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Gewerkschaft

Kam­mern, Arbeits­agen­tu­ren, Schu­len, Gewerk­schaf­ten und Poli­tik Hand in Hand

Ers­ter ober­frän­ki­scher Schul­gip­fel: Aus­bil­dung stärken!

Noch sind rund 3.500 Aus­bil­dungs­plät­ze für das neue Aus­bil­dungs­jahr in Ober­fran­ken unbe­setzt. Gleich­zei­tig ent­schei­den sich coro­nabe­dingt immer mehr Schul­ab­sol­ven­ten für eine wei­ter­füh­ren­de Schu­le oder ein Stu­di­um. Beim ers­ten ober­frän­ki­schen Schul­gip­fel stand die Fra­ge im Mit­tel­punkt, wie die Vor­tei­le der beruf­li­chen Bil­dung bes­ser trans­por­tiert wer­den können.

Die IHK für Ober­fran­ken Bay­reuth rief – und alle kamen. Auf dem ers­ten ober­frän­ki­schen Schul­gip­fel tausch­ten sich Wirt­schafts­kam­mern, Agen­tu­ren für Arbeit, DGB, der AK SCHULEWIRTSCHAFT sowie Ver­tre­ter der Gym­na­si­en, der Real- und Mit­tel­schu­len dar­über aus, wie die Vor­tei­le der beruf­li­chen Bil­dung bes­ser kom­mu­ni­ziert wer­den kön­nen. Mit der stell­ver­tre­ten­den CSU-Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den im Baye­ri­schen Land­tag, Gud­run Bren­del-Fischer, war auch das ober­frän­ki­sche Mit­glied des Aus­schus­ses für Bil­dung und Kul­tus im Baye­ri­schen Land­tag vor Ort.

In ihrer Begrü­ßung skiz­zier­ten die Haupt­ge­schäfts­füh­rer Gabrie­le Hohen­ner (IHK für Ober­fran­ken Bay­reuth), Sieg­mar Schna­bel (IHK zu Coburg) und Rein­hard Bau­er (Hand­werks­kam­mer für Ober­fran­ken) die Aus­wir­kun­gen der Coro­na-Pan­de­mie auf die Aus­bil­dungs­platz­si­tua­ti­on und die wich­ti­ge Rol­le der beruf­li­chen Bil­dung für den Stand­ort Ober­fran­ken. Hohen­ner ver­weist dar­auf, dass ganz Deutsch­land mit einem spür­ba­ren Rück­gang bei den Aus­bil­dungs­zah­len kämpft. Coro­nabe­dingt ent­schei­den sich deut­lich mehr jun­ge Men­schen für ein Stu­di­um oder eine wei­ter­füh­ren­de Schu­le. „Die beruf­li­che Bin­dung ist aber trotz allem das Mit­tel der Wahl zur Behe­bung des Fach­kräf­te­man­gels”, macht Schna­bel deutlich.


Bedeu­tung der Aus­bil­dung bes­ser kommunizieren

Wie wich­tig neue Ideen in Sachen Aus­bil­dung sind, fasst DGB-Regi­ons­ge­schäfts­füh­rer Mathi­as Eckardt zusam­men: „Mir wird him­me­langst um den Stand­ort Ober­fran­ken, wenn es nicht gelingt, Nach­wuchs für die Aus­bil­dung zu gewin­nen. Irgend­wann droht sonst wegen des Fach­kräf­te­man­gels eine Abwan­de­rung der Unternehmen.”

Auch gera­de in der Poli­tik ist die her­aus­ra­gen­de Bedeu­tung der Aus­bil­dung noch nicht über­all ver­an­kert, so Bren­del-Fischer. So sehr die Inves­ti­tio­nen im Hoch­schul­be­reich den Stand­ort Ober­fran­ken stär­ken, sie ver­mis­se Ähn­li­ches auf der Aus­bil­dungs­ebe­ne. „Ohne ent­spre­chen­de Wei­chen­stel­lun­gen dro­hen ana­log zum Pfle­ge­not­stand vie­le wei­te­re Not­stän­de”, warnt Brendel-Fischer.

Inten­si­viert wer­den soll die Berufs­ori­en­tie­rung in den Schu­len, sind sich die Gip­fel­teil­neh­mer einig, sei es in Form einer per­sön­li­chen Bera­tung, über die Eltern oder über Aus­bil­dungs­mes­sen. Die Jah­re 2020 und 2021 haben klar gezeigt, wel­che her­aus­ra­gen­de Rol­le Aus­bil­dungs­mes­sen in Prä­senz spie­len. Das digi­ta­le Pen­dant kann die­se Rol­le allen­falls ansatz­wei­se aus­fül­len. Bau­stei­ne, wie Berufs­prak­ti­ka, auch in nie­der­schwel­li­ger Form, Selbst­tests oder Speed-Datings in einem neu­en For­mat sol­len aus­ge­baut werden.


Eltern spie­len eine her­aus­ra­gen­de Rolle

Eltern sei­en wei­ter­hin sehr wich­tig für die Berufs­wahl der Schul­ab­gän­ger: „Mein Kind soll es bes­ser haben als ich”, so umschreibt Dr. Micha­el Pfitz­ner von SCHULEWIRTSCHAFT in Ober­fran­ken den klas­si­schen Gedan­ken­gang vie­ler Eltern. Aller­dings habe sich der Arbeits­markt in den ver­gan­ge­nen Jah­ren maß­geb­lich ver­än­dert. Längst hat der Kar­rie­re­weg über die Aus­bil­dung deut­lich an Attrak­ti­vi­tät gewon­nen. Höhe­re Ein­kom­men, eine bes­se­re Arbeits­platz­si­cher­heit und deut­lich attrak­ti­ve­re Kar­rie­re­mög­lich­kei­ten spre­chen heu­te für eine Aus­bil­dung – auch im Ver­gleich zum Stu­di­um. Umso wich­ti­ger sei der Kon­takt zu den Eltern. Hohen­ner: „Hier wol­len wir gemein­sam neue Wege gehen”.


Schwä­che­re Schü­ler mitnehmen

Sor­ge berei­tet, dass es immer noch etli­che Schul­ab­gän­ger ohne Abschluss gibt. Einig waren sich die Teil­neh­mer, dass die­ser Ziel­grup­pe mehr Auf­merk­sam­keit gewid­met wer­den müs­se, etwa in Form der assis­tier­ten Aus­bil­dung, mit Ein­stiegs­qua­li­fi­zie­run­gen und mehr nie­der­schwel­li­gen Aus­bil­dungs­an­ge­bo­ten, wie es Sebas­ti­an Pei­ne, Vor­sit­zen­der der Geschäfts­füh­rung der Agen­tur für Arbeit Bay­reuth- Hof zusammenfasst.

Die Schü­ler sei­en nicht schlech­ter gewor­den, es ent­schei­den sich aber immer mehr Absol­ven­ten mit einem guten Abschluss für ein Stu­di­um, so dass die Zahl der Bewer­ber mit schlech­te­ren Zeug­nis­sen für einen Aus­bil­dungs­platz in Rela­ti­on steige.

Des­halb gewin­ne die Unter­stüt­zung von Aus­zu­bil­den­den beim Berufs­schul­all­tag auch immer mehr an Bedeu­tung. Da die Zahl der Berufs­schü­ler gene­rell rück­läu­fig sei und es bei etli­chen Beru­fen immer schwe­rer wird, Berufs­schul­klas­sen zu bil­den, gewin­ne außer­dem eine Beschu­lung nach Berufs­grup­pen immer mehr an Bedeutung.


Netz­wer­ke ausbauen

Die bestehen­den Netz­wer­ke sol­len wei­ter aus­ge­baut wer­den, auch zwi­schen den Betei­lig­ten des Schul­gip­fels. Es besteht Einig­keit dar­über, dass dies vor allem auf Arbeits­ebe­ne gesche­hen müs­se. Hohen­ner: „Es muss uns gelin­gen, alle Akteu­re zusam­men­zu­brin­gen, auch gera­de auf Arbeits­ebe­ne. Die­ser Schritt steht auch im Fokus der kom­men­den Monate.”

„Viel Poten­ti­al auf dem Bau“

Aktu­ell noch 700 Aus­bil­dungs­plät­ze in der Regi­on Bam­berg zu vergeben

Das neue Aus­bil­dungs­jahr star­tet – doch vie­le Fir­men suchen wei­ter­hin Nach­wuchs: In der Stadt und dem Land­kreis Bam­berg sind von ins­ge­samt rund 1680 gemel­de­ten Aus­bil­dungs­stel­len aktu­ell noch 700 Plät­ze zu ver­ge­ben. Das teilt die Indus­trie­ge­werk­schaft Bau­en-Agrar-Umwelt mit und beruft sich dabei auf Zah­len der Arbeitsagentur.

Die IG BAU Ober­fran­ken warnt vor einer Ver­schär­fung des Fach­kräf­te­man­gels, soll­te ein Groß­teil der Stel­len unbe­setzt blei­ben – und ruft Berufs­star­ter dazu auf, sich ins­be­son­de­re in der Bau­bran­che umzu­se­hen. Laut Arbeits­agen­tur sind bei Hoch- und Tief­bau­un­ter­neh­men in Bay­ern der­zeit noch rund 1.520 Plät­ze frei. Das ent­spricht etwa der Hälf­te aller gemel­de­ten Aus­bil­dungs­stel­len in der Branche.


Vie­le Fach­leu­te ver­las­sen nach der Aus­bil­dung ihren Baubetrieb


„Die Coro­na-Pan­de­mie ist ins­ge­samt am hei­mi­schen Aus­bil­dungs­markt nicht spur­los vor­bei­ge­gan­gen. Teils bie­ten Fir­men weni­ger Plät­ze an oder fah­ren die Leh­re ganz zurück. Auch der Berufs­schul­un­ter­richt kann nicht über­all wie gewohnt statt­fin­den. In vie­len Berei­chen bewer­ben sich aber auch deut­lich weni­ger Schul­ab­gän­ger“, sagt Gerald Nick­las, Bezirks­vor­sit­zen­der der IG BAU Ober­fran­ken. Doch jeder Azu­bi, der jetzt feh­le, sei in drei Jah­ren eine drin­gend gebrauch­te Fach­kraft weni­ger. Beson­ders das Bau­ge­wer­be müs­se ange­sichts der anhal­tend hohen Auf­trags­la­ge – vom Woh­nungs- bis zum Gleis- und Stra­ßen­bau – noch mehr Berufs­an­fän­ger für sich gewinnen.

Dabei stün­den Bau-Azu­bis im Bran­chen­ver­gleich in punc­to Bezah­lung an der Spit­ze, wie eine Unter­su­chung des Bun­des­in­sti­tuts für Berufs­bil­dung (BIBB) zeigt. Außer­dem kön­nen sich Beschäf­tig­te im Anschluss an den Gesel­len­brief fort­bil­den und es bis zum Polier oder Bau­lei­ter brin­gen. Vie­le Fach­leu­te ver­lie­ßen jedoch nach der Aus­bil­dung ihren Bau­be­trieb, so die Gewerk­schaft – vor allem wegen har­ter Arbeits­be­din­gun­gen und den oft lan­gen, aber unbe­zahl­ten Fahr­zei­ten zu den Bau­stel­len.
„Es kommt dar­auf an, den Bau auch nach der Aus­bil­dung attrak­ti­ver zu machen. Gera­de die Ver­ein­bar­keit von Fami­lie und Beruf ist hier wich­tig“, betont Cars­ten Bur­ck­hardt vom IG BAU-Bundesvorstand.

Des­halb for­dert die Gewerk­schaft in der lau­fen­den Tarif­run­de für die Bran­che eine Ent­schä­di­gung der Wege­zei­ten, 5,3 Pro­zent mehr Ein­kom­men und den Angleich der Ost- an die West­löh­ne. Die Arbeit­ge­ber hät­ten in den Tarif­ver­hand­lun­gen bis Ende Sep­tem­ber die Chan­ce, die Bran­che für die Zukunft auf­zu­stel­len. „Ohne höhe­re Löh­ne und bes­se­re Arbeits­be­din­gun­gen wird es kaum gelin­gen, die enor­me Nach­fra­ge nach neu­en Woh­nun­gen, sanier­ten Stra­ßen und ener­ge­ti­schen Gebäu­de­sa­nie­run­gen in den kom­men­den Jah­ren zu bewäl­ti­gen“, so Burckhardt.

Infor­ma­tio­nen rund um die Bau-Aus­bil­dung und freie Plät­ze vor Ort gibt es bei den Sozi­al­kas­sen der Bau­wirt­schaft (SOKA-BAU) online unter https://www.bau-stellen.de/

„Auf­trags­bü­cher prall gefüllt“ 

Bau-Boom hält an: Hun­der­te neue Woh­nun­gen in der Regi­on Bam­berg gebaut

Boo­men­de Bau­bran­che: In der Stadt Bam­berg wur­den im ver­gan­ge­nen Jahr 205 und im Land­kreis Bam­berg 525 neue Woh­nun­gen gebaut – in Ein- und Zwei­fa­mi­li­en­häu­sern, in Rei­hen- und Mehr­fa­mi­li­en­häu­sern. Das teilt die Indus­trie­ge­werk­schaft Bau­en-Agrar-Umwelt mit. Die IG BAU beruft sich hier­bei auf aktu­el­le Zah­len des Sta­tis­ti­schen Bundesamts.

Danach flos­sen für den Neu­bau in Bam­berg Inves­ti­tio­nen in Höhe von rund 49,5 Mil­lio­nen Euro, im Land­kreis rund 114 Mil­lio­nen Euro. „Der Boom der Bran­che hält schon seit Jah­ren an. Und es ist kein Ende in Sicht“, sagt Bezirks­vor­sit­zen­der Gerald Nick­las. Der Gewerk­schaf­ter ver­weist auf einen wach­sen­den Berg geneh­mig­ter, aber noch nicht fer­tig­ge­stell­ter Woh­nun­gen, der zu „prall gefüll­ten Auf­trags­bü­chern“ bei den Unter­neh­men füh­re: Nach einer Aus­wer­tung des Pest­el-Insti­tuts wur­den in der Stadt zwi­schen 2011 und 2019 Bau­ge­neh­mi­gun­gen für rund 600 Woh­nun­gen erteilt, die noch gebaut wer­den müs­sen, im Land­kreis im glei­chen Zeit­raum Bau­ge­neh­mi­gun­gen für rund 1.400 Wohnungen.


Gewerk­schaft for­dert Lohn-Plus

„Es gibt einen regel­rech­ten Stau am Bau. Mau­rer, Zim­mer­leu­te und Flie­sen­le­ger arbei­ten am Anschlag, um die Auf­trags­flut zu bewäl­ti­gen. Statt Kurz­ar­beit und Home­of­fice heißt es bei ihnen: Über­stun­den und Wochen­end­ar­beit“, so Nick­las. Die IG BAU Ober­fran­ken for­dert, die Beschäf­tig­ten in der Regi­on an den guten Geschäf­ten der Fir­men fair zu beteiligen.

In der lau­fen­den Tarif­run­de setzt sich die Gewerk­schaft für ein Ein­kom­mens­plus von 5,3 Pro­zent ein. Außer­dem sol­len die soge­nann­ten Wege­zei­ten, also die lan­gen, meist unbe­zahl­ten Fahr­zei­ten zu den Bau­stel­len, ent­schä­digt wer­den. Dar­über hin­aus sol­len die Lohn­un­ter­schie­de zwi­schen Ost- und West­deutsch­land mehr als 30 Jah­re nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung über­wun­den werden.

„Bau­leu­te machen einen unver­zicht­ba­ren Job: Sie schaf­fen drin­gend benö­tig­ten Wohn­raum, hal­ten Stra­ßen und Brü­cken instand, bau­en Glei­se und errich­ten Wind­rä­der“, betont IG BAU-Ver­hand­lungs­füh­rer Cars­ten Bur­ck­hardt. Zugleich habe die Bau­bran­che die Bin­nen­kon­junk­tur im Coro­na-Kri­sen­jahr 2020 ent­schei­dend sta­bi­li­siert und einen noch stär­ke­ren Ein­bruch ver­hin­dert. „Es ist über­fäl­lig, dass die Arbeit­ge­ber die­se Leis­tung aner­ken­nen“, so Bur­ck­hardt. Die Beschäf­tig­ten erwar­te­ten ein kräf­ti­ges Lohn-Plus und einen Aus­gleich für die oft stun­den­lan­ge Pen­de­lei zu den Bau­stel­len – „das ist Zeit, in der sie ihre Fami­lie nicht sehen, um für den Chef unter­wegs zu sein“.

Nach Anga­ben des Sta­tis­ti­schen Bun­des­amts wur­den im ver­gan­ge­nen Jahr 306.376 neue Woh­nun­gen in Deutsch­land fer­tig­ge­stellt – ein Plus von 4,6 Pro­zent gegen­über dem Vor­jahr. Damit wur­den so vie­le Woh­nun­gen neu gebaut wie seit 2001 nicht mehr. Die Sta­tis­tik­be­hör­de geht zudem von bun­des­weit rund 780.000 geneh­mig­ten Woh­nun­gen aus, die erst noch gebaut wer­den müs­sen. Die­ser soge­nann­te Bau­über­hang habe ein Rekord­hoch erreicht. Laut Zen­tral­ver­band des Deut­schen Bau­ge­wer­bes (ZDB) stieg der Umsatz der Bran­che im ver­gan­ge­nen Jahr um sechs Pro­zent auf 143 Mil­li­ar­den Euro.

Die Tarif­ver­hand­lun­gen zwi­schen der IG BAU und den Arbeit­ge­bern gehen am 21. und 22. Juni in Mainz in die zwei­te Runde.