar nicht Corona drauf oder drin, aber vieles, das uns als Gesellschaft beschäftigt hat, ist spürbar. Die Vereinzelung zum Beispiel, der Umgang mit Alten und vor allem der Humor, mit dem wir Menschen Widrigkeiten begegnen können.
Victoria Weich: Die Leute, die in diesem Haus leben, sind ganz unterschiedlich. Es gibt zum Beispiel den Paketboten, der immer die merkwürdigsten Dinge die Treppe rauf schleifen muss. Ein Hinweis auf die Realität, die wir in den letzten beiden Jahren hatten: geschlossene Geschäfte, überforderte Niedriglöhner. Eigentlich ist er von Beruf Hornist – ein weiterer Verweis, hier auf den Kulturbetrieb, in dem er nicht mehr auftreten kann. Theresia Walser findet zu diesen Figuren einen humorvollen Zugang. Der Paketbote zum Beispiel attestiert einem Hausbewohner eine „Bläserschnute“, er hätte wirklich „was erreichen können mit so einem Posaunenmaul“ – anstatt jetzt ominös viel Katzenstreu zu bestellen.
Bei der Vorstellung des Festival-Programms sagten Sie, Frau Weich, dass das Auswahlgremium, um Programm-Stücke zu finden, monatelang von Theater zu Theater reiste. Was ließ sich dabei über bayerische Theater lernen?
Victoria Weich: Viel – vor allem über Bayern selbst. Dass es ein Flächenbundesland ist, ist mir erst in den Regionalzügen des Landes so richtig klargeworden (lacht). Man lernt, dass es in der größten, aber auch in der kleinsten Stadt tolle Qualität gibt, denn die Größe sagt erstmal nichts darüber aus, wie gut und mit welcher Leidenschaft Kunst gemacht wird. Außerdem haben wir mitten in der Hochphase der Einschränkungen gesichtet, in Zeiten von 25-prozentiger Publikumsauslastung. Uns ist schmerzlich vor Augen geführt worden, wie existenzbedrohend diese Bedingungen waren.
Wie geht es den bayerischen Theatern entsprechend heute?
Victoria Weich: Da kann ich nur mutmaßen. Dort, wo es treues Publikum und Fangemeinden gibt, war es für die Theater einfacher zu überleben. Dort, wo Theater einen schwereren Stand in der Freizeitgestaltung hat, war die Pandemiezeit anstrengender. Der Mut ist aber auch bei jenen, die es schwerer hatten, nie abgeschlafft.
Wie geht es dem ETA Hoffmann Theater?
Victoria Weich: Ich finde, es ging uns während der ganzen Zeit verhältnismäßig gut.
Sibylle Broll-Pape: Genau. Aber wir merken schon, dass die Leute im Augenblick noch etwas zurückhaltend sind. Das ist bei den aktuellen Inzidenzen aber auch kein Wunder. Betrachtet man die letzten zwei Jahre, ist unser Publikum immer in dem Moment, in dem wir wieder öffnen oder mehr anbieten durften, in großer Zahl wiedergekommen. Das war schon toll. Wir sind eines der Theater mit sehr treuem Publikum.
Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie die Auswahl der Stücke, die bei den Theatertagen gezeigt werden, getroffen?
Victoria Weich: Für uns waren Leitfragen wichtig wie: Vermittelt sich grundsätzlich die Thematik, die das Stück behauptet? Wird die Thematik in einer Art und Weise vermittelt, die den Horizont erweitert, anregt, im positiven oder negativen Sinne? Geschieht das auf einem guten oder hohen künstlerischen Niveau? Denn es geht nicht um Geschmack, ob uns vom Auswahlgremium ein Stück gefallen hat. Zudem ist die Spiellust oder das Engagement auf der Bühne wichtig gerade auch bei kanonischen Texten: Gibt es einen neuen Zugriff? So hangelt man sich von Kriterium zu Kriterium. Und letztendlich haben wir uns gefragt: Ist es für Bamberg eine Bereicherung, etwas, das wir hier so noch nicht gesehen haben? Die Idee der Bayerischen Theatertage ist ja auch, in der gastgebenden Stadt Formen und Themen stattfinden zu lassen, die das eigene Programm bereichern und erweitern. So ist es toll, dass performative Formate, das Digitale, Musiktheater und Theater für Kinder und Jugendliche ihren Platz haben werden.
Das Stück „Die Reise der Verlorenen“ vom Theater theaterlust aus Haag handelt von einem Schiff voller Geflüchteter zu Zeiten des 2. Weltkriegs, das kein Hafen aufnehmen will. Was qualifizierte dieses Stück für das Festivalprogramm?
Victoria Weich: Wenn ein Romancier wie Daniel Kehlmann einen Theatertext schreibt, ist historische Wahrhaftigkeit gesetzt. Das hat uns bei dem Thema Geflüchtete sehr gereizt. Seine Sprache hat in der Inszenierung einen wunderbaren Raum bekommen. Außerdem ist das Theater theaterlust ein freies, tourendes Theater, das sich viel vorgenommen hat mit dem Stück. Wir finden es zeigenswert, dass so wichtige Stoffe von Gegenwartsautoren eben nicht nur an etablierten Häusern stattfinden können, sondern auch ganz wunderbar in freien Gruppen.
Das Stück passt auch zur aktuellen Fluchtthematik. War das auch ein Grund, es auszuwählen?
Victoria Weich: Klar. Wir müssen immer wieder in die Literatur schauen und sie befragen, was sie uns über heutige Probleme sagen kann. Das löst die Probleme natürlich nicht, aber es erzählt uns etwas darüber, was wir für einen historischen Rucksack tragen und welche Verantwortung. Sie möge uns Hinweise darauf geben, wie wir zum Beispiel heute mit Geflüchteten empathisch und hilfsbereit bleiben können, uns erinnern, dass jeder Flüchtling einen Anspruch auf Asyl hat.
Aktuell ist auch die Thematik der Komödie „Status Quo“, die das Theater Hof beisteuert. Es geht um Diskriminierung, wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen, denn das Stück spielt in einer Welt, in der Männer die Opfer von Diskriminierung sind und nicht Frauen.
Victoria Weich: Ja, alles ist umgekehrt und man sieht, dass es natürlich trotzdem falsch ist. Diskriminierung ist immer falsch. Im Stück wird augenfällig, dass Sexismus strukturell misogyn ist und ich kann über das Lachen verstehen, wie verrückt das eigentlich ist: Menschen wegen ihres Geschlechts schlecht behandeln. Absurd, oder? Es gibt eigentlich gar keinen Grund.
Ein düsteres Thema zeigt die Kulturbühne Spagat München mit „Kitzeleien – Der Tanz der Wut“, nämlich Kindesmissbrauch.
Victoria Weich: Der Solo-Abend der Schauspielerin erzeugt großen Respekt davor, dass eine Missbrauchs-Geschichte erzählt wird. Sie verhandelt ihre Erfahrungen mit sich selbst und dem Publikum. Da steckt eine große, sehr berührende Bereitschaft zur Offenbarung drin. „Absolut überraschend und manchmal sogar komisch“, sagte mein Kollege aus dem Auswahlgremium, Christoph Leibold.
Ebenfalls ernsten Stoff bietet „Butterfly Brain“ vom Nürnberger Theater Curtis & Co. dance affairs. Es geht um Demenz.
Sibylle Broll-Pape: Schwere Stoffe können auch in leichten Stücken wie „Butterfly
Brain“ ausgedrückt werden. Dafür stehen auch wir als Haus sehr. Ich finde, dass man
inhaltlich etwas zu sagen haben muss und dafür gibt es unterschiedliche Formen. Es sind schwere Themen, aber auf eine Art und Weise gemacht, dass man damit umgehen mag und nicht gleich abgeschreckt ist.
Trotzdem könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Stücke auch unter dem Gesichtspunkt ausgewählt wurden, möglichst viele aktuelle Debatten zu bedienen. In „Bestätigung“ vom Staatstheater Nürnberg geht es um einen Linken, der versucht, einen Holocaustleugner zu überzeugen, in „4.48 Psychose“ vom Metropoltheater München um Depressionen.
Victoria Weich: Natürlich wollen wir aktuelle Debatten auf die Bühne bringen. Und zum Beispiel gerade der „Butterfly Brain“-Abend ist befreiend und glaubt an das Gute in den Dingen. Ich denke, das wird ein Abend sein, aus dem auch das Publikum sozusagen beflügelt rauskommt. Es geht auch darum, mit Situationen leichtfüßig und offenherzig umzugehen. „Bestätigung“ von Chris Thorpe wird auch kein schwerer Abend. Das Stück konfrontiert mit Vorannahmen und das ist oft auch zum Lachen: Wie schwer es ist, die eigenen Überzeugungen zu verlassen.
Was an der Auswahl auch auffällt: Mehrere Stücke haben nur eine oder zwei Personen auf der Bühne und kaum Bühnenbild. Ist das ein gestalterischer Theater-Trend?
Victoria Weich: Das hat jeweils unterschiedliche Gründe. Nehmen wir „Bestätigung“. Das ist so konzipiert, dass man am Anfang gar nicht weiß, ob das Stück schon läuft oder ob der Schauspieler privat mit einem redet. Das erfordert, dass es kaum merkliche Kulissen gibt. Ein reduziertes Bühnenbild oder Stücke mit kleiner Besetzung waren außerdem eine Möglichkeit für Theater, in den zurückliegenden Monaten weiter zu spielen, ohne zu große Kosten zu haben oder Infektionen des Personals zu riskieren. Pragmatische Gründe also, denn die Regularien für Theater waren sehr streng. Je kleiner das Stück, umso besser war es machbar. Es ist eine Überlebensstrategie, aber kein Trend.
Sibylle Broll-Pape: Zudem mussten wir uns bei der Stückeauswahl immer überlegen, wie viel Platz wir auf den Bühnen haben. Eine Oper passt bei uns nicht rein. Die opulenten Bühnenbilder können Sie nur in den großen Häusern sehen. Und wenn man dann schon reduzierte Stücke hat, sind die Stücke, die kaum Personal oder Dekoration auf der Bühne haben, oft die besten. Ein halbes Schloss als Kulisse will ja auch niemand sehen.
Das schließt die Frage aus, inwiefern bei der Auswahl der Stücke auf Größe oder Opulenz geachtet wurde.
Sibylle Broll-Pape: Man muss schlicht pragmatisch rangehen. Wir haben ja auch keine Ausweichspielstätten.
Drei Klassiker stehen auch auf dem Programm: „Cyrano de Bergerac“ vom Residenztheater München, „Peer Gynt“ vom Bamberger Theater im Gärtnerviertel und „Die Dreigroschenoper“ vom Theater Regensburg. Wiederum bei der Vorstellung des Festival-Programms sagten Sie, Frau Weich, dass auch Klassiker für Vergnügen sorgen können. Das klang ein bisschen abwertend.
Victoria Weich: Klassiker frisch und zeitgemäß auf die Bühne zu bringen, ist gar nicht so leicht. Während unserer Reisen – und das spiegelt sich auch in der Auswahl wider – ist uns aufgefallen, dass viele Theater mit den Gegenwartsstoffen besser zurechtkommen. Die Inszenierungen waren dringlicher, die Leidenschaft für ein Thema stärker. Die drei ausgewählten Klassiker haben jeweils ihre Besonderheiten. Der „Cyrano“ ist eine tolle Bearbeitung, mit zwei hervorragenden Schauspielern. „Peer Gynt“ ist gedacht und gemacht für Theater an ungewöhnlichem Ort und „Die Dreigroschenoper“ mit der ernsthaften Frage, welches Geschlecht das verführerischere Verbrechen hat, weil Mackie Messer mit einer Frau besetzt ist. Alles Zugriffe, die den Klassikern neues Leben geben – dann bereiten sie Vergnügen!
Die Theatertage bieten ein großes Rahmenprogramm. Am 15. Mai gibt es zum Beispiel einen Staffellauf fürs Klima, der vor dem Theater vorbeikommt. Laufen Sie mit?
Victoria Weich: Nein, wir beiden nicht (lacht). Das Ensemble muss ran. Es wird dazu auch noch ein Podiumsgespräch geben, das vom Ensemble in Kollaboration mit „Performing for Future – Netzwerk für Nachhaltigkeit in den Darstellenden Künsten“ organisiert wird. Mehr als 30 deutsche Theater sind beteiligt.
Was wird sonst noch geboten sein?
Victoria Weich: Es liest zum Beispiel am 17. Mai die Autorin Alice Hasters aus ihrem Buch „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ und am 18. Mai gibt die experimentelle Musikerin TiNTiN PATRONE mit Posaune, Looper und diversen elektronischen Instrumenten ein Konzert, kuratiert von SOG – Innovative Musik aus Bamberg. Außerdem macht unser Ensemble ein Hip-Hop-Musical und wir werden ein Festivalzelt und zünftiges Bergfest haben. Wer sich in Dirndl oder Lederhosen kleidet, bekommt ein Freibier, natürlich die Festivalvariante.
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Benefizveranstaltung für die Ukraine
Lesung: Volha Hapeyeva
Morgen Abend liest die Autorin Volha Hapeyeva um 20 Uhr im Studio des ETA Hoffmann Theaters aus ihren Werken. Im Anschluss spielen die beiden Mitglieder der Bamberger Symphoniker, Vladislav Popyalkovsky und Eduard Resatsch, ein Konzert. Die Spendeneinnahmen des Abends kommen der Initiative „Bamberg hilft Ukraine“ zugute.
Volha Hapeyeva, 1982 in Minsk geboren, ist Lyrikerin, Linguistin, Übersetzerin und Romanautorin – eine politisch denkende und schreibende Poetin. In ihrem preisgekrönten Essay „Die Verteidigung der Poesie in Zeiten dauernden Exils“ führt Hapeyeva die Macht der Sprache gegen ihren gewalttätigen Missbrauch an. Poesie könne ein Zuhause sein, weil sie Widerständigkeit fördere und das Potenzial böte, die Unterdrückungslogik von „wir“ und „sie“ durch Mitgefühl zu überwinden.
Hapeyevas Roman „Camel Travel“ durchwandert eine Kindheit von Minks bis Moskau und kartographiert politische Entwicklungen aus den Augen eines Kindes. Ihre Gedichte wie „der rote himmel, der nach eisen schmeckt“ handeln von Kriegs- und Fluchterfahrung.
Für ihre Werk erhielt Volha Hapeyeva Werk zahlreiche internationale Preise und Auszeichnungen. Ihre Gedichte wurden in mehr als 15 Sprachen übersetzt. Unter dem Titel „Mutantengarten“ liegt auch eine Auswahl auf Deutsch vor.
In der Lesung wird die Autorin aus ihrem Essay, ihrem Roman und ihrer Lyrik vortragen. In einem anschließenden Gespräch berichten Volha Hapeyeva, wie ihre Biografie und ihre Poesie ineinanderfließen.
Danach spielen der Violinist Vladislav Popyalkovsky und Eduard Resatsch, Violoncello, ein kleines Konzert. Popyalkovsky ist in Lettland geboren und wuchs in St. Petersburg auf, Resatsch ist Ukrainer. Beide sind Mitglieder der Bamberger Symphoniker und ergänzen den Abend im Zeichen der Empathie musikalisch, als weitere Sprache der Kunst.
Der Eintritt ist frei. Das ETA Hoffmann Theater bittet um Spenden, die der der Initiative „Bamberg hilft Ukraine“ zugutekommen.
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Wegweisende Auswahl und 100 Prozent Auslastung angekündigt
38. Bayerische Theatertage in Bamberg
Wenn vom 13. bis 28. Mai die 38. Ausgabe der Bayerischen Theatertage stattfindet, ist es bereits das siebte Mal, dass das ETA Hoffmann Theater ihr Ausrichter ist. Nachdem Bayerns größtes Theaterfestival 2021 pandemiebedingt ausfallen musste, plant das ETA Theater die Rückkehr 2022 in ebenso großen Dimensionen.
In erster Linie soll das für die Auslastung des Publikumsraums gelten. „Vor dem Hintergrund einer hoffentlich zurückgehenden Pandemie“, sagte ETA-Intendantin Sibylle Broll-Pape bei der Vorstellung des Spielplans der Theatertage, „gehen wir von 100 Prozent Publikums-Auslastung aus.“ Auch eine „rauschende Eröffnungsfeier“ und ein Bergfest, jeweils inklusive eines eigens gebrauten Festivalbiers, Konzerte und Diskussionsrunden sind geplant. „Es soll einfach ein Fest für Bamberg und das Publikum sein.“
Diesem Publikum hat das Auswahlgremium ein Programm von mehr als 25 Stücken zusammengestellt. Um die Auswahl der Inszenierungen, die Theater aus ganz Bayern in Bamberg auf die Bühne bringen werden, treffen zu können, reiste das Gremium um ETA-Dramaturgieleiterin Victoria Weich die letzten Monate durch den Freistaat und sichtete mehr als 100 Produktionen. Herausgekommen ist ein Spielplan mit Inszenierungen von unter anderem dem Mainfrankentheater Würzburg, dem Theater Hof, dem Münchner Residenz- und Volkstheater, den Staatstheatern Nürnberg und Augsburg, dem Landestheater Schwaben und dem Bamberger Theater im Gärtnerviertel.
Auf dem Programm für Kinder und Jugendliche stehen Beiträge vom, zum Beispiel, Landestheater Coburg oder dem Theater Mummpitz aus Nürnberg. Zur Eröffnung zeigt das ETA Theater mit der Uraufführung von „Ein neues Stück“ von Theresia Walser seinen einzigen eigenen Beitrag zum Programm.
Auswahl der Produktionen
Die letzliche Auswahl derjenigen Produktionen, die nach Bamberg eingeladen werden, geschah indes nach „selbstgestellten Kriterien“, so Sibylle Broll-Pape, und müsse zum Haus passen. Anders ausgedrückt heißt das: je zeitgenössischer, desto besser. Victoria Weich fasste die Auswahl in diesem Sinne gar als eine „wegweisende für das Bayerische Theater“ zusammen.
Auch wenn Inszenierungen älterer Stücke oder von Klassikern bei der Zusammenstellung des Programms nicht vergessen worden seien, und durchaus „für Vergnügen sorgen können“, erkennt das Gremium das Potenzial des Wegweisenden eher in zeitgenössischen Produktionen.
„Es geht nicht mehr nur um Goethe“, sagte Victoria Weich. „An den Produktionen, die wir ausgewählt haben, kann man erkennen, wie sich Theater heute mit Wirklichkeit auseinandersetzt.“ Speziell in dieser Offenheit gegenüber aktuellen Themen wie zum Beispiel Gleichberechtigung und Identität habe man Wegweisendes ausgemacht. Inwieweit das Programm der Theatertage im Angesicht der Tatsache, dass gerade in der Theaterszene bereits seit Jahren solche Thematiken behandelt werden, aber wirklich neue Wege beschreitet, sei dahingestellt.
Eine Aussage, die Oberbürgermeister Andreas Starke im Zuge der Vorstellung des Spielplans machte, passt insofern auf jeden Fall doppelt. Dank der Perspektive deutlich entspannterer Rahmenbedingungen für das Festival als in den beiden Corona-Jahren zuvor „sind die Theatertage auch eine Rückkehr zur Normalität.“
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38. Bayerische Theatertage
ETA Hoffmann Theater sucht Junge Festivalredaktion
Für die ab Mitte Mai stattfindenden Bayerischen Theatertage sucht der diesjährige Ausrichter, das ETA Hoffmann Theater, junge Menschen, die das Festival als Junge Festivalredaktion mit unterschiedlichen Beiträgen begleiten.
Zum 7. Mal richtet das ETA Hoffmann Theater in Bamberg die Bayerischen Theatertage aus: Vom 13.–28. Mai 2022 werden wegweisende, politische, inspirierende Inszenierungen sowie digitale Projekte aus ganz Bayern gezeigt.
Für die Junge Festivalredaktion der 38. Bayerischen Theatertage sucht das Theater Menschen unterschiedlichster Werdegänge und Sichtweisen, die Lust haben, das Festival mit vielfältigen Beiträgen zu begleiten. Besonders würden sich die Veranstalter freuen, wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Begeisterung fürs Theater, kritische Haltungen und kreative Ideen mitbringen. Ein akademischer beziehungsweise journalistischer Hintergrund ist nicht vonnöten, auch Arbeitserfahrung im Theater ist nicht notwendig.
Einblick in journalistisches Arbeiten
Die Junge Festivalredaktion wird als Werkstatt zum Ausprobieren und Experimentieren mit verschiedenen Formaten verstanden. Der geschriebene Text muss dabei nicht unbedingt im Mittelpunkt stehen. Es können Kritiken, Interviews oder freie Formate sein, die als Texte oder Audiobeiträge, in Form von Fotografien, Zeichnungen oder als TikTok-Videos veröffentlicht werden können. Begleitet wird das zehnköpfige Team dabei von zwei erfahrenen Journalistinnen.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten zwischen 16 und 30 Jahren alt sein und sich während des Festivalzeitraums vom 13. bis 28. Mai in Bamberg aufhalten können. Geboten werden der Einblick in (theater-)journalistisches Arbeiten, die Möglichkeit, ein Theaterfestival hautnah mitzuerleben und der kostenlose Zugang zu den Festivalveranstaltungen. Bewerberinnen und Bewerber werden gebeten, eine Mail an btt22@theater.bamberg.de zu senden, in der kurz beschrieben wird, auf welche Form von Berichterstattung sie besonders Lust haben und der ein Lebenslauf beigefügt ist. Einsendeschluss ist der 15. März 2022. Bei Rückfragen geben die Verantwortlichen gerne unter der Mailadresse btt22@theater.bamberg.de oder unter 0951−87−3027 Auskunft.