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Martin Neubauer

Ers­te Oper im Erker

30 Jah­re Brentano-Theater

Das Bren­ta­no-Thea­ter in der Gar­ten­stra­ße 7 fei­er­te im Sep­tem­ber sein 30-jäh­ri­ges Bestehen. Pünkt­lich zum Jubi­lä­um führ­te Bam­bergs kleins­tes Thea­ter, des­sen Büh­ne ein Erker im Wohn­zim­mer ist, erst­mals eine Oper auf. Ein Besuch bei Mar­tin Neubauer.

Mit dem Stück „Lore­ley und Hum­se­ra“ gab es zum Jubi­lä­um ein Musik-Thea­ter der beson­de­ren Art im Bren­ta­no-Thea­ter. Dies­mal fand in dem knapp zwei Qua­drat­me­ter gro­ßen Erker eine von Mar­tin Neu­bau­er selbst zusam­men­ge­stell­te Oper statt. „Das ist so absurd, dass es mich schon lan­ge gereizt hat“, erzählt Neu­bau­er und schmun­zelt. Mit zar­ten Klän­gen, roman­ti­scher Poe­sie und frän­kisch-der­ber Komik geht es dar­in zu – gesun­gen von der Sopra­nis­tin Lau­ra Bart­hel als „Schöns­te Jung­frau“ an der Reg­nitz mit Lie­dern von Robert Schu­mann, Franz Liszt und einer Arie aus der Oper „Lore­ley“ von Alfre­do Cata­la­ni, sze­nisch umspielt von Neu­bau­er selbst als „Bren­ta­no“ und text­si­cher mit Poin­ten in frän­kisch unter­malt von Bea­te Roux als „Hum­se­ra“. Das Stück ist eine wei­te­re Hom­mage an den Namens­ge­ber des klei­nen Thea­ters, Cle­mens Bren­ta­no (1778 bis 1842), Schrift­stel­ler, Dich­ter und einer der Ver­tre­ter der „Hei­del­ber­ger Romantik“.

Wer jedoch glaubt, Bren­ta­no und die Epo­che der Roman­tik sei­en längst ver­staubt, irrt. Bren­ta­no und sei­ne Gefähr­ten waren zu ihrer Zeit über­aus kühn. „Die The­men roman­ti­scher Gedich­te wie die Lie­be zur Natur, der Zau­ber zwi­schen­mensch­li­cher Bezie­hun­gen, die Nacht­sei­te des Men­schen, die Brü­chig­keit der Spra­che oder die Pro­ble­me der Hei­mat­su­che sind zeit­los und stel­len sich als Fra­gen heu­te neu“, sagt Neu­bau­er. Und er muss es wis­sen. Unzäh­li­ge Gedich­te aus die­ser Zeit hat er im Kopf. Es gibt kaum eine Spiel­art Poe­sie, die er noch nicht ver­sucht hat zu ver­ste­hen und mit schau­spie­le­ri­schem Kön­nen auf sei­ner klei­nen Büh­ne umzu­set­zen. In sein Wohn­zim­mer mit Erker, das er vor rund 30 Jah­ren bezo­gen hat und in das er sich bis heu­te ein­mie­tet, haben es schon vie­le Stü­cke bedeu­ten­der, oft auch ver­ges­se­ner Dich­te­rin­nen und Dich­ter geschafft.

Wohn­zim­mer-Thea­ter, ent­stan­den aus spon­ta­ner Idee

Mar­tin Neu­bau­er ist gebür­ti­ger Bam­ber­ger. Auch sei­ne Mut­ter woll­te Schau­spie­le­rin wer­den, sein Vater Hans Neu­bau­er war rund drei Jahr­zehn­te schrei­bend und als Vor­sit­zen­der des Bam­ber­ger Kunst­ver­eins aktiv. Ihn selbst zog es nach dem Abitur nach Mün­chen an die „Neue Münch­ner Schau­spiel­schu­le“, an der er 1988 sei­ne Büh­nen­rei­fe­prü­fung absol­vier­te. Ver­schie­de­ne Enga­ge­ments, etwa an der Lan­des­büh­ne und dem Staats­thea­ter Han­no­ver sowie beim „Jun­gen Thea­ter“ in Essen folg­ten. In die­ser Zeit sam­mel­te er zudem Rund­funk- und Fern­seh­erfah­rung, was ihn in der Wahl eines wei­te­ren Berufs­felds, das eines lite­ra­risch-musi­ka­li­schen Rezi­ta­tors, bestärkte.

Brentano-Theater
Mar­tin Neu­bau­er mit Gäs­te­bü­chern, Foto: Danie­la Pielenhofer

„Ich woll­te nicht mein gan­zes Leben in Fest­ver­trä­gen ver­brin­gen“, erzählt er, „des­halb bin ich Anfang der 1990er Jah­re zurück nach Bam­berg gegan­gen, um aus einem spon­ta­nen Gedan­ken her­aus an einem gesel­li­gen Abend mit Freun­den und ganz neben­bei am 215. Geburts­tag von Cle­mens Bren­ta­no, den ich in Stü­cken an der Schau­spiel­schu­le ver­kör­pern durf­te, mein eige­nes, klei­nes Wohn­zim­mer-Thea­ter zu grün­den.“ Anfangs sei das eigent­lich nur pri­vat gewe­sen, als eine Art Spiel auf Pro­be. „Dass ich das dann 30 Jah­re lang machen wer­de, hat­te ich wahr­lich nicht geplant und es fühlt sich auch gar nicht so lan­ge an – eher wie sie­ben Jah­re viel­leicht“, sagt er und lacht.

„Ich mache hof­fent­lich kei­ne abge­ho­be­nen Sachen“

Zwi­schen 28 und 32 Besu­che­rIn­nen fin­den im Bren­ta­no-Thea­ter Platz. Der Sta­pel der Gäs­te­bü­cher aus 30 Jah­ren ist so hoch, dass Mar­tin Neu­bau­er sie kaum hal­ten kann. Die Ein­bän­de und Inhal­te sind bunt gemischt.

In den letz­ten Jah­ren zieht es auch ver­mehrt jun­ge Leu­te ins Thea­ter im Erker. Wahr­schein­lich auch in sein Pro­gramm zu Edgar Allan Poe jetzt im Novem­ber. „Dabei erklingt zu den Erzäh­lun­gen eigens durch sie inspi­rier­te Musik von Clau­de Debus­sy und And­re Cap­let. Genüss­li­che Gän­se­haut darf erwar­tet wer­den“, sagt Neubauer.

Der Erker ist dabei aber kein Ort der geis­ti­gen Abge­ho­ben­heit: „Will­kom­men ist jede und jeder, die oder der sich für die Ange­bo­te in die­sem bewusst klei­nen, über­schau­ba­ren Rah­men inter­es­siert.“ Auf gro­ße Büh­nen drängt es ihn nicht so sehr. „Gedich­te ver­lie­ren sich leicht in einem gro­ßen Raum“, sagt er. Sie in sei­nem klei­nen Thea­ter im Erker zu ver­mit­teln, sei nicht nur zugäng­li­cher, son­dern es gebe danach auch die Gele­gen­heit zu per­sön­li­chem Aus­tausch. „Mein Ver­hält­nis zum Publi­kum ist ver­trau­lich. Ich mache hof­fent­lich kei­ne abge­ho­be­nen Sachen. Vie­le mei­ner Besu­che­rin­nen und Besu­cher kom­men regel­mä­ßig, es sind aber auch immer wie­der neue Gesich­ter dabei.“ Der Ein­tritt erfolgt über­dies ganz im Sin­ne von Bren­ta­no nach Belie­ben, das bedeu­tet, alle Gäs­te zah­len die Sum­me, die sie für rich­tig hal­ten. Was klingt wie etwas aus der Zeit gefal­len, plant der Künst­ler den­noch auch in nächs­ter Zeit nicht zu ändern.

Roman­ti­sche Stü­cke mit Witz und Humor

Der klei­ne Spiel­be­trieb in der alten Vil­la aus der Grün­der­zeit in der Gar­ten­stra­ße 7 brach­te im Lau­fe der Zeit immer neue Auf­ga­ben, Her­aus­for­de­run­gen und Ent­de­ckun­gen mit sich. Ent­spre­chend bleibt Mar­tin Neu­bau­er neu­gie­rig und ver­sucht, auf die Ent­wick­lun­gen zu reagie­ren. „Mit einer gewis­sen Bil­dungs­ar­ro­ganz, wie man sie in frü­he­ren Tagen noch erle­ben konn­te, kann man heu­te nicht mehr auf­tre­ten. Ich möch­te aber den The­men treu blei­ben, die mir wich­tig sind und sie für heu­te zugäng­lich auf­be­rei­ten. Ich wür­de ger­ne Schwel­len­ängs­te vor der Lite­ra­tur abbau­en“, erklärt er.

Wegen sei­ner Vor­lie­be für die Lyrik und das roman­ti­sche Kunst­lied setzt er auch in sei­ner schau­spie­le­ri­schen Kunst nach wie vor auf poe­ti­sche Stü­cke in einer sprach­lich aus­ge­feil­ten und zugleich wit­zi­gen Hal­tung. „Der Humor in mei­nen Dar­bie­tun­gen ist mir ganz beson­ders wich­tig, und auch wenn das in der deut­schen Tra­di­ti­on oft unter­ent­wi­ckelt erscheint, Anspruch und Witz sind ja kei­ne Gegensätze.“

Die Tex­te des viel­sei­ti­gen Dich­ters Cle­mens Bren­ta­no, der anar­chisch, unver­schämt frech, tief-reli­gi­ös und zugleich innig über die vie­len Facet­ten des Lebens geschrie­ben hat, bie­ten dabei bis heu­te eine Leit­li­nie. Wie auch die der ande­ren roman­ti­schen Dich­ter und Lyri­ker, von Joseph von Eichen­dorff über E. T. A. Hoff­mann bis hin zu Edu­ard Möri­ke. In einem sich stän­dig wech­seln­den Pro­gramm ist die Aus­wahl ent­schei­dend. „Die­se Dich­ter drü­cken Gefüh­le so dif­fe­ren­ziert aus, dass man dar­an durch­aus einen ver­ant­wor­tungs­be­wuss­ten Umgang mit Spra­che ler­nen kann“, sagt Neu­bau­er. „Das zu ver­mit­teln, ist mir beson­ders wichtig.“

In sei­nen Rezi­ta­tio­nen und Lesun­gen will er dem­ge­mäß Zei­chen set­zen für die Sen­si­bi­li­tät im Umgang mit Spra­che, indem er auf­zeigt, wie Spra­che von gro­ßen Autorin­nen und Autoren gebraucht wur­de, und so ver­deut­li­chen, was Spra­che mit dem Mit­ein­an­der und der Ach­tung vor­ein­an­der zu tun hat. „Spra­che wird oft gedan­ken­los ein­ge­setzt und kann auch eine gefähr­li­che Waf­fe werden.“

Aus Neu­bau­ers Sicht ist es völ­lig irrig zu glau­ben, dass heu­te nichts mehr gesagt wer­den dür­fe – die Acht­sam­keit sei ent­schei­dend. „Gen­dern hal­te ich kei­nes­wegs für einen Fron­tal­an­griff auf die deut­sche Spra­che, wie mit­un­ter fast hys­te­risch geunkt wird. Es ist sinn­voll und wich­tig, unser all­täg­li­ches Voka­bu­lar immer wie­der zu über­prü­fen. Wer gen­dert, denkt über Spra­che nach. Bei alten Tex­ten geht das frei­lich oft nicht ohne Geschichts­fäl­schung und Klang­zer­stö­rung. Dann scheint mir kri­ti­sches Kom­men­tie­ren sinn­vol­ler. Auch bewusst wahr­ge­nom­me­ne Dis­kre­pan­zen wir­ken ange­spro­chen ja erhellend.“

Poe­sie unter frei­em Himmel

Die Palet­te sei­ner Dar­bie­tun­gen ist nicht nur nach­denk­lich bis tief­grün­dig, son­dern auch hei­ter bis lus­tig. Der Kaba­ret­tist Neu­bau­er ver­ehrt auch Karl Valen­tin oder Oscar Wil­de, Erich Käst­ner, Wil­helm Busch und vie­le mehr. „Die Men­schen haben Sehn­sucht nach erfreu­li­chen, hoff­nungs­vol­len Din­gen und brau­chen spür­bar See­len­oa­sen“, fin­det er. Sei­ne „Poe­ti­schen Hain­spa­zier­gän­ge“, in denen er mit sei­nem Publi­kum raus­geht, um unter frei­em Him­mel zu rezi­tie­ren und dabei der Dich­tung und der Lyrik wie auch der Natur zu frö­nen, sind beliebt und bis­wei­len legen­där. Zwi­schen vier und 200 Besu­che­rIn­nen konn­te der Künst­ler bereits für die­se Aus­flü­ge begeistern.

„Je nach The­ma und Wet­ter vari­iert das natür­lich“, sagt Neu­bau­er. „Der Ansatz ist aber immer gleich. Ich möch­te zu Poe­sie und Zart­heit ver­lo­cken.“ Neben sei­nen Solo­pro­gram­men zu den Dich­tern und Den­kern der Roman­tik bin­det er auch die Jah­res­zei­ten mit ein, in denen er wech­seln­de Spa­zier­gän­ge zu poe­ti­schen The­men orga­ni­siert wie dem­nächst wie­der den „Novem­ber­trost“, ein Pro­gramm gegen den Herbst-Blues. Auch Fei­er­ta­ge wer­den berück­sich­tigt. In der Vor­weih­nachts­zeit gibt es ein kri­ti­sches Advents­pro­gramm, bevor Neu­bau­er an Hei­lig­abend und Sil­ves­ter in der Johan­nis­ka­pel­le in Wort und Ton feiert.

Mit musi­ka­lisch-lite­ra­ri­schen High­lights in sei­nem klei­nen Thea­ter kann er zudem seit län­ge­rem in ver­schie­de­nen Koope­ra­tio­nen auf­war­ten. Da gab es schon Melo­dra­men von Schu­mann, Liszt und Schu­bert mit Bea­te Roux am Kla­vier oder Pro­gram­me mit dem Bam­ber­ger Bergan­za-Quar­tett. Frän­kisch-lite­ra­risch und neben­bei kra­chend wird es dar­über hin­aus in bereits zehn Fol­gen von „Literadur-Zeuch“ mit Hei­ko Trie­be­ner, dem Solo­tu­bis­ten der Bam­ber­ger Symphoniker.

„Ich möch­te Kost­bar­kei­ten anbie­ten, auf die die Men­schen sonst viel­leicht gar nicht gekom­men wären“, sagt Neu­bau­er. Erschöp­fen­de Welt­erklä­run­gen kön­ne Kunst natür­lich nicht geben, aber einen erwei­ter­ten Blick auf Lebens­sinn, Glau­be und Nicht-Glau­be und vie­les mehr schon. „Wenn man das denn möch­te“, so der Künstler.

Neben dem Bren­ta­no-Thea­ter ist Mar­tin Neu­bau­er auch immer wie­der quer durch Deutsch­land mit ver­schie­de­nen Enga­ge­ments unter­wegs. Dem­nächst bei­spiels­wei­se zu sehen in einem gro­ßen Ora­to­ri­um in Gerolz­ho­fen, bei einem Karl Valen­tin-Abend in Forch­heim und bei einem Pro­gramm zu Bren­ta­no im Roman­tik-Muse­um Frank­furt oder in Dülmen.

Beruf mit sozia­ler Verantwortung

Die Viel­falt in sei­nen Dar­bie­tun­gen führ­te ihn bereits zu Auf­trit­ten mit den Bam­ber­ger Sym­pho­ni­kern oder dem Köl­ner Rund­funk­or­ches­ter, ins Ton­stu­dio zu CD-Auf­nah­men und auch an die Hoch­schu­le für Musik in Würz­burg zu Lehr­auf­trä­gen. Für sei­ne Arbeit in der Regi­on erhielt er bereits den Kul­tur­för­der­preis der Stadt Bam­berg und den Bergan­za-Preis des Bam­ber­ger Kunst­ver­eins. Eine sozia­le Ver­ant­wor­tung sieht er in sei­nem Beruf oben­drein. So spricht er öfters auf Kund­ge­bun­gen für Men­schen­rech­te. Im Rah­men der „Kul­tur der Stil­le“, die ein­mal im Monat in Zusam­men­ar­beit mit dem Cel­lis­ten Karl­heinz Busch statt­fin­det, gehen die Ein­nah­men an einen guten Zweck.