Mannschaften der Fußball-Bundesliga provozieren Gelbsperren und setzen sie strategisch ein. Das hat ein Forschungsteam nachgewiesen.
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Universitätsstudie
Bundesligavereine setzen Gelbsperren strategisch ein
Mannschaften der Fußball-Bundesliga provozieren Gelbsperren und setzen sie strategisch ein. Das hat ein Forschungsteam nachgewiesen.
Sportökonominnen und ‑ökonomen der Universitäten Bamberg, Bielefeld und Hagen haben anhand empirischer Daten herausgefunden, was schon länger Verdacht war. Mannschaften der ersten Fußball-Bundesliga provozieren, in Abhängigkeit von der Spielstärke kommender Gegner, Gelbsperren und setzen diese strategisch ein.
Ein praktisches Beispiel aus dem Untersuchungszeitraum der Studie: In der Fußball-Bundesliga-Saison 2015//2016 gelang Werder Bremen im Abstiegskampf gegen Hannover 96 ein wichtiger 4:1‑Heimsieg. In der Endphase dieser Partie sahen Clemens Fritz und Zlatko Junozovic von Bremen jeweils die gelbe Karte. Da es sich für beide Spieler um die fünfte beziehungsweise zehnte gelbe Karte der Spielzeit handelte, wurden sie außerdem für das nächste Spiel gesperrt. Dieses ging gegen den den Tabellenführer und klaren Favoriten Bayern München.
In der erfolgversprechenderen nachfolgenden Partie standen sie ihrem Team für jedoch wieder unbelastet zur Verfügung. Im März 2016 gaben beide Spieler vor dem Schiedsgericht des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) zu diesen Vorgängen absichtsvolles Handeln zu. Beide belegte der DFB wegen unsportlichen Verhaltens mit einer Strafe von 20.000 Euro.
Häufig mutmaßen Medien in ähnlichen, mehr oder weniger offensichtlichen Fällen, dass Vereine die Gelb-Sperre strategisch ausnutzen. Der vorbelastete Spieler provoziert durch absichtlich regelwidriges Verhalten eine Gelbsperre. Diese, so der Hintergedanke, gilt für das kommende Spiel, das als weniger wichtig erachtet wird, weil es dort ein übermächtiger oder unterlegener Gegner wartet.
Entscheidend ist die Spielstärke der zukünftigen Gegner
Die Sportökonominnen und ‑ökonomen Prof. Dr. Christian Deutscher und Dr. Sandra Schneemann von der Universität Bielefeld, Prof. Dr. Marco Sahm von der Universität Bamberg und Dr. Hendrik Sonnabend von der Fernuniversität Hagen weisen derartiges strategisches Verhalten nun in einem kürzlich in der Fachzeitschrift Theory and Decision erschienenen Aufsatz nach.
Sie analysieren dazu Fußball-Bundesliga-Daten der Spielzeiten 2011//2012 bis 2015//2016. In der Analyse zeigen sie, dass mit vier gelben Karten vorbelastete Spieler im laufenden Spiel umso wahrscheinlicher eine fünfte gelbe Karte erhalten, je unterschiedlicher die Spielstärke des nächsten Gegners und je ähnlicher die Spielstärke des übernächsten Gegners im Vergleich zur Spielstärke des eigenen Teams ist.
Mit diesem statistisch-ökonometrischen Befund belegen die Forschenden zugleich die in ihrem spieltheoretischen Modell vorhergesagten Schatteneffekte. Große zukünftige Ereignisse, wie ein wichtiges enges Match, werfen ihre Schatten voraus. Das heißt, sie führen bereits vorab zu strategischen Verhaltensanpassungen, wie einer vorübergehenden Schwächung des eigenen Teams durch eine provozierte Gelbsperre.
Es ist deshalb davon auszugehen, dass die hier im sportökonomischen Kontext nachgewiesenen Schatteneffekte in anderen Wettbewerbssituationen bedeutsam sind. Dazu zählen zum Beispiel unternehmerische Konkurrenz oder politische Wahlkämpfe.