Am 17. Februar fand zum neunten Mal die Bamberger Fastenpredigt statt, zum zweiten Mal trug sie Florian Herrnleben, alias Bruder Udalrich, vor.
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Stadtecho-Kolumne
Florian Herrnleben über seine Fastenpredigt
Am 17. Februar fand zum neunten Mal die Bamberger Fastenpredigt statt, zum zweiten Mal trug sie Florian Herrnleben, alias Bruder Udalrich, vor. In seiner aktuellen Stadtecho-Kolumne zieht er Bilanz seines Auftritts und erklärt, warum es aus seinem Bierkrug dampfte.
Meine Fastenpredigt 2024 ist vorbei. Die Anspannung war immens: Passt der Text? Ist es zu viel oder zu wenig, zünden alle Pointen? Treffen sie die Richtigen? Stimmt die Gewichtung zwischen den einzelnen Figuren auf dem Schachbrett der Lokalpolitik?
Neben all diesen inhaltlichen Fragen geht es für einen Mann der hiesigen Öffentlichkeit, also jemanden wie mich, auf den ganz Bamberg, ach was, Bayern und die Welt, in den Stunden der Predigt schaut, auch um eine zweite Dimension: Der Auftritt als solches in Kutte muss stimmen. Das Zeigen von Schwäche, von jeglicher Unsicherheit muss mit allen Mitteln verhindert werden. Niemand darf im Lauf des Abends an der Souveränität des Fastenpredigers Zweifel hegen: Die Politikerinnen und Politiker, die jedes Wackeln sofort als Bestätigung ihrer eigenen Rechtsauffassung auslegen würde. Und mögliche Anwärterinnen und Anwärter auf den Platz in der Kanzel ebenso, die nur darauf warten, den richtigen Moment abzupassen, um selbst die städtische Meinungshoheit zu erlangen.
Es lief gut an. Das Lied über die Fengshui-Steine der Stadtbau zündete, spätestens beim kleinen Schimpf auf den städtischen Parküberwachungsdienst hatte ich das Publikum auf meiner Seite. Der Bühnenprofi weiß: Das war ein souveräner 2:0‑Vorsprung in der 10. Minute, den man normalerweise gut über die Zeit retten kann, wenn…
Ja, wenn einen nicht plötzlich die Stimme auskontert. Einmal, dann ein zweites Mal. Leichtes Kratzen zuerst, dann kurz mal ein Wegbleiben des Tons beim Sprechen.
Meine mir Getreuen waren – perfekte Vorbereitung ist ja alles – umfassend instruiert für mögliche Notfälle auf der Bühne, die sie diskret zu lösen hätten. Für den Fall von plötzlichen Hals- oder Stimmproblemen hatte ich eine Thermoskanne mit Tee in meiner Garderobe positioniert. Diese über Jahrhunderte und Generationen weitergegebene Spezialmischung würde in solchen brenzligen Situationen zuverlässig und schnell helfen, wusste ich. Und diese brenzlige Situation war nun gekommen, die Helfer reagierten schnell. Aber sie reagierten leider falsch.
Ich meine, ich habe im Vorfeld extra noch belehrt: Nehmt den Steinkrug von meiner Kanzel, geht bitte mit ihm raus, schenkt im Backstage etwas aus meiner geheimen Spezialmischung hinein und bringt ihn mir wieder. Niemand würde es merken, war ich mir sicher. Der Fastenprediger trinkt halt viel Bier, würden alle Zuschauer denken. Das passt ins Image!
Nun. Es ging schief. – Der Moment, wo dir vor den Augen von über 500 Zuschauerinnen und Zuschauern dampfender Tee in deinen vermeintlich mit Bier gefüllten Steinkrug gegossen wird, ist kein schöner. Das über Jahre aufgebaute Image war innerhalb weniger Sekunden zerstört. Aus dem schonungslosen Kabarettisten war ein Salbeiseichtling geworden. Fataler wäre wahrscheinlich nur gewesen, auf der Bühne eine Gemüsebrühe zu schlürfen.
Der stadtbekannte Kabarettist, der bekanntermaßen scharfzüngige Kolumnist: Aus den eigenen Reihen komplett düpiert, und nun auf Ewig gebrandmarkt als derjenige, der dem markanten Hopfen die brave Kamille vorzieht. Wer soll mich jemals wieder ernst nehmen?
Immer und immer wieder wird man jenen 17. Februar 2024 aus dem Gedächtnis kramen, als ich, Bambergs kaum tastbarer Kabarettist, seine Unantastbarkeit verlor, weil es aus dem Steinkrug, aus dem es herausschäumen sollte, minutenlang nur kläglich dämpfelte. Der größte Special-Effekt des Abends: Eine Pyrotechnik des Grauens, gut sichtbar für alle übertragen auf große Leinwand und Fernseher.
Okay, die Uhr lässt sich nicht zurückdrehen, aber nur damit es klar ist: Mein Hals ist wieder top! Das war nur ein kurzes, kleines Kratzen!
Ihr Florian Herrnleben
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Florian Herrnleben
Fastenpredigt: Bruder Udalrich kehrt zurück
2024 findet zum neunten Mal die Bamberger Fastenpredigt statt, zum zweiten Mal trägt sie Bruder Udalrich, alias Florian Herrnleben, vor.
Am 17. Februar wird Florian Herrnleben, Kolumnist, Puppenspieler und schonungsloser Kommentator der Bamberger Politik, als Bruder Udalrich im Welcome Kongress Hotel die politische Klasse auf kabarettistische Art und Weise an ihre Verfehlungen des zurückliegenden Jahres erinnern. Ein Jahr, das erneut einige Inspiration für solch eine Predigt geliefert hat, als Beispiel nennt der Prediger, ohne zu viel zu verraten, die Feng-Shui-Steine bei der Stadtbau, das Haus in der Benzstraße, die Diskussion um die Friedrichstraße und den Schlachthof. Wir haben mit Florian Herrnleben auf sein Debüt zurückgeblickt und über die kommende Predigt gesprochen.
Wie sahen die Rückmeldungen aus der Politik auf deine Predigt 2023 aus: War jemand beleidigt? Beziehungsweise aus welcher Richtung kam das meiste Lob?
Florian Herrnleben: Die Reaktionen der Anwesenden waren durchweg positiv. Oder es hat sich niemand etwas anmerken lassen. Die, die beleidigt gewesen wären, waren schon vorher beleidigt und gar nicht erst da. Wäre aus einer Richtung besonders viel Lob gekommen, hätte ich mir Gedanken machen müssen.
Wie hat der Veranstalter AGIL reagiert?
Florian Herrnleben: Ich war als neuer Prediger und Nachfolger von Arnd Rühlmann sicher ein kleines Überraschungspaket. Für AGIL bedeutet das immer einen gewissen Spannungsmoment. Ich glaube aber, ich hab die Erwartungen einigermaßen erfüllt.
Wie hast du die Predigt empfunden?
Florian Herrnleben: Ich hab das schon öfter gesagt: Es war einer der Top-5-Auftritte meiner Karriere. Vor heimischem Publikum, für viele Zuschauer nach so langer Coronapause die erste Veranstaltung, nach den ganzen Skandalen, für deren Aufploppen ich – mal mehr, mal weniger – mitverantwortlich war. Es war ein Abend, den ich gerne und gut in Erinnerung halte.
Was möchtest du diesmal anders oder besser machen?
Florian Herrnleben: Es gibt in der Nachbetrachtung immer Dinge, die man vielleicht besser hätte machen können. Aber das lässt sich gar nicht vermeiden. Man hat eine Idee, seinen Text, seine Bühnenerfahrung, keine wirkliche Probe oder Vorpremiere, stellt sich vor mehr als 500 Zuschauer und hofft, dass mehr funktioniert als schief geht. Ich freue mich, wenn das im Februar wieder genauso ist.
An welcher Stelle wurde am meisten gelacht? Bei welcher war es eher still im Saal?
Florian Herrnleben: Ich erinnere mich immer wieder gern an zwei Stellen meines Programms: Das war zum einen der erste Zwischenapplaus nach wenigen Sekunden auf der Bühne, als ich meinte, dass wir heute wegen der vielen Skandale leider Überstunden machen müssten. Zum anderen wurde ich im Nachgang auf die Stelle angesprochen, als ich die damaligen CSU-Funktionäre wegen ihrer menschenverachtenden Facebookpostings kritisiert habe. Man hätte mir angeblich meine Wut angemerkt, hieß es. Dem möchte ich nicht widersprechen.
War nach der Predigt 2023 sofort klar, dass du eine zweite machen möchtest beziehungsweise machen darfst?
Florian Herrnleben: Die Veranstalter um AGIL haben mir unmittelbar nach der Fastenpredigt mitgeteilt, dass ich noch mal darf, wenn ich mag. Und für mich war es dann eigentlich auch klar.
Mit welchen Themen wirst du dich in der Predigt 2024 beschäftigen, was waren die größten städtischen Aufreger?
Florian Herrnleben: Es ist so viel passiert, dass ich Sorge habe, den zeitlichen Rahmen wieder komplett zu sprengen. Beim letzten Mal wurden aus 90 Minuten am Ende fast 150. Wer sich das Jahr über für lokalpolitische Geschehnisse interessiert, wird bei den meisten Themen nicht überrascht sein. Natürlich halt ich mir auch gern ein paar Überraschungen bereit.
Wer bekommt warum den größten Anteil in der Predigt?
Florian Herrnleben: Ich versuche es wieder ausgewogen zu gestalten. Beim letzten Mal war ich deshalb so angespannt, dass ich vorher Pointen gezählt habe, damit sich hinterher keiner beschwert. Das spare ich mir dieses Mal in gewisser Selbstsicherheit.
Wer kommt am schlechtesten weg?
Florian Herrnleben: Oft fühlt es sich für Politiker so an, als wären genau sie am schlechtesten weggekommen. Das ist aber Quark. Um keinen Politiker hier dreht sich die Welt derart, dass er es verdient hätte.
Wirst du auf den neuen Bischof eingehen?
Florian Herrnleben: Als ob es an der katholischen Kirche irgendetwas zu kritisieren gäbe…
Wie reagieren Politikerinnen und Politiker, wenn du ihnen zufällig, etwa auf der Straße, begegnest?
Florian Herrnleben: Die Fastenpredigt ist letztlich ein Job, den ich möglichst gut zu erledigen versuche. Genauso wie die Glossen- und Kolumnenschreiberei. Damit eckt man aber naturgemäß an, weil man seinen Job sonst wahrscheinlich auch nicht gut machen würde. Die meisten Politiker können das schon entsprechend einschätzen. Die wenigen Einzelfälle, die mich komplett meiden oder gar torpedieren, halte ich in ihrem Politikerdasein für komplett ungeeignet.
Wer von ihnen wird im Publikum sein?
Florian Herrnleben: Ich hoffe doch, möglichst viele.
Bei Fastenpredigten gilt: Wer nicht vorkommt in der Predigt, ist unwichtig. Wer kommt 2024 nicht vor?
Florian Herrnleben: Vielleicht lasse ich den Stieringer einfach mal komplett raus. Ich hatte das letztes Jahr schon vor und habe seine Eskapaden, über die man auch zwei Stunden hätte reden können, dann als Kompromiss nur in die letzten 15 Minuten gepresst.
In welche Abgründe blickt man, wenn man sich, wie du, jahrelang mit Bamberger Lokalpolitik beschäftigt? Was läuft in der Stadt so richtig falsch?
Florian Herrnleben: Die Politik hier ist sicher nicht abgründiger als woanders. Was mich massiv stört, und das fällt mir in Bamberg extrem auf, ist der Umgang mit Fehlern und Skandalen. Es wird billigst geschwurbelt, kaum jemand steht mal zu Fehlern, üblicherweise und fast schon traditionell schießt man hier lieber gegen Presse und Journalisten.
Was läuft auf der anderen Seite gut?
Florian Herrnleben: Das Amt für Bürgerbeteiligung samt Pressestelle muss hier teils Unmenschliches leisten, um alle Fehlleistungen glatt zu kommunizieren. Dafür größten Respekt.
Ein gesamtgesellschaftliches Gefühl bezüglich der Politik lässt sich derzeit sicherlich als Frustration, Enttäuschung oder Verdruss beschreiben. Kennen du und Bruder Udalrich solche Gefühle oder schafft ihr es, den politischen Betrieb nur unter Gesichtspunkten der kabarettistischen Verwertbarkeit zu sehen?
Florian Herrnleben: Vieles hängt doch zusammen. Themen, die polarisieren, die auch mich aufregen, die frustrieren, taugen oft auch für die Kabarettbühne. Natürlich bin ich immer aber auch auf der Suche nach den vermeintlich kleinen, aber umso mehr absurden Geschichten.
Ist Bruder Udalrich neutral, soll heißen, teilt er gegen alle Parteien gleich gerne aus, oder gibt es eine, bei der es ihm mehr Spaß macht draufzuhauen als bei anderen?
Florian Herrnleben: Besonderen Spaß macht es bei keiner Partei. Ansonsten streue ich schon gern auch einfach immer mal Salz nach.
Kann die Predigt Zustände verändern oder verbessern oder muss sie sich mit einer kommentierenden Rolle begnügen?
Florian Herrnleben: Ich glaube schon, dass solche Veranstaltungen insgesamt verändern können. Direkt oder auch und vor allem indirekt. Es hat ja für Politiker hoffentlich gewissen Lerneffekt. Man darf aber nicht zu viel erwarten, denn man steht ja auch für die zweite Reihe, sprich „fürs Volk“ zur Unterhaltung auf der Bühne.
Denkst du schon an die Predigt 2025? Könnte es eine erneute Rückkehr von Bruder Udalrich geben?
Florian Herrnleben: Eins nach dem anderen. Ich bin im Unterschied zu anderen Fastenpredigern nicht auf Lebenszeit gesetzt. Ich entscheide das frühestens am 17. Februar um 23:30 Uhr.
Abt Wolfram – die Siebte
Die etwas andere Fastenpredigt
von Frank Keil
Den 75-jährigen Wolfgang Reichmann kennt man in seiner Heimatstadt Bamberg. Der ehemalige Basketballer (Bundesliga und Nationalmannschaft) hat als Lehrer in Baunach und Hallstadt unterrichtet und war als Radioreporter für den Bayerischen Rundfunk tätig. Und auch im Ruhestand hält er sich an das Motto „Wer rastet, der rostet.“ So hat er als oberfränkischer Vertreter der „Mundart-Rallye“ auch seine Liebe zu Kabarett und Moderation entdeckt. Im März schlüpft Wolfgang Reichmann zum siebten Mal in die Kutte des Fastenpredigers Abt Wolfram I.
Kabarett, Mundart, Moderationen. Ihnen scheint auch als Pensionär nicht langweilig zu werden. Haben alle ihre Aktivitäten die gleiche Bedeutung?
Wolfgang Reichmann: Einige meiner Aktivitäten reichen zeitlich bis in die 1970er Jahre zurück. Als Lehrer und Reporter habe ich über einen Kollegen zuletzt die fränkische „Mundart-Rallye“ entdeckt, die zeitgleich und abwechselnd auf vier Bühnen und vier Veranstaltungsorten stattfindet. Diese Reihe macht mir besonders viel Spaß und sie kommt nach der zweijährigen Covid-19-Pause besonders gut an. Ich habe einfach gerne lachende Leute um mich.
Aber Kabarett und Moderationen bleiben auch nicht auf der Strecke?
Wolfgang Reichmann: In Sachen Kabarett bin ich mittlerweile mit drei Soloprogrammen erfolgreich. Inhaltlich reichen meine Moderationen von Fußballevents bis hin zu Firmenjubiläen, aber die großen Events wie zum Beispiel für Bogner in der Münchner Olympiahalle werden altersbedingt weniger. Aber trotzdem muss man nach vorne denken und sich am Leben erfreuen.
Sie sind Träger des Frankenwürfels. Was hat es damit auf sich?
Wolfgang Reichmann: Der Frankenwürfel wird jedes Jahr einer Person verliehen, die nach dem Gründer Max von Aufsess die fränkische Mentalität „wendig, witzig, widersprüchlich“ in sich trägt. Darauf bin ich schon ein bisschen stolz.
Die Fastenpredigt ist eng mit Vorstellungen der katholischen Kirche verbunden. Sind Sie katholisch?
Wolfgang Reichmann: Nein ich bin ein Lutheraner im katholischen Umfeld, aber das hat mich nie belastet. Ein waschechter, gebürtiger Zwiebeltreter mit sächsischen Wurzeln. Mein Onkel war evangelischer Pfarrer bei Weismain, da habe ich oft meine Ferien verbracht, aber beeinflusst in Sachen Religion hat er mich nicht.
Seit 1992 gibt es die berühmte Festrede bei der Starkbierprobe auf dem Nockherberg in München, die der Mönch Bruder Barnabas hält. Haben Sie diese Veranstaltung schon einmal besucht?
Wolfgang Reichmann: Ja, ein Muss für alle Freunde der redenden Zunft. Sich über die Gaudi in das politische Geschehen einzumischen, ist für mich die höchste Form der humorvollen Unterhaltung.
Die Bamberger Fastenpredigt findet zum siebten Mal statt. In der Kirche kommt der Zahl Sieben eine besondere Bedeutung zu. Bei Ihnen auch?
Wolfgang Reichmann: Dem Anlass entsprechend nehme ich die Zahl, heilig und magisch zugleich, in den Blick und versuche mit einer ebenso augenzwinkernden wie pointierten Predigt das volle Haus im Kulturboden Hallstadt zu überzeugen.
Wie lange arbeiten Sie in der Regel an einem Fastenpredigt-Programm?
Wolfgang Reichmann: Fast ein Jahr lang. Ich habe einen dicken Packen Material gesammelt, aber daraus wird vieles im Laufe der Zeit wieder verworfen. Die heiße Phase beginnt dann im Herbst. Ich will ja auch nicht nur kritisieren und draufhauen, ich will auch das ein oder andere Zuckerl verteilen.
Blicken Sie über den städtischen Tellerrand hinaus oder orientieren sich die Inhalte eher am Lokalgeschehen?
Wolfgang Reichmann: Es geht um Bamberg, die Region und die Welt, von lokal bis global. Und selbst Bamberg ist ja schon ein Eldorado für Kabarettisten. Die Frage ist dabei immer, wie kann ich es verpacken, um die Leute bei Laune zu halten. Nicht nur draufhauen, dann schaltet das Publikum recht schnell ab.
Was werden Sie auf jeden Fall in der Fastenpredigt thematisieren?
Wolfgang Reichmann: Die Bundeswehr, die fränkische Mentalität, den lieben Gott, den Zustand der Bamberger Straßen als Golfplatz, den lokalen Tourismus und den Bamberger Stadtrat.
Ist das Programms abendfüllend?
Wolfgang Reichmann: Ja, auf jeden Fall. Es sind ja auch immer Videoclips und Zwischentexte dabei. Da komme ich dann schon auf 90 Minuten mit 80 Schreibmaschinenseiten als Vorlage. Und es gibt ja auch immer Zurufe aus dem Publikum, auf die ich natürlich sofort reagiere.
Mit Bruder Udalrich hat Florian Herrnleben mit seiner Fastenpredigt bereits im Februar vorgelegt. Ist er Konkurrenz oder Bereicherung?
Wolfgang Reichmann: Null Problemo für mich. Weder zeitlich noch inhaltlich. Ich mache es ganz anders und eine Stadt wie Bamberg verträgt uns beide, wir nehmen uns nichts.
Der Gewinn bei Herrnleben geht an ein gemeinnütziges Projekt. Wie sieht es damit bei Ihrer Zusammenarbeit mit dem Veranstaltungsservice Bamberg aus?
Wolfgang Reichmann: Die Fastenpredigt ist mit einer Spende verbunden und soll einem guten Zweck dienen. Bisher war es immer für Franken helfen Franken e.V..
Das Fasten dient der Vorbereitung auf Ostern. Fasten Sie selber in den kommenden Wochen?
Wolfgang Reichmann: Nein, an die kirchliche Fastenzeit halte ich mich nicht.
Wie sieht Ihre Planung für den Rest des Jahres nach den beiden Fastenpredigt-Auftritten aus?
Wolfgang Reichmann: Ich freue mich besonders auf die Närrische Weinprobe mit fünf Auftritten im unterfränkischen Gössenheim, den Fränkischen Abend in Gerach und mein Kabarettprogramm in der KUFA im April. Und ein neues Format, ein „Politischer Frühschoppen“, wird gerade entwickelt.
Fastenpredigt mit Wolfgang Reichmann
10. und 11. März, jeweils 19:30 Uhr
Kulturboden Hallstadt
Bruder Udalrich
Fastenpredigt: „Die Summe der Skandale der letzten drei Jahre in Bamberg ist einmalig“
Florian Herrnleben alias Bruder Udalrich wird Ende Februar die achte Bamberger Fastenpredigt halten. Eine logische Wahl seitens der Veranstalter „AGIL Bamberg erleben“. Denn kaum jemand sonst war in den letzten Jahren derart ausgeprägt an der Enthüllung verschiedener städtischer Skandale beteiligt wie der Kabarettist, Kolumnist und Puppenspieler.
Falsche Überstunden- und Boni-Abrechnungen, gefälschte Facebook-Profile, ein Prosecco-Umtrunk in der Königstraße zu Zeiten des Lockdowns und einiges mehr – die Liste der Verfehlungen des politischen Personals Bambergs in den letzten Jahren ist lang. An der Aufdeckung der beiden erstgenannten war Florian Herrnleben unter anderem mit seinem Blog „Herrnlebens Überstunde“ beteiligt. Nun hält der Kabarettist, Kasperle-Puppenspieler und Stadtecho-Kolumnist nach zweijähriger Corona-Pause die diesjährige Bamberger Fastenpredigt. Als Nachfolger von Andreas Ulich und Arnd Rühlmann nimmt er sich am 25. Februar im Ziegelbau des Kongress Hotels die Starkes, Stieringers und Humls der Stadt vor.
Wir haben mit Florian Herrnleben über das Engagement, seine Themen und Bambergs Skandalreichtum gesprochen.
Florian, warum hast du deinem Fastenprediger den Namen „Udalrich“ gegeben?
Florian Herrnleben: Dank meines Onkels bin ich auf der Suche nach einem Namen für meine Figur irgendwann auf diesen Namen gestoßen. Er gefiel mir gleich, weil er so schön sperrig ist und wie ich finde gut zu einem Mönch passt. Dann habe ich mehr über Udalrich oder Ulrich von Bamberg gelernt. Er war im 12. Jahrhundert Priester, Küster und Mitglied der Bamberger Domgeistlichkeit und hatte sich vor allem dem Chronistischen verschrieben. Sein Hauptwerk heißt „Codex Udalrici“ und enthält bedeutende Urkunden und Briefe aus der damaligen Bamberger Zeit. Allgemein war er sehr der Sprache zugetan und nicht irgendwer, sondern eine – wenn auch nicht allzu bekannte – Bamberger Persönlichkeit.
Die Fastenpredigt Ende Februar ist deine erste. Wie kam das Engagement zustande?
Florian Herrnleben: Na ja, man hat mich gefragt, ich habe zugesagt. Ich war ja schon bei Arnd Rühlmanns letztem Auftritt als Fastenprediger zu Gast. Damals wurde mir signalisiert, dass ich vielleicht als nächster Prediger in Frage käme, weil ich in meinem Kabarettprogramm eben schon sehr tief im lokalpolitischen Geschehen unterwegs war. Nach der Corona-Pause kamen die Veranstalter Jost Lohmann von AGIL, Ambros Mahr vom Ambräusianum und Udo Ziegler vom Welcome Hotel dann auf mich zu und fragten, ob ich mir den Auftritt vorstellen könnte.
Hat bei AGILs Entscheidung, sich an dich zu wenden, auch die Hoffnung eine Rolle gespielt, dass du deine Rolle in der Aufdeckung von aktuellen Bamberger Polit-Skandalen auf der Bühne mit neuen Enthüllungen fortsetzen könntest?
Florian Herrnleben: Glaube ich nicht, weil ich, und das finde ich schön, eben schon deutlich vor diesen Skandalen zum ersten Mal darauf angesprochen wurde. Mit dem Abtritt von Arnd Rühlmann war man schon mit mir in Kontakt getreten. Ich glaube auf der anderen Seite aber schon, dass sich die Veranstalter sehr freuen, damals vor der Pandemie-Pause schon genau den erwischt gehabt zu haben, der dann in den Jahren darauf an diesen Enthüllungen beteiligt und deswegen im Gespräch war. Inwieweit ich das auf der Bühne aber fortsetze, ist eine andere Sache. Ich denke nicht, dass eine Fastenpredigt der Zeitpunkt ist, neue Skandale aufzudecken. Es geht mir darum, auf das, was in den letzten Jahren passiert ist, möglichst unterhaltsam zurückzublicken und den Beteiligten die Leviten zu lesen.
Was wirst du für deine Fastenpredigt von deinen beiden Vorgängern Andreas Ulich und Arnd Rühlmann übernehmen?
Florian Herrnleben: Ich habe Andreas Ulichs Auftritt als Fastenprediger nicht gesehen, sondern nur die von Rühlmann. Direkt übernehme ich nichts – außer die Kutte. Das tue ich allerdings mit ein bisschen Stolz, weil beide sehr beliebt und gut sind in dem, was sie auf der Bühne tun. Aber Herrnleben ist Herrnleben und mein Prediger wird ein eigener Prediger sein.
Was wird das Eigene sein?
Florian Herrnleben: Was mit Sicherheit neu für mich sein wird, im Unterschied zu einem Kabarett-Auftritt und davon lebt so eine Predigt ja auch ein bisschen, ist die Tatsache, dass die Leute, über die man redet, im besten Fall in der ersten Reihe direkt vor einem sitzen und man mit ihnen interagieren kann. Als Puppenspieler vom Kasperletheater kenne ich auf der anderen Seite aber nichts anderes als Interaktion. Was ich vom Puppenspiel also schon kenne und kann, darf ich jetzt ein Stück weit in die Erwachsenenunterhaltung mitnehmen. Ich kann den Leuten in die Augen schauen, hoffe aber auch, ihnen auch noch hinterher in die Augen schauen zu können. Das wird eine spannende Gratwanderung.
Es ist noch mehr als ein Monat bis zu deinem Auftritt. Steigt die Nervosität bereits?
Florian Herrnleben: Ich freue mich in erster Linie sehr auf die Fastenpredigt. Wenn man ohne Freude auf die Bühne geht und dabei nicht irgendeine Art von Faible dafür hat, sich vor Leute zu stellen, könnte man so etwas überhaupt nicht machen. Außerdem gehöre ich zu denen, die zum Glück kein allzu großes Lampenfieber haben.
Um welche Themen wird sich deine Predigt drehen?
Florian Herrnleben: Es geht los bei der letzten Kommunalwahl, dann kam die Datenschutzverletzung samt Strafbefehl für Andreas Starke, dann der Prosecco-Skandal. Wir hatten den großen Boni-Überstunden-Rathaus-Razzia-Skandal, mit dem nächsten Strafbefehl. Es folgte der Fake-Account-Skandal um Klaus Stieringer und zuletzt der Rücktritt von Ludwig Schick. Es wird auch um die CSU gehen müssen mit ihren Social-Media-Kettenhunden, die sich dank Playboy in die bundesweite Presse gesplattert haben, und um Melanie Huml und ihre Maskenaffäre. Auch der grüne Verkehrsplan und der Stand seiner Umsetzung ist ein Thema. Es sollte niemand ausgespart werden.
Gehst du im Angesicht der Tatsache, dass du am Zustandekommen einiger der Themen durch deine Enthüllungen in „Herrnlebens Überstunde“ selbst beteiligt warst, davon aus, dass der Wunsch einiger Betroffener, dich scheitern zu sehen, besonders groß ist?
Florian Herrnleben: Klar. Aber was heißt scheitern. Dass niemand lacht? Dass ich beim Besteigen der Bühne über die Kutte stolpere? Es ist nach 35 Jahren auf und hinter Bühnen zum Glück auch eine gewisse Routine da. Ich möchte einen guten Auftritt ablegen, mit dem zunächst einmal ich zufrieden bin. Natürlich werden alle hinterher ihre Meinung haben, der eine wird es besonders gut, der andere wird die Vorgänger besser finden – aber das ist in Ordnung. Und ein Scheitern im Sinne eines leeren Saals, vor dem ich auftrete, schließen die bisherigen Kartenvorkäufe aus.
Teilst du gegen das gesamte Parteienspektrum des Stadtrats aus oder musst du der SPD zwangsläufig den größten Platz im Programm einräumen, weil sie sozusagen die meiste Vorarbeit geleistet hat?
Florian Herrnleben: Ja, sie hat die meiste Vorarbeit geleistet, aber die SPD und ihr Oberbürgermeister sind vor allem auch an der Macht. Damit ergibt sich automatisch ein kleiner Schwerpunkt im Programm. Starke war in die meisten Skandale mitverwickelt oder mit der Überstunden-Boni-Affäre sogar in den größten. Hinzu kommt sein ehemaliger Fraktionschef Stieringer und dessen zweitgrößter Skandal um die Fake Accounts. Es wäre komisch und unverhältnismäßig, wenn ich am meisten über Gaustadts BUB herziehen würde.
Hast du ein Lieblingsthema? Welches ist kabarettistisch und was eine Fastenpredigt angeht am ergiebigsten?
Florian Herrnleben: Es teilt sich ein bisschen auf. Der Überstundenskandal ist der größte Skandal, weil es um so viel Geld ging, er ist aber gleichzeitig auch ein wahnsinnig trockenes und anspruchsvolles Thema. Es aufzuarbeiten hat aber darum umso mehr Spaß gemacht. Auf der anderen Seite ist der Fake-Account-Skandal von vorne bis hinten von sich aus schon so absurd, dass man ihn kaum mehr für eine Predigt überhöhen muss. Ich habe also eigentlich kein Lieblingsthema, weil einfach so viel Verrücktes passiert ist – der Oberbürgermeister ist doppelt vorbestraft wegen Datenschutzverletzung und Untreue. In welcher anderen Stadt gibt es so was schon! Die Summe der Skandale der letzten drei Jahre in Bamberg ist einmalig.
Die Rolle des Predigers gibt die Möglichkeit, ein bisschen härter oder beleidigender zu den Angesprochenen zu sein als zum Beispiel in einer Kolumne. Machst du davon Gebrauch?
Florian Herrnleben: Man sagt mir in meinen Kabarett-Programmen schon eine gewisse Schärfe in der Sprache nach. Ob es in der Predigt noch schärfer werden muss oder wird, weiß ich nicht. Das lässt sich auch oft erst hinterher sagen, ob man jemanden getroffen hat oder nicht. Der Ton wird auch ein bisschen der Atmosphäre geschuldet sein und die ist bierzeltmäßig. Der Ziegelbau im Kongress Hotel ist keine Kleinkunstbühne, vor der 40 Leute im Dunkeln hocken und auf der Bühne präsentiert einer einen wochenlang vorbereiteten maximalfeinsinnigen Text, bei dem es auf jede Nuance ankommt. Im Ziegelbau muss es schon ein bisschen lauter und brachialer zugehen – alles andere würde vielleicht auch gar nicht ankommen. Mein Anspruch ist, die Leute zu unterhalten, aber ohne unter der Gürtellinie zu treffen. Denn hinterher möchte ich, wie gesagt, noch allen Angesprochenen in die Augen schauen können.
Lässt sich sagen, ob die Hauptpersonen der zurückliegenden Ereignisse zur Fastenpredigt kommen werden?
Florian Herrnleben: Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube, es kommen nur die, die so was vertragen und zusätzlich ein paar mit Profilneurose. Ich wäre positiv überrascht, wenn zum Beispiel Stefan Sandmann kommt und dann auch noch in der ersten Reihe sitzt.
Kann man als Politiker seine Teilnahme an so einer Spottrede nicht aber nutzen, um Selbstironie anzutäuschen oder um vorzugeben, dass man großherzig genug ist, auch einmal einen Witz auf eigene Kosten vertragen zu können?
Florian Herrnleben: Schon, aber ich glaube, das können nicht alle. Aber es stünde Politikern allgemein tatsächlich gut und es sollte schon zum Politikerdasein dazugehören, an der maßgeblichen Veranstaltung dieser Art in Bamberg teilzunehmen. Sonst stellt man sich ja auch gern selbst vor sein Wahlvolk hin und sozusagen predigt, da kann man sich auch mal selbst einer Predigt aussetzen, bei der man zur Abwechslung mal nicht das letzte Wort hat.
Bei der Münchner Fastenpredigt am Nockherberg gilt: Wer nicht vorkommt in der Predigt, ist unwichtig. Wer kommt bei dir nicht vor?
Florian Herrnleben: Mal schauen. Ich habe eine Idee und muss mal schauen, ob es klappt. Da muss man ein bisschen unterscheiden zwischen denen, die sich wichtig fühlen und es sind, und denen, die sich wichtig fühlen, ohne es zu sein. Ich möchte jetzt keine Namen nennen, aber von diesen ganzen teils unbekannten Einzelfiguren aus dem Stadtrat, die versuchen, sich zu profilieren, muss sicher nicht jeder vorkommen. Ich kann ja nicht erst mal eine Viertelstunde lang erklären, um wen es sich handelt. Anders gesagt, alle, die nicht vorkommen, haben für mich wahrscheinlich keine politische Bedeutung.
Zeichnen sich neue Themen ab, die kurz vor der Predigt noch reinkommen könnten?
Florian Herrnleben: Ich hoffe nicht! Kurz vor der Predigt brauche ich keinen neuen Skandal. Es wäre mir ganz recht, wenn die Politiker bis dahin die Füße stillhalten. Danach dürfen sie wieder Gas geben, damit der Fastenprediger für 2024 Material hat.
Könntest du wieder dieser Prediger sein?
Florian Herrnleben: Da halte ich es wie mein Vorgänger Arnd Rühlmann – ich entscheide mich nach der Predigt. Und dann entscheidet der Veranstalter.