Die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern ist auch in der Filmbranche noch nicht erreicht. Nur etwa jeder fünfte Film stammt von Regisseurinnen.
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„Es besteht ein hoher Nachholbedarf, was Angleichung angeht“
4. Frauen-Filmfestival Bamberg
Die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern ist auch in der Filmbranche noch nicht erreicht. Nur etwa jeder fünfte Film stammt von Regisseurinnen. Um Filmen von Frauen mehr Sichtbarkeit zu verleihen, veranstaltet die Gleichstellungsstelle der Stadt Bamberg zusammen mit verschiedenen Einrichtungen und Verbänden der Erzdiözese Bamberg und ver.di Bamberg vom 27. September bis 3. Oktober im Lichtspielkino das 4. Frauen-Filmfestival Bamberg. Wir haben mit dem Festivalteam über die Ungleichheit im Filmgeschäft, Quotenregelungen und männlich dominierten Strukturen gesprochen.
Das Frauen-Filmfestival Bamberg findet zum 4. Mal statt. Wird es bereits als kulturelles Inventar Bambergs wahrgenommen oder wünschen Sie sich noch mehr Anerkennung und Bekanntheit für das Festival?
Festivalteam: Sicherlich ist das Frauen-Filmfestival noch kein Inventar, dazu ist es zu frisch und zu jung. Aber mittlerweile haben wir im Herbst jeden Jahres unseren festen Platz im Lichtspiel-Programm und freuen uns über die so bereichernde Kooperation mit der Betreiberin Diana Linz. Das Festival wird gut angenommen und die Dringlichkeit der Idee hinter dem Festival wird gesehen. Auch das Vorbereitungsteam vergrößert sich mit den Jahren. Und 2020 gab es auch erstmalig eine Förderung vom Soroptimist International Club Bamberg-Wilde Rose, dem auch am Herzen liegt, dass mehr Filme von Frauen auf die Leinwand kommen. Wir haben überwiegend weibliche Zuschauerinnen wahrgenommen. Aber auch Männer sind gerne gesehen und können in der Festivalwoche die Gelegenheit nutzen, weibliche Filmarbeit kennen und schätzen zu lernen.
Für den Festivalbeitrag „RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit“ über die kürzlich verstorbene Ruth Bader Ginsberg wird es eine Zusatzvorstellung geben. Mit welchen Publikumszahlen rechnen Sie allgemein für das Festival, wie haben sich diese in den letzten drei Jahren entwickelt?
Festivalteam: Der Tod von RBG, der politisch derartig gravierende Folgen nach sich ziehen kann, hat die Aufmerksamkeit auf unsere Filmreihe nochmals erhöht. In den letzten Jahren sind die Besucherzahlen immer leicht gestiegen. Leider sind uns für diese vierte Ausgabe durch Corona enge Grenzen gesteckt. Wir freuen uns aber über jeden Gast, der sich offen auf die Filme einlässt. Das ist das Wichtigste! Zudem werden wir die Filme im Oktober auch für Schulvorstellungen und medienpädagogische Erziehung im Lichtspiel anbieten.
Welche sind die häufigsten Rückmeldungen aus dem Publikum?
Festivalteam: Das weibliche Publikum freut sich über die Reihe durch die es Solidarität und Gemeinschaft erfährt. Es fühlt sich bestärkt und gestärkt. Die allererste Onlinerückmeldung 2017 kam tatsächlich von einem Mann, der bedauerte, nicht alle Filme gesehen haben zu können. Aber auch hier die Ermutigung an die Männer, kommen Sie ins Lichtspielkino – auch auf Ihre Feedbacks sind wir gespannt! Leider muss immer noch auf das Thema aufmerksam gemacht werden, da die Gleichberechtigung nicht nur in der Filmbranche nicht selbstverständlich gelebt wird. Auch das unterstreichen die Kommentare der Besucher*innen der letzten drei Ausgaben des Festivals.
Welche Hoffnungen und Ziele verbinden Sie mit dem Festival?
Festivalteam: Wir möchten Regisseurinnen eine Plattform bieten, auf die Qualität der Erzeugnisse von Filmemacherinnen aufmerksam machen und die weibliche Sicht der Dinge künstlerisch und gesellschaftlich sichtbar werden lassen. Mittelfristig gesehen wünschen wir uns natürlich, dass ein Festival mit dieser Intention gar nicht mehr angeboten werden muss. Denn wenn Regisseurinnen den gleichen Stand wie ihre männlichen Kollegen hätten und die Gleichberechtigung hier zu spüren wäre, müsste es kein Festival extra für Filmemacherinnen mehr geben.
Mit Maren Ade, deren „Toni Erdmann“ 2016 weltweit gefeiert wurde, Maria Schrader, die mit „Unorthodox“ gerade einen Emmy gewonnen hat, und Nora Fingscheidt, deren „Systemsprenger“ ebenfalls zahlreiche Preise gewann, ist Kino von Regisseurinnen derzeit sehr erfolgreich. Trotzdem kann von Gleichstellung zwischen weiblichem und männlichem Personal im Filmbetrieb noch keine Rede sein. Wie ist der Stand der Gleichstellung, was wurde in den letzten Jahren erreicht, was muss noch erreicht werden?
Festivalteam: Der Verein „Pro Quote“ hat festgestellt, dass auch heute noch circa 85 Prozent der Filme von Regisseuren erstellt werden. Es besteht also ein hoher Nachholbedarf, was eine Angleichung angeht. Und ein Umdenken in der Filmbranche ist nötig, Regisseurinnen können eben nicht nur typisch weibliche Themen in ihren Filmen umsetzen und außerdem muss ohne Frage auch die finanzielle Ausstattung ihrer Filme entsprechend angehoben werden.
Ist die Einführung einer Quotenregelung, zum Beispiel zur gleichmäßigen Besetzung von Hauptrollen oder Förderung von Regisseurinnen und Regisseuren, nötig?
Festivalteam: Wir bejahen definitiv eine gleichberechtigte Förderung von Regisseuren und Regisseurinnen. Die Hauptrollenvergabe sollte dem Regisseur oder der Regisseurin überlassen bleiben, denn hier geht es immer vor allem um den Inhalt und die Geschichte, die der Film transportieren will, und hier sollte größtmögliche Freiheit herrschen. Es ist aber mit Gewissheit anzunehmen, dass eine zahlenmäßige Gleichheit agierender Regisseure und Regisseurinnen auch zu einer geschlechtsspezifischen Ausgewogenheit in den dargestellten Figuren und Stoffen sorgen wird.
Was halten Sie von dem Argument, dass allein Qualität über Film-Förderung oder auch Platzierung von Filmen in Filmwettbewerben entscheiden solle? Wären solche Entscheidungen gerecht?
Festivalteam: Natürlich ist Qualität ein grundlegendes Kriterium dafür, ob ein Film aufgrund seiner Machart oder seines Inhalts sehenswert und preiswürdig ist. Dennoch gibt es auf dem Markt natürlich nicht nur eine Art von Qualität, die ausschlaggebend sein kann, denn der Markt ist vielfältig und verlangt auch nach entsprechend diversem Material. Wie das filmische Endprodukt letztlich aussieht und wie es dann rezipiert wird, ist über lange Strecken unbekannt. Daher darf Filmförderung durchaus auch eine politische Frage sein, die gesellschaftlich relevante Ziele verfolgt. Dies kann die Förderung junger Regisseur*innen beinhalten, die Thematisierung bestimmter Fragen oder eben die Gleichberechtigung. Auch eine Zulassung der Teilnahme, eine Nominierung, manchmal auch eine Preisvergabe bei einem Filmwettbewerb kann politisch motiviert sein und ist es sicherlich auch, denn Film findet nicht im luftleeren Raum statt und ist immer auch ein Spiegel unserer Gesellschaft. Gut, wenn es dann eine öffentliche Diskussion inhaltlicher und formaler Art darüber gibt.
In Schweden werden seit 2013 Fördergelder für Regie, Drehbuch und Produktion hälftig an Frauen und Männer vergeben. Warum gibt es solch eine Verteilung nicht auch in Deutschland?
Festivalteam: In Deutschland besteht die Tendenz, alles was nach Quotenregelung aussieht, vehement zu bekämpfen mit dem Totschlagargument „Nur Qualität zählt“. Dabei wird aber übersehen, dass Männer im Fall des Filmes den Frauen eine jahrhundertlange Netzwerkarbeit voraushaben, so Strukturen geschaffen wurden, die sich erst sehr allmählich ändern lassen. Frauen kommen also häufig erst gar nicht an den Punkt, dass überhaupt festgestellt werden kann, ob die Qualität stimmt, da sich ihnen viele Möglichkeiten erst gar nicht eröffnen. Die Rollenverteilung in der Gesellschaft weicht auch erst allmählich auf und für manche Frauen ist es immer noch nicht selbstverständlich, als verantwortliche Regisseurin für Dreharbeiten Haus und Hof, Kind und Kegel auch für längere Zeitabschnitte der Obhut eines anderen zu überlassen. Wir unterstützen daher auch die Forderung nach gleichberechtigter Vergabe von Fördergeldern für einen fairen Wettbewerb!
Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie das Programm des 4. Frauen-Filmfestivals zusammengestellt?
Festivalteam: Am Anfang der Festivalplanung setzen wir uns als Festivalteam zusammen und überlegen, welche aktuellen Filme eventuell ins Programm passen würden. Stets sind wir auch an Filmen mit weiblichen eindrücklichen Protagonistinnen interessiert, die Gleichberechtigung sowie die Wahrnehmung der Frau gut transportieren. Und natürlich möchten wir den Zuschauer*innen ein ausgewogenes Programm präsentieren und versuchen, die Genres zu mischen. Dieses Jahr haben wir sogar eine Mixform mit „All I never wanted“ dabei. Die Mockumentary wechselt quasi immer wieder zwischen Dokumentation und inszenierten Spielfilm-Szenen. Oder in „Töchter des Aufbruchs“ erzählen 15 Frauen von dem, was sie bis heute antreibt. Gastarbeiterinnen, die Ende der 1960er Jahre nach Deutschland gekommen sind, sowie deren Töchter und Enkelkinder kommen dabei zu Wort. Außerdem konnten wir erstmals eine Empfehlung von außen ins Programm mit aufnehmen: „Komponistinnen“ – eine Spurensuche zu den Komponistinnen Mel Bonis, Lili Boulanger, Fanny Hensel und Emilie Mayer. Eine wunderbare Dokumentation, die hervorragend zu unserem Festival passt und das Thema „Warum erfahren Frauen in diesem Beruf weniger Aufmerksamkeit?“ im Bereich der Musik darstellt.
Mit der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB), dem Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB) und der Medienzentrale der Erzdiözese Bamberg haben ver.di Bezirk Oberfranken-West und die Gleichstellungstelle der Stadt Ausrichtungspartner aus dem Bereich der katholischen Kirche – eine Institution, die sich in ihrer Geschichte nicht unbedingt als Kämpferin für die Gleichstellung der Frauen hervorgetan hat. Wie passt das zu einem Frauen-Filmfestival?
Festivalteam: Im Vorbereitungsteam befinden sich mit der Medienzentrale der Erzdiözese, KDFB und KAB drei Partner, die der Erzdiözese Bamberg zugehören. Auch in der Kirche sind bekanntermaßen Frauen tätig, die Dinge bewegen wollen und für Gleichberechtigung einstehen. So auch die beteiligten Frauen aus der Erzdiözese Bamberg. Kooperationen der Stadt Bamberg mit kirchlichen Stellen auch in anderen Bereichen sind als gut und erfolgreich zu verzeichnen, wie zum Beispiel die Zusammenarbeit der Medienzentrale mit dem Migrationsbeirat im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus. Auch das Lichtspiel arbeitet schon seit 25 Jahren mit sowohl evangelischen wie katholischen Gemeinden in Bamberg zusammen, zeigte aber auch schon religionskritische Filme. Es geht letztlich um die inhaltliche Auseinandersetzung und den Diskurs mit aktuellen Themen. Umso besser, dass sich hier vor Ort Verbände der Kirche zu diesem Thema engagieren!
Unabhängig vom Festivalprogramm – welchen Film einer Regisseurin würden Sie unbedingt empfehlen?
Festivalteam: Oh, da fallen uns viele ein! Zum Beispiel „Glücklich wie Lazzaro“ von Alice Rohrwacher, der im November in der Filmreihe der Medienzentrale läuft, oder „Milla Meets Moses“ von Shannon Murphy – Filmstart Oktober – sowie „Ich bin dann mal weg“ von Julia von Heinz. Oder „Rocca verändert die Welt“ von Katja Benrath – eigentlich ein Film für Kinder ab zehn Jahren, der jedoch sehr gut auch für Erwachsene funktioniert. Die Hauptfigur Rocca – eine Art moderne Pippi Langstrumpf – möchte Themen wie Obdachlosigkeit oder Mobbing nicht einfach hinnehmen und findet Lösungen – auf ihre Art. Genau wie die Hauptfiguren in unserem diesjährigen Festival.
4. FrauenFilm-Festival Bamberg
27. September bis 3. Oktober, Lichtspielkino Bamberg
Programm
27. September, 12 Uhr: „Die Berufung – Ihr Kampf für Gerechtigkeit“
27. September, 17 Uhr und 30. September, 18:40 Uhr: „Komponistinnen“
28.September, 18:40 Uhr und 1. Oktober, 17 Uhr: „Töchter des Aufbruchs“
29. September, 18:40 Uhr und 02. Oktober, 17 Uhr: „All I never wanted“
3. Oktober, 12 Uhr und 17 Uhr: „RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit“
Schulvorstellungen
Ab Oktober im Rahmen des Filmfestivals am Vormittag für Gruppen buchbar:
„Embrace – Du bist schön“ und „Systemsprenger“
Weitere Informationen unter