Je mehr CDU in der Landesregierung, desto weniger politische Bildung in den Schulen. So lautet ein Ergebnis einer aktuellen Studie des Leibniz-Instituts
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Leibniz-Institut für Bildungsverläufe
Politische Bildung: Schulstundenzahl hängt mit Landesregierung zusammen
Je mehr CDU in der Landesregierung, desto weniger politische Bildung in den Schulen. So lautet ein Ergebnis einer aktuellen Studie des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe.
Populismus, Politikverdruss, sinkendes Vertrauen in staatliche Institutionen, Wahlerfolge extrem rechter Parteien – diese und weitere als demokratiegefährdend eingestufte Entwicklungen der letzten Jahre führen zu Forderungen, die politische Bildung an Schulen auszubauen, wie das Bamberger Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LifBi) aktuell mitteilt. Dem Politikunterricht wird dabei eine Schlüsselfunktion bei der Stärkung demokratischen Verhaltens und Handelns zugeschrieben.
Mithilfe von Daten aus historischen Stundentafeln haben Forschende des Instituts nun die Entwicklung des Unterrichtsfachs Politik in den vergangenen Jahrzehnten nachgezeichnet. Dabei zeigt sich, dass fast durchgehend mehr politische Bildung an nicht-gymnasialen Schulformen im Vergleich zum Gymnasium vorgesehen war. Zudem lässt sich bis Ende der 1990er Jahre ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Anzahl der Unterrichtsstunden in diesem Fach und der parteipolitischen Regierungskonstellation beobachten.
Um zu klären, welchen Stellenwert Politikunterricht an Schulen in Deutschland hat, schuf ein LIfBi-Forschungsteam aus Norbert Sendzik, Ulrike Mehnert und Marcel Helbig auf Basis von Stundentafeln einen neuen Datensatz. Dieser erfasst für alle westdeutschen Bundesländer von 1949 bis 2019, wie viele Wochenstunden „Politik“ in der Sekundarstufe I, also von der 5. bis einschließlich 10. Klasse, in den verschiedenen Schulformen pro Schuljahr gelehrt werden sollten. Die Daten der ostdeutschen Bundesländer sind darin seit der Wiedervereinigung enthalten. Demgemäß erlauben die Daten zum ersten Mal einen bildungshistorisch-quantitativen Blick auf die Entwicklung des Politikunterrichts von der Gründung der Bundesrepublik Deutschland bis in die Gegenwart.
Große Unterschiede zwischen den Ländern
Die Analysen zeigen, dass seit den 1970er Jahren die Bedeutung des Politikunterrichts zunahm und sich die Unterrichtszeit für dieses Fach in allen Bundesländern und an allen Schularten bis zu den 1990er Jahren nahezu verdoppelte. Dabei gab es große Bundeslandunterschiede.
So wurde beispielsweise um die Jahrtausendwende das Fach Politik in Nordrhein-Westfalen mit sieben Wochenstunden gelehrt (also pro Schuljahr im Durchschnitt etwa 1,2 Wochenstunden), während es in Bayern und Sachsen nur zwei Wochenstunden waren (etwa 0,3 pro Schuljahr).
Aber auch in der jüngeren Vergangenheit finden sich bundeslandspezifische Entwicklungen. So wurde in Hessen die Unterrichtszeit seit den 1990er Jahren bis in die 2010er Jahre von sieben auf drei Wochenstunden mehr als halbiert. In Schleswig-Holstein stieg sie im selben Zeitraum von einer auf fast fünf Wochenstunden an.
Mehr politische Bildung unter SPD-geführten Regierungen
In seltener Klarheit zeigt sich im neuen Datensatz zudem ein politischer Einfluss der Landesregierung auf den Politikunterricht, insbesondere für die 1970er bis Ende der 1990er Jahre, so Norbert Sendzik. „Je nach politischer Landesfarbe erhielten die Schülerinnen und Schüler unterschiedlich viel politische Bildung. War die SPD an einer Regierung beteiligt, wurde mehr politische Bildung unterrichtet. Regierte die CDU, war weniger politische Bildung vorgesehen. Besonders deutlich ist das für die ostdeutschen Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die nach der Wende christdemokratisch geprägt waren. Dort war im Vergleich sehr wenig politische Bildung vorgesehen.“ Seit den 2000er Jahren ist politische Bildung jedoch weniger von der Zusammensetzung der Landesregierung geprägt.
Die Daten zeigen jedoch nicht nur die unterschiedliche und politisch beeinflusste zeitliche Ausprägung des Politikunterrichts. So waren entgegen der landläufigen Vermutung in der Geschichte der Bundesrepublik in der Regel mehr Unterrichtsstunden „Politik“ an nicht-gymnasialen Schulformen im Vergleich zum Gymnasium vorgesehen. Der Befund war in der Form nicht zu erwarten, denn andere Forschung weist für die Gegenwart darauf hin, dass Gymnasiast:innen heutzutage mehr politische Bildung erhalten als Schüler:innen an anderen Schulformen.
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Leibniz-Institut für Bildungsverläufe
Nationaler Bildungsbericht: Bildung zentral für Vertrauen in Demokratie
Der Nationale Bildungsbericht gibt Auskunft über das deutsche Bildungswesen. Auch zeigt er, dass eine bessere Bildung mit höherem Vertrauen in die Demokratie zusammenhängt.
Der Erwerb von Kompetenzen ist nicht nur in der Jugend wichtig, wie das Bamberger Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LifBi) in einer Mitteilung schreibt, sondern ein Leben lang. Besser gebildete Menschen erzielen langfristig höhere Einkommen und zeigen beispielsweise eine stärkere Zustimmung zu demokratischen Grundwerten sowie ein größeres Vertrauen in demokratische Institutionen. Diese und weitere Erkenntnisse zu Bildung im Lebensverlauf zeigen die Auswertungen des LIfBi für den neuen Nationalen Bildungsbericht „Bildung in Deutschland 2024“.
Der Bericht bildet anhand von Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) die Bildungsteilnahme und Höherqualifikationen von knapp 1.500 Erwachsenen über ihr 40-jähriges Erwerbsleben hinweg ab und zeigt, dass höhere Bildungsabschlüsse nicht nur in und direkt nach der Schule erworben werden. Angesichts dieser und weiterer Befunde zu Bildungsverläufen, Kompetenzentwicklung und Erträgen fordern die Autor:innen, förderliche Rahmenbedingungen für gelingende Übergänge zwischen Bildungsbereichen und Angebote für den Kompetenzerwerb auch für den nachschulischen Lebensverlauf zu schaffen.
Gering qualifizierte Personen mit Bildungsangeboten unterstützen
Erwerbstätigkeit und ein höheres Einkommen hängen maßgeblich mit dem erreichten Bildungsabschluss zusammen, so die Mitteilung des LifBi weiter. Im Jahr 2022 waren 89 Prozent der in Deutschland lebenden Erwachsenen mit hohem Bildungsabschluss berufstätig. Bei den Erwachsenen ohne beruflichen Abschluss und ohne Hochschulreife waren es hingegen nur 65 Prozent.
Besonders häufig nicht erwerbstätig waren formal gering qualifizierte Frauen mit im Haushalt lebenden jungen Kindern. Auch aufgrund des Fachkräftemangels scheint es wichtig, zielgerichtete Qualifikations- und Unterstützungsangebote zu schaffen, um gering qualifizierte Personen in den Arbeitsmarkt zu integrieren und der Ungleichverteilung der Erwerbsbeteiligung entgegenzuwirken. Die Befunde aus dem Bildungsbericht berühren zudem weitere politische Handlungsfelder, da das Vertrauen in die Demokratie bei höher gebildeten Menschen sichtbar größer ist.
Eltern geben geringe Qualifikationen an Kinder weiter
Die Bildungschancen von Kindern hängen in Deutschland immer noch stark von der sozialen Herkunft ab. Am Beispiel von Schüler:innen, die seit dem Jahr 2010 im Rahmen des NEPS begleitet werden, zeigt sich, dass das Zusammenspiel von herkunftsbezogenen Risiken und den davon beeinflussten Bildungschancen das Risiko für ungelernte Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit im weiteren Lebensverlauf erhöhen kann. Eine wichtige Rolle dabei spielt der Bildungsstand der Eltern.
Nur 24 Prozent der Kinder von Eltern, die keinen beruflichen Abschluss und auch keine Hochschulreife haben, befanden sich acht Jahre nach dem Besuch der 9. Klasse im Studium. 44 Prozent der Schüler:innen in Risikolage hatten etwa zehn Jahre nach dem Besuch der 9. Klasse keinen beruflichen Abschluss erworben und 36 Prozent der Schüler:innen in Risikolage waren schon mindestens einen Monat oder länger arbeitslos, ohne zuvor einen beruflichen Abschluss erworben zu haben.
Über den Nationalen Bildungsbericht
Der Nationale Bildungsbericht, der das deutsche Bildungswesen als Ganzes abbilden und von der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung bis zur Weiterbildung im Erwachsenenalter reichen soll, erscheint alle zwei Jahre. Der Bericht wird von einer unabhängigen Gruppe von Wissenschaftler:innen erstellt. Diese vertreten folgende Einrichtungen: Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (Federführung) ‚das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe, das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung, das Deutsche Jugendinstitut, das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, das Soziologische Forschungsinstitut Göttingen sowie die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder.
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Leibniz-Institut für Bildungsverläufe
Corona-Einschränkungen: Keine Auswirkungen auf Mathematik-Kompetenzen
Haben Schüler:innen im Bereich Mathematik weniger gelernt, weil sie von Schulschließungen während der Corona-Jahre 2020 und 2021 betroffen waren? Diese Frage konnte das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe nun erstmals anhand eines Vergleichs verschiedener Schuljahrgänge beantworten.
Anhand einer langfristigen Anlage des Nationalen Bildungspanels (NEPS) kann die Entwicklung der Mathematik-Kompetenzen von Jugendlichen von der 7. bis zur 9. Klasse verfolgt werden. Dies im Vergleich zweier Jahrgänge, von denen einer die Sekundarstufe mit, der andere ohne Pandemie durchlaufen hat. Die Ergebnisse zeigen, wie das Bamberger Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) nun mitgeteilt hat, dass die Einschränkungen der Corona-Jahre keinen negativen Effekt auf die Mathematik-Kompetenzen der untersuchten Jahrgänge hatten. Zudem bestätigte das Ergebnis nicht die in diese Richtung gehenden Vermutungen der PISA-Studie und des IQB-Bildungstrends aus dem Jahr 2022.
Denn Befürchtungen einer lebenslangen Benachteiligung der „Generation Corona“, also Schüler:innen, die von den Schulschließungen betroffen waren, wurden schon während der Pandemie in drastischen Bildern geschildert. Dass die Einschränkungen tatsächlich deutliche Folgen auf das Lernen hatten, wurde zwar mittlerweile in zahlreichen Studien beschrieben. Auch Ergebnisse aus dem NEPS zeigten bereits 2021, dass Schüler:innen beim Distanzunterricht weniger Zeit in das Lernen investierten. Studien wie der IQB-Bildungstrend und PISA zeigten 2022 außerdem deutliche Kompetenzrückstände zwischen Neuntklässler:innen der Coronazeit und Neuntklässler:innen aus sieben beziehungsweise drei Jahren zuvor unternommen Studien. Allerdings können die in diesen wiederkehrenden Querschnittstudien gefundenen Unterschiede auch andere Ursachen haben, so das LifBi weiter. Sie lassen sich also nicht zuverlässig als Effekte der Corona-Pandemie interpretieren.
Befürchtungen können nicht bestätigt werden
Die Auswertung der NEPS-Daten bestätigt die Befunde aus wiederkehrenden Querschnittstudien mit Schüler:innen in der Sekundarstufe in Deutschland also nicht. Im Gegenteil: Die Kompetenzzuwächse von der 7. bis zur 9. Klasse fallen in Mathematik bei beiden Alterskohorten nahezu identisch aus. In beiden Kohorten gibt es in fast gleichen Anteilen überdurchschnittliche beziehungsweise unterdurchschnittliche Kompetenzwerte. Die Kompetenzen sind in beiden Kohorten im Mittel gleich stark ausgeprägt, unabhängig davon, ob die Kinder Schulschließungen erlebt haben oder nicht. Auch wenn Gruppenunterschiede zwischen Mädchen und Jungen, Schüler:innen an Gymnasien im Vergleich zu Schüler:innen anderer Schulformen und Jugendlichen aus akademischen beziehungsweise nicht-akademischen Elternhäusern berücksichtigt werden, zeigen sich parallele Zuwächse für die verschiedenen Gruppen über die beiden Kohorten hinweg.
„Die Vermutung, dass es durch die Pandemie zu Einbrüchen in den Mathematik-Kompetenzen der betroffenen Jugendlichen gekommen ist“, fasst Autorin Dr. Lena Nusser die Ergebnisse der Studie zusammen, „lässt sich mit den Daten des Nationalen Bildungspanels nicht bestätigen. Obwohl das Lernen in der Pandemie weniger strukturiert war, die Schülerinnen und Schüler weniger Kontakt zu Lehrkräften hatten, mehr auf sich gestellt waren und weniger Zeit in das Lernen investiert wurde, ist der Kompetenzzuwachs in der Sekundarstufe vergleichbar mit dem von Jugendlichen, die ihre Schulzeit normal durchlaufen haben.“ Diese vergleichsweise positiven Ergebnisse gelten für den Bereich Mathematik, oder genauer für mathematische Kompetenzen, wie sie im Rahmen der NEPS-Studie erfasst wurden.
Kompensation durch selbstgesteuertes Lernen?
Ein Grund für die kaum vorhandenen negativen Effekte auf die Leistungsentwicklung könnte darin liegen, dass bei Jugendlichen in der Sekundarstufe die Fähigkeit zum selbstgesteuerten Lernen deutlich stärker ausgeprägt ist als beispielsweise bei Grundschüler:innen. Die Jugendlichen konnten die Einbußen durch Corona womöglich selbst recht gut kompensieren – zumindest im Bereich Mathematik.
Ob die Pandemie in anderen Bereichen, insbesondere emotional und motivational, längerfristige Folgen für die Jugendlichen hat, lässt sich aus den Befunden jedoch nicht ableiten. Offen bleibt auch, welche Auswirkungen die Corona-Einschränkungen auf die Kompetenzentwicklung von jüngeren Schüler:innen unterhalb der 7. Klasse hatten.
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Studie: Kita-Besuch kann soziale Unterschiede angleichen
Kompetenzen von Kindern entwickeln sich unterschiedlich – insbesondere, weil sich die Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten in ihren Familien voneinander unterscheiden. Eine neue Studie des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe zeigt nun, dass für Kinder aus sozial schwächeren Familien der Besuch einer Kindertagesstätte besonders bereichernd ist. Herkunftsbezogene Unterschiede in den kognitiven Kompetenzen können so verringert werden. Problematisch ist jedoch, dass gerade Kinder aus benachteiligten Elternhäusern wesentlich stärker von fehlenden Betreuungsplätzen betroffen sind, als solche von besser gestellten Eltern.
Die häusliche Lernumgebung spielt für Kleinkinder eine zentrale Rolle bei ihrer kognitiven, sozialen und emotionalen Entwicklung, so das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe in einer Mitteilung. Wie viel die Kinder lernen, hänge dabei stark vom sozialen und wirtschaftlichen Hintergrund der Familie ab. Der Besuch einer Kindertagesstätte (Kita) hingegen kann für Kinder unabhängig von den Bedingungen im Elternhaus Vorteile bringen, weil sie dort andere Dinge lernen als zuhause, beispielsweise durch das Miteinander mit Gleichaltrigen oder durch den Kontakt mit pädagogischen Konzepten.
Die Studie, die auf Längsschnittdaten von 992 Kindern im Nationalen Bildungspanel (NEPS) basiert, konnte nun zeigen, welche Kinder in ihrer Entwicklung besonders stark von einer institutionellen Betreuung profitieren. Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder aus besser gestellten Familien im Alter von zwei Jahren häufiger eine Betreuungseinrichtung besuchen als Kinder aus sozial benachteiligten Elternhäusern. Letztere ziehen aber die größeren Vorteile aus einem Besuch im Hinblick auf ihre kognitiven Kompetenzen, beispielsweise in Bereich Mathematik oder beim Wortschatz.
Umgekehrt bringt der Besuch einer Kita Kindern aus Familien mit einem sehr hohen sozialen und wirtschaftlichen Status keine Vorteile in ihren kognitiven Kompetenzen. Auf ihre Mathematikkenntnisse wirkt er sich sogar tendenziell nachteilig aus. Unabhängig von ihrer Herkunft gilt für alle Kinder, dass der Kita-Besuch ihre sozial-emotionalen Kompetenzen stärkt.
Was wäre, wenn?
Die Forschenden des Leibniz Instituts konnten in ihrer Studie zudem aufzeigen, dass der Besuch einer Kindertageseinrichtung das soziale Gefälle in den Kompetenzen von Kindern mindert und sozial ausgleichend wirken kann. Prof. Dr. Corinna Kleinert sagt dazu: „Unsere Simulationen mit einem „Was wäre, wenn“-Szenario zeigen: Würden alle Kinder eine Kita besuchen, würden die sozialen Ungleichheiten in den Kompetenzen geringer ausfallen als heute. Würden alle Kinder ausschließlich durch ihre Eltern betreut, würden sich die sozialen Ungleichheiten in der Entwicklung hingegen verstärken.“
Kritisch sehen die Forschenden unterdessen die Zugangsmöglichkeiten zu institutioneller Kinderbetreuung in Deutschland. Obgleich die Vorteile gerade für schlechter gestellte Familien am höchsten sind, besuchen nur 35 Prozent der Kinder aus diesen Familien im Alter von zwei Jahren eine Einrichtung.
Bei besser gestellten Familien liegt die Wahrscheinlichkeit eines Kitabesuchs hingegen bei 60 Prozent. Trotz eines bestehenden Rechtsanspruchs auf institutionelle Betreuung hängt die tatsächliche Inanspruchnahme stark vom sozialen und wirtschaftlichen Hintergrund der Eltern ab.
Die Forschenden fordern deshalb nicht nur, die Anzahl an Betreuungsplätzen weiter auszubauen, sondern auch den Zugang für benachteiligte Kinder zu erleichtern. Beides sei eine langfristig lohnende staatliche Investition in den Abbau sozialer Ungleichheit und die allgemeine Förderung von Kompetenzen bei Kindern.
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Leibniz-Institut für Bildungsverläufe
Studie: Warum angehende Lehrer:innen sich von der Schule abwenden
Das Bamberger Leibniz-Institut für Bildungsverläufe hat in einer Studie erforscht, aus welchen Gründen Absolventinnen und Absolventen von Lehramtsstudiengängen nach ihrem Abschluss keine schulische Laufbahn einschlagen.
Das Lehramtsstudium ist abgeschlossen, das Referendariat beginnt – ein Automatismus, der nicht für alle angehenden Lehrkräfte gilt. Eine von fünf wendet sich nach erfolgreichem Studium zunächst vom Lehramtsberuf ab, wie das Bamberger Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) mitteilt. Das verschärfe den landesweiten Mangel an Lehrer:innen zusätzlich. Aus welchen Gründen potenzielle Lehrkräfte den Wechsel in den Schuldienst vermeiden, zeigt nun eine Studie des LifBi.
Für die Untersuchung wurden Daten von insgesamt 2.302 Personen ausgewertet, die zwischen 2010 und 2019 ein Lehramtsstudium abgeschlossen haben. 80 Prozent der Absolventinnen und Absolventen nahmen im ersten Jahr nach dem Studienabschluss ein Referendariat auf oder begannen direkt, als Lehrerin oder Lehrer zu arbeiten. Die übrigen 20 Prozent wenden sich laut LIfBi allerdings zunächst vom Schuldienst ab. Entweder studieren sie weiter, promovieren, suchen Arbeit, sind in Elternzeit oder nehmen eine Tätigkeit außerhalb des Schuldienstes auf.
Mit einer sogenannten multivariaten Analyse konnten die Forschenden des LIfBis zusätzlich ermitteln, welche Faktoren die Wahrscheinlichkeit erhöhen, nach dem Studium in den Schuldienst einzutreten – oder eben nicht. Ein Merkmal ist dabei zunächst das Geschlecht. So haben Frauen generell eine um neun Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, an eine Schule zu wechseln. Dazu passt, dass Personen, die sich für den Lehrberuf wegen seiner guten Vereinbarkeit von Beruf und Familie entschieden haben, sehr häufig auch direkt ins Referendariat wechseln.
Gute Abschlussnoten hingegen sind laut der Studie ein Faktor, der Menschen vom Schuldienst abhält. Leistungsmäßig besonders herausragende Absolventinnen oder Absolventen nehmen häufiger eine Tätigkeit ohne Schulbezug auf. Möglicherweise haben sie mehr Optionen auf dem Arbeitsmarkt oder verbleiben an der Universität, um zu promovieren.
Lehrkräfte gesucht
Besonders interessant wurde es in der Studie laut LIfBi, wenn sich die Forschenden die Fächerkombinationen oder die Art des Studienabschlusses ansahen. So führt der in einigen Bundesländern angebotene Abschluss des „Master of Education“ dazu, dass Absolventinnen und Absolventen direkt beginnen, als Lehrkraft zu arbeiten. Unterstützt wird dieser Trend möglicherweise durch den starken Fachkräftemangel, der den Weg in den Lehrkraftberuf auch ohne zweites Staatsexamen ermöglicht.
Auch wer mindestens ein Fach aus der MINT-Fächergruppe, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften oder Technik, studiert hat, beginnt mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Referendariat im Anschluss an das Studium. Personen hingegen, die bei der Wahl des Studiums vor allem auf die Wünsche von Angehörigen gehört oder ein Fach aus großem Fachinteresse heraus gewählt haben, wenden sich nach dem Studium eher von der Schullaufbahn ab.
„Insgesamt lässt sich sagen, dass es nicht den einen Faktor gibt, der Menschen vom Schuldienst abhält“, sagt Sebastian Franz, Mitautor der Studie. „Mit Blick auf den Fachkräftemangel sollte das Lehramt aber zukünftig so attraktiv gestaltet werden, dass insbesondere Männer und leistungsstarke Personen keine alternativen Karrierewege einschlagen.“
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Chancengleichheit in Organisationspolitik verankert
Chancengerechter Arbeitgeber: Leibniz-Institut erhält „Total E‑Quality“-Prädikat
Für seine auf Chancengleichheit ausgerichtete Organisationspolitik hat das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe im Oktober das „Total E‑Quality“-Prädikat erhalten. Die Auszeichnung ist für drei Jahre gültig und zeichnet Institutionen und Unternehmen aus, die eine chancengerechte und diversitätsorientierte Organisationskultur fördern.
Am 19. Oktober wurde das Bamberger Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) in den Kreis von 176 Unternehmen aufgenommen, die Maßnahmen für eine langfristig chancengerechte Entwicklung der Mitarbeitenden und des Unternehmens umsetzen, und erhielt das so genannte „Total E‑Quality“-Prädikat.
Organisationen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Verbände mit in der Regel mindestens 15 Beschäftigten, die in ihrer Personal- und Organisationspolitik Chancengleichheit und Vielfalt verankert haben, können das Prädikat „Total E‑Quality“ erhalten. „Total E‑Quality“ soll außerdem die Eigeninitiative von Organisationen, Chancengleichheit umzusetzen fördern – ohne gesetzliche Vorgaben und über diese hinausgehend.
Begründung der Jury
In ihrer Begründung für die Auszeichnung bezog sich die Jury entsprechend insbesondere auf die Satzung und das Gleichstellungskonzept des Instituts. Bereits seit seiner Gründung 2014 sei in der Institutssatzung „die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und Diversität“ als zentrale Aufgabe festgeschrieben. Das 2021 verabschiedete Gleichstellungskonzept konkretisiere diese Aufgabe anhand verschiedener Prinzipien und Strategien.
Die Jury hob in ihrer Begründung zudem die Geschlechterverhältnisse in Führungspositionen sowie die Qualifizierung von Frauen zu zukünftigen Führungskräften hervor. Auch die innerbetriebliche Förderung der Vereinbarkeit von Fürsorgearbeit und Beruf, die Umsetzung einer vorurteilsfreien, diversen Arbeitskultur sowie die Forschungsvorhaben im Bereich Chancengleichheit und Diversität haben dem LIfBi demnach die Auszeichnung mit dem Prädikat ermöglicht.
LIfBi-Direktorin Cordula Artelt sagte zu dieser Anerkennung: „Die Auszeichnung mit dem Prädikat bestärkt uns in unserer Auffassung, dass Gleichstellung und diversitätsgerechte Strukturen im Institut von großer Bedeutung sind, diese aber auch in gelebte Praxis überführt und begleitet werden müssen.“
Als treibende Kraft hinter der Auszeichnung würdigt die Jury insbesondere die Gleichstellungsbeauftragte des LIfBi, Franziska Fellenberg. Durch ihre Arbeit sowie die ihrer Vertreterin Eva Akins und aller Vorgängerinnen bewege sich das LIfBi stets weiter in Richtung einer gerechteren und diversen Arbeitskultur, heißt es in der Begründung.
„Wir sind geehrt, dass unsere Strategie und unser Handeln von der Jury und dem Verein wertgeschätzt wurden. Wir werden uns auf dieser Auszeichnung jedoch nicht ausruhen, sondern unseren Prinzipien weiterhin treu bleiben und uns stetig weiterentwickeln“, so Franziska Fellenberg.
Bundesweite Erhebung
Leibniz-Institut: Wie groß ist die Datenkompetenz in Deutschland?
Daten und digitale Informationen sind Teil des Alltags. Das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe in Bamberg will mit dem bundesweiten Projekt „Data Literacy“ herausfinden, wie groß die Datenkompetenz im Land ist, wie leicht oder schwer Menschen der Umgang mit Daten und Informationen fällt und wie sich die dazugehörigen Fähigkeiten langfristig entwickeln.
Mit der Studie „Data Literacy“ werden laut Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LifBi) erstmals repräsentative Erhebungen der Datenkompetenz der bundesdeutschen Bevölkerung unternommen. Dafür befragt das Institut ab Mitte Oktober etwa 11.000 Personen zwischen 10 und 69 Jahren in ganz Deutschland. Diese wurden zufällig anhand der Einwohnermelderegister ausgewählt und stellen einen repräsentativen Durchschnitt der bundesdeutschen Bevölkerung dar.
Als Datenkompetenz (Data Literacy) bezeichnet die Bildungsforschung die Fähigkeit, digitale Daten und datenbezogene Informationen zielgerichtet zu nutzen und sicher mit ihnen umzugehen. Digitale und datenbezogene Kompetenzen sind unter anderem eine zentrale Voraussetzung für bürgerschaftliches Engagement und den mündigen Umgang mit eigenen und fremden Daten. Das Projekt „Data Literacy“ am LIfBi ist das erste deutschlandweit angelegte und repräsentative Projekt, das diese Fähigkeit systematisch erfasst und zudem die Entwicklung der dazugehörigen Kompetenzen langfristig begleitet.
Alltagsnahe Aufgaben für die Teilnehmenden
Während des nun gestarteten Befragungszeitraums werden die Teilnehmenden für persönliche Interviews zu Hause besucht und gebeten, alltagsnahe Aufgaben an einem Laptop zu bearbeiten. Neben Aufgaben zur Datenkompetenz enthält die Erhebung auch Fragen zur Selbsteinschätzung, zur Nutzung von Daten im Beruf und in der Freizeit und zum Interesse an digitalen und datenbezogenen Inhalten. Die Erhebungen sollen bis zum Frühjahr des kommenden Jahres laufen.
Das LifBi sieht sich für das ambitionierte Großprojekt „Data Literacy“ unterdessen gut gerüstet. „Wir greifen bei der inhaltlichen und praktischen Konzeption der Testverfahren, bei der Durchführung der Befragungen, dem Datenschutz und schließlich auch der Aufbereitung der Daten für die wissenschaftliche Nutzung auf unsere langjährigen Erfahrungen mit bundesweit und langjährig angelegten Großstudien zurück“, sagt Prof. Dr. Cordula Artelt, Direktorin des LIfBi.
Das Projekt „Data Literacy“ ist laut LIfBi nicht nur deshalb einzigartig, weil es erstmals repräsentativ für Deutschland die digitalen und datenbezogenen Kompetenzen der Bundesbevölkerung erhebt, sondern auch, weil es querschnittliche und längsschnittliche Forschungsansätze kombiniert. Dafür wird zum einen wiederholt eine repräsentative Zufallsstichprobe von Personen im Alter zwischen 10 und 69 Jahren befragt. So können im Sinne einer Momentaufnahme Aussagen zu den Kompetenzen der Menschen getroffen werden.
Zum anderen werden dazu ergänzend Kinder im Alter von 11 bis 12 Jahren gezielt in den Blick genommen und mit einem längsschnittlichen Ansatz im zweijährigen Abstand befragt. Damit ist es möglich, Aussagen über die Entwicklung von digitalen und datenbezogenen Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland zu machen und die individuellen Voraussetzungen zu verstehen. Im Laufe des jetzt gestarteten Befragungszeitraums werden beide Teilnehmendengruppen besucht.
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Leibniz-Institut für Bildungsverläufe
Studie: Hindernisse für Mütter bei der beruflichen Weiterbildung
Berufliche Weiterbildung ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein wichtiger Faktor, um beruflichen Erfolg und Aufstiegschancen zu fördern. Eine neue Studie des Leibniz-Institut für Bildungsverläufe zeigt nun erstmals einen alarmierenden Trend. Nach der Geburt ihres Kindes investieren Frauen in Deutschland deutlich weniger in ihre berufliche Weiterbildung. Männer hingegen beteiligen sich auch als frischgebackene Väter fast ohne Abstriche weiter am lebenslangen Lernen.
Nach der Geburt eines Kindes reduzieren sowohl Mütter als auch Väter ihre Teilnahme an beruflicher Weiterbildung. Dies teilte das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LifBi). Diese Veränderung ist bei Müttern aber viel stärker ausgeprägt. Während bei Vätern der Rückgang nur 4 Prozentpunkte ausmacht, geht die Teilnahmequote bei Frauen viermal so stark zurück (von 55 auf 39 Prozent) und erreicht das ursprüngliche Niveau später als bei Männern. Zu diesem Ergebnis kommt Prof. Dr. Gundula Zoch (Universität Oldenburg und LIfBi), die dafür Daten von 15.747 Männern und 15.110 Frauen auswertete, die regelmäßig im Rahmen des Nationalen Bildungspanels (NEPS) zu ihrer Bildungsbiografie befragt werden.
Weiterbildung steht für junge Eltern hinten an
Die Studie zeigt, dass berufliche Weiterbildung für junge Eltern zunächst generell in den Hintergrund rückt – jedoch aus ganz unterschiedlichen Gründen. Dafür berücksichtigte Zoch in den Modellen weitere Veränderungen nach der Geburt, beispielsweise die gestiegene Zeitverwendung im Haushalt oder Veränderungen in der beruflichen Situation. Auch hier zeigen sich große Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Während Väter ihre Weiterbildungsaktivitäten nur vorübergehend einschränken, insbesondere während der – meist kurzen – Erwerbsunterbrechung durch die Elternzeit, verzichten Mütter langfristiger auf berufliche Weiterbildungen.
Für Mütter ist die Elternzeit jedoch überraschenderweise nicht der Hauptgrund, auf berufliche Weiterbildung zu verzichten. Laut Studie ist vielmehr ausschlaggebend, dass sie mit einer verringerten Arbeitszeit in den Beruf zurückkehren und langfristig stärker durch die Kinderbetreuung belastet sind. Beides scheint für einen längeren Zeitraum nach der Geburt die Bereitschaft und die Möglichkeiten zu reduzieren, in berufliche Weiterbildungsmaßnahmen zu investieren.
„Die Geburt eines Kindes führt dazu“, sagt Gundula Zoch, „dass Frauen nach wie vor den Großteil der Familienarbeit übernehmen, häufiger in Teilzeit arbeiten, ihre beruflichen Ambitionen reduzieren oder auch weniger unterstützt werden und daher seltener an berufsbezogenen Weiterbildungen teilnehmen. Dies kann sich langfristig nicht nur negativ auf Beförderungschancen, sondern auch auf die Beschäftigungssicherheit auswirken.“
Kinderbetreuung reduziert Nachteile für Frauen
Wie aber können Mütter besser unterstützt werden, damit sich das Missverhältnis in Bezug auf berufliche Weiterbildung für Frauen und Männer wieder angleicht? Dafür untersuchte Gundula Zoch in einer weiteren Studie den Einfluss des Kita-Ausbaus auf das Weiterbildungsverhalten von Müttern. Die Ergebnisse zeigen, dass ein besseres Angebot an Betreuungsplätzen die negativen Auswirkungen der Geburt auf die Teilnahme von Müttern an berufsbezogenen Weiterbildungsmaßnahmen verringert.
Zoch weist darauf hin, dass familienpolitische Maßnahmen für mehr Geschlechtergerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt sorgen können. „Die Ergebnisse verdeutlichen, wie wichtig der flächendeckende Ausbau von frühkindlichen Betreuungsangeboten von guter Qualität ist, um die geschlechtsspezifischen Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt zu verringern.“
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Leibniz-Institut für Bildungsverläufe
Studie: Eltern in prekären Lagen erlebten Corona-Schulschließungen negativer
Eine Studie des Bamberger Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe zeigt, dass insbesondere sozial benachteiligte Familien die pandemiebedingten Schulschließungen in den Jahren 2020 und 2021 als problematisch erlebt haben. Die Forschenden mahnen entsprechend gezielte Unterstützungsangebote an, um Bildungsungleichheiten entgegenzuwirken.
Eine Studie des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe (LIfBi) und der Universität Leipzig zeigt, wie Eltern von Schulkindern die Schulschließungen in den Corona-Jahren 2020 und 2021 erlebt haben. Dies teilte das Institut am Mittwoch (13. September) mit. Für die Auswertung wurden die Antworten von 1.813 Eltern aus dem Jahr 2020 und von 1.898 Eltern aus dem Jahr 2021 herangezogen. Die überwiegende Mehrheit der Kinder befand sich während des ersten Lockdowns in der zweiten Klassenstufe, während des zweiten Lockdowns im Winter und Frühjahr 2021 in der dritten.
Häusliche Lernsituation während der zweiten Schulschließungen schlechter bewertet
Zwei Drittel der Eltern schätzten laut der Studie des LIfBi ihre digitalen Kenntnisse und Fähigkeiten, ihre Kinder beim Lernen zu unterstützen, in der ersten Phase der Schulschließungen im Frühjahr 2020 noch als voll und ganz ausreichend ein. In der zweiten Phase im Winter 2020 //2021 waren es allerdings nur noch etwas mehr als die Hälfte der Eltern.
Auch die für den Distanzunterricht nötige technische Ausstattung wurde zunehmend kritischer gesehen. Schätzten mehr als drei Viertel der Eltern diese während der ersten Schulschließungen noch als ausreichend ein, waren es im zweiten Lockdown einige Monate später 10 Prozent weniger.
„Da in der zweiten Schulschließungsphase vermehrt Online-Plattformen und Videochats genutzt wurden“, sagt Markus Vogelbacher, Erstautor der Studie, „hatten Eltern dann vermutlich größere technische Schwierigkeiten als während der ersten Schließphase, in der überwiegend E‑Mails eingesetzt wurden.“
Starke Anspannungen erfuhren die familiären Situationen zusätzlich während der zweiten Phase der Schulschließungen durch Schwierigkeiten bei der Betreuung der Kinder und gleichzeitiger Berufstätigkeit. „Die Situation in der Familie war während der zweiten Schulschließungen sehr herausfordernd. Sowohl bei der Betreuung als auch bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gaben knapp ein Drittel der befragten Eltern starke bis sehr starke Probleme an“, sagt Markus Vogelbacher.
Pessimistisch blickten Eltern auch auf die Kompetenzentwicklung ihrer Kinder. Während der ersten Schließungen glaubten rund 34 Prozent, dass ihre Kinder in den Hauptfächern zuhause ebenso viel wie in der Schule lernen. Dieser Anteil sank im zweiten Lockdown leicht auf 30 Prozent. Dafür stieg der Anteil der Eltern, die Bildungsrückstände durch den Distanzunterricht erwarteten von 20 auf 31 Prozent deutlich an.
Größere Herausforderungen für sozial Benachteiligte
Die Lernsituation in der zweiten Corona-Welle variierte außerdem deutlich je nach sozialer Lage. Formal niedrig gebildete Mütter und Väter (maximal Hauptschulabschluss) fühlten sich im Gegensatz zu Befragten mit höherer Bildung (Mittlere Reife oder höher) durchweg schlechter darüber informiert, welche Aufgaben die Kinder zu bearbeiten haben. Gleiches gilt laut Studie des LIfBi für alleinerziehende Elternteile.
Im Vergleich zu den Befragten mit der niedrigsten Bildung sahen sich alle anderen Bildungsgruppen besser in der Lage, ihrem Kind beim Lernen des Schulstoffs zu helfen. Die einkommensschwächste Gruppe fühlte sich im Gegensatz zu allen anderen Einkommensgruppen weniger kompetent, ihre Kinder inhaltlich zu unterstützen.
Eine niedrigere inhaltliche Unterstützungsfähigkeit berichten in der Studie außerdem Befragte aus Familien, in denen mindestens ein Elternteil zugewandert ist. Auch bei der räumlichen Situation und der Möglichkeit, dem Kind einen ruhigen Platz zum Lernen zur Verfügung zu stellen, zeigen sich Einkommenseffekte und Nachteile für kinderreiche Familien.
Bildungsungleichheiten durch gezielte Unterstützung entgegenwirken
„Unsere Studie zeigt deutliche Unterschiede zwischen den sozialen Gruppen und im Zeitverlauf eine kritischere Bewertung der häuslichen Lernsituation“, fasst Thorsten Schneider von der Universität Leipzig die Studie zusammen. Er fordert: „Besonders sozial benachteiligten Gruppen müssen Unterstützungs‑, Coaching- und Vernetzungsangebote von den Schulen und öffentlichen Trägern unterbreitet werden, um den bereits entstandenen Bildungsungleichheiten durch die Corona-Pandemie entgegenzuwirken – vor allem, wenn es zu längeren Phasen des Distanzlernens kommt.“
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Integration geflüchteter Jugendlicher
Bildungspolitik beeinflusst Vorankommen in der Schule
Wie geflüchtete Jugendliche im föderalen deutschen Schulsystem ankommen, hängt stark davon ab, in welchem Bundesland sie leben. In einer neuen Studie zeigen Forschende den Einfluss der Bildungspolitik von Bundesländern auf den Schuleintritt von geflüchteten Jugendlichen.
Schnelle Einschulung oder längere Wartezeit, Schulbesuch mit einheimischen Jugendlichen oder gesonderte Neuzugewandertenklassen – je nach Bundesland und Bildungspolitik gibt es für Jugendliche, die nach ihrer Flucht in Deutschland ankommen, unterschiedliche Varianten zur Integration ins Bildungssystem, jeweils mit Vor- und Nachteilen.
Wie sich die unterschiedliche Bildungspolitik von fünf Bundesländern auf den Schulstart von 2.415 geflüchteten 14- bis 16-jährigen Jugendlichen, die zwischen 2014 und 2018 in Deutschland angekommen sind, ausgewirkt haben, untersuchten nun Forschende des Bamberger Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe (LIfBi) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) anhand von Daten der Geflüchtetenstudie ReGES (Refugees in the German Educational System). Das teilte das LifBi Ende August mit.
Lange Wartezeit, schwerer Wechsel der Schulform
Die Studiendaten zeigen, dass die geflüchteten Jugendlichen nach ihrer Ankunft durchschnittlich sieben Monate auf ihren Schulbeginn warten mussten. Außerdem wurden Faktoren untersucht, die mit der Wartedauer zusammenhängen könnten. Kamen die Jugendlichen in Bundesländern an, die eine zeitliche Begrenzung bis zum Einsetzen der Schulpflicht vorschreiben, wurden sie bis zu zwei Monate schneller eingeschult als in Bundesländern, in denen Geflüchtete solange auf die Einschulung warten müssen, bis sie einer Kommune zugewiesen werden.
„Die Daten zeigen unter anderem, dass die Schullaufbahn der befragten Jugendlichen aufgrund der Flucht und im Zuge des Ankommens in Deutschland insgesamt durchschnittlich länger als ein Jahr unterbrochen war“, sagte Dr. Gisela Will, Projektkoordinatorin der Geflüchtetenstudie am LIfBi. Sie betonte zudem, dass man mögliche Häufungen der Risiken in den Bildungswegen geflüchteter Jugendlicher im Blick behalten müsse.
Speziell eingerichtete Willkommens- oder Neuzugewandertenklassen sollten den Jugendlichen den Einstieg in die Schule erleichtern. Allerdings richteten einzelne Bundesländern diese Klassen vornehmlich an Hauptschulen oder niedrigeren Schulformen ein.
Die Ergebnisse der ReGES-Studie legen nun nahe, dass in diesen Bundesländern die geflüchteten Schülerinnen und Schüler beim Wechsel in eine Regelklasse ihre Schullaufbahn oftmals in der gleichen Schulform fortsetzen und seltener Regelklassen höherer Schulformen besuchen. „Geflüchteten Jugendlichen scheint der Wechsel in eine höhere Schulform in diesen Bundesländern nur schwer zu gelingen“, sagte Dr. Oliver Winkler.
Unter Jüngeren: Vor- und Nachteile
Auch geht aus der Studie hervor, dass Geflüchtete häufig nicht altersgerecht eingeschult wurden. Oftmals lernten sie zusammen mit deutlich jüngeren Mitschülerinnen und ‑schülern. Die aktuelle Analyse zeigt, dass dies meist in jenen Bundesländern geschah, in denen die Geflüchteten nicht möglichst schnell in eine konkrete Klassenstufe eingeschult werden sollen, sondern dies zu einem späteren Zeitpunkt geschieht, wenn etwa detaillierte Messungen der Leistungsstände der Jugendlichen vorliegen.
Neben den Auswirkungen auf das Klassengefüge, in dem durch diese Praxis Jugendliche verschiedener Altersgruppen aufeinandertreffen, hat dies auch für die Geflüchteten selbst Vor- und Nachteile, so die Forschenden. Auf der einen Seite haben ältere Geflüchtete mehr Zeit, um Deutsch zu lernen, bevor die Schulzeit für sie formal endet. Auf der anderen Seite fühlen sich ältere Geflüchtete vielleicht weniger verbunden mit der Schule, weil sie sich schon viel stärker in Richtung Beruf oder Studium orientieren. Und das wiederum kann sich ungünstig auf das Lernen auswirken.
Die Bildungspolitik bestimmt den Weg
Insgesamt zeigen laut LifBi die ReGES-Daten deutlich, dass die Bildungsverläufe geflüchteter Jugendlicher in Deutschland stark mit den politischen Vorgaben der Ankunftsbundesländer zusammenhängen. Familiäre und individuelle Merkmale der Jugendlichen, wie zum Beispiel der Bildungsstatus ihrer Eltern, bilden hingegen kein echtes Gegengewicht zum Einfluss der gesetzlichen Vorgaben. Lediglich bei der besuchten Schulform spielen die Bildung der Eltern und die früheren Schulleistungen der Jugendlichen eine etwas bedeutsamere Rolle.
„Geflüchtete Schülerinnen und Schüler sowie ihre Eltern haben nur begrenzte Handlungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Bildungsbeteiligung“, fasst Dr. Regina Becker, Co-Autorin der Studie, dieselbe zusammen. „Die Zuweisung zu einem Bundesland entscheidet maßgeblich über die Wartezeit bis zur Einschulung, ob man altersgerecht eingestuft wird und ob man eine Willkommensklasse besucht. Die zum Teil eingeschränkte Durchlässigkeit im deutschen Bildungssystem kann die Chancen von Geflüchteten weiter mindern, eine höhere Schulform zu besuchen, an der direkt Bildungsabschlüsse wie das Abitur oder die Mittlere Reife erlangt werden können.“