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Kunstverein

„Unse­re Arbeit könn­te bes­ser lau­fen, wenn wir einen per­ma­nen­ten Aus­stel­lungs­ort hätten“

200 Jah­re Kunst­ver­ein Bamberg

Anfang des 19. Jahr­hun­derts begann sich eine Grup­pe kunst­in­ter­es­sier­ter Bam­ber­ger Bür­ger regel­mä­ßig zu tref­fen, um sich über ihre kul­tu­rel­le Lei­den­schaft aus­zu­tau­schen. 1823 ging aus die­sen Tref­fen die Grün­dung eines Kunst­ver­eins her­vor. Die­ser Kunst­ver­ein wird nun 200 Jah­re alt und zählt damit zu den ältes­ten sei­ner Art in Deutsch­land. Dr. Bar­ba­ra Kah­le ist seit 2010 Vor­sit­zen­de des Ver­eins. Mit ihr haben wir über den dama­li­gen, heu­ti­gen und zukünf­ti­gen Kunst­ver­ein gespro­chen – und über sei­ne fast schon tra­di­tio­nel­le Unterkunftslosigkeit.
Frau Kah­le, was zeig­te der Kunst­ver­ein in sei­ner ers­ten Aus­stel­lung vor 200 Jahren?

Bar­ba­ra Kah­le:. Das lässt sich so genau gar nicht sagen, die Aus­stel­lungs­tä­tig­keit hat sich erst nach und nach ent­wi­ckelt. Man beschäf­tig­te sich mit Wer­ken Bam­ber­ger Künst­ler oder auch mit pri­va­ten Samm­lun­gen, die dann in klei­ne­rem Rah­men auch für Aus­stel­lun­gen zur Ver­fü­gung gestellt wur­den. Der Kunst­ver­ein ist damals her­vor­ge­gan­gen aus pri­va­ten Tref­fen künst­le­risch inter­es­sier­ter Bür­ger, zu denen auch der Arzt Adal­bert Fried­rich Mar­cus und E.T.A. Hoff­mann gehör­ten. Erst als Ste­phan Frei­herr von Sten­gel, der die­se Zusam­men­künf­te initi­iert hat­te, gestor­ben war, ent­schloss man sich, die­se Tref­fen zu insti­tu­tio­na­li­sie­ren und den Kunst­ver­ein offi­zi­ell zu gründen.

Kunstverein
Der Vor­stand des Kunst­ver­eins von links: Karl­heinz Erbe, Maren Jen­sen, Jür­gen Wil­helm, Rosa Brun­ner, Judith Wein­gart, Not­bur­ga Karl, Bar­ba­ra Kah­le, Foto: Ulrich Kahle
Heu­te hat sich der Kunst­ver­ein der zeit­ge­nös­si­schen Kunst ver­schrie­ben. Galt die­ser Fokus von Anfang an?

Bar­ba­ra Kah­le: Nein, denn anfäng­lich hat der Kunst­ver­ein kei­ne Unter­schei­dung gemacht zwi­schen zeit­ge­nös­si­scher oder moder­ner Kunst und Kunst aus ver­gan­ge­nen Zei­ten. Schaut man sich die Pro­gram­me der ers­ten öffent­li­chen Aus­stel­lun­gen von vor 200 Jah­ren an, wur­de zwar durch­aus gezeigt, was damals aktu­ell war, aber auch sehr viel his­to­ri­sche, alte Kunst. 1828 rich­te­te der Ver­ein zum Bei­spiel ein gro­ßes Albrecht Dürer-Jahr aus. 

Die­se Hal­tung zog sich eigent­lich wei­ter bis zum 2. Welt­krieg. Von sei­nem Selbst­ver­ständ­nis her war der KV zunächst eine Ver­ei­ni­gung, die sich all­ge­mein um Kunst geküm­mert hat, deren Mit­glie­der sich zusam­men­ge­tan haben, um gemein­sam Kunst zu schau­en, zu bespre­chen und ihr Publi­kum dar­über mit­tels selbst gege­be­nem Bil­dungs­auf­trag wei­ter­zu­bil­den. In der Zeit nach dem 2. Welt­krieg, die man als Zeit eines kul­tu­rel­len Neu­an­fangs über­schrei­ben könn­te, zeig­te sich die Auf­bruch­stim­mung in eini­gen bemer­kens­wer­ten Aus­stel­lun­gen wie etwa „Deut­sche Kunst der Gegen­wart“ von 1947 oder „Druck­gra­fik der Brü­cke­meis­ter“ von 1958. Das His­to­ri­sche war damit aber nicht aus­ge­klam­mert; vor allem in Vor­trä­gen wid­me­te man sich allen Epo­chen der Geis­tes- und Kulturgeschichte.

Besteht die­ser Bil­dungs­auf­trag heu­te noch?

Bar­ba­ra Kah­le: Ja, aber frü­her spiel­te die Bil­dung ein ande­re Rol­le. Unse­re Sat­zun­gen aus dem 19. Jahr­hun­dert geben als Ver­eins­zie­le unter ande­rem „Unter­hal­tung und Beleh­rung“ des Publi­kums über alle Zwei­ge der Bil­den­den Kunst und „Ver­brei­tung von Kunst-Geschmack“ an. Heu­te ist das anders. Heu­te geht es in Sachen Bil­dung nicht so sehr um Beleh­rung als um ein Ange­bot, das gemein­sa­me Erleb­nis, Kunst zu ent­de­cken. Heu­te sol­len durch Aus­stel­lun­gen eher Anre­gung für und Dis­kus­si­on mit dem Publi­kum entstehen.

Ent­ste­hen sol­che Diskussionen?

Bar­ba­ra Kah­le: Es ist manch­mal ein müh­sa­mes Geschäft, es gelingt nicht immer. Wir sind ein klei­ner Kunst­ver­ein, der ehren­amt­lich mit begrenz­ten finan­zi­el­len Mög­lich­kei­ten arbei­tet und außer­dem ein­ge­bet­tet ist in die Struk­tu­ren der Stadt Bam­berg, wo die Aus­ein­an­der­set­zung mit zeit­ge­nös­si­scher Kunst lan­ge kaum Beach­tung gefun­den hat. Wir mer­ken, dass manch­mal die Grund­la­ge und auch die Bereit­schaft für das Ver­ständ­nis von zeit­ge­nös­si­scher Kunst fehlt.

In wel­chem Zustand befin­det sich der Kunst­ver­ein heute?

Bar­ba­ra Kah­le: In einem guten!

Kann also alles so blei­ben, wie es ist?

Bar­ba­ra Kah­le: Nein! Eige­ne Räu­me müs­sen her. Ich den­ke, wir haben einen sehr enga­gier­ten Vor­stand im Kunst­ver­ein, der in den letz­ten Jah­ren sehr schö­ne Aus­stel­lun­gen gezeigt hat. Nicht alles war wun­der­bar – aber ich glau­be, im Gro­ßen und Gan­zen kön­nen wir zufrie­den sein, wobei wir natür­lich von der Arbeit unse­rer Vor­gän­ger sehr viel pro­fi­tie­ren. Doch ange­sichts des­sen, dass wir ehren­amt­lich arbei­ten, haben wir immer ein gutes Pro­gramm gebo­ten, mit ver­hält­nis­mä­ßig vie­len Aus­stel­lun­gen, durch­schnitt­lich vier pro Jahr. Ich den­ke, vom Anse­hen her steht der Kunst­ver­ein damit wirk­lich gut da.

Aber?

Bar­ba­ra Kah­le: Unse­re Arbeit könn­te bes­ser lau­fen, wenn wir einen per­ma­nen­ten Aus­stel­lungs­ort hät­ten. Eine gute Mög­lich­keit ist seit 2011 das Kes­sel­haus, das aber nicht für alle Arten von Kunst-Aus­stel­lun­gen geeig­net ist – man­che Wer­ke gehen in die­sem gro­ßen Raum mit sei­nen domi­nan­ten Nut­zungs­spu­ren ein­fach unter. Es wäre inso­fern bes­ser, zusätz­lich einen Ort zu haben, an dem man die Kunst adäquat prä­sen­tie­ren kann, wei­ße Wän­de, auf denen sich die Kunst ent­fal­ten kann. Wir brau­chen einen dau­er­haf­ten Ort, des­sen Räu­me pas­send sind und noch mehr Mög­lich­kei­ten bie­ten als der gegen­wär­ti­ge eigent­li­che Kesselraum.

Was heißt das genau?

Bar­ba­ra Kah­le: Wir bräuch­ten Raum, wo man sich auch mal hin­set­zen kann, um zum Bei­spiel über die jewei­li­ge Aus­stel­lung zu dis­ku­tie­ren, um Vor­trä­ge zu hören oder Work­shops abzu­hal­ten. Weder in der Vil­la Des­sau­er noch im Haupt­raum des Kes­sel­hau­ses gibt es dies. Es fehlt an sozia­ler Infra­struk­tur für Kunst­päd­ago­gik und auch an einem Café.

Wo könn­te solch ein Ort sein?

Bar­ba­ra Kah­le: Das gesam­te Kes­sel­haus-Are­al am Lein­ritt lie­ße sich präch­tig dazu umnut­zen! Im Kes­sel­raum selbst könn­te Expe­ri­men­tel­les und Über­for­ma­ti­ges hin­ein, wäh­rend die ande­ren Berei­che zu gän­gi­gen, hel­len Aus­stel­lungs­räu­men, soge­nann­ten White-Cubes, umge­baut werden.

Wie ist der aktu­el­le Stand des Kes­sel­hau­ses als mög­li­cher per­ma­nen­ter Ausstellungsort?

Bar­ba­ra Kah­le: Eine Mach­bar­keits­stu­die zur Ver­wen­dung des Kes­sel­hau­ses als dau­er­haf­ten Ort für Kunst und Kul­tur wur­de gera­de aus­ge­schrie­ben, aber noch nicht begon­nen. Der Ver­ein Kunst­raum JETZT! hat bis 2026 einen Nut­zungs-Ver­trag mit dem Immo­bi­li­en­ma­nage­ment, das das Kes­sel­haus ver­wal­tet. Das sind also noch gut drei Jah­re, in denen die Stu­die fer­tig sein sollte.

Wie lan­ge sucht der Kunst­ver­ein schon nach einem fes­tem Ort?

Bar­ba­ra Kah­le: Seit 200 Jahren.

Wie­so ist es in die­ser lan­gen Zeit nicht gelun­gen, einen dau­er­haf­ten Ort zu finden?

Bar­ba­ra Kah­le: Dies wur­de lan­ge Zeit nicht als Pro­blem emp­fun­den. Ange­fan­gen hat alles, wie gesagt in Pri­vat­häu­sern, im Hel­ler­schen Haus an der Unte­ren Brü­cke genau gesagt. Ab 1853 mie­te­te sich der Kunst­ver­ein im Krack­hardt-Haus ein – bis 1929, danach für weni­ge Jah­re im Rat­haus. Man begnüg­te sich, anders gesagt, mit den Orten, die man zur Ver­fü­gung hat­te. Erst im 20. Jahr­hun­dert begann zuneh­men­de Unzu­frie­den­heit dar­über, immer hin und her zie­hen zu müssen. 

1934 gab es ech­te Über­le­gun­gen, an der Pro­me­na­de ein eige­nes Gebäu­de zu errich­ten, die aber nie über eine Zeich­nung des Gebäu­des hin­aus­ka­men; es gab also nicht ein­mal einen Bau­plan. Nach dem Krieg hoff­te man, in der Resi­denz eine dau­er­haf­te Blei­be gefun­den zu haben. Dort aus­zu­stel­len ist aber heu­te unter ande­rem aus finan­zi­el­len Grün­den nicht mehr mög­lich. Unser ehe­ma­li­ger Vor­sit­zen­der Hans Neu­bau­er hat dann in den 1980er Jah­ren mit­ge­wirkt, dass mit dem Umbau der Vil­la Des­sau­er zu einem städ­ti­schen Aus­stel­lungs­haus der Kunst­ver­ein dort immer­hin zwei win­zi­ge Depoträu­me im Dach bekam und in der Vil­la vor allem ein­mal im Jahr eini­ge Wochen unent­gelt­lich aus­stel­len darf. Die­se Über­ein­kunft hat bis heu­te Bestand. Aber die Vil­la kann nie­mals eine Geschäfts­stel­le, wie wir sie zur­zeit in der Schüt­zen­stra­ße haben, sein. Es wäre gut, wenn alles unter einem Dach wäre.

Wie hoch ist die Mie­te im Kesselhaus?

Bar­ba­ra Kah­le: Der Ver­ein Kunst­raum JETZT! zahlt mit Unter­stüt­zung des Kul­tur­amts dem Immo­bi­li­en­ma­nage­ment eine klei­ne Mie­te. Soll­te das Kes­sel­haus als fes­ter Ort für Kunst eta­bliert wer­den, wür­de, könn­te das natür­lich so blei­ben. Aber der­zeit sind wir immer im Zwei­fel, ob 2026 nicht Schluss ist, wenn näm­lich die Mach­bar­keits­stu­die zu unse­ren Unguns­ten ausfällt.

Sind Aus­stel­lun­gen das bes­te Argu­ment, um die Stadt vom Kes­sel­haus als fes­tem Ort zu überzeugen?

Bar­ba­ra Kah­le: Ja.

Ist es Ihnen inso­fern noch nicht gelun­gen, über­zeu­gen­de Aus­stel­lun­gen zu zeigen?

Bar­ba­ra Kah­le: Ich glau­be nicht, dass das so ein­fach funk­tio­niert. Unse­re stärks­te Waf­fe ist tat­säch­lich unser Wir­ken, das natür­lich in ers­ter Linie aus Aus­stel­lun­gen besteht. Hin­zu kommt unse­re Arbeit in Gre­mi­en, ich selbst bin Mit­glied der Kul­tur­kom­mis­si­on, wir sind im Aus­schuss für Kunst im öffent­li­chen Raum und so wei­ter. Die Bedeu­tung des Kunst­ver­eins zeigt sich eben auch im Mit­ge­stal­ten des all­ge­mein-städ­ti­schen kul­tu­rel­len Lebens. Sie soll­ten sich mal vor­stel­len, wie die Stadt und ihre kul­tu­rel­le Sze­ne aus­sä­he, wenn es den Kunst­ver­ein mit sei­nen Aus­stel­lun­gen und Akti­vi­tä­ten nicht gäbe.

Der Kunst­ver­ein hat etwa 300 Mit­glie­der. Herrscht Über­al­te­rung oder haben Sie reich­lich jun­gen Nachwuchs?

Bar­ba­ra Kah­le: Wir haben als Bür­ger­ver­ein seit jeher vie­le älte­re Mit­glie­der, von denen eini­ge aus dem Ver­ein aus­tre­ten oder lei­der weg­ster­ben. Dies bedeu­tet einen alters­be­ding­ten Mit­glie­der­schwund, der die Zahl neu­er Mit­glie­der noch immer über­trifft. Das ist ein Man­ko vie­ler Ver­ei­ne, so auch des Kunst­ver­eins. Wir bräuch­ten viel mehr jun­ge Mit­glie­der – ger­ne auch im Vor­stand – die wie­der­um mehr Kon­takt zu jun­gen Leu­ten brin­gen könnten.

Sie sind seit 2010 Vor­sit­zen­de des Kunst­ver­eins. An wel­che Aus­stel­lun­gen aus die­ser Zeit den­ken Sie beson­ders gern zurück?

Bar­ba­ra Kah­le: Das ist natür­lich grund­le­gend sehr sub­jek­tiv, aber eine Aus­stel­lung, die uns – und auch dem Publi­kum – beson­ders im Gedächt­nis geblie­ben ist, ist die Aus­stel­lung „Frem­de Gär­ten“ mit rie­si­gen Tul­pen-Sca­no­gram­men von Luzia Simons im Kes­sel­haus 2012. Ein gran­dio­ses Erleb­nis, viel­leicht auch des­halb, weil es unse­re ers­te gro­ße Aus­stel­lung im Kes­sel­haus war.

Seit­dem nichts mehr? 2012 ist schon ein biss­chen her.

Bar­ba­ra Kah­le: Ja, aber gera­de die­se Aus­stel­lung ist vie­len in star­ker Erin­ne­rung geblie­ben. Ein aktu­el­le­res Bei­spiel wäre die Aus­stel­lung von Phil­ip Grö­zin­ger letz­tes Jahr mit sei­nen völ­lig abstru­sen Gemälden.

Gibt es Aus­stel­lung, die Sie nicht mehr zei­gen wür­den? Mir wür­de die heil­los ver­kopf­te und blut­lee­re Aus­stel­lung „Poro­si­ty Play­ground“ von 2021 einfallen.

Bar­ba­ra Kah­le: Na ja, sagen wir mal so: Bei man­chen Aus­stel­lun­gen, in denen der inhalt­li­che Bogen nicht ganz offen­sicht­lich ist, fehlt der Punkt, der Fun­ke, mit dem die Wer­ke sozu­sa­gen auf das Publi­kum über­sprin­gen. Teil­wei­se fällt es auch mir nicht immer leicht, einen Zugang zu finden.

Hat der Kunst­ver­ein jemals sei­ne Gleich­schal­tung in der Nazi­zeit zum Aus­stel­lungs­the­ma gemacht?

Bar­ba­ra Kah­le: Die Ein­trä­ge aus Sit­zungs­pro­to­kol­len zum Aus­schluss der jüdi­schen Ver­eins­mit­glie­der aus die­ser Zeit sind im Ver­ein bekannt und wur­den immer wie­der ver­öf­fent­licht. Die genau­en Umstän­de wur­den aber nie näher unter­sucht. Für das Jubi­lä­ums­jahr haben wir den His­to­ri­ker Andre­as Ull­mann beauf­tragt, das vor­han­de­ne Mate­ri­al noch ein­mal genau­er zu sich­ten und ein­zu­ord­nen. Damit wol­len wir auch eine Ent­schul­di­gung anbie­ten. Wei­ter­hin wer­den wir zunächst für ein depor­tier­tes Mit­glied, und nach und nach auch für die ande­ren, einen Stol­per­stein in Bam­berg ver­le­gen lassen.

Am 28. März hal­ten Sie eine Vor­trag mit dem Titel „200 Jah­re Kunst­ver­ein – Und wie wei­ter?“ Wie geht es wei­ter mit dem Kunstverein?

Bar­ba­ra Kah­le: Hof­fent­lich irgend­wann mit bes­se­ren Aus­stel­lungs-Räum­lich­kei­ten mit kunst­päd­ago­gi­schem Anspruch. Dann wür­den wir auch ger­ne eine Arto­thek auf­bau­en, in der man Gra­fi­ken aus unse­ren Bestän­den aus­lei­hen kann. Bis­lang bekommt die Samm­lung kein Mensch zu sehen. Wir arbei­ten an der Digi­ta­li­sie­rung, aber dafür fehlt oft die Zeit.

Sie sind seit 13 Jah­ren im Amt. Denkt man da bereits an die Nachfolge?

Bar­ba­ra Kah­le: Ich bin 70 und es macht mir wei­ter­hin Spaß, aber natür­lich ist irgend­wann Schluss. Es muss also eine Per­spek­ti­ve mei­ner Nach­fol­ge ent­wi­ckelt wer­den. Das Pro­gramm, das wir zur­zeit jähr­lich auf­stel­len, ist nur mög­lich, weil ich es mir ein­rich­ten kann, mich ehren­amt­lich tag­täg­lich dem Kunst­ver­ein zu wid­men. Eine über­le­gens­wer­te Idee für mei­ne Nach­fol­ge ist, dass der Kunst­ver­ein finan­zi­ell in der Lage wäre, eine fes­te Kraft ein­zu­stel­len, der die Aus­stel­lun­gen kura­tiert und den Geschäfts­be­trieb über­nimmt, wäh­rend der Vor­stand wei­ter­hin ehren­amt­lich tätig bleibt. Das wäre eine gute Chan­ce, Aus­stel­lun­gen in die Hän­de von jemand jün­ge­rem zu legen – wie gesagt, eine Mög­lich­keit, über die man durch­aus dis­ku­tie­ren sollte.

Fri­sche Luft unter der Glasglocke

Began­za­preis­trä­ger Chris­toph Gatz

Der Bergan­za­preis des Bam­ber­ger Kunst­ver­eins geht in die­sem Jahr an den Archi­tek­ten Chris­toph Gatz. Damit hat die Ver­ei­ni­gung in ers­ter Linie einen Unter­stüt­zer der ört­li­chen Kunst und Kul­tur und nicht einen ihrer Akteu­re, anders aus­ge­drückt einen Künst­ler, aus­ge­zeich­net. Zur Begrün­dung nennt der Kunst­ver­ein unter ande­rem Gatz’ Ein­satz für zeit­ge­nös­si­sche Kunst. Außer­dem haben Gatz’ Bau­ten den hie­si­gen Blick auf Archi­tek­tur erwei­tert. Denn: Es muss nicht immer alles alt sein.

Sei­ne Ent­wurfs­an­sät­ze bezeich­net der Archi­tekt Chris­toph Gatz als modern – nicht modisch –, unauf­ge­regt und ein­fach. Er ver­fol­ge eher einen kon­zep­tio­nel­len Zugang zur Gestal­tung, der im gedach­ten Dia­log mit umste­hen­den, bereits bestehen­den Gebäu­den und Bau­sti­len lie­ge, als die Bau­wei­se einer exal­tier­ten, „fast schon skulp­tu­ral anmu­ten­den Archi­tek­tur, wie sie immer häu­fi­ger zu fin­den ist.“

Christoph Gatz
Chris­toph Gatz, Foto: S. Quenzer

„Wel­chen Dia­log mit bereits bestehen­der Bau­sub­stanz kann man ein­ge­hen?“, sagt Chris­toph Gatz. „Was kann man an die­ser Stel­le für die Men­schen, für die wir bau­en, mit den zur Ver­fü­gung ste­hen­den Mit­teln machen? Wir wol­len ein­fach und gut bau­en. Das haben, glau­be ich, Archi­tek­ten häu­fig nicht mehr auf ihrem Fir­men­schild ste­hen. Vie­le wol­len etwas Ein­ma­li­ges, etwas ganz Beson­de­res ent­ste­hen las­sen. Das ist nicht unse­re aller­ers­te Handlungsmaxime.“

Der von Chris­toph Gatz und sei­nem Team ent­wor­fe­ne Glas­bau des Appar­te­ment­hau­ses der Vil­la Con­cor­dia ist ein gutes Bei­spiel dafür. Anstatt den prunk­vol­len, geschmück­ten Barock­stil des Was­ser­schlos­ses fort­zu­füh­ren, oder zu kopie­ren, ent­schied man sich, durch eine redu­zier­te Gestal­tung Span­nung mit der Vil­la zu erzeugen.

Der Rhyth­mus der Fens­ter­rei­hen des his­to­ri­schen Gebäu­des wur­de zwar bei­be­hal­ten, aber ohne die ent­spre­chen­den Bestand­tei­le der Glas­fas­sa­de etwa durch Rah­men oder Abtren­nun­gen beson­ders her­vor­zu­he­ben. Die Kon­struk­ti­on des Glas­baus ver­schwin­det hin­ter dem Glas. Die­ses Neben­ein­an­der­stel­len von His­to­ri­schem und Moder­nem, die­ses gleich­zei­ti­ge Zitie­ren und Redu­zie­ren der Gestal­tung der Vil­la erzeugt archi­tek­to­ni­sche Span­nung. Beson­ders wich­tig war dem Archi­tek­ten, die gro­ßen Bäu­me zu erhal­ten, wes­halb das Gebäu­de auf ein­zel­ne Pfäh­le gestellt wur­de, um die Wur­zeln nicht zu verletzen.

Eine der­ar­ti­ge Bau­wei­se war im Jahr 1999, als die ers­ten Sti­pen­dia­tin­nen und Sti­pen­dia­ten ein­zo­gen, noch rela­tiv neu in Bam­berg und trug trotz oder viel­leicht gera­de wegen ihrer Unspek­ta­ku­lär­heit zu einem Umden­ken beim The­ma „Alt-Neu“ bei. Teil­wei­se lös­te sie sogar hef­ti­ge Reak­tio­nen in der Bevöl­ke­rung aus.

Unter der Glasglocke

Die kul­tu­rel­le Situa­ti­on, die Chris­toph Gatz 1985 nach sei­ner Rück­kehr in sei­ne Hei­mat­stadt nach Stu­di­en­jah­ren in Karls­ru­he, Mün­chen und Nord­afri­ka und ers­ten Berufs­jah­ren in Mün­chen vor­fand, war näm­lich eher eine kon­ser­va­ti­ve. Bam­berg hat­te sich, so Gatz, bau­kul­tu­rell unter eine Glas­glo­cke bege­ben. Man ruh­te sich auf dem Titel der Welt­kul­tur­er­be­stadt aus. Die Bewah­rung der Bau­tra­di­ti­on, die Pfle­ge der Denk­mä­ler und ganz all­ge­mein das Geschichts­be­wusst­sein stand ganz oben. Und das Pro­gramm der Sym­pho­ni­ker beweg­te sich vor­wie­gend im Bereich der Klassik.

Und so freu­te es Chris­toph Gatz, den Lieb­ha­ber zeit­ge­nös­si­scher Kunst, als mit dem von Dr. Bernd Gold­mann initi­ier­ten Skulp­tu­ren­pfad die Moder­ne an vie­len Orten im Stadt­bild sicht­bar zu wer­den begann. „Das war ein ganz wich­ti­ger Impuls.“

Die­ser Über­be­to­nung des zwar Alt­ehr­wür­di­gen, aber eben auch Alten, steu­ert Gatz, kurz gesagt, sei­ner­seits seit jeher archi­tek­to­nisch ent­ge­gen. Was ihn für den Kunst­ver­ein aber vor­nehm­lich bergan­za­preis­träch­tig gemacht hat, waren nicht so sehr künst­le­ri­sche Erwä­gun­gen sei­ner zeit­ge­nös­si­schen Bau­wei­se. Er sieht sich ohne­hin aus­drück­lich nicht als Künst­ler. Der hun­de­för­mi­ge Preis wur­de ihm vor allem für den genann­ten Dis­kus­si­ons­an­stoß und sei­nen Ein­satz für die Bam­ber­ger Kul­tur, soll hei­ßen für die Eta­blie­rung der zeit­ge­nös­si­schen Kunst vor Ort zugesprochen.

Für die zeit­ge­nös­si­sche Kunst in Bamberg

Seit 1989 ver­gibt der Kunst­ver­ein Bam­berg jähr­lich den Bergan­za­preis an kunst- oder kul­tur­schaf­fen­de Per­so­nen oder Ein­rich­tun­gen Bam­bergs. In der Begrün­dung, Chris­toph Gatz die dies­jäh­ri­ge Aus­zeich­nung zu ver­lei­hen, heißt es: „Als Bergan­za-Preis­trä­ger hat der Vor­stand des Kunst­ver­eins in die­sem Jahr eine Per­sön­lich­keit aus­ge­wählt, die sich gemäß unse­ren Kri­te­ri­en seit vie­len Jah­ren mit Lei­den­schaft, Idea­lis­mus, Selbst­lo­sig­keit und nicht zuletzt inten­si­ver Arbeit im Kul­tur­le­ben der Stadt engagiert.“

Und wei­ter: „So ver­dan­ken wir sei­nem initia­ti­ven und uner­müd­li­chen Ein­satz für das Kes­sel­haus, dass wir die­ses Haus seit nun schon zehn Jah­ren bespie­len kön­nen. Er ist seit vie­len Jah­ren auch ein För­de­rer des Levi-Strauss-Muse­ums in But­ten­heim und hat als lang­jäh­ri­ger Spre­cher des Archi­tek­tur-Treffs-Bam­berg die Dis­kus­si­on um neue Archi­tek­tur in die­ser Stadt beför­dert. (…) Nicht zuletzt dank sei­nes Enga­ge­ments sind auch die groß­ar­ti­gen Fens­ter von Mar­kus Lüpertz in der Eli­sa­be­then­kir­che nahe­zu fer­tig gestellt.“

Über­rascht habe ihn die Nach­richt von der Ver­lei­hung des Bergan­za­prei­ses aber schon, sagt Chris­toph Gatz. „Das dau­er­haf­te Enga­ge­ment der VR Bam­berg-Forch­heim und des Bam­ber­ger Kunst­ver­ei­nes fin­de ich sehr bemer­kens­wert. Ich weiß auch schon, in wel­ches künst­le­ri­sche Pro­jekt ich das Geld ste­cken wer­de.“ Moder­ner Kunst jen­seits von Welt­erbe und Barock einen Platz in der Stadt zu schaf­fen, ihr zu ermög­li­chen, dass sie statt­fin­den kann, ist sein gro­ßes Anliegen.

„Vor über zehn Jah­ren habe ich zusam­men mit Ger­hard Schlöt­zer vom Berufs­ver­band Bil­den­der Künst­le­rin­nen und Künst­ler Ober­fran­ken eine Bege­hung im Kes­sel­haus gemacht. Der Raum lag damals zwar noch mehr oder weni­ger in Schutt und Asche, aber ich wuss­te sofort, dass wir dar­aus was machen können.“

2011 konn­te der Kunst­ver­ein die ers­te Aus­stel­lung im ehe­ma­li­gen Heiz­raum Kes­sel­haus eröff­nen. Dort, zwi­schen der Unte­ren Sand­stra­ße und dem Lein­ritt, hat zeit­ge­nös­si­sche Kunst seit 2015 unun­ter­bro­chen bis heu­te einen Platz, von dem aus sie in die Stadt und den öffent­li­chen Raum hin­ein­wir­ken kann.

Lüpertz in Bamberg

Ein wei­te­res Pro­jekt, in das Chris­toph Gatz seit sie­ben Jah­ren sehr viel Ener­gie steckt, ist die Aus­stat­tung der Kir­che St. Eli­sa­beth im Sand mit vom Maler und Bild­hau­er Mar­kus Lüpertz gestal­te­ten Fens­tern. Bei der Ent­hül­lung der Bron­ze­fi­gur des Apoll unmit­tel­bar vor der Kir­che soll der Künst­ler den Vor­schlag gemacht haben, die Glas­fens­ter durch far­bi­ge Neu­schaf­fun­gen zu erset­zen. Pfar­rer Hans Lyer war natür­lich sofort begeis­tert. Er über­gab die Orga­ni­sa­ti­on des Pro­jek­tes und vor allem die Akqui­se der Geld­mit­tel aber wenig spä­ter an sei­nen Freund aus Kin­der­ta­gen, Chris­toph Gatz.

Die Beschaf­fung der nicht klei­nen Sum­me stellt sich seit­dem als Dau­er­auf­ga­be dar. 2019 konn­te das ers­te der acht geplan­ten Fens­ter ein­ge­setzt wer­den, bereits weni­ge Mona­te spä­ter das zwei­te, nach vier wei­te­ren im Jahr 2021 soll der Abschluss des Pro­jek­tes im Juni 2022 mit einem Fest gefei­ert wer­den. Denn es waren vor­nehm­lich die Kunst­lieb­ha­ber, die den größ­ten Teil der Sum­me auf­ge­bracht haben.

Für Chris­toph Gatz war es eine reiz­vol­le Auf­ga­be, das Ent­ste­hen der far­bi­gen Glas­kunst in einem his­to­ri­schen Kir­chen­ge­bäu­de beglei­ten zu dür­fen. „Die Kir­chen­fens­ter sind eines der ganz weni­gen Bei­spie­le zeit­ge­nös­si­scher Male­rei in der Stadt Bam­berg. Obwohl das Fens­ter­pro­jekt noch nicht fer­tig­ge­stellt ist, hat es bun­des­wei­te Bekannt­heit und Auf­merk­sam­keit gewonnen.“

Wäh­rend der sams­täg­li­chen Got­tes­diens­te spielt Gatz in St. Eli­sa­beth übri­gens Key­board. „Ich bin musi­ka­lisch ein ziem­li­cher Dilet­tant, aber die Leu­te hören es ger­ne und sin­gen kräf­tig mit.“

Bei­spie­le für Gatz‘ Schaffen

Das Bau­en im his­to­ri­schen Umfeld nimmt einen sehr gro­ßen Platz im Werk des Archi­tek­ten Chris­toph Gatz ein. Kul­tur- und Bil­dungs­ein­rich­tun­gen ste­hen im Vor­der­grund. Eine Aus­nah­me ist der Bau der Zuschau­er­tri­bü­ne des Fuchs-Park-Sta­di­ons – Heim­stät­te des FC Ein­tracht Bamberg.

Auch hier war der Umgang mit his­to­ri­schem Gebäu­de­be­stand gefragt, galt es doch, das Ein­gangs­ge­bäu­de aus der Wen­de zwi­schen 19. und 20. Jahr­hun­dert zu erhal­ten. Der Archi­tekt setz­te wie­der­um auf einen Dia­log zwi­schen Neu­em und Bestehen­dem und auf die Span­nung, die sich dar­aus ergibt.

Das Tri­bü­nen­dach stell­te sei­ne eige­nen Anfor­de­run­gen. „Das sehr wei­te Hin­aus­ra­gen der Dach­kon­struk­ti­on muss­te mit ein­fa­chen Mit­teln bewäl­tigt wer­den. Auf­ge­reg­te Kon­struk­tio­nen woll­ten wir aus Respekt gegen­über dem Denk­mal nicht.“ Und das Grün der Sit­ze auf der Tri­bü­ne passt sogar zum Grün des Rasens.

Chris­toph Gatz ist und war außer­dem auch immer schon außer­halb Bam­bergs tätig. Über­re­gio­na­le Bei­spie­le sei­nes Schaf­fens las­sen sich über­all in Fran­ken fin­den. In Coburg ent­stand aus sei­nen Plä­nen ein Hör­saal­ge­bäu­de der Hoch­schu­le und in Fürth das Jüdi­sche Muse­um Franken.

In Mem­mels­dorf fer­tig­te er die Bau­plä­ne der Oran­ge­rie des Schlos­ses See­hof an und in But­ten­heim zeich­ne­te er ver­ant­wort­lich für die Reno­vie­rung und Erwei­te­rung des Levi-Strauss-Muse­ums. Und aktu­ell arbei­tet er mit sei­nem Team am Bau eines neu­en Rat­hau­ses in Bur­ge­brach, an Wohn­an­la­gen in Frens­dorf und Schlüs­sel­feld, an Schu­len in Scheß­litz und But­ten­heim.
Noch nicht hat er den Gedan­ken dar­an auf­ge­ge­ben, dass eines Tages das Kes­sel­haus in Bam­berg ein stän­di­ger Ort für zeit­ge­nös­si­sche Kunst in Bam­berg sein wird. Das läge wohl in der Fami­lie. „Mein Vater und mein Groß­va­ter hat­ten sich als Vor­stän­de des Kunst­ver­ei­nes Bam­berg immer eige­ne Aus­stel­lungs­räu­me gewünscht.“

Die Schön­heit des sinn­lo­sen Scheiterns

Aus­stel­lung Phil­ip Grözinger

Dem ein­ge­bau­ten Makel gemäß, dass alles Sein solang’ es strebt auf das eige­ne Ende zusteu­ert – was kann die Exis­tenz da ande­res sein als eine von vorn­her­ein zum Schei­tern ver­ur­teil­te Sinn­lo­sig­keit? So sieht es der Ber­li­ner Maler Phil­ip Grö­zin­ger, erkennt dar­in aber auch das Poten­zi­al zur Schön­heit. Mor­gen kommt er mit sei­ner Aus­stel­lung „Die Schön­heit des sinn­lo­sen Schei­terns“ ins Kes­sel­haus. Das zen­tra­le Werk der Schau hat den Bam­ber­ger Rei­ter zur Hauptfigur.

„Mei­ner Mei­nung nach fast alles“, sagt Phil­ip Grö­zin­ger, den wir in sei­nem Ber­li­ner Ate­lier am Tele­fon erwi­schen, auf die Fra­ge was sinn­lo­ses Schei­tern sei. „Vom Urknall bis zum Zusam­men­bruch der Son­ne fällt ja alles in sich zusammen.“

Aber das Sinn­lo­se ist nicht zwangs­läu­fig sinn­ent­leert. Die sinn­lo­se Zeit bis zum unaus­weich­li­chen Schei­tern kann durch­aus mit sinn­haf­ten Din­gen gefüllt wer­den. „Dar­aus, dass wir uns vor­spie­geln, dass von uns Men­schen etwas übrig bleibt, um sozu­sa­gen die Uner­träg­lich­keit des Ster­bens erträg­li­cher zu machen, kann eine gewis­se Schön­heit ent­ste­hen. Ich fin­de es schön, dass man trotz der Belei­di­gung des Ster­bens, posi­ti­ve Aspek­te des Lebens anneh­men und zum Bei­spiel etwas kre­ieren kann. Dar­in liegt die Antriebs­fe­der für Neu­gier und Positives.“

Schei­tern bezie­hungs­wei­se das Ein­ge­ständ­nis die­ser fina­len Exis­tenz­per­spek­ti­ve kann auch eine Chan­ce sein. Oder viel­leicht sogar befrei­end. Ist der Druck, dem Dasein einen Sinn abge­win­nen zu wol­len, oder zu müs­sen, erst weg, lässt es sich sozu­sa­gen ganz frei aufspielen.

Eines die­ser sinn­haft-sinn­lo­sen Din­ge ist die Kunst. Sie spen­det Sinn, ist aber ihrer­seits von vorn­her­ein zum Schei­tern ver­ur­teilt. Nie kann das Abge­bil­de­te ganz erfasst wer­den, weil es immer nur Abbil­dung bleibt.

„Ja, es gibt nicht das per­fek­te Kunst­werk“, sagt Phil­ip Grö­zin­ger. „Der Druck auf Kunst, rele­vant zu sein, zu erah­nen und zu ertas­ten, was gesell­schaft­lich auf uns zu kommt, ist groß und ver­ur­teilt sie zum Schei­tern. Denn sie wird immer über­rollt von der Gegen­wart und wird Ver­gan­gen­heit. Bei musea­ler Kunst kommt noch dazu, dass sie geschei­tert ist, weil sie zur Deko­ra­ti­on gemacht wurde.

Der Anspruch von Kunst soll­te dar­um eher sein, sich wei­ter­zu­ent­wi­ckeln, weil Gesell­schaft sich wei­ter­ent­wi­ckelt. Schafft sie das nicht, hat sie fast schon die Auf­ga­be, in Schön­heit zu sterben.“

In Bam­berg bringt Phil­ip Grö­zin­ger sei­ne Gemäl­de in die­se Gefahr, wenn er sie ab 11. Juni im Kes­sel­haus aus­stellt. „Ich konn­te mich ent­schei­den zwi­schen der Vil­la Des­sau­er und dem Kes­sel­haus. Ich nahm das Kes­sel­haus, weil es mit sei­nen kah­len Beton­wän­den schon ein biss­chen die Atmo­sphä­re hat, die ich suche. Ich den­ke, mei­ne Gemäl­de sind stark genug, das aus­zu­hal­ten. Und wenn nicht, bin ich geschei­tert“, sagt er lachend, „dann habe ich alles rich­tig gemacht!“

Philip Grözinger
Phil­ip Grö­zin­ger, Foto: Oli­ver Mark Studio
Eine geschei­ter­te Welt

Ent­spre­chend neh­men sich Phil­ip Grö­zin­gers Gemäl­de nicht all­zu ernst. Sie spre­chen erns­te The­men an – vor allem Umwelt­zer­stö­rung ist all­ge­gen­wär­tig –, aber sie tun es ohne empör­te Auf­dring­lich­keit. Das Augen­zwin­kern­de und Ver­spiel­te ist Grö­zin­gers Mit­tel der Wahl.

Sei­ne qua­drat­me­ter­wei­ten Arbei­ten sind bevöl­kert von groß­äu­gi­gen, infan­ti­li­sier­ten Figu­ren. Die Far­ben sind bunt, grell oder kna­ckig dun­kel, die For­men ver­ein­facht und flä­chig. Aber die unei­gent­li­chen Abgrün­de, die solch ein Aus­ein­an­der­klaf­fen von lus­ti­ger Dar­stel­lung und düs­te­rem Dar­ge­stell­ten auf­rei­ßen, kön­nen viel ein­drück­li­cher wir­ken als eine unzwei­deu­ti­ge Zur­schau­stel­lung oder Anpran­ge­rung von Missständen.

Die Haupt­fi­gur des eigens für die Aus­stel­lung im Kes­sel­haus ange­fer­tig­ten Haupt­werks durch­streift eine zer­stör­te Umwelt. Ein comic­haft ver­frem­de­ter Bam­ber­ger Rei­ter reist im Zyklus eines fünf Meter brei­ten Tryp­ti­chons durch kaput­te Land­schaf­ten, in denen Zivi­li­sa­ti­on nur noch in Trüm­mern übrig ist. Die­se Welt ist gescheitert.

Die Gemäl­de pran­gern die Zer­stö­rung dabei aber nicht so sehr an, als dass sie sie mit eigen­ar­ti­gem Sur­rea­lis­mus und einer Mischung aus iro­ni­schem Under­state­ment und kind­lich-hei­te­rer Distanz ein­fach zei­gen. Sie schei­nen mit dem Schei­tern auf den ers­ten Blick sogar zu koket­tie­ren, was für die abge­bil­de­te Welt in gewis­ser Wei­se hie­ße, sich ins Schei­tern gefügt zu haben.

Natür­lich könn­te man an die­ser Stel­le sagen, die­se iro­nisch-kri­tisch anmu­ten­de Hal­tung in Grö­zin­gers Gemäl­den ist fahr­läs­sig und zag­haft im Ange­sicht der Dring­lich­keit der The­ma­tik; oder es ist zynisch, so grell­bunt mit dem Unter­gang zu spie­len, was wie­der­um die pri­vi­le­gier­te Posi­ti­on des nicht Betrof­fen­seins und Sich-raus­hal­ten-kön­nens voraussetzt.

Aber das wür­de ver­ken­nen, dass die Gemäl­de eben gera­de ein Resul­tat die­ser Hal­tung auf­zei­gen. Inhalt­lich geschieht das anhand der gezeig­ten zer­stör­ten Welt, die nicht geret­tet, son­dern auf­ge­ge­ben wor­den ist; gestal­te­risch durch die nied­li­chen For­men und Figu­ren, die kei­nen Anspruch auf knall­har­te Anpran­ge­rung haben, und auch kei­nen mehr haben müs­sen, weil es in einer Welt, in der das Kaputt­sein zum Nor­mal­zu­stand gewor­den ist, nichts mehr anzu­pran­gern gibt. Hier ist alles egal gewor­den. Das mag von vorn­her­ein so pro­gram­miert sein, alles mag von vorn­her­ein sinn­los sein, weil zum Schei­tern ver­ur­teilt, aber bis dahin kann man zumin­dest ver­su­chen, per­sön­li­chen Sinn zu fin­den. Ver­sucht man nicht ein­mal mehr das, ist das Schei­tern bereits ein­ge­tre­ten und wahr­haf­tig, anstatt zumin­dest schön, sinn­los gewesen.

Der Bam­ber­ger Rei­ter auf Reisen

So hat man ihn noch nicht gese­hen, den Bam­ber­ger Rei­ter – weder gestal­te­risch, noch hand­lungs­mä­ßig. Sein ecki­ger Kör­per, auf dem ein Block von gekrön­tem Kopf sitzt, erin­nert an eine Lego- oder Mine­craft­fi­gur (dazu mehr wei­ter unten). Außer­dem ist er in Grö­zin­gers Tryp­ti­chon von sei­nem Sockel hinuntergestiegen.

Auf dem ers­ten der drei Gemäl­de durch­streift er auf sei­nem Pferd eine kar­ge, von merk­wür­di­gen Gestal­ten bewohn­te Welt, die ihre bes­ten Tage hin­ter sich zu haben scheint. Ein klei­nes Häus­chen am Hori­zont, aus des­sen Schorn­stein Rauch­wol­ken auf­stei­gen, die zu einer über der gesam­te Brei­te des Gemäl­des hän­gen­den gif­ti­gen Wol­ke ange­wach­sen sind, deu­tet an, war­um die­se Welt nur noch in Res­ten existiert.

Der Rei­ter scheint der Sze­ne­rie aber mehr oder weni­ger gelas­sen gegen­über zu ste­hen, in sei­nem ecki­gen Gesicht ist ein Lächeln zu erken­nen; er hat die­ses Schei­tern akzep­tiert. Und auch der Laser­strahl, den er aus sei­nen Augen einer angrei­fen­den Smog­wol­ke, die zwei Arme hat, durch den pech­schwar­zen Kör­per schießt, scheint er nur der Voll­stän­dig­keit hal­ber, bereits im Weg­rei­ten begrif­fen, abzufeuern.

War­um soll­te er sich im Kampf gegen eine Wol­ke auch mehr als die­se Ali­bi-Mühe geben? Ihr scheint durch den Laser zwar Blut aus dem Hin­tern zu sprit­zen, aber der Kampf gegen eine mate­rie­lo­se Wol­ke ist aus­sichts­los und wird schei­tern. Also zieht er wei­ter. „Er ist ein Rei­sen­der, der Rei­ter“, sagt Phil­ip Grö­zin­ger, „er ist wie ein Wis­sen­schaft­ler, der leicht distan­ziert alles für sich beob­ach­tet, aber nicht bewer­tet. Die­ses von außen kom­men und die Welt sehen, wie sie ist, fin­de ich reiz­voll. Er reist durch die Welt und erkennt Din­ge. Er ist eine Erkenntnismaschine.“

Der Bam­ber­ger Rei­ter schei­ne Phil­ip Grö­zin­ger als Haupt­fi­gur solch einer Erkennt­nis­rei­se wie gemacht. „Ich fand das Mys­te­ri­um, dass nie­mand genau weiß, wer er ist, sehr inter­es­sant. Ich woll­te die­se Pro­jek­ti­ons­flä­che neh­men und sie anders auf­la­den und eine Mine­craft-Figur dar­aus machen. In mei­nen Arbei­ten geht es ganz oft auch um Ängs­te vor Com­pu­tern und künst­li­cher Intel­li­genz. Die­se Din­ge sind sehr kom­plex, sim­pli­fi­zie­ren aber gleich­zei­tig unse­re Daseins. War­um ver­brin­gen Leu­te so wahn­sin­nig viel Zeit damit, Mine­craft zu spie­len, dar­in Rea­li­tät zu ver­ein­fa­chen, nach­zu­bau­en und in die­sem Umfeld zu spie­len? Ist die Rea­li­tät so anstren­gend, dass man zur Ent­span­nung in eine ande­re, die in Mine­craft geschaf­fe­ne, flüch­ten muss?“

Betrach­tet man die gespen­ti­schen schwar­zen Figu­ren im Mit­tel­teil des Tryp­ti­chons (der Rei­ter hat hier kei­nen Auf­tritt), scheint es aller­dings auch mit die­ser Flucht in die spie­le­ri­sche Ent­span­nung nicht weit­her zu sein. Hier ist vom Men­schen nicht ein­mal mehr sei­ne mensch­li­che Form übrig­ge­blie­ben. All­zu hem­mungs­los hat er sich auf­ge­ge­ben, sich der Hoff­nungs­lo­sig­keit hin­ge­ge­ben und dabei sein Mensch­sein ein­ge­büßt. Der Rei­ter scheint bei sei­nen Rei­sen noch ganz gut drauf zu sein. Die­se Geis­ter sind nur noch ihre eige­nen Schatten.

Zur Ablen­kung oder Ent­span­nung ist ihnen ein Ball­spiel mit rot-oran­ge­nen Licht­ku­geln geblie­ben. Ihr Mine­craft. Die Licht­ku­geln könn­ten aber auch Eizel­len sein und das Spiel dar­in bestehen, die­se sper­mi­um­ar­ti­gen Schlan­gen­we­sen, die durch den Him­mel rasen, zur Befruch­tung hin­zu­hal­ten. Haben sie doch noch Hoff­nung? Oder, wenn man das Gemäl­de pes­si­mis­ti­scher aus­le­gen will, ver­su­chen die ent­mensch­lich­ten Geis­ter, die­se Ver­ei­ni­gung zu verhindern?

Die Mau­er, die sie zwi­schen sich und der kaput­ten Umge­bung hoch­ge­zo­gen haben, deu­tet auf Zwei­te­res hin. Es scheint Hoff­nung zu geben, aber nicht auf Ret­tung vor den mons­trö­sen Gestal­ten auf der ande­ren Sei­te der Mau­er, son­dern auf Ver­hin­de­rung der Fort­pflan­zung mit ihnen. Die Geis­ter möch­ten sicher­stel­len, dass nach ihnen nichts mehr kommt, also auch nichts, das noch erbar­mungs­wür­di­ger als sie selbst wäre.

Phil­ip Grö­zin­ger möch­te es dann aber doch posi­ti­ver ver­stan­den wis­sen. „Das kann man schon post­apo­ka­lyp­tisch sehen. Aber wir sind ja nicht nur ver­rückt. Es gibt ja auch die ande­re Sei­te. Wir sind krea­tiv und wir fin­den Lösun­gen, es gibt Empa­thie. Im Dunk­len ist auch das Helle.“

Solch einen Sil­ber­streif am Hori­zont zeigt der drit­te Teil des Tryp­ti­chons um die Aben­teu­er des Bam­ber­ger Rei­ters. Die Welt sieht immer noch düs­ter, zer­stört und geschei­tert aus.

Ein dunk­les Meer ist zu sehen, zwei Eis­ber­ge düm­peln dar­in und kön­nen eigent­lich nur schmel­zen, ein unbe­mann­tes Segel­schiff treibt rich­tungs­los im Was­ser, und die pech­schwar­ze Wol­ke aus dem ers­ten Tryp­ti­chon-Teil sieht mit ihren feu­ri­grot umran­de­ten Augen aus als sei sie jetzt nicht nur gif­tig, son­dern auch noch wütend. Und genau wie im ers­ten Teil ver­sucht sie mit ihren dün­nen Ärm­chen wie­der den Rei­ter, der eben­falls in die Sze­ne­rie zurück­ge­kehrt ist, anzugreifen.

Die­ser macht aber erneut von sei­nen Laser­strah­len Gebrauch. Aus zwei Waf­fen in sei­nen Hän­den feu­ert er sie ab. Der eine Strahl ballt sich in einer neu­en Licht­ku­gel oder Eizel­le, ein wei­te­rer Strahl bricht dar­aus her­vor und durch­bohrt der Wol­ke den Kopf. Blut ist dies­mal nicht zu sehen und ob die­ser Kampf zuguns­ten des Man­nes auf dem Pferd aus­ge­hen wird, ist auch nicht klar. Der Rei­ter scheint ohne­hin kurz davor, sei­ne Posi­ti­on am Hang von einem der Eis­ber­ge zu ver­lie­ren und ins Meer zu rutschen.

Aber eben die­ses Meer geht am Hori­zont in einen hel­len Strei­fen Licht über. Ver­steht man die drei Tei­le des Tryp­ti­chons als durch den Hand­lungs­bo­gen der Rei­se des Rei­ters ver­bun­den, steht am Ende die­ser Rei­se durch sinn­lo­ses Schei­tern also zumin­dest der hoff­nungs­vol­le Aus­blick auf den hel­len Horizont.

Gro­ßes Bam­ber­ger Gewölk und wei­te­re not­wen­di­ge Plastik

Aus­stel­lung Die­ter Froelich

Im Mai kehrt der Plas­ti­ker Die­ter Froelich, bis März die­sen Jah­res Sti­pen­di­at der Vil­la Con­cor­dia, mit der Aus­stel­lung „Gro­ßes Bam­ber­ger Gewölk und wei­te­re not­wen­di­ge Plas­tik (1989–2022)“ nach Bam­berg zurück. In Koope­ra­ti­on mit dem Kunst­ver­ein zeigt er ab 21. Mai in der Vil­la Des­sau­er Arbei­ten aus 30 Jah­ren Schaf­fens­zeit. Wir haben mit ihm über die Vor­tei­le der Plas­tik gegen­über der Male­rei, Gemein­sam­kei­ten von Kochen und Kunst, sei­ne Zeit in Bam­berg und das Unaus­sprech­li­che in sei­nen Wer­ken gesprochen.
Dieter Froelich
Die­ter Froelich, Foto: Maria Svidryk 
Herr Froelich, der Titel Ihrer Aus­stel­lung lau­tet „Gro­ßes Bam­ber­ger Gewölk und wei­te­re not­wen­di­ge Plas­tik“. Was bedeu­tet in die­sem Zusam­men­hang „not­wen­dig“?

Die­ter Froelich: Damit ist eine sub­jek­ti­ve Not­wen­dig­keit gemeint. Ich arbei­te jetzt seit mehr als 30 Jah­ren als Plas­ti­ker. Dabei haben sich bestimm­te Hand­lungs­ma­xi­men her­aus­ge­ar­bei­tet und sind gereift. Es gibt für mich bestimm­te, ich will nicht sagen, Zwangs­läu­fig­kei­ten – ich könn­te auch anders – Schrit­te, die auf­ein­an­der fol­gen müs­sen, sobald man beim Arbei­ten einen bestimm­ten Weg ein­ge­schla­gen hat. Die­se Schrit­te bestimmt man aber nicht immer sel­ber. Frü­her, in den 1980ern, im Stu­di­um hieß es immer „was will das Mate­ri­al“, aber die­se Auf­fas­sung ist ein wenig anti­quiert. Das Mate­ri­al will natür­lich über­haupt nichts. Es ist immer der Geist, der dahin­ter­steht, der etwas will. „Not­wen­di­ge Plas­tik“ heißt dar­um für mich, dass es bestimm­te, und das ist eigent­lich eine roman­ti­sche Hal­tung, Din­ge gibt, die ich machen will oder machen muss. Hin­zu kom­men Not­wen­dig­kei­ten von Schön­heit oder Wahr­heit, wenn man so will.

Wel­che Hand­lungs­ma­xi­men mei­nen Sie?

Die­ter Froelich: Es ist schwie­rig, das in Wor­te zu fas­sen. Je älter ich wer­de, je län­ger ich es mache, des­to schwe­rer fällt es mir. Hand­lungs­ma­xi­men bil­den sich her­aus. Ich behand­le sowohl in der Plas­tik als auch beim Kochen, das ich auch als plas­ti­sche Hand­lung ver­ste­he, Arche­ty­pen. In der Plas­tik ist es eigent­lich immer so, dass man die Din­ge zu ken­nen meint. Ich bin kein gro­ßer Anhän­ger von Ori­gi­na­li­tät, der Künst­ler muss etwas schaf­fen, das vor­her noch nie zu sehen war. Das hal­te ich für gro­ßen Non­sen­se. Wenn man Glück hat, pas­siert es zwar, dass es ori­gi­nell wird. Aber mei­ne Hand­lungs­wei­se ist eher, dass ich mir die Din­ge mei­ner Umge­bung aneig­ne, indem ich sie plas­tisch nachvollziehe.

Das heißt?

Die­ter Froelich: Zum Bei­spiel das „Gro­ße Bam­ber­ger Gewölk“ hat die Dar­stel­lung klei­ner Wölk­chen in der Obe­ren Pfar­re als Vor­bild. Die­se Wölk­chen haben mich sehr fas­zi­niert und ich habe sie plas­tisch nach­voll­zo­gen und so ent­stand das „Gro­ße Bam­ber­ger Gewölk“. Bezie­hungs­wei­se es ent­steht noch.

Das titel­ge­ben­de Werk der Aus­stel­lung ist noch nicht fertig?

Die­ter Froelich: Nein, bis­her, Anfang April, ist es noch nicht ganz fer­tig. Ich habe das unter­schätzt. Es ist ein 20-teil­i­ger Wol­ken­hau­fen, den ich auf eine Stel­la­ge mon­tie­re. Und dann müs­sen die ein­zel­nen Wol­ken noch ver­gol­det wer­den. Schon die letz­ten Wochen in Bam­berg habe ich fast nichts ande­res getan, als am Gewölk zu arbei­ten und seit mei­ner Rück­kehr nach Han­no­ver bin ich aus­schließ­lich damit beschäf­tigt. Jedes Ding hat halt sei­ne Zeit.

Wir spre­chen Anfang April, die Aus­stel­lung beginnt am 21. Mai. Wird das Werk bis dahin fer­tig werden?

Die­ter Froelich: Das wol­len wir hof­fen (lacht)! Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es fer­tig wird, aber ich wer­de es auf jeden Fall zei­gen – auch wenn es nicht fer­tig wer­den soll­te. Denn, wo die klas­si­sche Plas­tik frü­her noch einen sozu­sa­gen End­punkt hat­te, ist es ja heut­zu­ta­ge eher so, dass durch­aus auch pro­zes­su­al aus­ge­stellt wird. Zwar ent­spricht dies eigent­lich nicht mei­ner Hand­lungs­wei­se, aber ein Frag­ment ver­weist ja auf ein Gan­zes. Und das Gewölk muss unbe­dingt in Bam­berg gezeigt wer­den, denn hier hat es sei­nen Ursprung.

Neben dem „Bam­ber­ger Gewölk“ zei­gen Sie in der Aus­stel­lung wei­te­re Plas­ti­ken der letz­ten 30 Jah­re. Wie vie­le sind in die­ser Zeit ent­stan­den? Hun­der­te, tausende?

Die­ter Froelich: Das weiß ich nicht. Aber eines ist sicher: der Aus­stel­lungs­raum, die Vil­la Des­sau­er, so schön er ist, bringt schon viel mit. Er ist für eine Aus­stel­lung nicht ganz so schwer zu erobern wie das Kes­sel­haus in Bam­berg. Das hat eine extrem star­ke archi­tek­to­ni­sche Spra­che mit sei­nem Inte­ri­eur. Eine glei­che Last herrscht im Grun­de in der Vil­la Des­sau­er – wenn auch nicht so bru­tal wie im Kes­sel­haus, son­dern eher groß­bür­ger­lich ver­fei­nert. Von daher muss man sehr behut­sam vor­ge­hen. Ich wer­de dar­um auch spar­sam und akzen­tu­iert handeln.

Sie haben in den 1980er zuerst mit Male­rei ange­fan­gen und wech­sel­ten dann zur Plas­tik. War­um unter­nah­men Sie damals die­sen Schritt?

Die­ter Froelich: Der Grund dafür war, dass ich mit der Male­rei, die ich damals hier in Han­no­ver stu­dier­te, sehr unzu­frie­den war. Dann wech­sel­te ich an die Stä­del­schu­le in Frank­furt. Wäh­rend mei­nes Stu­di­ums dort wuchs mei­ne Unzu­frie­den­heit mit der Male­rei in ihrer Abs­trakt­heit und ich wech­sel­te in die Bild­hau­er­klas­se von Micha­el Croissant.

Was ist ent­spre­chend mit Plas­tik aus­drück­bar, das mit Male­rei nicht geht?

Die­ter Froelich: Ich drü­cke nichts aus. Das ist das alte Kli­sche, dass sich der Künst­ler etwas aus­denkt und die ande­ren müs­sen erra­ten, was er meint. Das gibt es zwar heu­te wie­der mit die­sen gan­zen unsäg­li­chen Arbei­ten, die für oder gegen etwas sind. Malen für den Frie­den zum Bei­spiel, den wir zwar drin­gend brau­chen, aber als Künst­ler ist man da völ­lig macht­los. Ich hal­te das für gelin­de gesagt nicht mög­lich, um nicht zu sagen gro­ben Unfug. Es lässt sich aus dem Mate­ri­al nicht able­sen, ob es für etwas oder gegen etwas ist. Man kann das text­lich machen, zum Bei­spiel indem man sagt „das gro­ße Bam­ber­ger Gewölk wid­me ich dem ukrai­ni­schen Volk, weil es sich so tap­fer schlägt“, aber man muss auf­pas­sen, dass man nicht in den Kitsch ver­fällt. Wirk­lich Kunst hat immer einen frei­heit­li­chen Impe­tus und erfüllt das auch, ohne dass man noch eine Mei­nung draufsetzt.

Dann fra­ge ich so her­um: War­um liegt Ihnen die Plas­tik näher am Herzen?

Die­ter Froelich: Es ist ein­fach die Aus­deh­nung der Plas­tik. Ich glau­be, ich habe eine extrem star­ke Affi­ni­tät zu Din­gen. Ich den­ke, nein ich füh­le, dass eine Plas­tik von rea­ler und sinn­li­cher Gegen­wart ist, wäh­rend Male­rei immer ein extrem abs­trak­tes Moment in sich trägt. Die­se Gegen­wart ist mir sehr nahe. Des­we­gen bin ich zur Plas­tik gekom­men. Außer­dem hat sie durch die rea­le Gegen­wart eine gewis­se Transzendenz.

Was mei­nen Sie mit Transzendenz?

Die­ter Froelich: Das ist etwas, das über das Werk hin­aus­weist. Wenn einem Werk die­se Kom­pen­en­te fehlt, ist es kei­ne Kunst. Kunst ist immer etwas, das auch über sich hin­aus­weist, auf etwas ande­res, auf etwas bes­se­res viel­leicht, in mei­nem Ver­ständ­nis jeden­falls. Aber viel­leicht bin ich da kon­ser­va­tiv. Ich mei­ne näm­lich auch, dass Kunst die Funk­ti­on hat, durch Schön­heit Wahr­heit zu zei­gen. Aber das ist im Moment nicht ganz so en vogue.

Wel­che Wahr­hei­ten kön­nen das sein?

Die­ter Froelich: Wenn man die mit Wor­ten aus­drü­cken könn­te, müss­te ich kei­ne Kunst machen. Wir spre­chen hier, und das ist das Absur­de, über den nicht­sprach­li­chen Bereich. Von da könn­te man übri­gens einen Bogen span­nen in den Glau­ben und die Kir­che. Glau­ben wäre ja nicht zu ver­ste­hen, ohne das Unaus­sprech­li­che. Bei der Kunst ist das genau­so. Kunst und Kir­che ste­cken im Grun­de zur­zeit ähn­lich in der Kri­se. Die Leu­te lau­fen ihnen weg. Vie­le Men­schen brau­chen kei­nen Gott mehr, genau wie sie kei­ne Kunst mehr brau­chen. Sie sind ihre eige­ne Kunst – man schaue sich nur mal Tat­toos an. Die Selbst­in­sze­nie­rung ist im Grun­de anstel­le des Künst­lers getre­ten. Was frü­her auf Künst­ler pro­je­ziert wur­de – sei anders, sei krea­tiv, erfin­de dich selbst – ist heu­te an jeden gerich­tet. Man muss auf jeden Fall krea­tiv sein, sonst ist man nie­mand. Mit dem Glau­ben ist es ähn­lich. Vie­le haben sich ihren eige­nen Gott geschaffen.

Für Ihre Plas­ti­ken emp­fin­den Sie oft Gegen­stän­de des All­tags nach, wie Geschirr, Möbel­stü­cke oder Madon­nen­fi­gu­ren. Wodurch qua­li­fi­zie­ren sich Gegen­stän­de für Ihre Arbeit?

Die­ter Froelich: Auch das ist sehr schwer zu beschrei­ben, weil dann könn­te ich ja gezielt auf die Suche danach gehen. Ich den­ke, es ist eher so eine Bezie­hung, die sich auf­baut. In der Regel, ich den­ke, das kann ich so ver­all­ge­mei­nern, sind es aber recht ein­fa­che Gegen­stän­de, bei denen es, wie gesagt, zum Arche­ty­pi­schen hin­geht. Um bei der Obe­ren Pfar­re zu blei­ben: Es ist doch schön zu sehen, wie jemand so etwas Grund­sätz­li­ches wie eine Wol­ke abbil­det und wel­che Vor­stel­lun­gen er von der Wol­ke hat. Ver­glei­chen Sie ein­mal die Wol­ken aus dem Barock mit wel­chen aus dem Roko­ko, wie wir sie in Vier­zehn­hei­li­gen fin­den. An bei­den For­men läßt sich die dahin­ter ste­hen­de Auf­fas­sung von Welt able­sen. Hin­ter jeder Form steht eine Idee.

In der Vil­la Des­sau­er wer­den Sie auch eine Ver­si­on der Mas­ke des Bam­ber­ger Rei­ters zei­gen – aller­dings far­big gefasst. Was hat es damit auf sich?

Die­ter Froelich: Ähn­lich wie die Skulp­tu­ren der grie­chi­schen Anti­ke waren auch die Plas­ti­ken der Bam­ber­ger Kathe­dra­le far­big gefasst. Es gibt eine Dis­ser­ta­ti­on von Wal­ter Hart­leit­ner, „Zur Poly­chro­mie der Bam­ber­ger Dom­skulp­tur“, die 2011 in der Uni­ver­si­ty Press of Bam­berg erschien. Nach die­sen Erkennt­nis­sen habe ich ver­sucht, die Far­big­keit des Rei­ter­kop­fes nach­zu­voll­zie­hen, mit ver­gol­de­ter Kro­ne, kas­ta­ni­en­brau­nen Haa­ren, leicht rosi­ger Gesichts­far­be und roten, wie geschmink­ten, Lip­pen. Er sieht schon ganz sexy aus.

Dieter Froelich
„Bam­ber­ger Rei­ter“, Gips, Acryl­far­be, Poli­ment­ver­gol­dung, Foto: Die­ter Froelich VG Bild-Kunst
Wel­che Erin­ne­run­gen haben Sie an Bamberg?

Die­ter Froelich: Das sind in ers­ter Linie Erin­ne­run­gen an die wun­der­ba­re Vil­la Con­cor­dia, wo man als Sti­pen­di­at mona­te­lang unge­stört arbei­ten kann. Das gan­ze Team war sehr bemüht, uns Sti­pen­dia­ten den Auf­ent­halt so ange­nehm wie mög­lich zu gestal­ten. Und was ich an Bam­berg wirk­lich schät­ze, sind die freund­li­chen Leute.

Dafür sind Fran­ken aller­dings nicht über­all bekannt.

Die­ter Froelich: Ich weiß, die Fran­ken freu­en sich eher nach innen. Viel­leicht waren es auch Zuge­zo­ge­ne. Aber ich habe gera­de in der Con­cor­dia­stra­ße rela­tiv vie­le Leu­te ange­spro­chen und mich vor­ge­stellt und da ist so etwas wie Nach­bar­schaft ent­stan­den. In der Groß­stadt, auch wenn Han­no­ver nicht all­zu groß ist, bekommt man das nicht ganz so ein­fach. Was aber wirk­lich eine Zumu­tung ist, sind die gan­zen Tou­ris­ten. Ich fin­de es erstaun­lich, dass sich eine Stadt wie Bam­berg im Stadt­mar­ke­ting mehr oder weni­ger nur auf das Bier kapri­ziert. Denn wenn man mit Bier wirbt, muss man sich nicht wun­dern, wenn Bier­trin­ker kom­men und die Stadt bevöl­kern. Die reich­li­chen Kul­tur­schät­ze, die Bam­berg hat, könn­te man ein biss­chen bes­ser her­aus­stel­len. Allein die Samm­lung des Diö­ze­san­mu­se­ums ist von unglaub­li­cher Qua­li­tät, um nur einen Ort von vie­len zu nennen.

Am 30. Juni hal­ten Sie einen Vor­trag zum The­ma „Kochen als Kunst­gat­tung“. Was erwar­tet das Publi­kum hierbei?

Die­ter Froelich: Ich wer­de einen Über­blick geben über das Kochen als Kunst­gat­tung, bebil­dert, von den Römern bis heu­te, und dar­über spre­chen, wie sich das Gen­re ent­wi­ckelt hat. Und danach gibt es etwas zu essen.

Was wer­den Sie servieren?

Die­ter Froelich: Das ver­ra­te ich nicht. Die Hand­lungs­ma­xi­me hier ist: Beim Kochen liegt mein Herz eher auf der Sei­te der ein­fa­chen Spei­sen. Prin­zi­pi­ell koche ich immer ger­ne Din­ge, die den Leu­ten erst­mal viel­leicht fremd sind. Aber damit mei­ne ich nicht Heu­schre­cken oder so. Ich koche das Frem­de im Eige­nen. Din­ge, für die man gar nicht weit weg gehen braucht. Man kann inner­halb der eige­nen Spei­sen­kul­tur viel entdecken.

War­um ist Kochen Kunst?

Die­ter Froelich: Sie ist es nicht grund­sätz­lich. Wie alles kann sich auch das Kochen, wenn es über sich selbst hin­aus­geht, wenn es auf ein Ande­res ver­weist, zu Kunst werden.

Kul­tur auch vir­tu­ell erleben

Die Bam­ber­ger Muse­en laden zum Museumstag

Am 16. Mai ist Inter­na­tio­na­ler Muse­ums­tag, der die­ses Jahr bereits zum 44. Mal began­gen wird. So auch in Bam­berg. Nach­dem die Inzi­denz in der Stadt Bam­berg unter 100 fiel, sind seit Don­ners­tag auch die Muse­en wie­der geöff­net. Auch am kom­men­den Sonn­tag, sofern das Infek­ti­ons­ge­sche­hen unter die­sem Wert bleibt. Unab­hän­gig von einer mög­li­chen Öff­nung wird der Muse­ums­tag auf alle Fäl­le vom aus­rich­ten­den Zusam­men­schluss der Muse­en, „Dom­berg – Muse­en um den Bam­ber­ger Dom“, vir­tu­ell begangen.

Ziel des Akti­ons­ta­ges ist es, auf die Viel­falt der mehr als 6.500 Muse­en in Deutsch­land sowie der Muse­en welt­weit auf­merk­sam zu machen. Die Leit­li­nie des Muse­ums­ta­ges lau­tet in die­sem Jahr „Muse­en mit Freu­de entdecken“.

Da vie­les der­zeit von der Inzi­denz abhängt und bis­lang noch völ­lig unklar ist, ob Bam­bergs Muse­en an die­sem Tag öff­nen dür­fen, um ihre Schät­ze zu prä­sen­tie­ren, wur­de ein gro­ßer Teil der Vor­be­rei­tungs­zeit in digi­ta­le Ange­bo­te und Ent­de­ckun­gen investiert.


Vir­tu­el­ler Stick-Work­shop und vir­tu­el­le Führungen 

„Abge­se­hen davon, dass wir trotz der­zeit sin­ken­der Inzi­denz nicht mit Sicher­heit sagen kön­nen, ob die Muse­en geöff­net wer­den dür­fen, gibt es eini­ge Neue­run­gen, die sich die Ver­ant­wort­li­chen der Häu­ser haben ein­fal­len las­sen“, so Dom­berg­ko­or­di­na­to­rin Chris­tia­ne Wendenburg.

Selbst­re­dend sieht das Hygie­ne­kon­zept vor, dass FFP2-Mas­ken getra­gen und Abstän­de ein­ge­hal­ten wer­den müs­sen. Des­in­fek­ti­ons­spen­der sind in sämt­li­chen Muse­en aufgestellt.

In den Vor­jah­ren war der Andrang bei den Füh­run­gen groß, in die­sem Jahr kön­nen lei­der kei­ne Füh­run­gen ange­bo­ten werden.

„Die Besu­cher wer­den in Form eines Ein­bahn­stra­ßen­sys­tems durch die Häu­ser gelei­tet. Es wird kein gro­ßes Gedrän­ge geben bedingt durch die Abstands­re­ge­lung. Wir kön­nen lei­der kein klas­si­sches Pro­gramm wie in den Vor­jah­ren bie­ten, weder Bas­tel­work­shops für Kin­der noch Füh­run­gen für Erwach­se­ne. Doch wird haben uns etwas neu­es ein­fal­len las­sen, so die Dom­berg­ko­or­di­na­to­rin weiter.“

„Apos­tel­ab­schied, Umkreis Wolf­gang Katz­hei­mer, Misch­tech­nik auf Holz; nach 1483/​vor 1487“. Foto: Muse­en der Stadt Bamberg

Neu beim dies­jäh­ri­gen Muse­ums­tag sind vir­tu­el­le Füh­run­gen. Nach­dem die Coro­na-Pan­de­mie zum Schlie­ßen von Kul­tur­ein­rich­tun­gen geführt hat­te, lie­ßen sich Frau Wen­den­burg und Kol­le­gIn­nen Alter­na­ti­ven ein­fal­len. „Jost Loh­mann von „AGIL –Bam­berg erle­ben“ bie­tet schon seit Jah­ren Füh­run­gen in unse­ren Häu­sern an, unter ande­rem auch vie­le Schul­pro­gram­me. Im Zuge der Pan­de­mie kam die Idee auf, Füh­run­gen auch vir­tu­ell durch­zu­füh­ren. Die „High­light-Füh­rung“ durch die Dom­berg­mu­se­en fei­ert am Muse­ums­tag Pre­mie­re.“ Wäh­rend ansons­ten Grup­pen­bu­chun­gen nötig sind, kann sich im Zuge des Muse­ums­ta­ges jede Besu­che­rin und jeder Besu­cher vir­tu­ell zuschalten.

Mor­gens um 9.30 Uhr beginnt Jost Loh­mann mit der erwähn­ten High­light-Füh­rung, die den Titel „Göt­zen, Papst und Kai­ser“ trägt und am Nach­mit­tag um 14.30 Uhr ein zwei­tes Mal statt­fin­det. Aus­ge­wähl­te Kunst­ob­jek­te, welt­be­rühm­te Expo­na­te und geheim­nis­vol­le Schät­ze, die eng ver­knüpft sind mit der Geschich­te Bam­bergs, sind hier im Live­stream zu ent­de­cken. „Der Vor­teil an den vir­tu­el­len Füh­run­gen ist, dass man auch als Besu­cher Details in Bil­dern ent­de­cken kann, die man so nicht sehen würde.

Jost Loh­mann bie­tet am Muse­ums­tag vir­tu­el­le Füh­run­gen an. Foto: AGIL-Bam­berg erleben

Dadurch dass im Live­stream rein­ge­zoomt wer­den kann, hat man das Gefühl, näher dran zu sein.“ Die Besu­che­rIn­nen erfah­ren bei­spiels­wei­se, wel­ches Kunst­werk im Diö­ze­san­mu­se­um 600 Kilo­gramm schwer ist und kön­nen die „Alle­go­rie des Guten Regi­ments“ im frisch reno­vier­ten Kai­ser­saal der Neu­en Resi­denz bestaunen.

Im His­to­ri­schen Muse­um ist die Aus­stel­lung „Jüdi­sches in Bam­berg“ auf­ge­baut. Sie möch­te den Gäs­ten die Geschich­te der jüdi­schen Bevöl­ke­rung in Bam­berg vor Augen füh­ren. Um die­se Aus­stel­lung dreht sich auch Herrn Loh­manns zwei­tes Füh­rungs­the­ma, die­ser Live­stream beginnt um 11.30 Uhr.

Der Ein­tritt am Muse­ums­tag ist in allen Häu­sern frei, eben­so kön­nen dank der finan­zi­el­len Unter­stüt­zung durch den “Freun­des­kreis der Muse­en um den Bam­ber­ger Dom” die Live­streams am Muse­ums­tag kos­ten­frei ange­bo­ten werden.


Ein Hauch von Kuni­gun­den­man­tel für Zuhause

Bei der High­light-Füh­rung wird auch der blaue Kuni­gun­den­man­tel mit sei­nen kunst­vol­len Gold­sti­cke­rei­en vor­ge­stellt. Für die­je­ni­gen, die selbst sti­cken möch­ten, hat sich die neue Lei­te­rin des Diö­ze­san­mu­se­ums, Caro­la Schmidt etwas ganz Beson­de­res aus­ge­dacht. „Wer ger­ne sti­cken möch­te wie am Hofe Kai­ser Hein­richs“, so Frau Wen­den­burg, „soll­te sich zum Online-Work­shop via Zoom im Diö­ze­san­mu­se­um anmel­den. Frau Schmidt hat dazu eine Exper­tin gewin­nen kön­nen, unter deren fach­kun­di­ger Anlei­tung ein „Stern­chen“ vom blau­en Kuni­gun­den­man­tel ent­steht – mit ver­gol­de­ten Fäden in Anle­ge­tech­nik auf Sei­de, genau­so wie im 11. Jahrhundert!“

Das Diö­ze­san­mu­se­um bie­tet einen online-Stick-Work­shop an. Foto: Diö­ze­san­mu­se­um Bamberg

Die Anmel­dung unter dioezesanmuseum@erzbistum-bamberg.de soll­te früh­zei­tig erfol­gen, damit das kos­ten­lo­se Mate­ri­al­pa­ket, das vom Diö­ze­san­mu­se­um zur Ver­fü­gung gestellt wird, zei­tig zuge­sen­det wer­den kann.

Die Staats­bi­blio­thek hat lei­der nicht geöff­net, weil der­zeit kei­ne Aus­stel­lun­gen statt­fin­den kön­nen. „Aller­dings ist die Sta­Bi digi­tal her­vor­ra­gend auf­ge­stellt“, wie Frau Wen­den­burg betont, „des­halb wird sie einen vir­tu­el­len Blick in ihre Schatz­kam­mer ermöglichen.“

Nicht weit vom Dom­berg ent­fernt, hat – vor­be­halt­lich des Infek­ti­ons­ge­sche­hens – die Samm­lung Lud­wig Bam­berg im Alten Rat­haus geöff­net und prä­sen­tiert auch am Muse­ums­tag in ihrer stän­di­ge Schau „Glanz des Barock – Fay­ence und Por­zel­lan“ ihre prunk­vol­len Kost­bar­kei­ten, außer­dem „Lud­wig unter der Lupe – 25 Jah­re Samm­lung Lud­wig in Bamberg“.

In der Vil­la Des­sau­er kann end­lich auch die brand­neue Aus­stel­lung „Papier“ des Bam­ber­ger Kunst­ver­eins live und in Far­be besich­tigt wer­den. In die­ser Aus­stel­lung zei­gen die Künst­le­rin­nen und Künst­ler, was Papier an gestal­te­ri­schen Mög­lich­kei­ten bie­tet. Die Aus­stel­lung wird dar­über­hin­aus unab­hän­gig von den Öff­nungs­per­spek­ti­ven auch digi­tal beglei­tet, bei­spiels­wei­se durch Inter­views mit den aus­stel­len­den Künstlern.

Andre­as von Weiz­sä­ckers Löwen­köp­fe. Foto: Sebas­ti­an Quenzer
Wei­ter­füh­ren­de Infor­ma­tio­nen und Links


Live­streams mit „Agil“ am Museumstag 

https://www.agil-bamberg.de/museumstagL.php


„Bam­ber­ger Schät­ze“ in der Staats­bi­blio­thek Bamberg

https://www.staatsbibliothek-bamberg.de/digitale-sammlungen/bamberger-schaetze/


Aus­stel­lun­gen der Staats­bi­blio­thek auf Goog­le Arts & Culture

https://artsandculture.google.com/partner/staatsbibliothek-bamberg?hl=de


Online-Aus­stel­lun­gen und vir­tu­el­le Spa­zier­gän­ge durch die Prunk­räu­me der Neu­en Residenz

https://www.residenz-bamberg.de/deutsch/digital/index.htm

https://schloesserblog.bayern.de/tag/residenz-bamberg


Aus­stel­lung „Papier“ in der Vil­la Des­sau­er mit vir­tu­el­lem Begleitprogramm

https://www.kunstverein-bamberg.de/


Orga­ni­sa­to­ri­scher Hin­weis der Stadt Bamberg

Liegt der Coro­na-Inzi­denz­wert in Bam­berg zwi­schen 50 und 100, ist eine vor­he­ri­ge Anmel­dung per Tele­fon (0951 87–1140 Kas­se His­to­ri­sches Muse­um, 0951 87–1871 Kas­se Samm­lung Lud­wig, 0951 87–1861 Kas­se Stadt­ga­le­rie Bam­berg – Vil­la Des­sau­er und Mik­we: 0151–16971088 wäh­rend der Öff­nungs­zei­ten) erfor­der­lich. Zu einer even­tu­ell nöti­gen Rück­ver­fol­gung muss ein Kon­takt hin­ter­legt wer­den. Die Besucher:innen sind zum Tra­gen einer FFP2-Mas­ke ver­pflich­tet, der Min­dest­ab­stand von 1,5 m zuein­an­der ist ein­zu­hal­ten. Die Ver­ant­wort­li­chen bit­ten, die vor­ge­schrie­be­nen Hygie­ne­maß­nah­men zu beher­zi­gen. Die Besu­cher­zahl wird begrenzt, so dass die gel­ten­den Abstands­re­geln ein­ge­hal­ten wer­den kön­nen. Die Belüf­tung mit Frisch­luft wird in den Aus­stel­lungs­räu­men erhöht. Aus­ge­schil­der­te Rund­we­ge hel­fen bei der Ver­mei­dung von Kon­tak­ten. Es gibt die Mög­lich­keit zur Des­in­fek­ti­on der Hände.

Jah­res­aus­stel­lung Kunstverein

Die See­le des Papiers

Löwen­köp­fe, Skulp­tu­ren aus Geld­schein­schnip­seln, ein Coro­na-Chor – aus dem Werk­stoff Papier lässt sich eini­ges her­aus­ho­len. Die Jah­res­aus­stel­lung des Kunst­ver­eins zeigt in der Vil­la Des­sau­er, wie ver­schie­de­ne Künst­le­rin­nen und Künst­ler die gestal­te­ri­schen Mög­lich­kei­ten von Papier aus­lo­ten. Die tages­ak­tu­el­len Öff­nungs­zei­ten sind online auf der Home­page des Kunst­ver­eins ein­zu­se­hen. Dort wird die Aus­stel­lung dar­über­hin­aus unab­hän­gig von den Öff­nungs­per­spek­ti­ven auch digi­tal beglei­tet, bei­spiels­wei­se durch Inter­views mit den aus­stel­len­den Künst­lern. Das Web­echo hat mit Bar­ba­ra Kah­le, Vor­sit­zen­de des Kunst­ver­eins, gesprochen.

Gedruck­tes und Papier, heißt es, sei­en tot und alles wird nur noch online und elek­tro­nisch gemacht. War­um haben Sie für die Jah­res­aus­stel­lung des Kunst­ver­eins den Werk­stoff Papier als Grund­vor­aus­set­zung gewählt?

Bar­ba­ra Kah­le: Gera­de des­halb! Papier ver­schwin­det durch­aus im all­ge­mei­nen Bewusst­sein, Papier als Spei­cher­me­di­um geht zurück und die digi­ta­le Ver­än­de­rung ist unum­kehr­bar – das erken­nen wir an. Aber Papier könn­te in der Zukunft auch vor dem Hin­ter­grund des The­mas Umwelt­schutz wie­der mehr Bedeu­tung gewin­nen. Es wird viel geforscht, um zum Bei­spiel Ver­pa­ckun­gen aus Plas­tik abzu­schaf­fen und wie­der viel stär­ker auf Papier zu set­zen. Auf der ande­ren Sei­te hat Papier in der Kunst immer eine gro­ße Rol­le gespielt. Um das wie­der ins Bewusst­sein zu brin­gen, machen wir die­se Aus­stel­lung. Als Skiz­zen­pa­pier, als Vor­stu­fe der Lein­wand, wur­de Papier schon seit Jahr­hun­der­ten genutzt. Seit dem 20. Jahr­hun­dert dien­te es ver­mehrt als eigen­stän­di­ges künst­le­ri­sches Medi­um. Das ist eine Errun­gen­schaft, die der Kunst der Moder­ne zuzu­rech­nen ist. Dazu gehört auch der Ansatz, den so gut wie alle Wer­ke, die wir zei­gen, ver­fol­gen, unter Bei­be­hal­tung des Mate­ri­als Papier, die pla­ne Flä­che ins Drei­di­men­sio­na­le hin­ein zu erwei­tern, bis man zwi­schen Bild und Skulp­tur kaum mehr unter­schei­den kann.


Nach wel­chen Gesichts­punk­ten haben Sie die Künstler*innen für die Aus­stel­lung ausgewählt?

Bar­ba­ra Kah­le: Die Aus­stel­lung war schon für das Jahr 2020 geplant, aus bekann­ten Grün­den muss­te sie ver­scho­ben wer­den. Wir haben nach Künst­lern gesucht, die mehr oder weni­ger aus­schließ­lich mit Papier arbei­ten. Ein ganz gro­ßer Anker­punkt dabei waren die Wer­ke von Andre­as von Weiz­sä­cker, des­sen Löwen­kopf­skulp­tu­ren im Aus­stel­lungs­raum der Vil­la Des­sau­er auch sehr viel Raum ein­neh­men. Dann haben wir uns über­legt, wen wir noch dazu­neh­men könn­ten. Es geht uns dar­um zu zei­gen, wel­che Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten mit Papier mög­lich sind. Wir zei­gen unter ande­rem ver­schie­de­ne Falt­tech­ni­ken, so hat etwa Simon Schu­bert Räu­me der Vil­la Des­sau­er in Papier gefal­tet, Skulp­tu­ren, Papier­schmuck, Prä­ge­druck und im Begleit­pro­gramm etwa ein Kon­zert mit Klang­in­stru­men­ten aus Papier und ein sze­ni­sches Erzähl­stück des Papier­thea­ters mit Johan­nes Volkmann.


Die vier Papier­skulp­tu­ren von Andre­as von Weiz­sä­cker nen­nen Sie Ihren Coro­na-Chor. Was hat es damit auf sich?

Bar­ba­ra Kah­le: Die­se vier Skulp­tu­ren sind eigent­lich Was­ser­spei­ern des Münch­ner Rat­hau­ses abge­formt. Aber weil sie mit ihren offe­nen Mün­dern so einen kla­gen­den, gemein­sam über mög­li­cher­wei­se die Pan­de­mie heu­len­den Ein­druck machen, erin­nert mich das an einen Chor.


Beglei­tend zur Aus­stel­lung haben Sie ein viel­fäl­ti­ges Rah­men­pro­gramm ent­wor­fen. Ein Ter­min ist der 13. Juni, an dem anhand der Wer­ke von Erwin Hap­ke die See­le des Papiers beleuch­tet wer­den soll. Was ist die See­le des Papiers?

Bar­ba­ra Kah­le: Wir hat­ten das Glück, einen klei­nen Zuschuss für die Erstel­lung eines Begleit­pro­gramms aus dem Neu­start-Kul­tur-Kunst­fonds zu bekommen.

Bei der Aus­stel­lung ist es uns wie immer wich­tig, Objek­te zu prä­sen­tie­ren, die sich die Leu­te im ganz tra­di­tio­nel­len Sin­ne anschau­en kön­nen. Dane­ben haben wir aber ein viel­fäl­ti­ges Inter­ak­ti­ons- und Ver­mitt­lungs­pro­gramm ent­wi­ckelt, um sich auf ganz unter­schied­li­che Art und Wei­se dem The­ma Papier annä­hern zu kön­nen. Am 13. Juni etwa wol­len wir uns spe­zi­ell mit den gefal­te­ten Papier­ar­bei­ten von Erwin Hap­ke beschäf­ti­gen. Papier ist auf der einen Sei­te sehr hap­tisch. Man kann damit arbei­ten, es fal­ten, es zer­knül­len oder damit kru­scheln, wie es Lore Bert macht. In dem ange­spro­che­nen Falt­werk kann man dar­über hin­aus eine expli­ka­ti­ve Meta­pher unse­res Daseins sehen. Das kom­ple­xe Fal­ten wird zum Modell unse­res Weltverstehens. 

Fal­tun­gen von Erwin Hap­ke. Foto: Anna Breuninger

Der ver­stor­be­ne Erwin Hap­ke, pro­mo­vier­ter Bio­lo­ge und ein Son­der­ling und Beses­se­ner, hat sozu­sa­gen mit dem Papier gelebt und ein gefal­te­tes Uni­ver­sum hin­ter­las­sen. Alle For­men des Seins sind in das zar­te Papier ein­ge­schrie­ben, die wahr­zu­neh­men uns Muße und Ver­wei­len abver­langt. In die­sem Zusam­men­hang spricht der Phi­lo­soph und Nef­fe von Hap­ke, Mat­thi­as Bur­chardt, von der See­le des Papiers.


Papier ist ein nicht beson­ders wider­stand­fä­hi­ger und fra­gi­ler Werk­stoff. Wie gehen Sie zum Bei­spiel beim Auf­bau der Aus­stel­lung, damit um?

Bar­ba­ra Kah­le: Ja, da ist ein Pro­blem, mit dem die Künst­ler und auch Nach­lass­ver­wal­ter oder Nach­fah­ren von Papier­künst­lern zu kämp­fen haben. Zum Bei­spiel die Löwen­köp­fe von Weiz­sä­cker sind ziem­lich emp­find­lich und als er sie geschaf­fen hat, tat er dies sicher­lich nicht, damit man sie stän­dig auf- und abbaut. An eini­gen Stel­len muss­ten sie bereits restau­riert, ver­stärkt und mit Magne­ten, die die Tei­le zusam­men­hal­ten, ver­se­hen werden.


Die Aus­stel­lungs­er­öff­nung am 23. April muss­te wegen der Pan­de­mie bereits abge­sagt wer­den. Wie steht es um die fol­gen­den Termine?

Bar­ba­ra Kah­le: Die Rege­lun­gen für den Muse­ums­be­reich sehen ja der­zeit so aus, dass man bei einem Inzi­denz­wert zwi­schen 50 und 100 öff­nen und Publi­kum, nach Vor­anmel­dung, emp­fan­gen kann. Mit­te April liegt die Inzi­denz in Bam­berg bei 112 – ob die Vil­la Des­sau­er Ende April geöff­net wer­den kann, müs­sen wir also schau­en. Ver­samm­lun­gen, wie bei einer Ver­nis­sa­ge, sind aber abso­lut tabu.

Bar­ba­ra Kah­le und ihr Coro­na-Chor. Foto: Sebas­ti­an Quenzer

Wie schwer wür­de es den Kunst­ver­ein tref­fen, wenn kei­ne der Begleit­ver­an­stal­tun­gen statt­fin­den kann?

Bar­ba­ra Kah­le: Sehr schwer. Finan­zi­el­le Nach­tei­le hät­ten wir kei­ne, möch­te ich an die­ser Stel­le sagen. Die Gel­der sind uns unter ande­rem von der Stadt Bam­berg zuge­flos­sen. Aber wir haben die Aus­stel­lung mit solch einer Begeis­te­rung, und auch kör­per­li­cher Anstren­gung, vor­be­rei­tet und auf­ge­baut und den­ken, dass sie den Besu­chern gro­ßen Spaß machen wür­de, dass uns ein Aus­fall sehr leid­tun wür­de. Wir wer­den die Schau ganz bewusst län­ger als die übli­chen sechs Wochen lau­fen las­sen, damit wir auf den Som­mer und bes­se­re Inzi­denz­zah­len hof­fen kön­nen. Viel­leicht kön­nen wir zur Finis­sa­ge die Begeg­nung von Besu­chern und Künst­lern nachholen.


Gäbe es online ein Ausweichangebot?

Bar­ba­ra Kah­le: Ja, wir wer­den die Aus­stel­lung auch digi­tal beglei­ten. Wenn wir nicht öff­nen kön­nen, möch­ten wir die Aus­stel­lung zumin­dest mul­ti­me­di­al beglei­ten. Wir sind auf Face­book, Insta­gram und You­tube unter­wegs und bie­ten dort zum Bei­spiel Inter­views mit den Künst­lern und Ein­bli­cke in ihre Wer­ke. So haben wir wenigs­tens einen Bruch­teil von Aus­stel­lungs­be­glei­tung. Das ist natür­lich kein Ersatz für den Besuch einer Aus­stel­lung, aber ein inter­es­san­tes ergän­zen­des Angebot.


Wei­te­re Informationen:

Aus­stel­lung “Papier”, 24. April bis 27. Juni, Vil­la Dessauer

Außer­dem:
Aus­stel­lung von Jür­gen Wil­helm “Abs­trak­ti­on Pho­to­gra­phie”, 3. bis 31. Mai, Schüt­zen­stra­ße 4

https://www.kunstverein-bamberg.de/

„Die Qua­li­tät muss stimmen“

Bergan­za­preis

All­jähr­lich ver­gibt der Bam­ber­ger Kunst­ver­ein den Bergan­za­preis. Aus­ge­zeich­net wer­den die, die den „selbst­mör­de­ri­schen Ansprü­chen“ E.T.A. Hoff­manns gerecht werden.

So for­mu­lier­te es zumin­dest einst der Grün­der des Bergan­za­prei­ses Hans Neu­bau­er. Anders aus­ge­drückt geht die mit 4.000 Euro dotier­te Aus­zeich­nung an Kunst- oder Kul­tur­schaf­fen­de und kul­tu­rel­le Ein­rich­tun­gen, die sich durch ihr Schaf­fen oder ihre Arbeit um die Qua­li­tät der regio­na­len Kul­tur ver­dient gemacht haben. Die Lis­te bis­he­ri­ger Preis­trä­ge­rin­nen und Preis­trä­ger liest sich wie ein Who-is-who der ört­li­chen Sze­ne (auch wenn einer der größ­ten ört­li­chen Namen fehlt): Ger­rit Zach­rich, Cha­peau Claque oder Wer­ner Kohn wur­den schon mit dem Bergan­za­preis aus­ge­zeich­net, genau wie Ger­hard Schlöt­zer oder, als eine der weni­gen Frau­en, Chris­tia­ne Toe­we. Als Preis­trä­ger des Jah­res 2020 hat sich die Jury aus den Kunst­ver­ein-Vor­stands­mit­glie­dern Bar­ba­ra Kah­le, Maren Jen­sen, Not­bur­ga Karl, Jür­gen Wil­helm, Franz Ulrich und Karl­heinz Erbe für den Gun­dels­hei­mer Gra­fi­ker Peter Schop­pel ent­schie­den. Wir haben Bar­ba­ra Kah­le zum Gespräch getroffen.

Der Berganzapreis, gestaltet von Preisträger Adelbert Heil
Der Bergan­za­preis, gestal­tet von Preis­trä­ger Adel­bert Heil
Frau Kah­le, seit 1989 ver­gibt der Kunst­ver­ein Bam­berg den Bergan­za­preis. Wie kam es zur Ent­schei­dung, die Aus­zeich­nung in die­sem Jahr zum ers­ten Mal zu vergeben?

Bar­ba­ra Kah­le: In den 80er Jah­ren des zurück­lie­gen­den Jahr­hun­derts gab es in Bam­berg über­haupt kei­ne Kul­tur­prei­se. Aber es lag in der Luft, dass sich Kul­tur­in­ter­es­sier­te zu über­le­gen began­nen, dass es sinn­voll sein könn­te, die regio­na­le Kul­tur­sze­ne durch einen Preis zu stär­ken und zu wür­di­gen. Der Kul­tur­för­der­preis bezie­hungs­wei­se der E.-T.-A.-Hoffmann-Preis der Stadt Bam­berg ist auch 1989 zum ers­ten Mal ver­ge­ben wor­den. Der dama­li­ge Vor­sit­zen­de des Kunst­ver­eins, Hans Neu­bau­er, der in den 80er Jah­ren vie­le, posi­ti­ve Neue­run­gen für den Kunst­ver­ein ein­ge­führt hat, arbei­te­te auch an der Aus­schrei­bung eines Kunst­prei­ses. Bei der Namens­ge­bung, für die es eines grif­fi­gen Begriffs bedurf­te, kam man natür­lich zuerst auf E.T.A. Hoff­mann, der sei­ner­zeit Grün­dungs­mit­glied des Kunst­ver­eins war. Ein Preis mit dem Namen „E.T.A. Hoff­mann Preis“ ins Leben zu rufen, wäre also nahe­lie­gend gewe­sen, aber die­sen Namen hat­te die Stadt dem Kunst­ver­ein schon weg­ge­schnappt. Also besann man sich auf die Hoffmann’sche Figur des Hun­des Bergan­za, mit dem sich Hoff­mann in „Nach­richt von den neu­es­ten Schick­sa­len des Hun­des Bergan­za“ über Bam­ber­ger Kul­tur unter­hält. Dar­in gibt es auch eine Stel­le, die als Vor­la­ge der Eigen­schaf­ten dien­te, die die Preis­trä­ge­rin­nen und Preis­trä­ger haben müssen.

Wie lau­tet die­se Stelle?

Bar­ba­ra Kah­le (liest aus einem Jah­res­heft des Kunst­ver­eins vor): „In gewis­sem Sinn ist jeder nur irgend exzen­tri­sche Kopf wahn­sin­nig und scheint es des­to mehr zu sein, je eif­ri­ger er sich bemüht, das äuße­re mat­te, tote Leben durch sei­ne inne­ren, glü­hen­den Erschei­nun­gen zu ent­zün­den. Jeden, der einer gro­ßen, hei­li­gen Idee, die nur der höhe­ren, gött­li­chen Natur eigen, Glück, Wohl­stand, ja selbst das Leben opfert, schilt gewiss der, des­sen höchs­te Bemü­hun­gen im Leben sich end­lich dahin kon­zen­trie­ren, bes­ser zu essen und zu trin­ken und kei­ne Schul­den zu haben, wahn­sin­nig, und er erhebt ihn viel­leicht, indem er ihn zu schel­ten glaubt, da er als ein höchst ver­stän­di­ger Mensch jeder Gemein­schaft mit ihm ent­sagt.“ Das war eine Spra­che! Aber Hans Neu­bau­er hat dar­aus das Ziel für die Fin­dung der Preis­trä­ger abge­lei­tet und gesagt, dass all­jähr­lich die Per­son aus­ge­zeich­net wer­den sol­le, die die­sen selbst­mör­de­ri­schen Ansprü­chen am bes­ten genüge.

Wie erfüllt der aktu­el­le Preis­trä­ger Peter Schop­pel die­se selbst­mör­de­ri­schen Ansprüche?

Bar­ba­ra Kah­le: Er füllt sie schon dadurch, dass er sich ent­schlos­sen hat, frei­be­ruf­li­cher Künst­ler zu wer­den. Aber die Kri­te­ri­en der Ver­ga­be sind, wie auch beim Kul­tur­preis der Stadt, rela­tiv weit aus­ge­legt. Es sol­len Per­so­nen gewür­digt wer­den, die sich durch ihr künst­le­ri­sches oder ihr gesell­schaft­li­ches Enga­ge­ment aus­zeich­nen. 2014 haben wir bei­spiels­wei­se den Gefäng­nis­pfar­rer Hans Lyer für sein Enga­ge­ment im künst­le­ri­schen Bereich mit Gefan­ge­nen gewür­digt. Ähn­li­ches galt für das Neue Palais, Ger­rit Zach­rich oder den Jazz­club. Es wer­den also kei­ne unter­schied­li­chen Kri­te­ri­en ange­legt, son­dern die ein­zel­nen Kan­di­da­ten erfül­len die Kri­te­ri­en auf unter­schied­li­che Art und Wei­se. Wir haben bei der Ent­schei­dung für Peter Schop­pel auf zwei Din­ge geach­tet, näm­lich auf sein künst­le­ri­sches Werk – er ist ein exzel­len­ter Gra­fi­ker – und auf die Tat­sa­che, dass er sich stark in der ört­li­chen Kul­tur­sze­ne, im Kunst­ver­ein und im BBK enga­giert. Außer­dem haben wir die­ses Jahr dar­auf geach­tet, jeman­den aus­zu­zeich­nen, der nicht über ein fes­tes Ein­kom­men ver­fügt. In die­sen Coro­na-Zei­ten befin­den sich frei­schaf­fen­de Künst­ler in noch pre­kä­re­ren Umstän­den als sonst. Das heißt aber nicht, dass der Bergan­za­preis ein Sozi­al­preis ist.

Heißt das im Umkehr­schluss, dass, wenn Künst­ler, die neben der Kunst einem Beruf nach­ge­hen, aus­ge­zeich­net wer­den, Hob­by-Künst­ler den Preis bekommen?

Bar­ba­ra Kah­le: Nein, das sicher nicht. Wenn wir Bil­den­de Künst­ler aus­zeich­nen, schau­en wir immer sehr stark auf das künst­le­ri­sche Werk. Die Qua­li­tät muss stimmen.

Ist es in der gemein­sa­men Zeit von Bergan­za­preis und Kul­tur­för­der­preis der Stadt bezie­hungs­wei­se E.-T.-A.-Hoffmann-Preis vor­ge­kom­men, dass man sich gegen­sei­tig poten­zi­el­le Preis­trä­ger weg­ge­nom­men hat?

Bar­ba­ra Kah­le: Nein, aber man schaut immer ein biss­chen dar­auf, was die ande­ren machen und im Lauf der Jah­re haben sich Über­ein­stim­mun­gen zwi­schen unse­rer und deren Preis­trä­ger­lis­te erge­ben. Foto­graf Wer­ner Kohn hat zum Bei­spiel bei­de Prei­se bekom­men oder Hans Woll­schlä­ger, der Schrift­stel­ler. Obwohl ich schon sagen muss, dass der E.-T.-A.-Hoffmann-Preis noch ein biss­chen mehr Aner­ken­nung genießt.

Ein gro­ßer Bam­ber­ger Name, der auf Ihrer Lis­te fehlt, auf der des E.-T.-A.-Hoffmann-Preis jedoch nicht, ist der von Paul Maar.

Bar­ba­ra Kah­le: Die Fra­ge, Paul Maar aus­zu­zeich­nen oder nicht, ist eine, die sich uns schon lan­ge stellt. Er hat schon so vie­le Prei­se gewon­nen, dass es bei uns Dis­kus­sio­nen gibt, ob man ihm den Bergan­za­preis auch noch geben muss oder wir lie­ber Leu­te aus­zeich­nen, deren Wir­ken noch nicht so bekannt ist.

Wie sieht die Ent­schei­dungs­fin­dung in der Jury aus?

Bar­ba­ra Kah­le: Nach Mehr­heits­be­schluss. Wir dis­ku­tie­ren, bis wir ein ein­stim­mi­ges Ergeb­nis haben. Klar ist es dabei schon vor­ge­kom­men, dass die eine oder der ande­re mit der Mei­nung ein biss­chen zurück­ste­hen muss­te, aber es hat nie einen der­ar­ti­gen Dis­sens gege­ben, dass jemand mit einer Ent­schei­dung über­haupt nicht ein­ver­stan­den war.

1998 wur­de Mar­tin Neu­bau­er, der Sohn des dama­li­gen Kunst­ver­ein-Vor­sit­zen­den Hans Neu­bau­er, aus­ge­zeich­net. Gab es damals Stim­men, die in die­ser Ent­schei­dung einen gewis­sen Bei­geschmack aus­ge­macht haben?

Bar­ba­ra Kah­le: Nein, aber da muss man schon auf­pas­sen. Genau wie man beim E.-T.-A.-Hoffmann-Preis hät­te dar­auf ach­ten müs­sen, dass Leu­te, die in der Jury sit­zen, zum Bei­spiel Tan­ja Kin­kel, den Preis nicht gewinnen.

Wür­den Sie sagen, dass der Bergan­za­preis ein fes­ter, eta­blier­ter Ter­min im ört­li­chen Kul­tur­be­trieb ist?

Bar­ba­ra Kah­le: Ja, auf jeden Fall. Und er ist vor allem eine fes­te Grö­ße, was Aus­zeich­nun­gen für Bil­den­de Künst­ler angeht.

Wie pro­fi­tie­ren die Preis­trä­ge­rin­nen und Preis­trä­ger von der Aus­zeich­nung mit dem Berganzapreis?

Bar­ba­ra Kah­le: Abge­se­hen von den 4.000 Euro Preis­geld tra­gen sie Renom­mee davon. Ein Künst­ler lebt von sei­nen Ver­käu­fen und in sei­nem Lebens­lauf ist ein ganz wich­ti­ger Punkt, wel­che Aus­zeich­nun­gen und Prei­se er gewon­nen hat. Sol­che Aus­zeich­nun­gen auf­füh­ren zu kön­nen, hebt einen Künst­ler von der rie­si­gen Mas­se ande­rer Künst­ler ab.

Das durch­schnitt­li­che Alter der bis­her Aus­ge­zeich­ne­ten scheint bei etwa 40 Jah­ren zu lie­gen. Wie kommt die­ser ver­gleichs­wei­se hohe Schnitt zustande?

Bar­ba­ra Kah­le: Es ist schon so, dass wir bis­her mehr die­je­ni­gen aus­ge­zeich­net haben, die schon län­ger künst­le­risch aktiv und dar­um schon ein biss­chen älter sind. Aber es gibt Über­le­gun­gen, um auch die jun­ge Sze­ne zu stär­ken, ab und zu auch jün­ge­re Künst­le­rin­nen und Künst­ler auszuzeichnen.

Eine wei­te­re auf­fäl­li­ge Eigen­schaft der bis­her Aus­ge­zeich­ne­ten besteht dar­in, dass sehr weni­ge Frau­en den Preis erhal­ten haben. Die ers­te Künst­le­rin, die den Preis erhielt, war Dinah Poli­ti­ki im Jahr 2000.

Bar­ba­ra Kah­le: Ja, das stimmt abso­lut. Obwohl der ört­li­che Kul­tur­be­trieb in eini­gen Spit­zen­po­si­tio­nen wie in Muse­en, Thea­tern oder im Kul­tur­amt sehr stark weib­lich besetzt ist, hat sich das bedau­er­li­cher­wei­se nicht in der Zahl unse­rer Preis­trä­ge­rin­nen niedergeschlagen.

Wie wird die Ver­lei­hungs­ze­re­mo­nie in Coro­na-Zei­ten ablaufen?

Bar­ba­ra Kah­le: Sie soll statt­fin­den, in der Vil­la Des­sau­er, auch wenn wir noch nicht genau wis­sen, wann. Aller­dings haben wir das Pro­blem, dass höchs­tens 30 Leu­te anwe­send sein dür­fen. Aber dann gibt es eben eine klei­ne­re Feier.