Quadro Nuevo, das Münchner Instrumental-Ensemble um die beiden Gründungsmitglieder D. D. Lowka (Kontrabass) und unseren Gesprächspartner Mulo Francel (Saxophon, Klarinette), hat abseits
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Quadro Nuevo
Von Weltmusik bis Jazz
von Frank Keil
Quadro Nuevo, das Münchner Instrumental-Ensemble um die beiden Gründungsmitglieder D. D. Lowka (Kontrabass) und unseren Gesprächspartner Mulo Francel (Saxophon, Klarinette), hat abseits der gängigen Genre-Schubladen eine eigene Sprache der Tonpoesie entwickelt.
Tango, Balkan-Swing, mediterrane Leichtigkeit, Improvisationen, orientalische Grooves – die Inspiration der Musiker wird von der Begegnung mit anderen Kulturen gespeist.
Seid ihr mit Quadro Nuevo gut durch die Covid-19-Krise gekommen?
Mulo Francel: Gesundheitlich ja. Ansonsten den Umständen entsprechend. Wir haben das eine oder andere Streaming-Konzert gegeben, gemäß den Hygiene-Bestimmungen weiter geprobt und haben im Juni bereits zwei Open Air-Shows vor Publikum gespielt. Das war ein unglaublich tolles Gefühl, wieder auf der Bühne zu stehen.
Die Band wurde 1996 gegründet. Wie haben sich eure musikalischen Einflüsse bis heute verändert, welche Stile genießen Priorität?
Mulo Francel: Die Gründungsmitglieder kamen aus unterschiedlichen musikalischen Richtungen, von Flamenco, Tango, Latin und Jazz. Dann wurde getestet, welcher Stilmix möglich ist und gefällt. Durch gemeinsame Reisen und Erlebnisse kam noch orientalische Musik hinzu, aber auch die Begegnung mit deutscher Volksmusik und mediterraner Musik rund um das Meer. Sehnsucht, Reiselust, Fernweh spielen nach wie vor tragende Rollen bei uns.
2008 hatte Gründungsmitglied und Gitarrist Robert Wolf einen schweren Unfall und schied aud der Band aus. Wie habt ihr ihn ersetzt?
Mulo Francel: Evelyn Huber an Harfe und Salterio ist seit 2008 dabei. Je nach Programm ersetzt sie Pianist Chris Gall, die Stelle ist also flexibel ausgefüllt. Für „Mare“ arbeiten wir zum Beispiel, je nach Verfügbarkeit, mit dem Gitarristen Paulo Morello oder Philipp Schiepek zusammen. Lange Zeit wollten wir keine Gitarre und haben sie aufgrund der Unfall-Folgen gemieden. Aber seit einem Jahr ist die Stelle wieder rotierend besetzt und es macht viel Spaß, die Instrumentierung so zu erweitern.
Quadro Nuevo sind derzeit mit verschiedenen Programmen wie „Mare“ oder „Tango Nuevo – 100 Jahre Astor Piazolla“ unterwegs. Was verbirgt sich dahinter?
Mulo Francel: Wir sind wirklich froh, wieder vor Publikum spielen zu dürfen und lösen uns daher gerade von den starren Inhaltsvorgaben. Zumindest für die nächsten Monate wird es eher eine Art Best Of-Programm aus 25 Jahren Quadro Nuevo werden. Das kann ein Tango sein, etwas Französisches, oder das griechisch angehauchte „Ikarus Dream“.
Ihr habt auch ein Kinder-Programm ausgearbeitet. Was ist das Besondere daran?
Mulo Francel: Es gibt sogar zwei: „Der König hat gelacht“ und „Schöne Kinderlieder“. Wir erklären unsere Instrumente und lassen die Kinder mitsingen. So vermitteln wir Freude an der Musik und animieren dazu, selber aktiv zu werden.
Wie es sich für eine Weltmusik-Band gehört, habt ihr die Welt ausgiebig bereist und insgesamt über 3.500 Konzerte im In-und Ausland gespielt. Welche Höhepunkte sind davon besonders im Gedächtnis geblieben?
Mulo Francel: Reichlich viele. Aber eines der letzten Highlights war ein Workshop und ein Konzert in Hongkong, mit einem jungen und sehr interessierten Publikum. Und auch der letzte Auftritt in Buenos Aires war ein großartiges Erlebnis.
Neben zwei ECHO Jazz-Auszeichnungen blickt die Band auf weitere Awards und Platz 1‑Notierungen in den World Music Charts zurück. Was bedeuten euch diese Ehrungen?
Mulo Francel: Sie sind die offizielle Bestätigung und Motivation weiterzumachen. Wie wenn der nette Onkel zu Dir sagt: Das hast Du aber schön gebastelt, ganz toll.
Gibt es schon thematische Ideen für einen „Mare“-Nachfolger?
Mulo Francel: Wir haben Anfang des Jahres das Album „As an unperfect actor“ mit der österreichischen Schauspielerin Birgit Minichmayr vom Wiener Burgtheater eingespielt und veröffentlicht. Zusammen mit dem Pianist Bern Lhotzky haben wir dafür neun Shakespeare- Sonette vertont. Und im September reisen wir mit einem Segelschiff durch die sizilianische Inselwelt. Diese Reise wird dann thematisch Stoff für unser nächstes Album, Arbeitstitel „Odyssee – Travel Into The Light“, liefern und wir werden schon auf dem Schiff aufnehmen.
Du hast im März zusammen mit Pianistin Nicole Heartseeker ein weiteres Album, „For ever young“ ohne Quadro Nuevo veröffentlicht. Wieviel Freiraum gibt das Quartett den einzelnen Bandmitgliedern für Soloprojekte?
Mulo Francel: Wir sind überhaupt nicht dogmatisch. Wer Lust hat, etwas anderes zu machen, darf es, sollte aber für die Zusammenarbeit mit Quadro Nuevo inspiriert bleiben. Dann ist das nur positiv, schon alleine wegen der Kontakte zu den unterschiedlichsten Musikerinnen und Musikern.
Neben zahlreichen Alben veröffentlichte das Ensemble auch ein 224 Seiten umfassendes autobiographisches Roadbook „Grand Voyage“ sowie Hörbücher mit Ulrich Tukur, Ulrike Kriener, Udo Wachtveitl oder Michael Fitz. Ist auch in dieser Sparte in absehbarer Zeit Neues geplant?
Mulo Francel: Wir können uns gut vorstellen, den kommenden Segeltörn auch diesbezüglich zu nutzen. Vielleicht ein Bildband, es sind ja drei Fotografen auf der Reise dabei. Und sicher bietet es sich auch an, dort ein oder mehrere Videos zu drehen.
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Selig
Aufrichtig sein in einer unaufrichtigen Zeit
von Frank Keil
Mit dem Debütalbum „Selig“ schrieb das Hamburger Quintett Selig 1994 deutschsprachige Rockgeschichte, nicht zuletzt dank Hits wie „Ohne dich“ und „Sie hat geschrien“.
Zwei weitere Alben folgten, doch persönliche und musikalische Differenzen führten bereits 1998 zur Trennung. Nach einer Best Of-Veröffentlichung machten die ehemaligen Mitglieder mit Bands wie Kungfu, Zinoba und TempEau in unterschiedlichen Besetzungen weiter. 2008 kam es zur überraschenden Reunion in der Originalbesetzung mit Sänger Jan Plewka, Gitarrist Christian Neander, Bassist Leo Schmidthals, Schlagzeuger Stoppel Eggert und Keyboarder Malte Neumann. Mit dem Comeback-Album „Und endlich unendlich“ (2009) erlangten sie erstmals Goldstatus. Wie es danach weiterging verrät uns Frontmann Jan, der mit seiner Familie in Ahrensburg lebt.
Ein weiter Weg von eurem frühen „Hippie-Metal“ über drogengeschwängerten Rock und Elektronik-Ausflüge hin zum alten Stil der Band. Fühlt ihr euch heute als Quartett wieder wohl? Ihr scheint wieder eine Familie zu sein?
Jan Plewka: Definitiv, denn als wir 2014 nach dem Ausstieg von Malte auf Tournee einen Computer einsetzten, der in Karlsruhe auf einem Open Air komplett ausfiel, war uns klar: Wenn es weitergeht, dann nur ohne Keyboards und nur zu viert. Jeder einzelne von uns spürt den Geist der späten 1960er und frühen 1970er Jahre und der verbindet sich mit unserem Lebensgefühl und den verschiedenen Persönlichkeiten zu aktueller Musik. Und unsere Handschrift bleibt, egal ob wir Funk, Pop oder Rock spielen. Was das Verhältnis untereinander angeht, ist es sogar tragischer als in einer Familie. Es ist eine Ehe, wild und frei, die durch gegenseitige Freiheiten, Pausen und Soloprojekte besser als in den ersten vier Jahren läuft.
Mit drei weiteren Alben und einer Best Of zwischen 2010 und 2017 gelang euch der Spagat zwischen alten Fans und jungen Anhängern. Was siehst du in diesem Sinne rückblickend als Meilensteine der Band-Historie an?
Jan Plewka: Ja, das ist super, dazu gibt es auch eine Anekdote. Ein Mädchen schrieb uns: Ich habe den Plattenschrank meiner Eltern durchsucht und bin da auf Selig gestoßen. Jetzt gehen wir zusammen zum Konzert. Was den zweiten Teil deiner Frage angeht: Für mich sind die Meilensteine keine Alben, sondern einzelne Lieder auf den Alben, die für uns und für mich die persönliche Dimension erweitert haben. Ich habe immer das Lied am liebsten, das ich gerade höre.
Für euer achtes Album „Myriaden“ habt ihr euch viel Zeit genommen. Zwei Jahre wurde daran geschrieben. Gibt es eine Kernaussage zwischen „Süßer Vogel“ und „Du“?
Jan Plewka: Wir haben uns immer wieder getroffen und haben unter anderem in einem Ferienhaus in Dänemark, bei Christian in seinem Studio in Berlin oder in unserem Proberaum außerhalb von Hamburg an den Stücken gearbeitet. Die Magie zwischen uns ist zurück, es war wie früher. Ich nutze ja schon seit Jahren Notizbücher für meine Ideen, schreibe eigentlich immer. Und im Jam blättere ich in den Büchern und wenn die Musik und die Worte zueinander passen, ergeben sich einfach faszinierende Momente. Auf „Myriaden“ geht es darum, wie wir als Menschen miteinander und mit der Erde umgehen, angesichts von zahlreichen Herausforderungen politischer und gesellschaftlicher Art.
Bei den Aufnahmen zum zweiten Album „Hier“ (1995) habe ich euch in den ICP-Studios in Brüssel besucht und damals auch Produzent Franz Plasa kennengelernt. Auch mit ihm herrschte sehr lange Funkstille, ihr seid nicht im Guten auseinander gegangen. Wie kam es dazu, dass er jetzt „Myriaden“ produziert hat?
Jan Plewka: Wir wollten mit einem fremden Produzenten arbeiten. Christian suchte einige aus, spielte uns verschiedene Titel vor. Der, dessen Sound uns am besten gefiel, war ausgerechnet Franz. Wir haben ihn angerufen und er hat zugesagt, die erste Single zu machen. Das lief so gut, dass sich dann mit den Album-Aufnahmen der Kreis zu früher schloss.
Auf dem Limited Deluxe Digipack gibt es zusätzlich 12 „Myriaden“ Live Takes zu hören. Was hat es damit auf sich?
Jan Plewka: Covid-19 bedingt hatten wir viel Zeit. Da kamen wir im Studio auf die Idee, die Songs im Anschluss an die Album-Produktion noch als Live-Versionen einzuspielen. Auf einer kleinen Bühne, in einem anderen Gewand.
MTV und VIVA haben Mitte der 1990er Jahre maßgeblich zu eurem Erfolg beigetragen. Sind euch Videos immer noch wichtig?
Jan Plewka: Social Media verändert sich rasant und damit auch die Aufmerksamkeitsspanne für ein Video. Die wird leider immer kürzer und auch die Budgets werden immer geringer. Die Bedeutung der Videos schwindet damit.
In unregelmäßigen Abständen hast du auch immer wieder als Schauspieler für TV, Kino und Bühne auf dich aufmerksam gemacht. Gibt es da Neuigkeiten zu berichten?
Jan Plewka: Ich sehe mich als Sänger mit einer Affinität zur Schauspielerei. Ich fühle mich mehr auf der Bühne wohl und bin noch besonders beim Theater leidenschaftlich. Zuletzt habe ich unter anderem bei Elfriede Jelinek am Burgtheater in Wien „Die Winterreise“ gesungen. Und wenn alles gut geht, werde ich bald an der Aufführung des Shakespeare-Stücks „Der Sturm“ in Luxemburg teilnehmen. Das Theater ist mir hold.
Du bis unter dem Motto „Jan Plewka singt Rio Reiser“ aufgetreten. Wandelst du noch immer erfolgreich auf den Spuren der Kultrockband Ton Steine Scherben?
Jan Plewka: Ja, mit zwei unterschiedlichen Shows und Schwerpunkten, die auf Rio Reiser und auf Ton Steine Scherben ausgerichtet sind. Insgesamt sind wir damit jetzt seit 17 Jahren unterwegs. Mit Selig rechne ich allerdings erst mit einer Tournee im Frühjahr 2022. Zumindest hatten wir kürzlich ein Live-Stream-Konzert in Bremen gespielt, das uns allen riesig Spaß gemacht hat.
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Impf-Kampagne
Dr. Klaus Weiner, Leiter des Bamberger Impfzentrums, im Interview
Es hat ein wenig gedauert, aber so langsam beschleunigt sich die nationale Impfkampagne zur Bekämpfung des Corona-Virus. So auch in Oberfranken. Wir haben mit Dr. Klaus Weiner, dem ärztlichen Leiter des Bamberger Impfzentrums, über den Stand der Impfungen in Bamberg, den gebeutelten Impfstoff von AstraZeneca und die bundesweite Impfkampagne gesprochen.
Das Bamberger Landratsamt verzeichnet knapp 25.000 Erstimpfungen und knapp 15.000 Zweitimpfungen (Stand 6. April). Wie zufrieden sind Sie mit diesen Zahlen? Könnte man schon mehr Menschen geimpft haben oder ist man nah am möglichen Maximum?
Klaus Weiner: Trotz der durch uns nicht zu beeinflussenden Gegebenheiten, wie zeitweise unsichere Impfstoffversorgung, bis hin zu ausgebliebenen Lieferungen, ist es uns gelungen, einem Großteil der teils immobilen Bewohner in sämtlichen Pflegeeinrichtungen in Stadt und Landkreis sowie dem Pflegepersonal zeitnah ein Impfangebot zu machen. Ebenso konnte die überwiegende Mehrzahl der in der sogenannten Priorisierungsstufe 1 gelisteten anderen Impfwilligen mindestens mit der ersten, teilweise bereits mit der zweiten Impfdosis versehen werden. Darüber hinaus wird bereits die viel breitere Stufe 2 abgearbeitet. Insofern sind wir mit dem Geleisteten erstmal nicht unzufrieden. Was wir zur Verfügung hatten, wurde verimpft. Natürlich wäre unter etwas günstigeren Voraussetzungen ein höheres Tempo möglich gewesen. Den Mangel verwalten mussten wir – auch wenn die Politik den “Turbo” einfordert.
Woran liegt das zu langsame Vorankommen?
Klaus Weiner: Wie schon benannt: Durch teils schleppende Impfstoffversorgung, aber auch durch zeitraubenden bürokratischen Aufwand. Zu bedenken ist aber auch: Wir hatten eine Vielzahl von sehr alten Menschen mit all ihren Einschränkungen, wie erschwerte Kommunikation, Mobilität, mühevollem zeitraubenden Aus- und Ankleiden im Winter, zu versorgen.
Gibt es ein Ziel, wie viele Menschen im Bamberger Impfzentrum geimpft werden sollen? Wie groß ist sozusagen sein Einzugsgebiet?
Klaus Weiner: Unser Einzugsgebiet ist Stadt und Landkreis Bamberg mit etwa 200.000 Einwohnern. Unser Ziel ist kein anderes, als das von der Politik Versprochene: Allen Impfwilligen ein realistisch zeitnahes Impfangebot zu machen.
Wie viele Leute haben Sie bereits persönlich geimpft?
Klaus Weiner: Viele, sicher im vierstelligen Bereich.
Andere Impfzentren mussten bereits vorübergehend geschlossen werden, weil kein Impfstoff nachgeliefert wurde. Ist auch das Bamberger Impfzentrum dieser Gefahr ausgesetzt?
Klaus Weiner: Nein, zumal die Versorgungslage wohl zunehmend besser werden dürfte – laut Politik ab Mitte April.
Der Impfstoff von AstraZeneca stand zuletzt mehrfach in der Kritik aufgrund möglicher gefährlicher Nebenwirkungen. Können Sie die Kritik nachvollziehen?
Klaus Weiner: Die Verunsicherung und Ängste, hervorgerufen durch die Entwicklung der vergangenen Wochen, kann ich sehr gut nachvollziehen und verstehen. Potentiell sehr schwerwiegende Folgen im Bereich des Gerinnungssytems sind beschrieben. Es handelt sich um eine immunologisch bedingte Aktivierung der Blutplättchen. Eine seltene genetische Disposition scheint auch eine Rolle zu spielen. Diese Thrombose-Entstehung geschieht auf einem völlig anderen Weg als eine “normale” Thrombose-Entwicklung. Das ist der Kenntnisstand vom 11. April 2021. Aber: Sie ist sehr selten. Eine Eingrenzung auf bestimmte Altersgruppen konnte festgestellt werden. Es gibt eine gute Behandlungsmöglichkeit bei frühzeitiger Diagnose. Die Zulassungsorgane auf europäischer Seite, die EMA, und auf deutscher, das Paul-Ehrlich-Institut und die Ständige Impfkommission, haben reagiert und eine Neubewertung der Risikoabwägung vorgenommen. Dies ist ein Beweis für das Greifen unserer hohen Sicherheitsstandards. Die kommunikative Vermittlung aller bekannten Tatsachen und Begründung, der daraus folgenden Konsequenzen seitens genannter Organe, war jedoch nicht immer ausreichend und eindeutig. Sowohl Politik als auch Presse haben hier große Verantwortung.
Wird AstraZenaca in Bamberg verimpft?
Klaus Weiner: Ja, wir nutzen alle verfügbaren Impfstoffe.
Wie stehen die Impflinge dem Impfstoff gegenüber? Gibt es Bedenken?
Klaus Weiner: Natürlich gibt es diese. Wir haben hier einen besonders großen Aufklärungs- und Erklärungsbedarf.
Welche sind die Risiken bei BionTech, Johnson & Johnson und Moderna?
Klaus Weiner: Wie bei allen Impfstoffen sind sehr selten auftretende Allergien zu berücksichtigen. Die Anwendung von Johnson & Johnson ist in USA aktuell, Stand 13.April, gestoppt. Es erfolgt derzeit keine Auslieferung nach Europa. Der Grund sind einzeln aufgetretene Sinusvenenthrombosen, ähnlich wie bei AstraZeneca. Diese werden derzeit untersucht und bewertet. Aber zugelassen ist dieser Impfstoff in Deutschland ohnehin noch nicht.
Klären Sie vor der Impfung über Risiken auf?
Klaus Weiner: Selbstverständlich, ja.
Was passiert, wenn Impflinge einen bestimmten Impfstoff nicht und dafür einen anderen wollen? Sind Sie flexibel und verabreichen dann spontan einen anderen? Oder muss ein neuer Impftermin angesetzt werden?
Klaus Weiner: Eine Wahlmöglichkeit nach Wunsch ist nicht vorgesehen. Besteht aber eine medizinische Begründung, einen anderen Impfstoff als den vorgesehenen zu verabreichen, wird zeitgleich – vorbehaltlich der Verfügbarkeit – umgestellt. Ansonsten ist eine Neuterminierung notwendig.
Wie können sich Menschen, die womöglich nicht über Internetzugang verfügen, im Vorfeld informieren?
Klaus Weiner: Wer die Tagespresse aufmerksam verfolgt, hat zumindest eine grundlegende Ahnung.
Kann man sich auch darüber informieren, welcher Impfstoff der passendste bei welcher medizinischen Vorgeschichte ist?
Klaus Weiner: Grundsätzlich ja, aber unkritische Laienbewertung kann große Unsicherheit und Fehleinschätzung hinterlassen. Ein Arztgespräch ist darum unverzichtbar!
Die Bundesregierung hat das Versprechen abgegeben, allen Bürger*innen bis September ein Impfangebot zu machen. In der Bevölkerung machen sich im Angesicht des langsamen Impffortschritts aber immer stärkere Zweifel an der Einhaltung dieses Versprechens breit. Wie steht es um Ihre Zweifel oder Ihren Glauben an dieses Versprechen?
Klaus Weiner: Versprechen zu bewerten, sehe ich nicht als meine Aufgabe. Wir sind durch verbesserte Abläufe schneller geworden und könnten durch Erweiterung der Impfstraßen womöglich noch an Geschwindigkeit zulegen.
Wie müsste die Impfstrategie geändert werden, um sie zu beschleunigen?
Klaus Weiner: Ein Abbau bürokratischer Erschwernisse sowie allzu stringenter Handhabung der Priorisierungsvorgaben wäre eine Möglichkeit.
Was halten Sie von der jüngst begonnenen Ausweitung der Impf-Kampagne auf Arztpraxen?
Klaus Weiner: Ich finde sie absolut notwendig! Anders können zum Beispiel immobile, häuslich gepflegte, dringend Impfbedürftige nicht in erforderlicher Anzahl versorgt werden.
Dr. Klaus Weiner im Interview
„AstraZeneca ist hochwirksam“
Seit zwei Monaten ist Dr. Klaus Weiner Ärztlicher Leiter am Impfzentrum Bamberg in der Brose-Arena. Im Interview mit der Stadt Bamberg beantwortet er die wichtigsten Fragen zum AstraZeneca-Impfstoff.
Sehr geehrter Herr Dr. Weiner, wirkt AstraZeneca besser oder schlechter als andere Impfstoffe?
Dr. Klaus Weiner: Alle zugelassenen Impfstoffe sind hochwirksam und sicher, AstraZeneca macht da keine Ausnahme. Die Zulassungsstudien deuten zunächst auf eine 70%ige Wirksamkeit hin. Dies schien, gemessen an 95% bei BionTech und 94% bei Moderna, zunächst einmal niedriger und somit „schlechter“ wirksam. Nach millionenfacher Verimpfung in Großbritannien zeichnet sich jedoch ein anderes Wirksamkeitsprofil ab: Das Risiko für einen Klinikaufenthalt wird laut einer schottischen Studie bereits nach Verabreichung der ersten Impfdosis um 94% reduziert. Bei BionTech sind es „nur“ 85%. Daraus ist ersichtlich, dass man sich bei der Beurteilung von „besser oder schlechter“ nicht nur auf eine Zahl verlassen sollte. Abschließende Daten liegen leider naturgemäß noch nicht vor.
Wie verhält es sich mit Impfreaktionen und Nebenwirkungen?
Dr. Klaus Weiner: Impfreaktionen sind bei AstraZeneca etwas häufiger, zumal bei jüngeren Personen das Immunsystem noch stärker reagiert als bei älteren Menschen. Eine Reaktion auf die Impfung ist zwar unerwünscht, spricht aber für eine gute Immunantwort und ist harmlos.
Vielleicht noch eine Unterscheidung zur Klärung: Unspezifische Symptome nach einer Impfung wie leichtes Fieber, Gliederschmerzen, oder Kopfschmerzen sind keine Nebenwirkung einer Impfung, sondern eine Impfreaktion. Diese Reaktionen sind Ausdruck der erwünschten Auseinandersetzung des Immunsystems mit dem Impfstoff und klingen in der Regel nach wenigen Tagen komplett ab. Nebenwirkungen sind schwere und anhaltende Impfkomplikationen oder ‑schäden.

Warum steht der Impfstoff in der Kritik?
Dr. Klaus Weiner: Der Hauptgrund dürfte sein, dass die Zulassung in Deutschland durch die verantwortlichen Stellen zunächst nur für 18- bis 65-Jährige erfolgte und die Begründung nur schlecht erklärt wurde. Nämlich: In den zur Zulassung führenden Studien war nur die angesprochene Altersgruppe vertreten, es lagen also keinerlei Daten für Ältere und Jüngere vor. Folgerichtig erfolgte die Zulassung nur für den getesteten Personenkreis. Dies unterstreicht nur den hohen Sicherheitsstandard, auf den wir in Deutschland zurecht stolz sein können. Aufgrund neuer, aktueller Datenerhebung ist die Altersbeschränkung für über 65-Jährige bereits aufgehoben. Weitere Gründe für den Vorbehalt gegen diesen Impfstoff liegen wohl in dem schwierigen, für einen Laien schwer nachvollziehbaren Wirksamkeitsnachweis, wie oben beschrieben.
Gibt es Studien, die beweisen, dass AstraZeneca besser als sein Ruf ist?
Dr. Klaus Weiner: Eine von schottischen Universitäten für die schottischen Gesundheitsbehörden erstellte Studie wurde jüngst veröffentlicht (Preprint im LANCET, Universität Edinburgh: „Effectiveness of First Dose of Covid-19 Vaccines Against Hospital Admissions in Scotland: National Prospective Cohort Study of 5.4 Million People“). Eine weitere englische Studie („Public Health England“), kommt zu folgendem Ergebnis: Ältere (Priorisierungsstufe 1 entsprechend) haben bei BionTech und AstraZeneca einen vergleichbaren Schutz. Die Zweitimpfung mit AstraZeneca erfolgt im Übrigen nach vier bis zwölf Wochen.
Wie verhält es sich mit der Ansteckungsgefahr für andere nach einer Impfung mit AstraZeneca?
Dr. Klaus Weiner: Noch gibt es dazu keine belastbaren Daten, diese müssen in weiteren Studien erhoben werden. Dafür reicht der seit Impfbeginn verstrichene Zeitrahmen nicht aus.
Was sagen Sie Menschen, die den Impfstoff ablehnen?
Dr. Klaus Weiner: AstraZeneca ist kein Impfstoff „zweiter Klasse“, er ist hoch wirksam und sicher.
Corona-Pandemie
BFV-Präsident Rainer Koch zur Lage des Amateurfußballs
Der Amateurfußball befindet sich weiterhin im Lockdown. Was bedeutet das? Wie viele Sorgen muss man sich um die Zukunft machen? Was denken und tun die Verbände? Was muss passieren? Dr. Rainer Koch, Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) und 1. DFB-Vizepräsident Amateure, bezieht im Interview klar Stellung, wie der Bayerische Fußball-Verband mitteilt. Er betont, wo und warum der Breitensport stärker ins Bewusstsein rücken muss. Darüber hinaus erklärt er, weshalb der Amateurfußball trotz aller Herausforderungen mit Hoffnung und ohne Angst nach vorne blicken sollte.
Herr Koch, wie beurteilen Sie die aktuelle Situation des Amateurfußballs im zweiten Lockdown?
Rainer Koch: Klar ist: Der Amateursport benötigt eine greifbare Perspektive, ein Signal, wann wir wieder zurück auf die Sportplätze können – Schritt für Schritt, sehr verantwortungsvoll, mit den Hygienekonzepten der Vereine, die sich schon beim Re-Start im vergangenen Sommer bewährt haben. Der Amateurfußball und der gesamte Breitensport sind seit Beginn der Pandemie ein verlässlicher Partner der Politik. Der Sport hat sich immer zurückgenommen und in den Dienst der Covid-19-Bekämpfung gestellt – und das trotz der immensen Zahl an Menschen, die Fußball in ihrer Freizeit spielen. Wir haben nie eine Sonderrolle für uns beansprucht, sondern unsere Interessen im Sinne der Sache hinten angestellt. Jetzt muss der Amateurfußball mit seinen akribisch ausgearbeiteten und nachweislich nahezu perfekt umgesetzten Hygienekonzepten dringend von der Politik als fester Teil der Lösung gesehen werden, wenn wir über Lockerungen sprechen.
Warum?
Rainer Koch: Den gesamten Breitensport in der Diskussion völlig außen vor zu lassen, wird sonst schlimme Folgen für unsere Gesellschaft haben, speziell bei den Kindern und Jugendlichen, wie zuletzt auch Ralf Rangnick deutlich gemacht hat. Keiner versteht es, wenn Wechselunterricht in Schulen stattfindet, am Nachmittag die Kinder unter Aufsicht und Einhaltung etwaig notwendiger Regeln aber nicht an der frischen Luft gemeinsam trainieren dürfen. Der organisierte Vereinssport bietet hier einen sehr wichtigen Anker. Speziell der Fußball hat als Freiluftsport nachgewiesen, mit seinen Konzepten keine Risikoquelle zu sein.
Wie wichtig ist der Amateursport?
Rainer Koch: Sehr – und zwar sowohl unter gesellschaftlichen Gesichtspunkten als auch im Sinne der allgemeinen Gesundheitsförderung. Wir wünschen uns ein deutlich stärkeres Bewusstsein und mehr Sensibilität für die Wichtigkeit des Amateursports. Laut Studien der Weltgesundheitsorganisation WHO bewegten sich schon vor Corona rund 80 Prozent der Jungen und 88 Prozent der Mädchen in Deutschland sportlich zu wenig. Breitensport muss also noch viel wichtiger werden und darf nicht stiefmütterlich behandelt werden. Unsere Sportvereine bieten eine hervorragende Grundlage, um darauf aufzubauen. Dies gilt es nachhaltig zu schützen und zu fördern.
Laut einigen Medien geht die große Angst unter den Vereinen im Amateurfußball um.
Rainer Koch: Die Situation für den Amateurfußball und seine Vereine ist schwierig und eine Verlängerung des Lockdowns würde die Situation natürlich nicht verbessern. Es ist aber nicht angebracht, Untergangsszenarien an die Wand zu werfen und weitere Ängste zu schüren. Dafür gibt es keine valide, umfassende Faktengrundlage. Der DFB plant aktuell eine Umfrage unter Deutschlands Amateurvereinen, um ein detaillierteres Bild zu erhalten. Die Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr waren in der Fläche, dass während des ersten Lockdowns ein erkennbarer Rückgang an Neueintritten in Vereinen zu verzeichnen war, während die Zahl der Mitgliedsaustritte im Vergleich zu den Vorjahren relativ stabil war. Nach dem Re-Start setzte dann ein klarer Aufholeffekt – auch bei der Ausstellung von neuen Spielerpässen – ein, der durch den zweiten Lockdown wieder gestoppt wurde.
Rennen den Vereinen die Mitglieder weg?
Rainer Koch: Wir stellen fest, dass sich viele Mitglieder solidarisch zeigen – vor allem im ländlichen Bereich. Signifikantere Zahlen an Austritten betreffen nach unseren Beobachtungen eher Großvereine, die im Alltag beispielsweise mit Kursangeboten arbeiten. Kann der Kurs nicht mehr stattfinden, treten viele aus, weil die grundsätzliche Bindung der Person an den Verein, der in diesem Fall vor allem Dienstleister ist, geringer ist. Das „klassische“ Vereinsmitglied, das zum Beispiel zu einer Mannschaft gehört, ist deutlich weniger betroffen.
Wie fällt Ihr Blick nach vorne aus?
Rainer Koch: Wir sollten vor allem die Chancen sehen. Der vergangene Sommer hat gezeigt, dass sehr viele Menschen voller Begeisterung auf die Sportplätze zurückgekehrt sind, um wieder Fußball zu spielen, bekannte Gesichter zu sehen, die verbindende Kraft des Fußballs und des sozialen Umgangs zu genießen. Dank der Hygienekonzepte ist das beispielhaft gelungen. Viele haben große Sehnsucht danach, wieder raus zu kommen. Der Fußball kann hier ein tolles Angebot schaffen, gerade für Kinder und Jugendliche. Der organisierte Vereinssport bietet dafür einen geschützten Raum. Wir tun also gut daran, uns in diesen harten Zeiten davon leiten zu lassen, wieder Begeisterung zu schaffen, statt uns von einer Furcht treiben zu lassen, nur Schadensbegrenzung zu betreiben. Der Fußball kann Vorbildfunktion haben.
Inwiefern ist der Amateurfußball aktuell finanziell in seiner Existenz bedroht?
Rainer Koch: In einer Umfrage des BFV unter den bayerischen Vereinen kam im Dezember 2020 unter anderem heraus, dass weniger Vereine eine Bedrohung ihrer Existenz wahrnehmen als noch im Frühjahr 2020, als die Pandemie neu war. Das wirtschaftliche Problem im Amateurfußball sind weniger die die fehlenden Eintrittsgelder der Spiele. Belastend für die Etats ist, dass den Vereinen ihre Veranstaltungen wie Sommerfeste oder Jugendturniere als Einnahmequelle fehlen. Auch Pachten für Vereinsgaststätten spielen zum Teil eine wichtige Rolle. Wichtig ist, dass die Vereine perspektivisch wieder ihre originären Angebote machen können – nämlich Sport zu treiben. Hinsichtlich der Finanzhilfen stellt sich das Bild je nach Bundesland unterschiedlich dar. In Bayern wurde beispielsweise die Übungsleiterpauschale verdoppelt, in anderen Bundesländern gab es direkte Hilfen vom Land.
Kann der DFB finanziell helfen?
Rainer Koch: Finanzielle Direkthilfen des DFB sind rechtlich nicht zulässig. Sie wären in nachhaltiger, flächendeckender Form auch unrealistisch. Hypothetisches Beispiel: Jeder Verein würde 5.000 Euro erhalten, dann wäre das angesichts unserer knapp 24.500 Vereine ein Gesamtvolumen von mehr als 122 Millionen Euro – ohne langfristigen Effekt.
Was können der DFB und seine Mitgliedsverbände stattdessen tun?
Rainer Koch: Die Verbände müssen mit Programmen und Inhalten überzeugen, gemeinsam mit den Vereinen Überzeugungsarbeit für den Breitensport leisten. Der DFB hat mit Vertreterinnen und Vertretern aus dem Amateurbereich den Masterplan Amateurfußball entwickelt, der konkrete Verbesserungen bis 2024 zum Ziel hat, um gezielt die positiven Effekte der EURO 2024 im eigenen Land für den Breitensport zu nutzen. Denn wir dürfen nicht vergessen: Probleme und essenzielle Herausforderungen hatte der Amateurfußball bereits vor Corona. Beispielsweise die Frage: Wie bleiben der Fußball und seine Vereine attraktiv für Kinder und nicht zuletzt auch für Ehrenamtler? Die Pandemie ist wie in vielen anderen Gesellschaftsbereichen ein Brennglas, das Missstände deutlicher macht und Dringlichkeiten erhöht. Das ist dem DFB und seinen Mitgliedsverbänden bewusst und diese Aufgabe gehen wir an der Seite der Vereine weiter an. Mit Hoffnung statt Angst. Damit sich das riesige Potenzial des Amateursports in Zukunft wieder entfalten kann.
Zirkus Giovanni
„Die derzeitige Situation übertrifft alles Bisherige“
Das Bamberger Don Bosco Jugendwerk leistet mit dem Zirkus Giovanni ein seltenes pädagogisches Angebot: Die Zirkuspädagogik versucht Kindern und Jugendlichen aus sozial schwierigen Verhältnissen anhand von Zirkusdisziplinen wie Artistik oder Akrobatik Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl zu verleihen. Auch hier ist derzeit kein Proben- oder Aufführungsbetrieb möglich. Volker Traumann, Leiter des Zirkus Giovanni, blickt mit Sorge auf den Zirkus.
Herr Traumann, in welchem Zustand befindet sich der Zirkus Giovanni nach einem Jahr Pandemie und mehreren Lockdowns?
Volker Traumann: Tatsächlich setzt uns die Covid-19-Situation sehr zu. Aufgrund der wiederkehrenden Lockdowns seit März 2020 konnten wir im vergangenen Jahr mit unseren Angeboten nur 750 junge Menschen erreichen. Im Jahr zuvor waren es noch über 2.000 Kinder und Jugendliche. Hinter diesen Zahlen verbirgt sich ein ernstzunehmender Trend. Zum einen erlebten viele Kinder und Jugendliche in Deutschland das vergangene Jahr als Zeit mit deutlichen Zugangsbeschränkungen zu für sie wichtigen Bildungs‑, Beziehungs‑, Freizeit- und Hilfserfahrungen, die für eine gelingende Sozialisation in diesem Alter zentral und notwendig sind. Zum anderen geraten soziale und kulturelle Anbieter wie der Zirkus Giovanni zunehmend in Existenzgefahr. Bei annähernd gleichbleibenden Grundkosten entstand uns im letzten Jahr ein Defizit von 40.000 Euro an Teilnehmerbeiträgen. Die Sorgen sind entsprechend groß.
Inwieweit waren Zirkusbetrieb und Aufführungen im Zelt am Teufelsgraben 2020 möglich?
Volker Traumann: In den lockdownfreien Zeiten konnten wir unter strikter Einhaltung der Corona-Bestimmungen eingeschränkt Zirkusangebote und Aufführungen durchführen. Viele Zirkusdisziplinen, wie die Akrobatik, leben jedoch vom direkten Körperkontakt. Auch unsere Pädagogik lebt von Nähe und Familiarität. Die Kinder und Jugendlichen sollen den Zirkus Giovanni als sicheren und vertrauten Ort erleben, als Raum für Begegnung, Beziehung und gemeinsamer Interaktion. Dieses Konzept ließ sich unter Corona-Bedingungen nur erschwert umsetzen.
Als Einrichtung des Bamberger Don Bosco Jugendwerks fördert der Zirkus Giovanni im zirkuspädagogischen Bereich sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche. Was konnten Sie in diesem Zusammenhang 2020 tun?
Volker Traumann: Vor allem während des Schul-Lockdowns von März bis Anfang Juni ergab sich eine einzigartige Möglichkeit. Zwanzig Kinder und Jugendliche aus den therapeutischen Wohngruppen des Don Bosco Jugendwerks suchten eine Bildungsheimat. Durch den Corona-Lockdown und den Wegfall des vertrauten und wichtigen Tagesrhythmus´ aus Schule, Hausaufgabenzeit und Freizeit entstand ab 17. März eine große Unsicherheit bei den jungen Menschen. Wo soll ich lernen? Wer ist für mich da? Wer betreut mich anstatt der Lehrer? Als Lösung entstand ein deutschlandweit einzigartiges Projekt.

Die Kinder und Jugendlichen besuchten elf Wochen lang anstatt der Schule jeden Morgen den Zirkus Giovanni. Auch hier wurde gelernt: Vertrauen aufbauen bei gemeinsamen Pyramiden, Ängste überwinden auf dem Nagelbrett, Höhenflüge erleben auf dem Trampolin. Gleichzeitig wurden die Kinder zum Filmteam: Als Regisseure, Kameraleute und Moderatoren drehten sie einen Film über ihr Projekt. Im Juni konnten die Kinder und Jugendlichen gestärkt und mit neuer Lernmotivation zurück in die Schule kehren.
Wie sieht Zirkuspädagogik beim Zirkus Giovanni generell aus?
Volker Traumann: Im Mittelpunkt unseres Denkens und Handelns steht nicht die Artistik, sondern der Mensch. Gerade für Kinder und Jugendliche, insbesondere für junge Menschen mit Handicaps oder belastenden Biographien, bietet die gemeinsame Zirkusarbeit eine Zeit der Stärkung und Kompensation. Kinder mit eingeschränktem Selbstwertgefühl erleben sich auf einmal als stark, Herausforderungen als bewältigbar und schwierige Situationen als beherrschbar und veränderbar. Wir erleben auf vielfache Weise, wie die jungen Menschen neuen Lebensmut schöpfen und sich zum Beispiel Lethargie oder Selbstzweifel in Tatendrang wandeln. Beim gemeinsamen Inszenieren, Diskutieren, Organisieren, Planen und Gestalten mit anderen Artisten lernen die jungen Menschen gleichzeitig ganz viele Soft-Skills und soziale Kompetenzen, die sie für ihren weiteren Lebensweg fit machen. Um dies umzusetzen, arbeiten wir in Kleingruppen und achten darauf, dass unsere Trainerinnen und Trainer die Individualität jedes Kindes berücksichtigen und ihm passgenaue Lernschritte, Inhalte und Lernerfolge vermitteln. Bei den sozialen Interaktionen halten wir uns als Erwachsene zurück und geben den jungen Menschen möglichst viel Raum, um in der Gruppe Dinge auszuhandeln und Erfahrungen zu sammeln. Die Kinder entscheiden kreativ über alle Fragen der Inszenierung wie Kunststücke, Kostüm, Musik, Ablauf.
Sie fördern auch psychosoziale Kompetenzen.
Volker Traumann: Jeder junge Mensch sammelt im Idealfall in seiner Sozialisation eine Vielfalt an positiven Erfahrungen, die sein Ich stärken. In seinem Innersten kommt er zu der nachhaltigen Erkenntnis: Ich bin eine wertvolle Person mit vielen Fähigkeiten. Ich kann anderen vertrauen und es gibt Menschen, die mich mögen und die mir helfen. Ein Mensch, der reich an diesen Erfahrungen ist, wird im Leben seltener scheitern und auch schwierige Situationen versuchen aktiv und kreativ zum Positiven zu verändern. Zu den psychosozialen Kompetenzen zählen wir zum Beispiel die Fähigkeit, eigene Stärken zu erkennen und an sich zu glauben, Krisen und Konflikte zu meistern, Dinge selbstständig in die Hand zu nehmen, Aufgaben mit Spaß und Motivation anzupacken, eigene Ziele für die Zukunft zu entwickeln oder gemeinsam mit Anderen Aufgaben zu lösen.
Wie unterscheidet sich die Zirkuspädagogik von anderen pädagogischen Angeboten?
Volker Traumann: Ich kenne wenig Freizeit- und Bildungsangebote mit einer ähnlichen Offenheit und Flexibilität, um den Bedürfnissen jedes einzelnen Kindes gerecht zu werden. Betritt ein Kind unser Zirkuszelt kann es aus einer unglaublichen Vielzahl an Zirkusdisziplinen, Übungsformen und Requisiten auswählen: Akrobatik, Jonglage, Aerial-Ring, Trapez, Feuerartistik, Fakir-Künste, Trampolin, Einrad, Stelzen, Kugelbalance, Drahtseil, Vertikaltuch, Theater, Clownerie, Musik, Skateboard, Licht- und Tontechnik und mehr. Geübt werden kann allein, zu zweit, mit vielen. Allein im Bereich der Jonglage gibt es über zwanzig Requisiten und sicherlich über 1.000 Spiel- und Übungsmöglichkeiten. Zirkus gibt uns die Chance, aus all diesen Möglichkeiten für jedes Kind das passende auszuwählen, ein sensibles Trainingsgeschehen zu entwickeln und für jeden jungen Menschen Erfolgserlebnisse zu garantieren.
Besteht die Gefahr, dass sich das Don Bosco Jugendwerk den Betrieb des Zirkus’ in Zukunft nicht mehr leisten kann?
Volker Traumann: Seit dem Start mit unserem großen Viermaster-Zelt 2005 im Teufelsgraben haben wir immer wieder mal große Finanzierungssorgen gehabt, zumal wir bisher keine öffentliche Regelförderung bekommen. Auch von der Stadt Bamberg haben wir in diesem Jahr noch kein positives Signal für eine Förderung bekommen. Die derzeitige Situation übertrifft alles Bisherige. Aktuell hoffen wir noch auf eine Zuwendung aus dem „Neustart Kultur“-Fördertopf für Zirkusprojekte. Dort sind jedoch derzeit alle Gelder ausgeschöpft und die Bundesregierung konnte sich bisher noch nicht zu einer Aufstockung dieses Fördertopfes durchringen. Wir sind dringend auf jede Spende angewiesen. Weitere Infos findet man auf unserer Homepage.
Mit welchen Gefühlen und Hoffnungen blicken Sie in die kommenden Monate?
Volker Traumann: Auf der einen Seite bangen wir um unsere Zukunft, auch finanziell. Auf der anderen Seite verfolgen wir täglich das Corona-Geschehen und schauen hoffnungsvoll auf die warme Jahreszeit, in der wir uns eine Rückkehr zu einem annähernd normalen Zirkusbetrieb erhoffen.
Zirkus Giovanni
Jakobsplatz 15
96047 Bamberg
https://www.zirkus-giovanni.de/
Spendeninformationen
Spendenkonto:
Stiftung Zirkus Giovanni
IBAN: DE17 7002 0500 3741 5601 56
BIC: BFSWDE33MUE
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Ärztlicher Leiter Impfzentrum Bamberg
Dr. Klaus Weiner im Interview
Seit zwei Wochen ist der Bamberger Arzt Dr. Klaus Weiner der ärztliche Leiter des Impfzentrums Bamberg. Wir haben mit dem Mediziner über die tägliche Arbeit im Impfzentrum, Impfstoffengpässe und Impfskepsis gesprochen.
Herr Dr. Weiner, wie sieht Ihre tägliche Arbeit im Impfzentrum aus?
Klaus Weiner: Morgens habe ich eine kurze Besprechung zum Informationsaustausch mit unserer Verwaltungsleitung über die tagesaktuelle Situation. Wie viele Impfstoff-Dosen haben wir vorrätig, wie sieht die personelle Einteilung der Teams aus, wie die anstehende Versorgung stationärer Einrichtungen nach eingegangenen Meldezahlen? Dann beginnt die aktive Beteiligung an der Impflogistik, mit anderen Worten, wir impfen – ambulant oder im Zentrum. Weitere tägliche Aufgaben bestehen in Mitarbeitergesprächen, zum Beispiel über Vorgehensweise bei Problemimpfungen. Am Abend halte ich wieder mit der organisatorischen Leiterin ein Tagesresümee.
Wie viele Leute wurden im Bamberger Impfzentrum bereits geimpft?
Klaus Weiner: Zum 21. Januar hatten wir über 3.000 Erstimpfungen in Pflegeeinrichtungen und über 1.000 im Impfzentrum. Die Zweitimpfungen sind auch schon angelaufen.
Liegen Sie mit diesen Zahlen im Plan oder hätten bereits mehr Leute geimpft werden können?
Klaus Weiner: Wir liegen ganz gut im Plan, wurden zeitweise aber durch Impfstoffverknappung und durch sehr kurzfristig abgesagte Lieferung zugesagter – und verplanter – Dosen sozusagen ausgebremst.
Im IZ sollen bis zu 600 Impfungen täglich möglich sein. Erreichen Sie diese Zahl? Ist genügend Impfstoff vorhanden oder ist auch Bamberg von Engpässen im Nachschub betroffen?

Klaus Weiner: Bei Vollauslastung aller sechs Impfstraßen ist diese Zahl rechnerisch im Idealfall wohl denkbar, realistisch würde meine Einschätzung aber darunter liegen. Wir arbeiten mit Menschen, deren individuelle Gegebenheiten, Ängste, Reaktionen, Einschränkungen – aktuell impfen wir viele über 80-Jährige – wir zu berücksichtigen haben. Engpässe gab es natürlich, auch die Zuordnungslogistik, wie die Vorplanung und Bereitstellung der Zweitdosis nach drei Wochen, bei noch ungewisser Nachlieferung, ist eine Herausforderung, die ein quasi tagesaktuelles Nachjustieren erfordert.
Welcher Impfstoff wird im Bamberger IZ verwendet?
Klaus Weiner: Bislang verwenden wir ausschließlich den Impfstoff von BioNTech/Pfizer.
Lässt sich einschätzen, wie ausgeprägt Impfbereitschaft beziehungsweise Impfskepsis in der Region sind?
Klaus Weiner: Das ist schwer einzuschätzen. Wir sehen nur die Impfwilligen. In der stationären Pflege ist der Anteil des impfwilligen Pflegepersonals aber teils noch bedrückend niedrig.
Welche Botschaft würden Sie Impfskeptikerinnen und ‑skeptikern übermitteln?
Klaus Weiner: Informieren Sie sich! Nutzen Sie seriöse Quellen. Suchen Sie nicht nur nach Aussagen meist zweifelhafter Kompetenz, die die eigene Skepsis bestärken. Und im Allgemeinen sollten die Leute zur Kenntnis nehmen, dass tod- und leidbringende Erkrankungen nur durch konsequente Impfstrategien verhindert oder sogar ganz eliminiert werden konnten. Beispiele hierfür sind die Pocken, Diphterie, Kinderlähmung, Wundstarrkrampf oder Hirnhautentzündung. Wir besitzen eine scharfe Waffe, dieses Virus zu bekämpfen: Eine wirksame und sichere Impfung.
Ohne ein gewisses Grundvertrauen in evidenzbasierte Medizin werden wir diese, uns alle betreffende, lebensverändernde Pandemie nicht beherrschen. Dieses Virus tötet, täglich.
Internationale Popgrößen
35 Jahre Erasure
von Frank Keil
Im vergangenen Jahr konnte das Synthie-Pop-Duo Erasure das 35-jährige Bandbestehen feiern. Zusammen haben Sänger Andy Bell und Musiker Vince Clarke mehr als 40 Hitsingles veröffentlicht und weltweit über 25 Millionen Alben verkauft. Andy Bell stand uns für ein Interview zur Verfügung.
Mit „The Neon“ veröffentlichte Erasure im vergangenen Jahr sein insgesamt 18. Studioalbum – auf Vinyl, CD und sogar Kassette. Nach wie vor bürgt das Duo für musikalische Güte und versteht noch immer, worum es im Elektronik-Pop geht. Mit dem Londoner Andy Bell (im Foto rechts), dessen Wahlheimat Miami ist, haben wir auf die Bandgeschichte zurückgeblickt.
Vince Clarke war Gründungsmitglied von Depeche Mode, verließ sie 1981 und war dann zusammen mit Sängerin Alison Moyet bis 1983 als Yazoo erfolgreich. Danach folgten weitere Projekte, ehe er sich Ihnen anschloss. Erinnern Sie sich noch an die Gründung von Erasure und wie alles angefangen hat?
Andy Bell: Selbstverständlich. Ich lebte in einer Gay-WG, hatte erste musikalische Erfahrungen in London gesammelt. Abba, Blondie, Human League, Selecter, Yazoo – mein Musikgeschmack war damals sehr vielfältig. Über eine Anzeige im Melody Maker suchte Vince einen Sänger, nannte sich in der Anzeige aber nicht. Erst als ich mich bewarb, wurde mir am Telefon gesagt, dass er es ist, der jemanden sucht. Ich sang dann vor und wenige Tage später bekam ich das OK, ich entsprach genau seinen Vorstellungen. Vince hatte noch mit The Assembly zu tun, gab mir aber einen großzügigen Vorschuss, damit ich nicht irgendwo anders anheuerte.
Vor allem Ihre Live-Shows sind bis heute spektakulär, die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten. Die Chemie zwischen Ihnen scheint also nach wie vor zu stimmen.
Andy Bell: Es ist in der Tat so etwas wie Liebe zwischen uns. Eine Art größtmöglicher Empathie, die uns bis heute nicht aneinander zweifeln lässt, angefangen bei unserem Debüt „Wonderland“ von 1986, der einen Abba-Boom auslösenden „Abba-esque-EP“ aus dem Jahr 1992, über Krisen und Comebacks bis hin zu „World be gone“ mit dem wir 2017 nach 24 Jahren wieder die UK Top Ten-Charts erreichten.
2018 wurde zwischenzeitlich „World beyond“ veröffentlicht. Was hat es damit auf sich?
Andy Bell: Es ist quasi eine Neueinspielung von „World be gone“ in einem post-klassischen Gewand. Wir haben es in Brüssel mit den sieben Musikern des Echo Collectives eingespielt und damit den ersten Platz der Billboard-Classical Charts erreicht.
Vince lebt mit seiner Ehefrau in New York, Sie mit Ihrem Ehemann in London und Miami. Jeder geht eigenen Projekten nach, Sie zuletzt unter anderem mit Theaterarbeit. Daneben kann PETA auf Ihre Unterstützung zählen, ebenso die AIDS-Hilfe und die LGBT-Bewegung. Ist da überhaupt noch Zeit für Erasure?
Andy Bell: Ich bin seit 1998 HIV-positiv und habe mich bereits 2004 geoutet. Unsere Erfolge mit Erasure haben es mir ermöglicht, mich in vielerlei Hinsicht aktiv zu engagieren und an gesellschaftlichen Veränderungen, vor allem im Hinblick auf die LGBT-Community, mitzuwirken. Was Erasure betrifft sind wir trotzdem immer im Austausch, Synthie-Pop wird uns immer verbinden. Für „The Neon“ gab es keinen exakten Plan. Vince hatte 2019 erste Tracks in seinem mit Synthesizern vollgepackten Studio vorbereitet, ich ihn dort für einige Zeit besucht. Wir improvisierten Melodien und Texte und es zeichnete sich schnell ab, dass die neuen Stücke für „The Neon“ mehr radiotaugliche Uptempo-Nummern mit catchy Harmonien werden und zur Veröffentlichung taugen.
Insgesamt sind es dann zehn Stücke zwischen „Hey now (think I got a feeling)“ bis hin zu „Kid you´re not alone“ geworden. Man kann zweifelsfrei hören, dass Sie sich mit allen Titeln identifizieren und bei den Aufnahmen spirituell mit sich selbst im Reinen waren. Wie und wo haben Sie das Album dann fertiggestellt?
Andy Bell: Wir haben versucht, den Stücken dieses nostalgische 1980er Jahre-Feeling zu geben, mit dem wir uns nach wie vor identifizieren. Und gleich der Opener, die erste Single versprüht diese Kreativität und Begeisterung, die sich mit Stücken wie „Shot a satellite“ oder „Tower of love“ fortsetzt. Besondere Bedeutung haben für mich der Titel „Diamond lies“ und „Nerves of steel“, die ich meinem Ehemann gewidmet habe. Alle Vocals habe ich final in einem analogen Studio in Atlanta/USA eingesungen. Das Album strahlt diese Spiritualität aus, die Vergangenheit mit Gegenwart und Zukunft verbindet und mehr als alles andere für Erasure steht.
Neon ist ein chemisches Element, ein Edelgas, das durch Gasentladungen Röhren zum Leuchten bringt und bis heute für vielfältige Neonreklame verwendet wird. Seit den 1960er findet es auch in der Kunst Verwendung. Welche Bedeutung hat entsprechend der Albumtitel?
Andy Bell: Neon hat mich schon als Kind fasziniert. Old fashioned, aber still modern. Im Londoner Stadtviertel Walthamstow gibt es das sogenannte „God´s own junkyard“, Europas größtes Neon-Museum für Schilder und Objekte, ein fantastischer Ort. Er hat mich zum Albumtitel inspiriert und dort wurden dann auch die aktuellen Cover-Shootings gemacht.
Synthesizer-Pop hat auch in Deutschland eine lange Tradition. Acts wie Alphaville oder Camouflage kennt man weltweit. Neue Gruppen wie Sea Of Sin oder St George beleben die Szene. Verfolgen Sie auch international, was in diesem Genre passiert?
Andy Bell: Immer noch, vor allem, wenn ich im Urlaub bin und Zeit habe, mich vor Ort damit zu beschäftigen, so wie in den 1980er Jahren, als ich einige Zeit in Berlin gelebt habe. Als Sammler heute weniger, meine Vinyl- und CD-Sammlung habe ich aus Platzgründen in einer Lagereinrichtung untergebracht und beschränke mich musikalisch auf mobile Endgeräte.
„The Neon“ wurde sogar als Kassette veröffentlicht. Wegen der alten Zeiten?
Andy Bell: Nein, Kassetten sind einfach wieder angesagt, es ist ein Trend. Und den bedient unser Label damit.
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Claudia Koreck im Interview
„Der rote Faden bin ich“
von Frank Keil
Mit ihrem zehnten Studioalbum „Auf die Freiheit“ feiert Claudia Koreck den Spaß an der musikalischen Vielseitigkeit. Seit ihrem Debüt-Album „Fliang“ (2007) präsentiert die Songwriterin und Sängerin aus Oberbayern mit ihrer Band einen Mix aus Bayrisch, Hochdeutsch und Englisch. Stets sozial engagiert, versucht die zweifache Mutter, trotz beständiger Charterfolge, Familie und Karriere gleichberechtigt zu verbinden.
„Auf die Freiheit“ ist bereits Ihr zehntes Studioalbum. Wo würden Sie es innerhalb der bisherigen Veröffentlichungen einreihen?
Claudia Koreck: „Auf die Freiheit“ ist ein Album, das ganz viele Stationen in meinem Leben verbindet und mich nach vorne schauen lässt. Es ist ein positives und sehr vielfältiges Album, auf dem ich mich in allen Facetten zeigen darf. Und es feiert das Leben – was ich gerade in dieser schwierigen Zeit schön finde.
Über welchen Zeitraum hinweg sind die elf Titel zwischen „Aufgwacht von de Doudn“ und „Koa Paradies“ entstanden? Wo haben Sie geschrieben? In welchem Studio wurde aufgenommen, wer hat die Stücke produziert?
Claudia Koreck: Aufgenommen wurde zum Großteil bei uns daheim im Studio in
Hallabruck und im Downtown Studio in München. Die Songs sind alle im Laufe der letzten Jahre entstanden, ohne große Hintergedanken. Ich schreibe wahnsinnig viel. Wann immer mir etwas einfällt, schreibe ich es gleich auf. Meistens zuhause, nur der Song „Indianer“ war noch aus meiner Auszeit in Schweden, als ich eigentlich die beiden Weihnachtsplatten geschrieben habe. Ein anderer Song ist in Griechenland entstanden. Ich nehme meine Gitarre fast überall mit hin. Diesmal haben sich Gunnar Graewert, mein Ehemann, und die Bandmitglieder alle Songs, die ich in den letzten Jahren geschrieben habe, durchgehört. Das war eine Menge Arbeit, denn es gab genug Musik für über drei Tage. Und dann haben wir die Lieder ausgesucht, die uns besonders gefallen haben. Und irgendwann blieben dann die elf Titel des aktuellen Albums
übrig.
Welche Bedeutung kommt dem Albumtitel „Auf die Freiheit“ zu, dem ja kein Stück auf der Platte zugeordnet ist?
Claudia Koreck: Es ist gerade der Gedanke der Freiheit, der ein solch facettenreiches Album zulässt. Man legt nicht schon vorher die Richtung fest, sondern lässt es einfach geschehen. Und da darf alles passieren, ohne Barrieren im Kopf oder im Herzen.
Stilistisch präsentieren Sie sich sehr vielfältig, welche Idee, welche Art roter Faden hält das Album zusammen?
Claudia Koreck: Der rote Faden, wenn man so will, bin diesmal einfach nur ich.
Haben Sie ein Lieblingslied auf der Platte?
Claudia Koreck: Ich liebe natürlich alle Lieder, sonst wären sie nicht auf der Platte.
Sie haben in regelmäßigen Abständen auch Platten für Kinder aufgenommen. Gibt es konkrete Pläne für einen Nachfolger von „Weihnachten im Wald“ (2018)?
Claudia Koreck: Ich hatte neulich mal eine neue Idee, mal sehen, was daraus wird.
Sie und Ihr Mann haben ein besonderes Verhältnis zu Hawaii, wohin Sie immer wieder reisen und wo Sie geheiratet haben. Hatten Sie Pläne, die Inselgruppe auch 2020 wieder zu besuchen?
Claudia Koreck: Wir planen in dieser Zeit ehrlich gesagt keine weiten Reisen. Wir haben uns beim letzten Mal auch schon wehmütig verabschiedet. Die Insel ist zwar wunderschön, aber auch viel zu weit weg. Aber all die schönen Erinnerungen, die wir auf Hawaii gemacht haben, die haben wir immer dabei.
Mit dem Projekt „Menschenskinder“ hatten Sie und andere KünstlerInnen von 2006 bis 2008 für gute Zwecke musiziert. Wäre es in der Corona-Krise nicht wieder Zeit für ein Revival?
Claudia Koreck: Die „Menschenskinder“-Zeit war großartig. Lauter liebe Menschen, mit denen man für gute Zwecke Musik macht. Ich wäre sofort mit dabei, aber wir dürfen ja leider derzeit nicht so auftreten, wie wir gerne wollen würden. Ich hoffe jetzt erst mal, dass wir Künstler und all die Menschen, die es für ein Konzert und alles drumherum braucht, einigermaßen durch die Krise kommen. Es ist tatsächlich zum Verzweifeln, wenn man einfach nicht mehr arbeiten darf.
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Ausbildungszentrum der Bundespolizei
Kampf gegen Corona
von Manuel Werner
Eine der Aufgaben der Bundespolizei besteht im Grenzschutz. Seit dem 16. März führt sie zudem vorübergehende Grenzkontrollen zu mehreren Nachbarländern durch. Ziel der Maßnahmen ist, das Reiseaufkommen nach Deutschland zu reduzieren und somit die Verbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Zur aktuellen Lage stand uns Thomas Lehmann, leitender Polizeidirektor des Bundespolizeiaus- und ‑fortbildungszentrums Bamberg, Rede und Antwort.
Welche Vorkehrungen wurden für den Standort getroffen, um die Gefahr der Ansteckung mit dem Corona-Virus bestmöglich zu bannen?
Thomas Lehmann: Wir haben zunächst die Ausbildung, wo immer möglich, sukzessive auf ein angeleitetes „Fernstudium“ umgestellt. Ferner wurde dem Personal des Bundespolizeiaus- und ‑fortbildungszentrums Bamberg weitgehend die Möglichkeit zur Arbeit im Home-Office eingeräumt. Neben der generellen Gesundheitsvorsorge und Betreuung haben sich unsere Kolleginnen und Kollegen der Minimierung eines Infektionsrisikos verschrieben. Die allgemeingültigen Hinweise und Empfehlungen des Robert Koch-Instituts sind für unsere Mitarbeiter ebenso existent wie für den Bürger. Vorgaben des Gesundheitsamtes gelten entsprechend.

Thomas Lehmann, leitender Polizeidirektor des Bundespolizeiaus- und ‑fortbildungszentrums Bamberg
Welche Auswirkungen hat diese Krise speziell auf den Ausbildungsbetrieb in Bamberg?
Thomas Lehmann: Um die Infektionsketten zu unterbrechen, wurde die Ausbildung in der Bundespolizei in ein angeleitetes Selbststudium umgewandelt. Die Auszubildenden verbleiben an ihren Heimatorten und werden durch Nutzung digitaler Medien unterrichtet. Wesentliche Bestandteile der Ausbildung in der Bundespolizei bestehen aus der Vermittlung theoretischer Inhalte im Bereich der Gesellschaftswissenschaften, der Rechtswissenschaften und Einsatzlehre. Diese Fächer sind teilweise dazu geeignet, auch ohne Präsenz in der Ausbildungseinrichtung vermittelt zu werden. Neben der Übermittlung von Aufgabenstellungen per E‑Mail verfügt die Bundespolizei über eine e‑Learning-Plattform. Hier können die Auszubildenden auch von ihrem Wohnort aus auf Arbeitsunterlagen zugreifen. Normalerweise wechseln sich die theoretischen und praktischen Anteile ab beziehungsweise bauen jeweils inhaltlich, methodisch und didaktisch aufeinander auf.
Wie stark ist das Aus- und Fortbildungszentrum involviert, sprich werden Ausbilder eingesetzt beziehungsweise unter welchen Umständen würden auch Auszubildende eingesetzt werden?
Thomas Lehmann: Das Bundespolizeiaus- und ‑fortbildungszentrum Bamberg unterstützt auf Anforderung die Bundesbereitschaftspolizei mit Einsatzzügen. Diese setzen sich aus Ausbildungspersonal sowie Anwärterinnen und Anwärtern des zweiten und dritten Dienstjahres zusammen. Aktuell unterstützen bereits eingesetzte Einsatzkräfte aus Bamberg die vorübergehend wiedereingeführten Grenzkontrollen an den Grenzen zu Frankreich, Österreich und der Schweiz.
Wie gehen die Beamtinnen und Beamten mit dem ständig bestehenden Risiko einer Ansteckung um?
Thomas Lehmann: Durch die konsequente Beachtung der Hygienestandards und Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts versuchen wir das Infektionsrisiko zu reduzieren. Dies gelang bisher sehr gut.
Was machen Sie als erstes, wenn die Ausgangsbeschränkung aufgehoben ist?
Thomas Lehmann: Auf einem Bierkeller ein kühles Rauchbier trinken, ein Konzert besuchen, ins Theater gehen und darauf hoffen, dass die Menschheit die richtigen Lehren aus der Pandemie zieht.
- Manuel Werner
- Foto: Bundespolizei