In Brüssel werden immer mehr EU-weite Entscheidungen getroffen, die auch auf die oberfränkischen Unternehmen unmittelbare Auswirkungen haben. Die IHK für Oberfranken Bayreuth
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Matthias Graßmann ist neuer Präsident der HWK für Oberfranken
„Jetzt gemeinsam nach vorne sehen und Herausforderungen geschlossen angehen“
Die Vollversammlung der Handwerkskammer für Oberfranken hat in ihrer Sitzung am Montag die Weichen gestellt und Dipl.-Ing. (FH) Matthias Graßmann aus Bamberg mit deutlicher Mehrheit zum neuen Präsidenten der Handwerkskammer gewählt. Neuer Vizepräsident (Arbeitgeberseite) ist Metzgermeister Christian Herpich aus Hof, neu im Vorstand der Kammer ist Zimmerermeister Günther Stenglein aus Kulmbach.
Graßmann griff in seinem kurzen Statement nach der Wahl das Bild auf, das Ministerialrat Dr. Peter Stein (Bayerisches Wirtschaftsministerium) zuvor gezeichnet hat. „Damit beginnt jetzt ein neuer Zeitabschnitt, ein neues Kapitel der Handwerkskammer“, sagte der neue Präsident. „Dieses wird von Transparenz und Offenheit und von einem fairen Miteinander geprägt sein.“
Der neu gewählte Präsident appellierte an seine Kolleginnen und Kollegen, jetzt gemeinsam nach vorne zu sehen und die Herausforderungen geschlossen anzugehen. „Der Anfang ist die Hälfte des Ganzen“, zitierte Graßmann Aristoteles. „Jetzt kann die Handwerkskammer wieder das Ganze in den Blick nehmen und die Zukunftsthemen des Handwerks angehen.“ Diese seien, so Graßmann, vor allem die Nachwuchssicherung im Handwerk, die Modernisierung der Schulungszentren der Handwerkskammer, das Thema Unternehmensnachfolge, die Digitalisierung und Innovation sowie die Zusammenarbeit mit den Kreishandwerkerschaften und Innungen in der Region. „Wir haben hier schon vieles begonnen und sind auf gutem Wege.“ Der Präsident skizzierte auch die Vorstellungen, wie sich der nun wieder vollzählige Vorstand das künftige Miteinander in der Vollversammlung und im oberfränkischen Handwerk wünsche. „Wir möchten auch in der Vollversammlung mehr Austausch, mehr Diskussionen, die gerne auch kontrovers sein dürfen – aber bitte immer sachlich bleiben sollten.“
Die Herausforderungen, vor der das oberfränkische Handwerk und auch die Handwerkskammer stehen, sind enorm. Dies machte auch Regierungspräsidentin Heidrun Piwernetz deutlich, die als regelmäßiger Gast auch bei der außerordentlichen Vollversammlung ihre Verbundenheit mit dem Handwerk demonstrierte. Die Corona-Pandemie, deren wirtschaftliche Folgen, der sich deutlich verschärfende Fachkräftemangel – „wir stehen gemeinsam vor großen Herausforderungen, die jetzt mit einer neuen Spitze und neuen Personen angegangen werden.“ Wichtig sei es aber, immer ein menschliches Miteinander und einen fairen Umgang zu pflegen. Piwernetz dankte in ihrem Grußwort dem Handwerk, aber auch ausdrücklich der Kammer und ihren hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. „Sie haben uns in der Corona-Pandemie vorbildlich unterstützt.“
Ministerialrat Dr. Stein stellte in seinem Grußwort zum Ende der Vollversammlung noch gute Nachrichten für die Handwerkskammer und für das oberfränkische Handwerk in Aussicht. „Die Handwerkskammer bekommt voraussichtlich die Kosten, die die Teststrategie für die Bildungseinrichtungen (verpflichtendes Testen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den ÜLU- und Qualifizierungsmaßnahmen) mit sich bringt, aus Mitteln der Handwerksförderung ersetzt“, gab er bekannt. Der Freistaat Bayern werde zudem seinen Beitrag für die Modernisierung der Schulungszentren der Handwerkskammer leisten, versprach der Ministerialrat. Dr. Stein, der im Wirtschaftsministerium für die Handwerkskammer zuständig ist, bescheinigte der Kammer gute Arbeit. „Die Dreiheit aus Freistaat bzw. Wirtschaftsministerium, Regierung von Oberfranken und Handwerkskammer funktioniert sehr gut, wir arbeiten hervorragend mit den Verantwortlichen zusammen.“
Deutliche Ergebnisse für die Kandidaten
Bei der Wahl zum Präsidenten, die Ministerialrat Dr. Peter Stein leitete, blieb Matthias Graßmann, der vom Vorstand für das Amt des Präsidenten vorgeschlagen wurde, der einzige Kandidat. Und auch die Vorschläge für den durch die Wahl Graßmanns freiwerdenden Posten als Vizepräsident für die Arbeitgeberseite und den nicht besetzten Vorstandsposten wurden seitens der Vollversammlung akzeptiert. So erreichten alle drei Kandidaten hervorragende Ergebnisse: Matthias Graßmann wurde mit 36 von 40 Stimmen zum Präsidenten gewählt, Christian Herpich mit 38 Ja-Stimmen zum Vizepräsidenten und Günther Stenglein mit 39 Stimmen in den Vorstand gewählt. Herpich ist zuvor von seinem Amt als Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Hochfranken zurückgetreten, da die Satzung der HWK festschreibt, dass weder der Präsident noch die Vizepräsidenten diese Funktion innehaben dürfen. Auch das Amt des Obermeisters der Fleischer-Innung Hof-Wunsiedel legt Herpich nieder. In den Rechnungsprüfungsausschuss rückte Hannes Müssel (Marktredwitz) nach, dessen Vorsitz übernahm Mathias Söllner aus Lichtenfels für Günther Stenglein.
- April 21, 2021
- Webecho Bamberg
- Quelle: Handwerkskammer für Oberfranken
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IHK-Vertreter im Gespräch mit Monika Hohlmeier
“Update Europa”
In Brüssel werden immer mehr EU-weite Entscheidungen getroffen, die auch auf die oberfränkischen Unternehmen unmittelbare Auswirkungen haben. Die IHK für Oberfranken Bayreuth hat das zum Anlass genommen, um unter dem Motto “Update Europa” aktuelle Europathemen an die Politik zu adressieren. Ansprechpartnerin der virtuellen Sitzung war die oberfränkische Europaabgeordnete Monika Hohlmeier.
„Durch die Corona-Pandemie und die in diesem Zusammenhang diskutierten Themen, wie etwa die Beschaffung der Impfstoffe oder die faktischen Grenzschließungen des Binnenmarktes, sind andere Themen in den Hintergrund gerückt , obwohl sie von großer Bedeutung für unsere Unternehmen sind”, betonte IHK-Präsidentin Sonja Weigand in ihrer Begrüßung. Die Europaabgeordnete versprach, bei allen Entscheidungen auf europäischer Ebene die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft im Auge zu behalten. Drei Themenbereiche hatte die IHK vorbereitet, die durch Experten aus dem IHK-Ehrenamt quasi als “Paten” eingeführt wurden.
IHK-Vizepräsident Dr. Heinrich Strunz ging zunächst auf die anstehende neue EU-Förderperiode 2022–2028 ein, in der Deutschland deutlich weniger EU-Fördermittel erhalten soll als bisher. In der Folge droht nach seinen Worten ein Fördergefälle von 40 Prozent zwischen Oberfranken und Höchstfördergebieten in der Tschechischen Republik. Das werde insbesondere in den Grenzregionen zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führen und im schlechtesten Fall zu einem Rückgang von Investitionen oder gar zu Betriebsverlagerungen. „Wir fordern die deutsche Politik in Land, Bund und EU auf, drohende Nachteile für die oberfränkische Wirtschaft durch Wettbewerbsverzerrungen über Nachverhandlungen zu verhindern. Zudem muss der Freistaat Bayern einen größeren eigenen finanziellen Handlungsspielraum bekommen, um einzelbetriebliche Investitionen in Oberfranken auch künftig fördern zu können”, so Dr. Strunz.
„Es ist völlig inakzeptabel, dass ein Höchstfördergebiet der EU an eine Region grenzt, die ohne Förderung auskommen muss”, kritisierte Monika Hohlmeier den von der EU-Kommission vorgelegten Entwurf für die Neuordnung der EU-Förderung. Die Abgeordnete will sich gegenüber der Kommission dafür einsetzen, die Deutschland zustehenden Förderanteile zu erhöhen.
So gewinne der Bund zusätzlichen Spielraum, um zusätzliche Fördergebiete in den Grenzregionen ausweisen zu können. Ziel müsse es sein, das Fördergefälle zur Tschechischen Republik auf maximal 15 Prozent zu begrenzen.

Brexit führt zu Beeinträchtigungen
Einen Impuls zum Brexit und seinen Auswirkungen auf die oberfränkische Wirtschaft gab Stefan Trassl, Geschäftsführer der Sigmund Lindner GmbH in Warmensteinach. Er berichtete von erheblichen Beeinträchtigungen der Handelsbeziehungen seines Unternehmens mit dem Vereinigten Königreich. „Die Probleme betreffen nicht nur unser Unternehmen, denn rund 190 Unternehmen in Oberfranken haben wirtschaftliche Beziehungen nach Großbritannien”, betonte Trassl. Die bayerischen Exporte nach Großbritannien sind 2020 um 18 Prozent eingebrochen, wodurch das Vereinigte Königreich von Platz 5 der bayerischen Handelspartner auf Platz 8 zurückgefallen sei. Konkret leide man derzeit unter erheblich verlängerten Lieferzeiten, deutlich höheren Frachtkosten und erheblichen Problemen mit unerfahrenen britischen Zollbehörden. Insgesamt beeinträchtige die Situation die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erheblich.
„Alles ist jetzt teurer und umständlicher”, so das Resümee Hohlmeiers zum Brexit. Die britische Regierung unter Premier Boris Johnson habe sich nicht auf den EU-Austritt vorbereitet und so treffe man nun völlig unvorbereitete britische Beamte vor allem bei der Zollabwicklung. Das mache Just-in-time-Lieferungen nahezu unmöglich und führe zu langen Transport- und Standzeiten. Den oberfränkischen Unternehmern machte die Abgeordnete allerdings wegen der unberechenbaren Haltung der britischen Regierung wenig Hoffnung auf schnelle Besserung und faire Wettbewerbsbedingungen. Schon jetzt verstoße das Vereinigte Königreich gegen zentrale Punkte des ratifizierten Übergangsvertrages und nutze die Sonderrolle Nordirlands zum eigenen Vorteil. „Wir müssen hart verhandeln, denn die Briten vertreten die Position ‘Wir profitieren, aber die EU zahlt’ “, so Hohlmeier.
“Green Deal” darf kein “Green Kill” werden
Als dritten Themenkomplex führte Bernd Hörauf, Geschäftsführer der Gerresheimer Tettau GmbH aus Tettau in die Folgen des “Green Deal” für oberfränkische Unternehmen ein. Mit dem Green Deal verfolge die Europäische Union das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein und das Wirtschaftswachstum in der EU von der Ressourcennutzung abzukoppeln. Das führe zu enormen Herausforderungen für die Wirtschaft, insbesondere für die industrielle Produktion. „Wir müssen aufpassen, dass aus dem ‘Green Deal’ kein ‘Green Kill’ wird”, mahnte Hörauf. Schließlich müsse man auf der einen Seite die erneuerbare Stromerzeugung, die Stromnetze und die Forschung in innovativen Zukunftstechnologien, wie der Wasserstofftechnik, massiv ausbauen, zugleich aber auf der anderen Seite den betroffenen Unternehmen im Übergang beistehen. „Eine neue Glaswanne mit Umfeld kann bis zu 30 Millionen Euro kosten und hat eine Laufzeit von 15 Jahren. Betreibt man diese Anlage mit regenerativ erzeugtem Strom und grünem Wasserstoff, bringt das erhebliche Mehrkosten mit sich”, so Hörauf. Die Politik müsse deshalb einen Mehrkostenausgleich bei Schlüsseltechnologien einführen, um das Abwandern der Produktion und damit die Verlagerung der CO2-Belastung zu verhindern.
Die Umsetzung des “Green Deal” nannte auch Monika Hohlmeier eine Herkulesaufgabe. Die EU-Kommission habe 50 Maßnahmen definiert, um die Klimaziele zu erreichen. Der Umstieg dürfe vor allem im Bereich der Wirtschaft nicht nur ideologisch motiviert sein, sondern müsse verträglich erfolgen. „Wir müssen die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaften im Auge behalten, sonst kommt es zu Verlagerungen, die unserer Wirtschaft schaden, und dabei dem Weltklima auch nicht helfen”, so die Abgeordnete, die sich vor allem für Investitionsprogramme zur Förderung neuer Zukunftstechnologien aussprach. Bisher allerdings sei der Green Deal lediglich ein reines Ideenwerk, das über konkrete Kommissionsentscheidungen erst zu einem Regelwerk heranwachsen müsse. „Alleine einen fairen Emissionszertifikatehandel zu implementieren ist extrem aufwendig, vor allem wenn man die unterschiedlichen Akteure in den EU-Mitgliedsstaaten betrachtet”, erläuterte Monika Hohlmeier.
In ihrem Schlusswort kritisierte IHK-Hauptgeschäftsführerin Gabriele Hohenner die Kurzfristigkeit, mit der manche Entscheidungen von erheblicher Tragweite für die Wirtschaft oft angegangen und umgesetzt werden. „Viele Themen werden lange aufgeschoben und dann zur Unzeit mit äußerst knappen Umsetzungsfristen entschieden”, so Hohenner.
- März 19, 2021
- Webecho Bamberg
- Quelle: IHK für Oberfranken Bayreuth
- Fotos: IHK für Oberfranken Bayreuth