Wie geflüchtete Jugendliche im föderalen deutschen Schulsystem ankommen, hängt stark davon ab, in welchem Bundesland sie leben. In einer neuen Studie zeigen
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Leibniz-Institut für Bildungsverläufe
Studie: Hindernisse für Mütter bei der beruflichen Weiterbildung
Berufliche Weiterbildung ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein wichtiger Faktor, um beruflichen Erfolg und Aufstiegschancen zu fördern. Eine neue Studie des Leibniz-Institut für Bildungsverläufe zeigt nun erstmals einen alarmierenden Trend. Nach der Geburt ihres Kindes investieren Frauen in Deutschland deutlich weniger in ihre berufliche Weiterbildung. Männer hingegen beteiligen sich auch als frischgebackene Väter fast ohne Abstriche weiter am lebenslangen Lernen.
Nach der Geburt eines Kindes reduzieren sowohl Mütter als auch Väter ihre Teilnahme an beruflicher Weiterbildung. Dies teilte das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LifBi). Diese Veränderung ist bei Müttern aber viel stärker ausgeprägt. Während bei Vätern der Rückgang nur 4 Prozentpunkte ausmacht, geht die Teilnahmequote bei Frauen viermal so stark zurück (von 55 auf 39 Prozent) und erreicht das ursprüngliche Niveau später als bei Männern. Zu diesem Ergebnis kommt Prof. Dr. Gundula Zoch (Universität Oldenburg und LIfBi), die dafür Daten von 15.747 Männern und 15.110 Frauen auswertete, die regelmäßig im Rahmen des Nationalen Bildungspanels (NEPS) zu ihrer Bildungsbiografie befragt werden.
Weiterbildung steht für junge Eltern hinten an
Die Studie zeigt, dass berufliche Weiterbildung für junge Eltern zunächst generell in den Hintergrund rückt – jedoch aus ganz unterschiedlichen Gründen. Dafür berücksichtigte Zoch in den Modellen weitere Veränderungen nach der Geburt, beispielsweise die gestiegene Zeitverwendung im Haushalt oder Veränderungen in der beruflichen Situation. Auch hier zeigen sich große Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Während Väter ihre Weiterbildungsaktivitäten nur vorübergehend einschränken, insbesondere während der – meist kurzen – Erwerbsunterbrechung durch die Elternzeit, verzichten Mütter langfristiger auf berufliche Weiterbildungen.
Für Mütter ist die Elternzeit jedoch überraschenderweise nicht der Hauptgrund, auf berufliche Weiterbildung zu verzichten. Laut Studie ist vielmehr ausschlaggebend, dass sie mit einer verringerten Arbeitszeit in den Beruf zurückkehren und langfristig stärker durch die Kinderbetreuung belastet sind. Beides scheint für einen längeren Zeitraum nach der Geburt die Bereitschaft und die Möglichkeiten zu reduzieren, in berufliche Weiterbildungsmaßnahmen zu investieren.
„Die Geburt eines Kindes führt dazu“, sagt Gundula Zoch, „dass Frauen nach wie vor den Großteil der Familienarbeit übernehmen, häufiger in Teilzeit arbeiten, ihre beruflichen Ambitionen reduzieren oder auch weniger unterstützt werden und daher seltener an berufsbezogenen Weiterbildungen teilnehmen. Dies kann sich langfristig nicht nur negativ auf Beförderungschancen, sondern auch auf die Beschäftigungssicherheit auswirken.“
Kinderbetreuung reduziert Nachteile für Frauen
Wie aber können Mütter besser unterstützt werden, damit sich das Missverhältnis in Bezug auf berufliche Weiterbildung für Frauen und Männer wieder angleicht? Dafür untersuchte Gundula Zoch in einer weiteren Studie den Einfluss des Kita-Ausbaus auf das Weiterbildungsverhalten von Müttern. Die Ergebnisse zeigen, dass ein besseres Angebot an Betreuungsplätzen die negativen Auswirkungen der Geburt auf die Teilnahme von Müttern an berufsbezogenen Weiterbildungsmaßnahmen verringert.
Zoch weist darauf hin, dass familienpolitische Maßnahmen für mehr Geschlechtergerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt sorgen können. „Die Ergebnisse verdeutlichen, wie wichtig der flächendeckende Ausbau von frühkindlichen Betreuungsangeboten von guter Qualität ist, um die geschlechtsspezifischen Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt zu verringern.“
- September 20, 2023
- Redaktion Webecho Bamberg
Leibniz-Institut für Bildungsverläufe
Studie: Eltern in prekären Lagen erlebten Corona-Schulschließungen negativer
Eine Studie des Bamberger Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe zeigt, dass insbesondere sozial benachteiligte Familien die pandemiebedingten Schulschließungen in den Jahren 2020 und 2021 als problematisch erlebt haben. Die Forschenden mahnen entsprechend gezielte Unterstützungsangebote an, um Bildungsungleichheiten entgegenzuwirken.
Eine Studie des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe (LIfBi) und der Universität Leipzig zeigt, wie Eltern von Schulkindern die Schulschließungen in den Corona-Jahren 2020 und 2021 erlebt haben. Dies teilte das Institut am Mittwoch (13. September) mit. Für die Auswertung wurden die Antworten von 1.813 Eltern aus dem Jahr 2020 und von 1.898 Eltern aus dem Jahr 2021 herangezogen. Die überwiegende Mehrheit der Kinder befand sich während des ersten Lockdowns in der zweiten Klassenstufe, während des zweiten Lockdowns im Winter und Frühjahr 2021 in der dritten.
Häusliche Lernsituation während der zweiten Schulschließungen schlechter bewertet
Zwei Drittel der Eltern schätzten laut der Studie des LIfBi ihre digitalen Kenntnisse und Fähigkeiten, ihre Kinder beim Lernen zu unterstützen, in der ersten Phase der Schulschließungen im Frühjahr 2020 noch als voll und ganz ausreichend ein. In der zweiten Phase im Winter 2020 //2021 waren es allerdings nur noch etwas mehr als die Hälfte der Eltern.
Auch die für den Distanzunterricht nötige technische Ausstattung wurde zunehmend kritischer gesehen. Schätzten mehr als drei Viertel der Eltern diese während der ersten Schulschließungen noch als ausreichend ein, waren es im zweiten Lockdown einige Monate später 10 Prozent weniger.
„Da in der zweiten Schulschließungsphase vermehrt Online-Plattformen und Videochats genutzt wurden“, sagt Markus Vogelbacher, Erstautor der Studie, „hatten Eltern dann vermutlich größere technische Schwierigkeiten als während der ersten Schließphase, in der überwiegend E‑Mails eingesetzt wurden.“
Starke Anspannungen erfuhren die familiären Situationen zusätzlich während der zweiten Phase der Schulschließungen durch Schwierigkeiten bei der Betreuung der Kinder und gleichzeitiger Berufstätigkeit. „Die Situation in der Familie war während der zweiten Schulschließungen sehr herausfordernd. Sowohl bei der Betreuung als auch bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gaben knapp ein Drittel der befragten Eltern starke bis sehr starke Probleme an“, sagt Markus Vogelbacher.
Pessimistisch blickten Eltern auch auf die Kompetenzentwicklung ihrer Kinder. Während der ersten Schließungen glaubten rund 34 Prozent, dass ihre Kinder in den Hauptfächern zuhause ebenso viel wie in der Schule lernen. Dieser Anteil sank im zweiten Lockdown leicht auf 30 Prozent. Dafür stieg der Anteil der Eltern, die Bildungsrückstände durch den Distanzunterricht erwarteten von 20 auf 31 Prozent deutlich an.
Größere Herausforderungen für sozial Benachteiligte
Die Lernsituation in der zweiten Corona-Welle variierte außerdem deutlich je nach sozialer Lage. Formal niedrig gebildete Mütter und Väter (maximal Hauptschulabschluss) fühlten sich im Gegensatz zu Befragten mit höherer Bildung (Mittlere Reife oder höher) durchweg schlechter darüber informiert, welche Aufgaben die Kinder zu bearbeiten haben. Gleiches gilt laut Studie des LIfBi für alleinerziehende Elternteile.
Im Vergleich zu den Befragten mit der niedrigsten Bildung sahen sich alle anderen Bildungsgruppen besser in der Lage, ihrem Kind beim Lernen des Schulstoffs zu helfen. Die einkommensschwächste Gruppe fühlte sich im Gegensatz zu allen anderen Einkommensgruppen weniger kompetent, ihre Kinder inhaltlich zu unterstützen.
Eine niedrigere inhaltliche Unterstützungsfähigkeit berichten in der Studie außerdem Befragte aus Familien, in denen mindestens ein Elternteil zugewandert ist. Auch bei der räumlichen Situation und der Möglichkeit, dem Kind einen ruhigen Platz zum Lernen zur Verfügung zu stellen, zeigen sich Einkommenseffekte und Nachteile für kinderreiche Familien.
Bildungsungleichheiten durch gezielte Unterstützung entgegenwirken
„Unsere Studie zeigt deutliche Unterschiede zwischen den sozialen Gruppen und im Zeitverlauf eine kritischere Bewertung der häuslichen Lernsituation“, fasst Thorsten Schneider von der Universität Leipzig die Studie zusammen. Er fordert: „Besonders sozial benachteiligten Gruppen müssen Unterstützungs‑, Coaching- und Vernetzungsangebote von den Schulen und öffentlichen Trägern unterbreitet werden, um den bereits entstandenen Bildungsungleichheiten durch die Corona-Pandemie entgegenzuwirken – vor allem, wenn es zu längeren Phasen des Distanzlernens kommt.“
- September 17, 2023
- Redaktion Webecho Bamberg
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Integration geflüchteter Jugendlicher
Bildungspolitik beeinflusst Vorankommen in der Schule
Wie geflüchtete Jugendliche im föderalen deutschen Schulsystem ankommen, hängt stark davon ab, in welchem Bundesland sie leben. In einer neuen Studie zeigen Forschende den Einfluss der Bildungspolitik von Bundesländern auf den Schuleintritt von geflüchteten Jugendlichen.
Schnelle Einschulung oder längere Wartezeit, Schulbesuch mit einheimischen Jugendlichen oder gesonderte Neuzugewandertenklassen – je nach Bundesland und Bildungspolitik gibt es für Jugendliche, die nach ihrer Flucht in Deutschland ankommen, unterschiedliche Varianten zur Integration ins Bildungssystem, jeweils mit Vor- und Nachteilen.
Wie sich die unterschiedliche Bildungspolitik von fünf Bundesländern auf den Schulstart von 2.415 geflüchteten 14- bis 16-jährigen Jugendlichen, die zwischen 2014 und 2018 in Deutschland angekommen sind, ausgewirkt haben, untersuchten nun Forschende des Bamberger Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe (LIfBi) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) anhand von Daten der Geflüchtetenstudie ReGES (Refugees in the German Educational System). Das teilte das LifBi Ende August mit.
Lange Wartezeit, schwerer Wechsel der Schulform
Die Studiendaten zeigen, dass die geflüchteten Jugendlichen nach ihrer Ankunft durchschnittlich sieben Monate auf ihren Schulbeginn warten mussten. Außerdem wurden Faktoren untersucht, die mit der Wartedauer zusammenhängen könnten. Kamen die Jugendlichen in Bundesländern an, die eine zeitliche Begrenzung bis zum Einsetzen der Schulpflicht vorschreiben, wurden sie bis zu zwei Monate schneller eingeschult als in Bundesländern, in denen Geflüchtete solange auf die Einschulung warten müssen, bis sie einer Kommune zugewiesen werden.
„Die Daten zeigen unter anderem, dass die Schullaufbahn der befragten Jugendlichen aufgrund der Flucht und im Zuge des Ankommens in Deutschland insgesamt durchschnittlich länger als ein Jahr unterbrochen war“, sagte Dr. Gisela Will, Projektkoordinatorin der Geflüchtetenstudie am LIfBi. Sie betonte zudem, dass man mögliche Häufungen der Risiken in den Bildungswegen geflüchteter Jugendlicher im Blick behalten müsse.
Speziell eingerichtete Willkommens- oder Neuzugewandertenklassen sollten den Jugendlichen den Einstieg in die Schule erleichtern. Allerdings richteten einzelne Bundesländern diese Klassen vornehmlich an Hauptschulen oder niedrigeren Schulformen ein.
Die Ergebnisse der ReGES-Studie legen nun nahe, dass in diesen Bundesländern die geflüchteten Schülerinnen und Schüler beim Wechsel in eine Regelklasse ihre Schullaufbahn oftmals in der gleichen Schulform fortsetzen und seltener Regelklassen höherer Schulformen besuchen. „Geflüchteten Jugendlichen scheint der Wechsel in eine höhere Schulform in diesen Bundesländern nur schwer zu gelingen“, sagte Dr. Oliver Winkler.
Unter Jüngeren: Vor- und Nachteile
Auch geht aus der Studie hervor, dass Geflüchtete häufig nicht altersgerecht eingeschult wurden. Oftmals lernten sie zusammen mit deutlich jüngeren Mitschülerinnen und ‑schülern. Die aktuelle Analyse zeigt, dass dies meist in jenen Bundesländern geschah, in denen die Geflüchteten nicht möglichst schnell in eine konkrete Klassenstufe eingeschult werden sollen, sondern dies zu einem späteren Zeitpunkt geschieht, wenn etwa detaillierte Messungen der Leistungsstände der Jugendlichen vorliegen.
Neben den Auswirkungen auf das Klassengefüge, in dem durch diese Praxis Jugendliche verschiedener Altersgruppen aufeinandertreffen, hat dies auch für die Geflüchteten selbst Vor- und Nachteile, so die Forschenden. Auf der einen Seite haben ältere Geflüchtete mehr Zeit, um Deutsch zu lernen, bevor die Schulzeit für sie formal endet. Auf der anderen Seite fühlen sich ältere Geflüchtete vielleicht weniger verbunden mit der Schule, weil sie sich schon viel stärker in Richtung Beruf oder Studium orientieren. Und das wiederum kann sich ungünstig auf das Lernen auswirken.
Die Bildungspolitik bestimmt den Weg
Insgesamt zeigen laut LifBi die ReGES-Daten deutlich, dass die Bildungsverläufe geflüchteter Jugendlicher in Deutschland stark mit den politischen Vorgaben der Ankunftsbundesländer zusammenhängen. Familiäre und individuelle Merkmale der Jugendlichen, wie zum Beispiel der Bildungsstatus ihrer Eltern, bilden hingegen kein echtes Gegengewicht zum Einfluss der gesetzlichen Vorgaben. Lediglich bei der besuchten Schulform spielen die Bildung der Eltern und die früheren Schulleistungen der Jugendlichen eine etwas bedeutsamere Rolle.
„Geflüchtete Schülerinnen und Schüler sowie ihre Eltern haben nur begrenzte Handlungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Bildungsbeteiligung“, fasst Dr. Regina Becker, Co-Autorin der Studie, dieselbe zusammen. „Die Zuweisung zu einem Bundesland entscheidet maßgeblich über die Wartezeit bis zur Einschulung, ob man altersgerecht eingestuft wird und ob man eine Willkommensklasse besucht. Die zum Teil eingeschränkte Durchlässigkeit im deutschen Bildungssystem kann die Chancen von Geflüchteten weiter mindern, eine höhere Schulform zu besuchen, an der direkt Bildungsabschlüsse wie das Abitur oder die Mittlere Reife erlangt werden können.“
- September 11, 2022
- Redaktion Webecho Bamberg