Leon Tölle, Ensemblemitglied am ETA Hoffmann Theater Bamberg, erhält den Kunstförderpreis des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst in der Sparte „Darstellende
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Premiere bei erstmals wieder 50 Prozent Auslastung
Gott ist nicht schüchtern
Am vergangenen Freitag feierte Olga Grjasnowas „Gott ist nicht schüchtern“ Premiere im Bamberger ETA Hoffmann Theater. Eine besondere Premiere, bei der erstmals seit langem wieder 50 Prozent Auslastung gestattet und das Theater angesichts dieser Vorgabe ausverkauft war.
Die Zuschauerinnen und Zuschauer erlebten bei der Premiere von „Gott ist nicht schüchtern“ einen Theaterabend, der auf beeindruckende Weise das Schicksal junger Menschen im Arabischen Frühling mit den Mitteln des Theaters erfahrbar macht. Anhand der Biografien ihrer Hauptfiguren zeigt die Autorin, wie aus den Demonstrationen, die zu Beginn noch von großen Hoffnungen geprägt waren, ein Krieg entstand.
Entlang der Ereignisse des sich entwickelnden Bürgerkrieges verwandeln sich die optimistischen Lebensläufe der Figuren Hammoudi, Amal und ihres Freunds Youssef zu Fluchtbiografien. Alle drei fliehen über das Meer und erleben das Grauen überfüllter Boote, ertrinkender Menschen und der Insel Morias. In Berlin, während ihrer Asylverfahren, treffen sie zufällig aufeinander.
Die Premiere von „Gott ist nicht schüchtern“ wollte sich auch der bayerische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst Bernd Sibler nicht entgehen lassen. Die Vorstellung gehörte zu den ersten, die nach der Änderung des bayerischen Infektionsschutzmaßnahmengesetzes wieder vor 50% der maximalen Auslastung stattfinden konnten.
Auch Ulrike Siebenhaar, Referentin für Kultur und Welterbe der Stadt Bamberg, zeigte sich von dem Abend bewegt: „Diese Inszenierung hat eine Kraft und eine Wucht, die berührt und die herzzerreißenden Geschichten hinter der Flucht spürbar macht.“
Nach der Premiere kamen Sibler, Siebenhaar sowie die bayerische Staatsministerin für Europaangelegenheiten und Internationales, Melanie Huml, gemeinsam mit Intendantin Sibylle Broll-Pape im Foyer zusammen, um auf das große bayerische Theaterhighlight des Jahres aufmerksam zu machen: Vom 13. bis 28. Mai finden die 38. Bayerischen Theatertage in Bamberg statt. Gemeinsam wünschen die Beteiligten, dass dann noch mehr Zuschauerinnen und Zuschauer wieder in die Theater werden strömen dürfen.
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Bis zu 50 Prozent Auslastung
Lockerungen für die Kultur
Positive Nachrichten für Theater und Kinos: Ab heute dürfen Kultureinrichtungen in Bayern wieder mehr Zuschauerinnen und Zuschauer einlassen als bisher. Wir haben in der Bamberger Szene nachgefragt, wie die Lockerungen dort ankommen.
An kulturellen Veranstaltungen in Innenräumen können ab heute wieder mehr Zuschauerinnen und Zuschauer teilnehmen als bisher. Dafür hat sich das Bayerische Kabinett am Dienstag, 25.1., entschieden. Das heißt: Kinos, Theater oder Konzerthallen können ihre Publikumsräume wieder bis zu 50 Prozent auslasten, weiterhin unter Einhaltung der 2G plus Regel. Bisher erlaubten die Beschlüsse aus München nur 25 Prozent.
Kunstminister Bernd Sibler und Digitalministerin Judith Gerlach, zuständig für Kinos in Bayern, sehen die vom Bayerischen Kabinett beschlossene Anhebung der Auslastungsgrenze für den Kulturbereich auf 50 Prozent und die Möglichkeit, das Publikum mit reduziertem Abstand etwa nach dem Schachbrettmuster zu platzieren, als „einen wichtigen Schritt, der in die richtige Richtung weist.“
„Wir können Kunst und Kultur“, sagte Bernd Sibler, „im wörtlichen wie im übertragenen Sinn wieder mehr Raum geben. Die neue Auslastungskapazität ermöglicht mehr Publikum und damit auch mehr Perspektive für unsere Kunst- und Kultureinrichtungen in Bayern, insbesondere für die kleineren Bühnen. Künstlerinnen und Künstler brauchen die Bühne. Mit den neuen Regelungen sorgen wir für mehr Auftrittsmöglichkeiten und für ein größeres kulturelles Angebot. Ich freue mich darauf, dass ein kulturelles Erlebnis mit mehr Menschen im Saal möglich ist.“
Wir haben bei Vertreterinnen und Vertretern der Bamberger Veranstaltungs-Kultur nachgefragt, was sie von den Lockerungen halten. Die Reaktionen darauf fallen gemischt aus.
Reaktionen von ETA und Wildwuchstheater
Sibylle Broll-Pape, Intendantin der ETA Hoffman Theaters, freut sich über die Lockerungen. „Endlich können wir der großen Nachfrage für unsere Veranstaltungen besser nachkommen. Die 2G plus Regelung, FFP2-Maskenpflicht und Abstände bieten gleichzeitig unserem Publikum den größtmöglichen Schutz. Deswegen halte ich die 50 Prozent-Regel für einen guten Kompromiss in dieser weiterhin herausfordernden Zeit.“
Frederic Heisig vom Wildwuchstheater sieht die Lockerungen hingegen nicht ganz so positiv. Er befürchtet sogar, dass grundlegende Schäden entstanden sind, die sich auch durch höhere Auslastung nicht so schnell beheben lassen.
„Aus virologisch-epidemiologischer Sicht kann ich die Lockerung nicht beurteilen, aber für das Theater sind sie erstmal eine Verbesserung. Auch wenn die Finanzierung von Inszenierungen auch bei 50 Prozent schwer ist. Grundlegend muss ich allerdings sagen, dass es mir ein bisschen komisch vorkommt, wenn man im Theater sitzt, Abstand hält und Maske trägt, nur um dann auf dem Heimweg oder so vielleicht an einem Restaurant vorbeizukommen und zu sehen, was dort möglich ist. Vollbelegung und keine Masken. Da passt für mich nicht zusammen, da findet eine Wertung statt, bei der Kultur ganz klar den Kürzeren zieht. Das kann ich nicht verstehen.
Ich habe ohnehin mehr und mehr das Gefühl, dass die Kultur zwar schon robuster ist als viele am Anfang der Pandemie gedacht haben. Aber so langsam, nach über zwei Jahren, beobachte ich, dass die Praxis, Kulturveranstaltungen wahrzunehmen, angeschlagen ist. Selbst im Sommer, als noch mehr ging, und man dachte, die Leute reißen einem die Karten aus der Hand, egal für was, war vieles nicht ausverkauft. Vielleicht wird die Branche gerade nachhaltig beschädigt, indem sie mehr beschränkt wird als andere Bereiche.“
Die Meinung von Lichtspiel und Symphonikern
Gerrit Zachrich vom Lichtspielkino ist froh über die Entscheidung, bemängelt aber seinerseits die Ungleichbehandlung von Kultur und Gastronomie.
„Die Möglichkeit, 50 Prozent Auslastung zu haben, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Damit kann man ein bisschen besser und kostendeckender arbeiten. Gerade für die Kurzfilmtage ist uns das sehr wichtig und wir freuen uns. Aber eigentlich hatten wir gehofft, dass die Lockerungen noch einen Schritt weiter gehen. Wir hatten gehofft, dass diese himmelschreiende Ungerechtigkeit zwischen 2Gplus in der Kultur und 2G in der Gastronomie beendet wird und es auch für uns mit 2G geht. Bei 2Gplus ist es schwer, die Leute dazu zu bewegen, spontan ins Kino zu gehen. Das ist ein Ungleichgewicht, das uns niemand, auch nicht die Staatskanzlei erklären kann.“
Die Reaktion der Bamberger Symphonikern auf die Lockerungen geht wiederum in die gleiche Richtung wie beim ETA Hoffmann Theater. Intendant Marcus Rudolf Axt sagte auf Webecho-Anfrage:
„Wir sind sehr glücklich über diesen Schritt der Staatsregierung. Er beweist gerade in diesen Wochen, dass Theater und Konzerthäuser auch bei einer etwas höheren Auslastung sicher sind. Ein gutes Signal für unser treues Publikum, das uns und viele andere Kulturveranstalter in den letzten Monaten sehr unterstützt hat.“
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Premiere am ETA Hoffmann Theater
Gott ist nicht schüchtern
Das ETA Hoffmann Theater inszeniert Olga Grjasnowas Roman “Gott ist nicht schüchtern”. Mit großer Aktualität zeichnet das Stück Biografien syrischer Geflüchteter nach.
In Olga Grjasnowas Roman „Gott ist nicht schüchtern“ geht es um den sogenannten Arabischen
Frühling, der 2011 auch in Syrien vor allem die junge Mittel- und Oberschicht auf die Straße brachte. Die Autorin hat zahlreiche Interviews mit Geflüchteten geführt und in der Türkei, im Libanon und in Griechenland recherchiert. Anhand der Biografien ihrer Hauptfiguren zeigt sie, wie aus den Demonstrationen, die zu Beginn noch von großen Hoffnungen geprägt waren, ein Krieg entstand.
In „Gott ist nicht schüchtern“ lebt der junge Chirurg Hammoudi in Paris und verbringt dort die glücklichsten Jahre seines Lebens. Eines Tages muss er aber seinen Pass verlängern lassen und deswegen nach Syrien in seine Heimatstadt Deir az-Zour reisen. Es ist der Frühling 2011 und auf den Straßen protestiert die Bevölkerung friedlich für ein demokratisches Leben und gegen die Willkürherrschaft von Präsident Baschar al-Assad. Hammoudis Passverlängerung fällt allerdings bürokratischer Schikane zum Opfer und er darf nicht mehr ausreisen.
Amal ist eine Tochter der syrischen Oberschicht, die sich in Damaskus an den Demonstrationen beteiligt, um eine freiere Zukunft zu ermöglichen. Doch das Regime beschattet sie, nimmt sie fest und verhört sie.
Entlang der Ereignisse des sich entwickelnden Bürgerkrieges verwandeln sich die optimistischen Lebensläufe Hammoudis, Amals und ihres Freunds Youssef zu Fluchtbiografien. Alle drei fliehen über das Meer und erleben das Grauen überfüllter Boote, ertrinkender Menschen und der Insel Morias.
In Berlin, während ihrer Asylverfahren, treffen sie zufällig aufeinander. Amal hasst es, sich nicht auf Deutsch verständlich machen zu können und dass in den Behörden niemand außer den Security-Männern in der Lage ist, auch nur das primitivste Englisch zu sprechen. Sie hasst es, als Muslimin und Schmarotzerin angesehen zu werden, und sie hasst sich selbst.
Aktualität und Bamberg-Bezug
Für ihre erste Regiearbeit der aktuellen Spielzeit hat ETA-Intendantin Sibylle Broll-Pape zusammen mit Dramaturgie Petra Schiller eine Bühnenfassung des Romans erstellt, die sie nun außerdem inszeniert. Maßgeblich für die Entscheidung für dieses Projekt war vor allem die Aktualität der literarischen Vorlage und die Möglichkeit, sie auch auf Bamberg zu beziehen.
„Seit Jahren“, sagt Sibylle Broll-Pape, „wird auf dem Gebiet Syriens ein Stellvertreterkrieg geführt und die internationale Staatengemeinschaft ringt schon genauso lange um eine politische Lösung des Konflikts. Assad hat bis 2020 über 100.000 Menschen festnehmen lassen. Viele davon sind nicht wieder aufgetaucht. Der Foltertod von Zehntausenden ist bewiesen. Unzählige Zivilist*innen sind gestorben bei Giftgasangriffen, bei Attacken auf Wohnvierteln und gezielten Angriffen auf Spitäler und 12 bis 14 Millionen Menschen wurden zu Flüchtlingen gemacht.“
Tausende der fast 800.000 Syrerinnen und Syrer, die den lebensgefährlichen Fluchtweg über das Mittelmeer oder über Land Europa wagten, haben diesen nicht überlebt. Trotz dieser erschütternder Zahlen verharren solche Ereignisse in der westlichen Vorstellung oft nur in der Ferne der Nachrichtenwelt. Mit der ANKER-Einrichtung hat Bamberg allerdings eine Anlaufstelle für Geflüchtete. „Wir könnten allen dreien, Hammoudi, Amal und Youssef, hier auf den Straßen begegnen.“
Keine Diversität in der Besetzung
In der Inszenierung von „Gott ist nicht schüchtern“ übernehmen Antonia Bockelmann, Elias Reichert, Stefan Herrmann, Philine Bührer und Daniel Seniuk die Rollen. Auffällig an der Besetzung ist jedoch, dass niemand mit arabischen Wurzeln berücksichtigt wurde, obwohl das Stück vom Leben syrischer Geflüchteter handelt. Ist da Kritik aufgrund mangelnder Diversität nicht programmiert?
Sibylle Broll-Pape sagt dazu: „Die Autorin selbst verweist darauf, dass Erfahrung politischer Verfolgung, Vertreibung und Flucht nicht neu seien. In den 30er- und 40er-Jahren waren es beispielsweise vor allem Flüchtlinge aus Deutschland, die anderswo um Aufnahme baten.“
Olga Grjasnowas „Gott ist nicht schüchtern“ lehne sich sogar explizit an deutsche Exilliteratur an. „Es gibt Szenen, die direkt auf beispielsweise Werke von Erich Maria Remarque verweisen. Olga Grjasnowas jüdische Großmutter musste mit 14 Jahren vor den Nationalsozialisten aus Weißrussland fliehen, bis ihr Weg sie irgendwann nach Aserbaidschan führte und die selbst mit elf Jahren nach Deutschland kam. Das Thema geht uns also alle an und der Konflikt in Syrien kann stellvertretend für so viele andere Kriege verstanden werden. Außerdem haben wir beim Erstellen der Fassung, der Besetzung und den Proben ein Erzählkonzept entwickelt, das die ureigensten Mittel von Theater bedient und somit keine negativen Erzählmuster reproduziert.“
Warum Gott nicht schüchtern ist
Beim Gott, auf den sich der Titel „Gott ist nicht schüchtern“ bezieht, handelt es sich um Baschar al-Assad. „Und der ist tatsächlich nicht gerade schüchtern“, sagt Sibylle Broll-Pape. „Amal, Youssef und Hammoudi stehen im Zentrum der Geschichte. Ihre Generation ist die erste, die nichts außer der totalen Herrschaft des Assad-Regimes kennt, das wie eine gottgegebene Ordnung auftritt. Mehr noch: Assad ist größer als Gott, zumindest suggeriert dies seine Omnipräsenz, und sei es in Form von Porträts, die in jedem Winkel des Landes hängen, wie Vogelscheuchen, die die Menschen ängstigen und vertreiben sollen. So heißt es im Roman.“
Am 28. Januar um 19:30 hat „Gott ist nicht schüchtern“ Premiere.
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Umfangreiches Jubiläumsprogramm in diesem Jahr
E.T.A. Hoffmann – „Unheimlich fantastisch“
Das Jahr 2022 steht im kulturellen Bamberg ganz unter dem Stern des Gedenkens an Ernst Theodor Amadeus Hoffmann. Dieser vielseitige Künstler verstarb am 25. Juni 1822. Anlässlich des 200. Todestages sind für dieses Jahr zahlreiche Veranstaltungen geplant.
E.T.A. Hoffmann hatte fünf Jahre in Bamberg verbracht, die ihn als Mensch und Künstler nachhaltig geprägt haben – darauf fußt die Verbundenheit des Künstlers mit dieser Stadt. Unter dem Titel „Unheimlich Fantastisch“ finden in diesem Jubiläumsjahr zahlreiche Veranstaltungen in den verschiedensten Kunstsparten statt, genauso facettenreich und spartenübergreifend wie der Komponist, Literat, Illustrator, Musikkritiker und Jurist einst arbeitete. Darüber informiert das Kulturamt der Stadt Bamberg.
In Bamberg werden Institutionen wie die Bamberger Symphoniker, das ETA Hoffmann Theater, die Otto-Friedrich-Universität Bamberg und freie Akteure der Kulturszene wie das Theater im Gärtnerviertel, der Rosengarten-Serenaden e.V., das Bamberger Marionettentheater und viele weitere in ihrem Jahresprogramm den Künstler aufnehmen oder thematisieren.
Das gesamte bundesweite Jahresprogramm wird maßgeblich von der Staatsbibliothek Berlin koordiniert und gestaltet. In Zusammenarbeit mit der Staatsbibliothek Bamberg und dem Freien Deutschen Hochstift wurde eine Wanderausstellung zu Leben und Werk Hoffmanns konzipiert. Die als Gesamtschau zu Hoffmann angelegte und an ein breites Publikum gerichtete Schau wird im Frühjahr zunächst im Bibliotheksmuseum der Staatsbibliothek zu Berlin Unter den Linden zu sehen sein. Vom 24.07. – 29.10.2022 wird die Ausstellung in Bamberg in der Staatsbibliothek ausgestellt sein. Ende November zieht die Ausstellung dann in das neue Romantik-Museum in Frankfurt am Main.
Sonderausstellung im E.T.A.-Hoffmann-Haus
Neben der ständigen Ausstellung ist in dieser Saison eine Auseinandersetzung zum Thema der Fantasie im Hoffmannschen Sinne zu sehen. Diese entsteht in Kooperation mit der Hegelwoche der Otto-Friedrich-Universität. Sowohl bildende Künstlerinnen und Künstler als auch Autorinnen und Autoren werden beauftragt, Werke beizusteuern, um so dem Wechselspiel von Denken und Fantasieren näher und dem Unergründlichen auf die Spur zu kommen. Das E.T.A.-Hoffmann-Haus öffnet zum 1. Mai 2022 seine Pforten.
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Auszeichnung für das ETA Hoffmann Theater
Audio-Walk „ETA: Zeige deine Stadt auf deine Weise“
Der Bundesverband der Jugendkunstschulen und kulturpädagogischen Einrichtungen hat das Audio-Walk-Projekt „ETA: Zeige deine Stadt auf deine Weise“ des ETA Hoffmann Theaters ausgezeichnet.
Unter der Leitung von Theaterpädagogin Saskia Zink hat das ETA Hoffmann Theater eine performative Bamberger Stadtführung, den Audio-Walk „ETA: Zeige deine Stadt auf deine Weise“, erschaffen. Zusammen mit dem ETA Hoffmann Theater, dem Zentrum Welterbe Bamberg und der Innovativen Sozialarbeit (iSo) e.V. haben Jugendliche im Frühling und Sommer 2021 die Stadtführung erarbeitet, vorgeführt und in eine digitale Kartenanwendung überführt.
Unter dem Motto „Kindheitserinnerungen“ leitet der Audio-Walk anhand von Audioaufnahmen Besucherinnen und Besucher durch die Stadt. Dabei geht es nicht in erster Linie um Sehenswürdigkeiten, sondern darum, wie die Jugendlichen die Stadt gesehen haben.
Unterstützung bekam das Projekt vom Deutschen Bühnenverein im Rahmen des Förderprogramms „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“. Und eine Auszeichnung gab es auch bereits. Der Bundesverband der Jugendkunstschulen und kulturpädagogischen Einrichtungen hat das Audio-Walk-Projekt „ETA: Zeige deine Stadt auf deine Weise“ des ETA Hoffmann Theaters als eines der zehn besten Projekte ausgezeichnet.
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ETA Hoffmann Theater
Adventscafé und Lesung
Am 19. Dezember feiert das ETA Hoffmann Theater den vierten Advent wieder mit einem Adventscafé und einer Lesung. Mit dem diesjährigen Motto können wahrscheinlich alle etwas anfangen: „Kurz vor Weihnachten geht doch immer was schief.“
Wer kennt das nicht? Weihnachten kommt Tag für Tag näher, aber Feiertagsentspannung will sich einfach nicht einstellen. Ganz im Gegenteil, es steigt der Stress. Man findet nicht rechtzeitig oder überhaupt keine passenden Geschenke, die Weihnachtsgans verbrennt im Ofen, es gibt Streit unter dem Weihnachtsbaum und so weiter.
Passend dazu veranstaltet das ETA Hoffman Theater am kommenden Sonntag um 15 Uhr in der Treffbar ein Adventscafé samt Lesung von Florian Walter. Das Motto der vorweihnachtlichen Veranstaltung lautet „Kurz vor Weihnachten geht doch immer was schief!“.
Theaterpädagogin Sophie Rintelmann, die das Adventscafé organisiert, hat das Motto ausgewählt,weil wahrscheinlich alle damit und mit Weihnachtsstress etwas anfangen können. „Jedes Jahr nimmt man sich vor”, sagt sie, „dieses Jahr schaffe ich es, das Fest ruhig anzugehen, ganz ohne Stress. Aber es kommt eben nie ganz so, wie man es sich vornimmt.“
Sie selbst hat auch Erfahrung mit Weihnachtsärger. „In meiner Kindheit hatten wir in der Familien mal einen vergünstigten Baum gekauft. Als wir ihn zuhause aufstellten, ist uns klar geworden, warum er billiger war. Er roch nach Gülle. Kurz gesagt: Wir mussten den Baum wieder rauswerfen.“
Auf dem Lese-Programm des Adventscafés stehen darum auch nur Geschichten, bei denen mottogemäß auch einiges schief geht. Welche Geschichten es genau sind, entscheidet Sophie Rintelmann am Sonntag spontan anhand der Alterstruktur der Kinder im Publikum.
Auf jeden Fall wird am vierten Adventssonntag ETA-Schauspieler Florian Walter auf der Bühne der ETA-Treffbar Platz nehmen und die Geschichten bei Punsch und Keksen vorlesen. Die Lesung ist für alle ab vier Jahren geeignet.
Der Eintritt zum Adventscafé ist frei, 15 Plätze stehen zur Verfügung. Zählkarten können an der Theaterkasse reserviert werden. Bei der Veranstaltung gilt aber 2G-Plus. Schnelltests kann das Publikum im Vorfeld in Theaternähe sonntags unter anderem in der Tourist-Info in der Geyerswörthstraße 5 machen.
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Uraufführung
ETA Hoffmann Theater: Der endlos tippende Affe
Morgen Abend zeigt das ETA Hoffmann Theater die Uraufführung von Björn SC Deigners kapitalismuskritischem Stück “Der endlos tippende Affe”. Zutritt gewährt das Theater aufgrund neuer Corona-Bestimmungen allerdings nur denjenigen, die die Maßgaben des 2G+ erfüllen.
Setzte man einen Affen vor eine Schreibmaschine und ließe ihn bis in alle Ewigkeit tippen, würde er an einem bestimmten Punkt die gesamte französische Nationalbibliothek abgetippt haben. Ausgehend vom diesem mathematischen Theorem des unendlich tippenden Affens begibt sich Björn SC Deigner in seinem für das ETA Hoffmann Theater geschriebenen Auftragswerk in ein Dickicht absurder Vorkommnisse und Sprachverwirrungen. Dort soll der Frage nachgegangen werden, wo der Sinn beginnt und wie er endet.
Was als mathematische Anschauung für die Unendlichkeit dient, wirft die Frage nach Sinnproduktion auf: Sind wir am Ende alle tippende Affen, die versuchen, dem eigenen Kauderwelsch Bedeutung abzuleiten?
Galt die Börse einst als sogenannte Rein- beziehungsweise Schönschrift der Welt, erscheint sie uns heute immer mehr als willkürlicher Zahlenindex. Mit dem Klimawandel haben Beschreibungen und Kartierungen von Welt ihre einstige Logik verloren. Der Kapitalismus erscheint immer mehr als paradoxe Lebensform, der wir unterliegen. Gehen unsere ideologischen Rahmungen fehl, so lauert auch für uns überall der Fehler, die Willkür – das Kauderwelsch.
Björn SC Deigner ist Autor für Theater und Hörspiel sowie Sounddesigner und Komponist. Seine Stücke “Der Reichskanzler von Atlantis” (2019) und “Die Polizey” (2020) sind beide am ETA Hoffmann Theater uraufgeführt worden.
Regie bei “Der endlos tippende Affe” führt Mirjam Loibl, für Bühne und Kostüme ist Thilo Ullrich verantwortlich, Victoria Weich für die Dramaturgie. Antonia Bockelmann, Anton Dreger und Marie-Paulina Schendel übernehmen die Spielrollen. Weitere Vorstellungen sind für den 25. und 28. November geplant sowie für den 1., 3., 9., 15., 17., 22. und 28. Dezember.
Außerdem öffnet das ETA Hoffmann Theater heute Abend um 20 Uhr dem Publikum seine Türen für die Generalprobe von „Der endlos tippende Affe“.
Um Zutritt zum Spielort zu erhalten, dem Studio im ETA Hoffmann Theater, muss im Einklang mit von der bayerischen Staatsregierung für den 24. November angekündigten Änderungen bei den Corona-Bestimmungen 2G+ eingehalten werden. Das bedeutet, das Publikum muss geimpft beziehungsweise genesen sein, und eine Bescheinigung über einen negativen Corona-Test (ein Schnelltest, der höchstens 24 Stunden oder ein PCR-Test, der maximal 48 Stunden alt ist) vorlegen.
Weitere Informationen zu aktuellen Corona-Bestimmungen unter:
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Premiere vor Publikum
Das Weihnachtsmärchen im ETA Hoffmann Theater
Am kommenden Samstag, dem 13. November, um 16 Uhr, feiert das Weihnachtsmärchen „Herr Bello und das blaue Wunder“ von Paul Maar und Ulrich Limmer seine Premiere vor Publikum im ETA Hoffmann Theater.
Ursprünglich für die Weihnachtszeit 2020//21 geplant, konnte „Herr Bello“ coronabedingt nur online gezeigt werden. Umso mehr freuen sich die Beteiligten um Regisseurin Jana Vetten, das Familienstück jetzt den kleinen und großen Zuschauenden präsentieren zu können.
Der Bamberger Kinderbuchautor Paul Maar hat mit den Geschichten von “Herr Bello” eine ebenso magische wie verspielte Welt erschaffen, in der die Schwierigkeiten des menschlichen Zusammenlebens und ganz alltägliche Kinderprobleme auf amüsante und wunderbar tierische Weise verhandelt werden.
Zum Stück
Der Apotheker Sternheim besitzt eine kleine Apotheke im ländlichen Raum. Dort wohnt er gerne, weil er hier Ruhe und viel Zeit für seinen Sohn Max hat, den er alleine erzieht. Vor Kurzem zog Frau Lichtblau in den oberen Stock des Hauses ein. Sofort empfinden Herr Sternheim und Frau Lichtblau eine gewisse Zuneigung, doch Vater Sternheim möchte eigentlich nicht, dass sein Sohn eine neue Mutter bekommt, und Max selbst behagt diese Vorstellung überhaupt nicht.
Als eine geheimnisvolle alte Frau eines Tages einen zauberhaften blauen Saft in die Apotheke von Max Sternheim und seinem Vater bringt, nimmt das Unheil seinen Lauf. Hund Bello ist nämlich dummerweise so unvorsichtig und schlabbert die ganze Flasche des blauen Tranks aus – wodurch sich Bello blitzschnell in den Menschen “Herr Bello” verwandelt. Auch Herr Bello ist verliebt in Frau Lichtblau und Max sieht darin eine große Chance, seinen Herrn Bello und Frau Lichtblau zu verkuppeln, damit er seinen Vater weiterhin ganz für sich alleine hat. Doch das “blaue Wunder”, der Trank, führt zu einer langen und amüsanten Kette von Verwicklungen, denn nicht nur Hund Bello hat davon gekostet. Und außerdem ist es für Herrn Bello gar nicht so leicht, als Hund im Körper eines Menschen zu leben.
Besetzung
Daniel Dietrich
Lara Heller
Stefan Herrmann
Florian Walter
Eric Wehlan
Hygienebestimmungen
Besucherinnen und Besucher werden gebeten, sich tagesaktuell über die Website https://theater.bamberg.de/ oder die Theaterkasse (0951÷87−3030) über die jeweils geltenden Hygienebestimmungen zu informieren.
Weitere Vorstellungen im Freien Verkauf finden statt am 14. November um 16:00 Uhr, am 4. Dezember um 15:00 und um 17:00 Uhr, am 5. Dezember um 15:00 und um 17:00 Uhr (geschlossene Vorstellung) sowie am 26. Dezember um 16:00 Uhr. Karten sind an der Theaterkasse und auf https://theater.bamberg.de/ erhältlich.
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ETA Hoffmann Theater
Stephan Ullrich liest “Der Untertan”
Stephan Ullrich setzt seine Lesereihe in der Treffbar des ETA Hoffmann Theaters am kommenden Dienstag, dem 19. Oktober, um 20 Uhr mit Heinrich Manns „Der Untertan“ fort.
In der Lesereihe widmet sich Stephan Ullrich in der Spielzeit 2021//2022 Heinrich Manns “Der Untertan”. Im ersten Teil der Lesung wird den Erlebnissen des Opportunisten Diederich Heßling als Repräsentant einer Mentalitätsgeschichte des wilhelminischen Kaiserreichs gefolgt und wie durch ein Brennglas auf eine satirisch-verfratzte Version des klassischen Bildungsromans geblickt. Heßling entwickelt sich aus seiner fiktiven Kleinstadt Netzig heraus nicht zu einer ethisch und gesellschaftlich verantwortlichen Person, sondern wird in die Machtmechanismen des Kaiserreichs eingeführt und wächst zu dessen perfektem Untertan heran, mit geradezu masochistischer Lust an der Unterwerfung und der sadistischen Lust am Ausüben von Autorität.
Dabei ist er keine bloße Witzfigur, sondern bietet durch viele empathische Momente auch Identifikationsspielraum: Steckt ein Stückchen Heßling nicht in uns allen?
Vollendet wurde “Der Untertan” 1914. Heinrich Mann selbst schrieb rückblickend in seinen Memoiren, dass der Erste Weltkrieg “in dem Buch nahe und unausweichlich erscheint. Auch die deutsche Niederlage. Der Faschismus gleichfalls schon: wenn man die Gestalt des ‘Untertan’ nachträglich betrachtet. Als ich sie aufstellte, fehlte mir von dem ungeborenen Faschismus der Begriff, und nur die Anschauung nicht.”
Eine Einführung gibt Prof. Andrea Bartl vom Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Otto Friedrich-Universität Bamberg, die auch das Nachwort für eine 2021 erschienene Neuauflage von “Der Untertan” verfasste.
Ein Einstieg in die sechsteilige Lesereihe ist jederzeit möglich. Folgende Lesungen sind geplant mit einem Termin im Monat:
I: Jugend (Dienstag, 19. Oktober)
II: Doktortitel (Dienstag, 9. November)
III: Zurück in Netzig
IV: Der Prozess
V: Aufstieg
VI: Mann mit Schneid
Karten sind erhältlich an der Theaterkasse und im Webshop unter https://theater.bamberg.de.
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Stadtecho Bamberg – Fragebogen
Das Stadtecho fragt – Victoria Weich antwortet
In jeder Ausgabe des Stadtechos legen wir einer Bamberger Persönlichkeit einen Fragebogen vor. Diesmal hat Victoria Weich die Fragen beantwortet. Ab der Spielzeit 2021//2022 ist sie Leitende Dramaturgin am ETA Hoffmann Theater.
Frau Weich, was braucht gutes Theater?
Ein politisch geschärftes und dem Unerklärlichen zugewandtes Bewusstsein. Die Liebe zur Schauspielkunst und zur Literatur. Einen Platz in der Stadt. Talente. Geld.
Was mögen Sie am Theater?
Dass Schreinerinnen, Schlosser, Maskenbildner, Malerinnen, Schauspieler und Regisseurinnen unter einem Dach und für eine gemeinsame Sache arbeiten. Dass wir das Publikum mit unserer Kunst erfreuen, berühren, wütend machen oder zur Reflexion auffordern dürfen und damit ein Teil einer lebendigen Gesellschaft sind. Dass ich mich in meinem Beruf um literarische, künstlerische, philosophische, soziale, politische, musikalische und emotionale Inhalte kümmern darf – das macht mich demütig und glücklich. Dass es hier mal intensiv, laut und wild zugeht, wir nachdenklich, präzise und für uns sein können. Die Aufregung vor Premieren! Das Stimmengewirr im Foyer! Das Gefühl, mit der Kunst und an der Welt gemeinsam lernen zu können.
Welches Buch haben Sie zuletzt nicht zu Ende gelesen?
Vor „Unendlicher Spaß“ von David Foster Wallace habe ich nach einem Drittel kapituliert; bis heute schaue ich mit Reue auf den Buchrücken in meinem Regal und muss mit lauter losen Enden der Erzählung leben. Normalerweise bin ich aber streng und lese zu Ende.
Zahlen Sie gern Rundfunkgebühren?
Ja, unbedingt. Privat wie beruflich bin ich angewiesen auf unabhängige Berichterstattung und zum Beispiel Features über das Leben am anderen Ende der Welt.
Töten Sie Insekten?
Nur wenn sie mich sehr stören. Spinnen und andere Krabbeltiere trage ich nach draußen, Mücken und Motten müssen dran glauben.
Darf man in Ihrem Schlafzimmer rauchen?
Verboten ist bei mir sehr wenig.
Wie viele Apps sind auf Ihrem Smartphone? Welche benutzen Sie am meisten?
63, das Meiste – und Meistgenutzte – ist Organisatorisches wie die DB App, Mails, natürlich diverse Messenger und Instagram.
Wovon waren Sie zuletzt überrascht?
Beim CSD in Bamberg waren doppelt so viele Menschen wie angedacht – ist das nicht eine tolle Überraschung?
Was ist Ihr größter Wunsch?
Selbstständig und integer handeln und gleichzeitig langfristige, tiefe Beziehungen halten zu können.
Wie sieht ein perfekter Tag für Sie aus?
Früh aufwachen, lesen und allein sein, während alles noch schläft. Vielleicht schwimmen, flanieren oder in die Natur gucken. Abends ein rauschendes Dinner mit Freund*innen, ein faszinierender Theaterabend, und im Moment ganz dringend: nachts in einen Club oder eine vollgestopfte Bar.
Worüber haben Sie sich zuletzt geärgert?
Oh, über Armin Laschet. Dass die CDU sich öffentlich dazu bekennt, mit der AfD einer Meinung zu sein, er null Konsequenzen erfährt, während Annalena Baerbock kaum zu Inhalten kommt, weil sie von einem Dreck in den nächsten gezogen wird. Misogynie at its best.
Wovor haben Sie Angst?
Ich habe Angst vor Wissenschaftsfeindlichkeit im Diskurs, vor dem Verlust der Fähigkeit zur Dialektik; dass wir Menschen die Erde und das gesellschaftliche Gefüge zerstören, weil lebensfeindliche, kapitalistische Entscheidungen getroffen werden. Vor Kunstfeindlichkeit.
Welchen Luxus leisten Sie sich?
Ich überlege nicht mehr, ob ich mir dieses oder jenes Buch leisten kann – ich kaufe es einfach. In der Mittagspause ins Hainbad gehen ist Luxus, gehoben Essengehen auch. Und mir radikal Zeit nehmen für wichtige Menschen ist – in diesem Job – manchmal Luxus, der aber sein muss.
Haben Sie ein Lieblingsgeräusch?
Eine laufende Spülmaschine, die Schritte der Person im Treppenhaus, auf die man wartet, das Öffnen von Klettverschluss.
Wann haben Sie zuletzt geflirtet?
Letzte Woche mit meiner Lieblingsbäckerin.
Wann und warum hatten Sie zum letzten Mal Ärger mit der Polizei?
Ich kenne die Polizei hauptsächlich von Demonstrationen. Friedlich in Köln bei „bunt statt braun“ oder Tanzdemos standen wir behelmten und berittenen Polizist*innen gegenüber, das hat sich teilweise angespannt angefühlt; staatlich ausgeführte Gewalt wurde körperlicher erfahrbar, aber Ärger hatte ich zum Glück nicht.
Was war Ihr schönster Theatermoment?
Unser Ensemble (bei Premieren besonders) auf der Bühne zu sehen, ist immer wieder ein schönster Moment, der mich stolz macht. Jeder Theatermoment birgt die Möglichkeit, mich neu zu faszinieren – das ist ein Geschenk.
Mit welcher großen Theaterregisseurin oder welchem großen Theaterregisseur können Sie gar nichts anfangen?
„Große“ Theaterregisseure – es sind ja dann doch bis dato viele Männer – haben ihre Bühnensprache gefunden und können an sehr gut ausgestatteten Häusern mit faszinierenden Künstler*innen arbeiten. Das ist kein Garant für gutes Theater, aber der Respekt und die Bewunderung überwiegen bei mir trotzdem. Castorf findet nach bewährtem Prinzip kein Ende in ewigen Erzählschleifen, die mich irgendwann langweilen. Dafür gibt es vielleicht die eine Schauspielerin, die an die Rampe tritt, und mir mit ihrer Stimme und ihrer Sprachbehandlung die Schuhe auszieht. Mir hat mal eine kluge Kollegin geraten, wenn ich nicht wisse, was ich mit dem Abend anfangen soll, könne ich doch ganz genau beobachten, was wer wie macht. Das kann dazu führen, dass ich eine Aufführung dann trotzdem nicht leiden kann. Aber mit dem Abend eine Überlegung, eine Beobachtung oder eine Haltung zu üben, das finde ich für mich selbst immer erstrebenswert.
Was ist Ihre schlechteste Angewohnheit?
Zuweilen befällt mich die innere Besserwisserin. Ich bin mir zum Beispiel sehr sicher, dass ich weiß, wie Möhren zu schneiden sind, oder ab und zu wie überhaupt die Dinge laufen sollen. Mit dieser Möhrenschnittdiktatorin möchten Sie sicher nicht kochen!
Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?
Eingestandene Fehler eh, und sonst: Die meisten Dinge, die schieflaufen, sind multifaktoriell schief gelaufen, also muss ich dem Misslungenen wohl auch bei mir selbst auf den Grund gehen.
Ihre Lieblingstugend?
Großzügigkeit, vor allem im Miteinander.
Ihr Hauptcharakterzug?
Begeisterungsfähigkeit oder Ernsthaftigkeit, abwechselnd und gleichzeitig.
Was mögen Sie an sich gar nicht?
Naja, die Möhrenschnittdiktatorin, die könnte sich mal entspannen!
Haben Sie ein Vorbild?
Carolin Emcke wegen ihrer versöhnlichen und gleichzeitig entschiedenen Analysen.
Was lesen Sie gerade?
„Ministerium der Träume“ von Hengameh Yaghoobifarah, „Schreibtisch mit Aussicht“ mit Texten von diversen Schriftstellerinnen, die mich begleiten: Siri Hustvedt, Joan Didion, Elena Ferrante und Elfride Jelinek.
Welche Musik hören Sie nur heimlich?
Das gibt´s nichts zu verheimlichen, ich habe auch manchmal mit Schlagern und Kölschem Liedgut Spaß!
Was ist Ihr liebstes Smalltalk-Thema?
Klatsch und Tratsch aus der Glamourwelt. Aber leider bin ich immer viel zu schlecht darüber informiert.
Mit wem würden Sie gerne eine Nacht durchzechen?
Susan Sontag.
Wovon haben Sie keine Ahnung?
Oh, von vielem! Ich finde vor allem ärgerlich, dass ich keine Ahnung von Geldanlagen, Autos und Türkisch habe.
Was finden Sie langweilig?
Inzwischen: Spazierengehen!
Was ist Ihre Vorstellung von Hölle?
Wenn es einen spirituellen Weltzusammenhang gibt, gibt es definitiv keine Hölle. Auf der Erde ist es für manche und manchmal schlimm genug.
Wie glauben Sie, würde Ihr Pendant von vor zehn Jahren auf Ihr heutiges Ich reagieren?
Überrascht, dass zehn Jahre so viel ausmachen. Glücklich, dass ich mich geoutet habe. Erleichtert, dass Erwachsensein heißt, dass man unabhängiger wird. Berührt, dass die Freundschaften gehalten haben. Ein bisschen stolz, dass ich am Theater gelandet bin.
Ich kann nicht leben ohne…
Andere.
Sind Sie Tänzerin oder Steherin?
Tänzerin!
Welches Problem werden Sie in diesem Leben nicht mehr in den Griff bekommen?
Ich wäre ja schön blöd, wenn ich jetzt schon kapitulieren würde…
Das Stadtecho gibt eine Runde aus. Was trinken Sie?
Ist es die ersehnte Bar? Dann einen Whisky Sour.
Victoria Weich, Leitende Dramaturgin am ETA Hoffmann Theater, Juli 2021.